Statusfeststellungsverfahren
Paketzusteller
Beschäftigungsbegriff
Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit
Vertragsverhältnis der Beteiligten
Tatbestand
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) für dessen Tätigkeit bei der Klägerin als Kurierdienstfahrer
in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010.
Die Klägerin übernimmt im Auftrag von H. die Zustellung von Paketen. Hierzu verfügt sie über eigene Kfz, die von bei der Klägerin
angestellten Fahrern gefahren werden. Zusätzlich vergibt sie auch Aufträge an "Subunternehmer" wie den Beigeladenen zu1),
die die Aufträge von H. an die Klägerin als selbständig Tätige ausführen sollen. Maßgeblich für die Zusammenarbeit der Klägerin
mit H. sind vertragliche Vereinbarungen, deren Einhaltung die Klägerin auch gegenüber ihren Auftragnehmern sicherstellen muss.
Am 22.02.2010 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen nicht näher bezeichneten "Vertrag", aufgrund dessen der
Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin als "Subunternehmer" zum 01.03.2010 aufnahm, die zum 18.09.2010 endete.
Am 19.03.2010 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten unter Vorlage des Vertrages einen Antrag auf Statusfeststellung.
Der "Vertrag" hat folgenden Inhalt:
1. Vertragsgegenstand 1.1. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Entgegennahme von Sendungen, sowie deren
Transport und Verteilung im vereinbarten Zustellgebiet (siehe Anlage). Diese Sendungen sind an die entsprechenden Empfänger
auszuliefern. Ferner sind sogenannte Retouren anzunehmen und zu transportieren. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass alle
Paketshops im Betreuungsgebiet, für die der Fahrer zuständig ist, täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden. 1.2. Der Auftraggeber
übt seine Tätigkeit selbständig aus. 1.3. Für die Auslieferung von Sendungen benützt der Auftragnehmer und dessen Erfüllungsgehilfe
die von H. zur Verfügung gestellten Medea-Scanner. Die Abarbeitung von Sendungen kann nur über diese Scanner durchgeführt
werden. Die Scanner werden von H. zu einem festgesetzten Mietpreis pro Monat angemietet. 1.4. Der Auftragnehmer ist für die
ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben verantwortlich. Im Falle seiner Verhinderung hat er selbst für eine entsprechende
Vertretung zu sorgen. Bedient sich der Auftragnehmer anderer Personen zur Vertragserfüllung, so hat er sicherzustellen, dass
die Tätigkeiten mit der Sorgfalt erfüllt werden, wie durch den Auftragnehmer selbst. Dem Auftraggeber sind für die eingesetzten
Erfüllungsgehilfen und Mitarbeiter des Auftragnehmers, polizeiliche Führungszeugnisse und die Bestätigungen der Anmeldungen
zur Sozialversicherung vorzulegen. 1.5. Der Auftragnehmer stellt sicher, dass er bzw. die von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen
während der Zustell- und Abholtätigkeit anhand ihrer vollständigen Oberkörper-Bekleidung als H.-Partner zu erkennen sind.
Hierzu bezieht der Auftragnehmer Bekleidung aus dem offiziellen H.-Bekleidungsangebot in ausreichendem Umfang. Zum Tragen
dieser Bekleidung im Rahmen einer anderweitigen gewerblichen Tätigkeit, sowie nach Beendigung der vorliegenden Zusammenarbeit
ist der Auftragnehmer nicht berechtigt. Seine Erfüllungsgehilfen wird er entsprechend verpflichten. 1.6. Weiter wird sichergestellt,
dass der Transport nur mit ordentlichen Lieferfahrzeugen durchgeführt, wird. Das Fahrzeug muss entsprechend mit Hängevorrichtung
für Konfektionswaren ausgestattet sein. Das Fahrzeug ist beidseitig mit entsprechender Beschriftung als H.-Kurierfahrzeug
zu kennzeichnen. Der Auftraggeber stellt die entsprechenden Beschriftungen gegen Selbstkosten zur Verfügung.
2. Vergütung 2.1. Für die gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages durchgeführten Leistungen erhält der Auftragnehmer die in
der Anlage festgelegte Vergütung. 2.2. Über die Leistungen wird der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber monatlich zu
Beginn des Folgemonats abrechnen. 2.3. Für Versicherungen jedweder Art hat der Auftragnehmer selbst zu sorgen. Mit der Vergütung
sind sämtliche Aufwendungen des Auftragnehmers abgegolten. 2.4. Sofern der Auftragnehmer berechtigt ist, die Mehrwertsteuer
auszuweisen, wird er dieses dem Auftraggeber schriftlich bestätigen.
3. Haftung Der Auftragnehmer haftet für alle Personen-, Sach- und -Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen
im Zusammenhang mit der Durchführung seines Auftrages verursachen. Soweit der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften
nur bei schuldhaftem Verhalten durch ihn oder einen durch ihn eingesetzten Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen haftet, hat
der Auftragnehmer nachzuweisen, dass ihn oder den Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen ein Verschulden bei Entstehung des
Schadens nicht trifft. Ein Recht auf Zurückbehaltung der beim Auftragnehmer befindlichen Sendungen besteht nicht.
4. Laufzeit und Kündigung 4.1. Dieser Vertrag tritt zum 01.03.2010 in Kraft, läuft auf unbestimmte Zeit und kann mit einer
Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden. 4.2. Unberührt bleibt das Recht beider Vertragspartner, den Vertrag bei
Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos zu kündigen. Wichtige Gründe sind u.a. die Beantragung eines Vergleichs- oder Konkurs-
oder sonstigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners, sowie ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieses
Vertrages, insbesondere Diebstahl bzw. Unterschlagung von Sendungen.
5. Konkurrenzklausel und Vertraulichkeit 5.1. Der Auftragnehmer ist frei, selbständig am Markt weitere Beförderungsleistungen
anzubieten und zu erbringen, soweit diese die Erfüllung des Vertrages nicht beeinträchtigen. 5.2. Der Auftragnehmer verpflichtet
sich zur Einhaltung des Datengeheimnisses gemäß §
5 Bundesdatenschutzgesetz (
BDSG) wie folgt: "Es ist dem Auftragnehmer untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als den zur
jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst
zu nutzen". Die Verpflichtung des Auftragnehmers auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße
können nach §
43 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Diese Regelung gilt sinngemäß
auch für Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers.
6. Schlussbestimmungen 6.1. Aufhebungen, Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. 6.2. Sollte
eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise gegen gesetzliche Regelungen verstoßen oder aus sonstigen Gründen nichtig
sein, wird dadurch die Gültigkeit des übrigen Vertrages nicht berührt. Die Parteien werden die nichtige Bestimmung im gegenseitigen
Einvernehmen durch eine andere ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen am nächsten kommt.
Mit Bescheid vom 14.01.2011 stellte die Beklagte nach entsprechender Anhörung fest, dass die auf der Grundlage dieses Vertrages
ausgeübte Tätigkeit als Kurierdienstfahrer eine abhängige Beschäftigung sei und Versicherungspflicht in der Krankenversicherung,
der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum
18.09.2010 bestanden habe.
Die zu beurteilende Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Kurierdienstfahrer bestehe in der Entgegennahme von Sendungen, Transport
und Verteilung der Sendungen im vereinbarten Zustellgebiet. Diese Tätigkeit sei bei Gesamtwürdigung der Merkmale als abhängiges
Beschäftigungsverhältnis einzustufen. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien dabei:
- Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet und sei über eine Preisliste erfolgt. - Die
Tätigkeit sei nach den Grundregeln des H.-Qualitätshandbuchs erfolgt mit Vorgabe einer konsequenten Beachtung dieser Leitsätze
(z. B. habe der Beigeladene zu 1) als Zusteller im Auftrag von H. erkennbar sein müssen). - Notwendiger Einsatz eines gemieteten
Scanners von H., dem Vertragspartner der Klägerin. - Der Beigeladene zu 1) habe zwar keine festen Arbeitszeiten gehabt, aber
die Auslieferung in einem bestimmten Zeitfenster vornehmen müssen. - Der Beigeladene sei nicht im Besitz der Erlaubnis nach
§ 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes oder der Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der Verordnung (EWG) 881/92. - Die Paketshops im Betreuungsgebiet hätten täglich ab 12.00 Uhr angefahren werden müssen. -
Vertragliche Verpflichtung zur H.-Bekleidung während der Tätigkeit. - Vertragliche Verpflichtung zur Ausstattung des Fahrzeugs
mit Hängevorrichtung für Konfektionswaren. - Vertragliche Verpflichtung zur Beschriftung des Fahrzeugs als H.Kurierfahrzeug.
- Eine Vertretung des Beigeladenen zu 1) habe zwar von diesem theoretisch eingesetzt werden können, die persönliche Ausübung
der Tätigkeit sei jedoch die Regel gewesen.
Demgegenüber würden die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit nicht wesentlich ins Gewicht fallen:
- Keine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zur Annahme von Aufträgen. - Der Beigeladene zu 1) habe eine eigene Werbung/Kundenakquisition
betrieben. - Bestehende Haftung des Beigeladenen zu 1) für alle Personen-, Sach-, Vermögensschäden, die er bzw. seine Erfüllungsgehilfe
bei Durchführung seines Auftrags verursachen. - Eigener Pkw des Beigeladenen zu 1).
Im Ergebnis sei der Beigeladene zu 1) mit Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig gewesen.
Der Antrag auf Statusfeststellung sei zwar innerhalb des Monats der Aufnahme der Tätigkeit gestellt worden. Die Voraussetzungen
des §
7a Abs.
6 Satz 2
SGB IV für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien jedoch nicht erfüllt, weil Versicherungsschutz des Beigeladenen
zu 1) zur Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge nicht nachgewiesen worden sei.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beigeladene
zu 1) habe bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht der Klägerin unterlegen. Zwar habe
der Beigeladene zu 1) entscheiden können, ob er Aufträge angenommen oder abgelehnt habe. Im Statusfeststellungsverfahren werde
jedoch eine Tätigkeit erst beurteilt, wenn ein solcher Einzelauftrag zustande gekommen sei. Mit Annahme sei eine Eingliederung
in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Eine Ablehnung von angebotenen Aufträgen sei dem Beigeladenen zu 1)
im gleichen Maße möglich gewesen, wie ein Arbeitnehmer die Möglichkeit habe, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz abzulehnen.
Bei Annahme eines Angebotes im Einzelfall bestehe dann eine abhängige Beschäftigung.
Nicht entscheidend sei, ob und wie die Klägerin im Einzelfall Einfluss auf die Tätigkeit genommen und von ihrem Weisungsrecht
Gebrauch gemacht habe. Ein wesentlicher Gestaltungsspielraum bezüglich der zu erbringenden Dienstleistung sei nicht gegeben
gewesen. Ein Unternehmerrisiko habe nicht vorgelegen. Die Vergütung habe sich nach gelieferten Paketen und Gepäckstücken gerichtet
und sei über eine vorgegebene Preisliste erfolgt. Insoweit sei der Beigeladene zu 1) mit anderen Arbeitnehmern vergleichbar
wie z. B. Stücklohn-, Akkord-, oder Heimarbeitern. Ein Unternehmensrisiko ergebe sich auch nicht aus dem geleasten Fahrzeug.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth.
Mit Urteil vom 14.08.2014 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011
auf. Der Beigeladene zu 1) sei nicht sozialversicherungspflichtig gewesen, da er selbstständig tätig geworden sei. Im Ergebnis
würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit deutlich überwiegen:
- Der Beigeladene zu 1) habe als Arbeitsmittel ein eigenes Kfz benutzt. - Der Beigeladene zu 1) habe den H.-Scanner monatlich
mit 15,00 Euro bezahlen müssen. - Der Beigeladene zu 1) habe die H.-Berufsbekleidung zwar käuflich erwerben müssen. Eine Pflicht
zum Tragen dieser Kleidung habe jedoch nach den Einlassungen des Geschäftsführers der Klägerin nicht bestanden. Der Beigeladene
zu 1) habe die Kleidung lediglich getragen, damit ihm die Türen von Kunden geöffnet wurden. Beim Tragen der Berufskleidung
sei daher nicht die Werbung für H. im Vordergrund gestanden, sondern die Erkennbarkeit des Beigeladenen zu 1) als Mitarbeiter
eines Zustelldienstes. - Der Beigeladene zu 1) sei auch befugt gewesen, für dritte Auftraggeber tätig zu sein und habe dies
auch getan. Für ein- bis eineinhalb Monate habe er zusätzlich Auslieferfahrten für Apotheken zur Nachtzeit durchgeführt. -
Zwar habe der Beigeladene zu 1) einen festen Zustellbezirk gehabt und in diesem Bezirk auch alle Pakete ausfahren müssen.
Allerdings habe die Möglichkeit bestanden, dass der Beigeladene zu 1) seinen Arbeitsumfang hätte erweitern oder verringern
können durch Vergrößerung oder Verkleinerung der Zustellbezirke. - Die Beigeladene zu 1) habe das Qualitätshandbuch von H.
nicht gekannt bzw. dieses nicht für seine Tätigkeit herangezogen. - Der Beigeladene zu 1) sei nicht verpflichtet gewesen,
die Dienstleistung persönlich zu erbringen. Im Übrigen habe der Beigeladene zu 1) erklärt, er habe einen Praktikanten für
zwei Wochen als Fahrer eingesetzt, wofür dieser jedoch kein Geld erhalten habe. - Im Krankheitsfalle habe der Beigeladene
zu 1) selbst für Ersatz sorgen müssen. Dies sei jedoch in der Praxis nicht vorgekommen. - Der Beigeladene zu 1) habe einen
Steuerberater beschäftigt. - Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) lasse sich von der Tätigkeit der bei der Klägerin fest angestellten
Fahrer abgrenzen. Diese würden kurzfristig einspringen, falls ein selbstständiger Fahrer ausfällt und keinen Ersatz beschafft.
Dabei benutzten die Festangestellten jedoch kein eigenes Fahrzeug, sondern ein Fahrzeug der Klägerin. Sie würden auch nicht
nach Stückzahl bezahlt, sondern nach Stunden. - Der Beigeladene zu 1) habe ein unternehmerisches Risiko getragen, weil er
sämtliche Arbeitsmittel habe vorfinanzieren müssen, auch den Treibstoff für Fahrzeug, ohne dass festgestanden hätte, in welchem
Umfange er Einnahmen erzielen würde bzw. ob die Einnahmen die Ausgaben übersteigen würden.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Das Gesamtbild der Tätigkeit ergebe, dass der Beigeladene zu 1) in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und deren Weisungen
unterworfen gewesen sei. Dies ergebe sich aus der vertraglichen Bindung des Beigeladenen zu 1) an die Vorgaben der Klägerin,
wobei die Klägerin ihrerseits wieder vertraglich gegenüber H. verpflichtet gewesen sei, die Einhaltung der zahlreichen Vorgaben
durch H. an sie durch entsprechende Kontrollen beim Beigeladenen zu 1) sicherzustellen.
Die Durchführung der Auftragsentwicklung sei einseitig durch die Klägerin vorgegeben gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe nicht
durch Optimierung seiner Arbeitsweise seine unternehmerischen Fähigkeiten nutzen können. Dem Beigeladenen zu 1) seien lediglich
unternehmerische Risiken aufgebürdet worden, ohne dass dementsprechende unternehmerische Chancen gegenüberstanden hätten.
Insbesondere spreche die Form der Vergütung gegen eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) habe keine Möglichkeit
gehabt, über die Höhe des Entgelts für seine Tätigkeit frei zu verhandeln. Die Höhe der Vergütung habe sich nach der Anzahl
der auszuliefernden Güter und den dafür jeweils von der Klägerin festgelegten Stückpreisen laut Anlage zum Beförderungsvertrag
zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) ergeben. Die H. Logistikgruppe Deutschland GmbH habe sich im Übrigen gegenüber
der Klägerin verpflichtet, unter bestimmten Umständen für Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen
zu 1) einzutreten.
Im Kontext der vertraglichen Beziehungen und ihrer tatsächlichen Durchführung trete in den Hintergrund, dass der Beigeladene
zu 1) ein eigenes Fahrzeug zur Leistungserbringung eingesetzt habe (BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 38/02 R).
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. August 2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und festzustellen, dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit
vom 01.03.2010 bis 18.09.2010 keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Klägerseite verweist auf das Urteil des Sozialgerichts, das ihrer Überzeugung nach zutreffend ist. Der Beigeladene zu
1) sei weder in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, noch habe er Weisungen unterlegen. Der Beigeladene zu 1) habe
die übliche Tätigkeit von Frachtführern ausgeübt, wie sie von Arbeitnehmern aber vor allem auch von Selbstständigen erbracht
werden könnte. Hier habe der Beigeladene zu 1) ein eigenes Unternehmensrisiko gehabt. Er habe zunächst mit einem eigenen Fahrzeug
die Leistung erbracht und dann später ein Fahrzeug geleast, ohne dass die Klägerin mit dem Leasingvertrag etwas zu tun gehabt
hätte.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011, mit dem
festgestellt wurde, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 01.03.2010 bis 18.09.2010
als Kurierdienstfahrer versicherungspflichtig war in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.08.2014 ist auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage gegen den
Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 abzuweisen, da dieser rechtmäßig ist und die
Klägerin und den Beigeladenen zu 1) nicht in ihren Rechten verletzt.
Der Beigeladene zu 1) war Kurierdienstfahrer für die Klägerin nach den über die Klägerin an den Beigeladenen zu 1) weitergeleiteten
engen Vorgaben von H. und damit abhängig beschäftigt (vgl. zu einem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall Landessozialgericht
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14).
Nach §
7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild
der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse
sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.
Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen
tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich
aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung
auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung
rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag
geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte
Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R).
Diesen Grundsätzen folgend ist Ausgangspunkt für die Prüfung des Status des Beigeladenen zu 1) der geschlossene, nicht näher
definierte "Vertrag". Nach dem Willen der Parteien dieses Vertrages, in dem die Begriffe Auftraggeber und Auftragnehmer gewählt
wurden und der auch nach den sonstigen gewählten Formulierungen für selbständige Tätigkeit spricht, sollte der Beigeladene
zu 1) als Selbständiger Transportdienstleistungen erbringen. Die Beigeladene zu 1) hatte ein entsprechendes Gewerbe für die
streitgegenständliche Zeit angemeldet. Er hatte nach dem Vertrag keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, Urlaub und Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall und es galten außerdem umfangreiche Haftungsregelungen.
Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des bestehenden Rechtsverhältnisses ist jedoch weder die von den Beteiligten
gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung maßgeblich. Die Frage, ob eine Beschäftigung oder eine Selbständigkeit
vorliegt, steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, über
die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und deren Vereinbarung zu entscheiden. Vielmehr sind
die relevanten Merkmale zu gewichten.
Vorliegend erbrachte der Beigeladene zu 1) die vertraglich vereinbarten Transportleistungen nicht mit einem von der Klägerin
gestellten Fahrzeug, sondern mit einem eigenen Fahrzeug. Allerdings führt dieses Merkmal nicht automatisch zur Beurteilung
einer Tätigkeit als selbständige Tätigkeit. Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten kommt es -
abgesehen von der erforderlichen rechtlichen Zulässigkeit der praktizierten Beziehung - nicht allein darauf an, ob der Fahrer
ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Kfz und die damit einhergehende Lastentragung allerdings in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten
für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 12 KR 28/03 R und Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R).
Insbesondere muss sich ein besonderes Unternehmensrisiko aus dem eigenen Kfz ergeben. Bei dem Personenkreis der Kurierfahrer
kann die selbständige Tätigkeit allerdings nicht vornehmlich am Merkmal eines eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, wenn der
wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs nicht so hoch ist, dass hierin ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen
Risiko verbundener Aufwand begründet werden kann (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104). Es entspricht dann keinem Unternehmerrisiko, wenn einem möglichen Verlust des Fahrzeugs keine unternehmerischen
Chancen gegenüber stehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.01.2014 - L 1 KR 358/12; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juli 2015, L 6 R 23/14 Rz. 104).
Hier fehlt es beim Beigeladenen zu 1) insgesamt an einer risikobehafteten Unternehmensstruktur. Abgesehen vom eigenen Pkw
für die Fahrten zu den Orten der Tätigkeit und einer Sachmittelpauschale für den H.-Scanner nahm der Beigeladene zu 1) kein
weiteres Risiko auf sich, tätigte keine Investitionen und hielt auch keine eigene Betriebsstätte vor.
Vorliegend war der Beigeladene zu 1) nach dem "Vertrag" verpflichtet, das von ihm eingesetzte Fahrzeug mit dem Hinweis "im
Auftrag der H.-Logistikgruppe" zu versehen; andere Werbung wurde ihm auf dem Kfz nicht gestattet. Einem möglichen Verlust
des eigenen Fahrzeugs standen keine unternehmerischen Chancen gegenüber. Möglichkeiten, seinen Verdienst im Rahmen seiner
Tätigkeit wesentlich zu beeinflussen hatte der Beigeladene zu 1) nicht. Die von H. der Klägerin vorgegebene Preisgestaltung
war nicht verhandelbar und wurde so auch dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin vorgegeben. Unter Berücksichtigung der Vielzahl
von Vorgaben zur Arbeitsweise verblieb dem Beigeladenen zu 1) kein gestalterischer Spielraum zu Zeit, Ort und Art der Tätigkeit,
der es ihm ermöglicht hätte, seine Verdienstchancen etwa durch rationelleres, schnelleres Arbeiten oder durch preisgünstigeren
Mitteleinsatz zu erhöhen. Ihm war nicht möglich, aus eigener Initiative von der Klägerin bzw H. zusätzliches Frachtaufkommen
zu akquirieren und ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit für die Klägerin zu erzielen.
Der Beigeladene zu 1) war wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers eingebunden gewesen wie ein nur
den sich aus §§ 407ff HGB ergebenden Pflichten unterliegender und damit nach der gesetzlichen Wertung regelmäßig selbständiger Frachtführer. Sein Tagesablauf
war vorstrukturiert und es verblieb kein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Arbeits- und Toureneinteilung. Es gab keine
ins Gewicht fallenden Unterschiede zu festangestellten Fahrern. Wie sich ihm Möglichkeiten geboten haben sollen, seine Verdienstchancen
durch rationelleres, schnelleres Arbeiten zu erhöhen, erschließt sich dem Senat nicht. Es war jedenfalls während der gefahrenen
Touren nicht möglich, für andere vermeintliche Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen aus der Tätigkeit
zu erzielen.
Der Beigeladene zu 1) verfügt im Übrigen auch über keine Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) oder eine Lizenz nach Art. 3 der Verordnung EWG 881/92, die es ihm erlauben würde, als selbständiger Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff HGB tätig zu werden.
Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin liegt vor. Denn im Ergebnis waren sowohl hinsichtlich der Arbeitszeit,
des Arbeitsorts als auch hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne
einer selbständigen Tätigkeit nicht vorhanden. Ort, Zeit und Art und Weise der Ausführung der Tätigkeiten ergaben sich bereits
aus dem übertragenen Auftrag. Nach Auftragsannahme hatte der Beigeladene zu 1) bestimmte Waren innerhalb eines zeitlichen
Rahmens, d.h. spätestens bis zu festgelegten Lieferterminen, an einen bestimmten Ort zu bringen. Auch wenn innerhalb des Rahmens
ein gewisser Spielraum bestanden haben könnte, konnte der Rahmen selbst nach Auftragsannahme nicht selbst bestimmt werden.
Der Beigeladene zu 1) richtete sich hier nach den Vorgaben der Klägerin bzw. deren Vorgaben durch H ... Seine Gestaltungsmöglichkeiten
erschöpften sich in der Annahme oder Ablehnung eines von der Klägerin nach ihren Bedürfnissen aufgearbeiteten Auftrages. Der
Beigeladene zu 1) musste zur Durchführung der Aufträge sein Fahrzeug mit dem Logo "im Auftrag der H. Gruppe" versehen. Eigene
Werbung auf dem Fahrzeug war unzulässig. Sogar zur Farbe des Fahrzeugs (weiß) machte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) Vorschriften.
Gerade diese Indizien beweisen die besonders enge, für Frachtführer unübliche Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Denn
diese Gestaltung vermittelt nach außen das Erscheinungsbild des abhängig Beschäftigten und verhindert zudem eine eigene Kundenakquise
mittels eines eigenen Logos am Fahrzeug. Zeitlich nahm den Beigeladenen zu 1) seine Tätigkeit für die Klägerin ohnehin so
in Anspruch, dass er weitere Aufträge - abgesehen von einer kurzzeitigen Tätigkeit als Apothekenfahrer - nicht übernahm.
Der Beigeladene zu 1) musste zudem Berufskleidung mit der vom Auftraggeber vorgegebenen Kennzeichnung H. tragen, so dass das
Tätigwerden als Selbständiger für Außenstehende nicht erkennbar war. Dass dadurch Paketempfänger eher bereit waren - wie die
Klägerseite dargelegt hat - dem Beigeladenen zu 1) die Türe zu öffnen, bestätigt gerade die Notwendigkeit der Einbindung des
Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin. Der Beigeladene zu 1) sollte nach außen hin gerade nicht als Selbständiger
auftreten sondern als Mitarbeiter des Auftraggebers der Klägerin erkennbar seien.
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit des Beigeladenen zu 1) und seine strikte
Bindung an die vertraglich im Einzelnen vorgegebenen Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen, denen sie auch
selbst unterliege. Wie das BSG in seinem Urteil vom 11.03.2009 B 12 KR 21/07 R zu einem vergleichbaren Fall einer Transportfahrerin ausgeführt hat, ist zu berücksichtigen, dass eine tatsächlich bestehende
Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart
der zu erbringenden Leistung begründet ist.
Der Beigeladene zu 1) war auch weisungsabhängig tätig. Sein Zustellgebiet war räumlich festgelegt, ebenso die Touren. Die
Anzahl der Sendungen konnte nicht beeinflusst werden. Die Sendungen mussten mit dem Scanner von H. gescannt werden. Die Auslieferung
der Sendungen hatte taggleich zu erfolgen. Premiumsendungen und Eilsendungen waren in einem von der Klägerin vorgegebenen
Zeitfenster zuzustellen. Der Beigeladene zu 1) war nach der vertraglichen Ausgestaltung auch nicht berechtigt, in Auslieferungsangelegenheiten
oder sonstigen den Auftraggeber betreffenden Umständen selbst mit den Geschäftspartnern des Auftraggebers zu verhandeln und/oder
Absprachen zu treffen. Alle auftretenden Fragen hatte die Beigeladene zu 1) mit der Klägerin bzw. ihren Beauftragten zu klären.
Für selbstständige Entscheidungen ist somit nach der vertraglichen Ausgestaltung kein Raum geblieben. Inwieweit der Beigeladene
zu 1) seine Tätigkeit bewusst am Qualitätshandbuch von H. ausrichtete, kann dabei dahingestellt bleiben. Letztlich musste
die Klägerin die Vorgaben von H. gegenüber dem Beigeladenen zu 1) durchsetzen.
Dass es den Zustellern tatsächlich völlig freigestanden hätte, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, wie die Klägerin angibt,
außerdem die Zusteller frei in ihrer Zeiteinteilung wären und ihre Arbeitszeit nach ihrem Belieben ausüben könnten, ist für
den Senat nicht nachvollziehbar, da in diesem Fall die Fahrer ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzen würden und auch
die Klägerin wiederum ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber dem Hauptkunden, der H. GmbH, nicht erfüllen könnte, weil
dann nicht sichergestellt werden könnte, dass das dem jeweiligen Fahrer zugeteilte Sendungsgut vereinbarungsgemäß rechtzeitig
beim Kunden eintreffen würde.
Selbst wenn man annehme würde, dass der Beigeladene zu 1) völlig frei in der Entscheidung gewesen wäre, Aufträge anzunehmen
oder abzulehnen, würde zwar die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen
einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden können, weil der Betroffene damit den Umfang der Tätigkeit weitgehend selbst
bestimmen könnte. Doch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sind Vertragsgestaltungen nicht unüblich, bei
denen weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen wird, ob er beim Anforderungsfall tätig werden möchte oder ob er ein konkretes
Angebot ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder bei Vertretungssituationen lediglich im Bedarfsfall
auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann einem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot
abzulehnen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.01.2012 - L 11 R 1138/10, vom 24.02.2006 - L 4 KR 763/04 und vom 21.11.2008 - L 4 KR 4098/06).
In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen vor allem hinsichtlich der Auslieferungszeitfenstern
bei den Premium- und Eilsendungen sowie den Retourenabholkarten und der zum einen nicht vorhersehbaren und zum anderen auch
nicht ablehnbaren Verpflichtung zur Übernahme von Sendungen anderer Fahrer ergab sich faktisch zwingend ebenfalls eine besonders
enge Eingebundenheit in die Betriebsorganisation. Der Beigeladene zu 1) war als letztes Glied einer Kette arbeitsteiligen
Zusammenwirkens in eine übergeordnete Organisation eingebunden. Ein unternehmerisches Handeln der Beigeladenen zu 1) auf dem
freien Markt lässt sich dagegen nicht ableiten, weil aufgrund der vorgenannten Besonderheiten nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten
eingeräumt wurden und bei genauer Betrachtung nur ein unwesentlicher Gestaltungsspielraum bestanden hat. Die Tätigkeit hat
ihr Gepräge gerade durch eine strenge Reglementierung erhalten. Da die gesamte Abwicklung auch vor dem Hintergrund der wiederum
der Klägerin von der H. Gruppe vorgegebenen Richtlinien (H.-Qualitätshandbuch) und der Vertragsregelungen stark vorstrukturiert
war, war der Beigeladene zu 1) weitaus stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingebunden als ein nur den sich
aus dem HGB ergebenden Pflichten unterliegender Frachtführer. Er war auch verpflichtet, die Serviceanforderungen der Klägerin zu erfüllen,
die sich insbesondere aus dem H.-Qualitätshandbuch ergaben.
Faktisch hat daher auch ein nur geringer Spielraum bestanden, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein, weil praktisch
mangels eigener Dispositionsmöglichkeit bei nicht vorhersehbaren Diensten und fehlendem Verhandlungsspielraum (z.B. beim Ausfall
eines anderen Fahrers) und ebenfalls nicht vorhersehbarer Zustellungsverpflichtungen bei einer möglichen Häufung von Sendungen
mit Zustellzeitfenstern ohne Absprachemöglichkeiten kein wesentlicher Gestaltungsspielraum für eigene unternehmerische Initiativen
bestand. Dies zeigt gerade auch die einzige zusätzliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im streitrelevanten Zeitraum. Der
Beigeladene zu 1) übernahm in dieser Zeit nur für ein- bis eineinhalb Monate zusätzliche Auslieferungen für eine Apotheke
- und dies auch nur zur Nachtzeit.
Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) die vertragliche Möglichkeit hatte, seine Leistung mit Zustimmung der Klägerin durch
andere erbringen zu lassen, ist nach der Entscheidung des BSG vom 11.03.2009, B 12 BK 21/07 R ebenfalls kein entscheidender Gesichtspunkt. Wie das BSG ausführte, liegt in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen
einer selbstständigen Tätigkeit, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist. So liegt der Fall
hier. Der Beigeladene zu 1) hatte im streitgegenständlichen Zeitraum - zumindest bis 13.09.2011 - keinen weiteren bei ihm
abhängig beschäftigte Mitarbeiter/Fahrer. Ob für den Beigeladenen zu 1) tatsächlich ein Praktikant zwei Wochen - wie behauptet
unentgeltlich - Fahrten übernommen hat, spielt insoweit keine Rolle.
Auch spielt es keine Rolle, dass der Beigeladene zu 1) für andere Auftraggeber hätte arbeiten dürfen. Selbst wenn der Beigeladene
zu 1) in dem streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber gearbeitet hätte, wäre auch eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber
noch kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Jede Tätigkeit ist grundsätzlich getrennt zu beachten. Hiervon geht auch
die Vorschrift des §
5 Abs.
5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) aus. Denn danach kann neben einer hauptberuflichen Selbständigkeit auch eine abhängige Beschäftigung ausgeübt werden. Die
Möglichkeit, auch andere Aufträge anzunehmen, belegt jedoch nicht das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen
zu 1). Es ist möglich, mehrere Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern anzunehmen oder auch neben einer abhängigen
Beschäftigung noch selbständig zu arbeiten (LSG Bayern, Urteil vom 09.05.2012 - L 5 R 23/12). Dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichem Zeitraum - nur - für eine Apotheke - nur - für ein- bis eineinhalb
Monate und zwar nur nachts gefahren ist, unterstreicht eher die Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) von der Klägerin.
Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall
nicht erfolgte. Denn die Selbständigkeit eines Dienstverpflichteten wird nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht
auf Leistungen Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen.
Zu dem vertraglich geregelten Ausschluss von Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zu den verschärften Haftungsregeln
für leichte Fahrlässigkeit ist festzustellen, dass Bedingungen, die einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Arbeitsgericht
nicht standhalten können, nicht automatisch die Sozialversicherungspflicht ausschließen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
sowie der Urlaubsanspruch und die Haftungsregelungen stehen nicht zur Disposition des jeweiligen Beschäftigten. Viel mehr
als eine Indizwirkung, dass die Beteiligten eine Selbständigkeit und einen solchen Ausschluss wünschen, kann einer solchen
Vertragsvereinbarung nicht zukommen.
Soweit die Klägerin schließlich auf die Gewerbeanmeldung verweist, hat dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche
Einordnung, da die hierfür zuständige Behörde vor der Eintragung nicht zur Prüfung des Status berufen ist und die Gewerbeanmeldung
alleine auf dem Willen des Antragstellers beruht.
Im vorliegenden Fall überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit trotz der Nutzung eines eigenen Fahrzeugs durch den Beigeladenen
zu 1) die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale (Eingliederung in einen fremden Betrieb, Vorhandensein eines
Weisungsrechts des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende
eigene Betriebsstätte, fehlende Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung
der Tätigkeit und der Arbeitszeit). Eine risikobehaftete Unternehmensstruktur ist beim Beigeladenen zu 1) nicht gegeben.
Im Ergebnis hat die Berufung daher Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit
für die Klägerin abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1, 3. Halbsatz
SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Die nicht anfechtbare (§
177 SGG) Streitwertfestsetzung erfolgt nach §
197a SGG i. V. m. § 52 Gerichtskostengesetz auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG, wonach grundsätzlich von einem Streitwert von 5.000,00 Euro für Statusfeststellungsverfahren auszugehen ist, wenn keine
anderen Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung gegeben sind. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich (vgl.
BayLSG, Beschluss vom 07.07.2015, L 7 R 49/15 B).