Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren; Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegung eines Verfahrensmangels;
Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um das Vorhandensein eines Bescheides und um die Kosten für die Tätigkeit eines Bevollmächtigten
im Widerspruchsverfahren.
Mit Schreiben vom 11.04.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, wegen Nichtteilnahme an einer Gruppeninformation am 11.04.2008
würden die Leistungen wegen Arbeitslosigkeit vorläufig eingestellt. Gleichzeitig wurde dem Kläger eine Meldeaufforderung mit
Rechtsmittelbelehrung übermittelt. Den Widerspruch hiergegen verwarf die Beklagte am 14.07.2008 als unzulässig, da es sich
bei dem Schreiben vom 11.04.2008 nicht um einen Verwaltungsakt handle. Am 15.05.2008 hatte sie die vorläufige Zahlungseinstellung
gelöscht und die Leistungen für April und Mai 2008 nachbezahlt.
Das Sozialgericht hat die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 11.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
14.07.2008 und die Erstattung der Kosten des Klage- und Widerspruchsverfahrens mit Urteil vom 19.11.2008 abgewiesen. Bei dem
Schreiben habe es sich um keine Regelung gehandelt, sondern um eine Anhörung zu einer möglichen Sperrzeit. Auch durch die
Rechtsbehelfsbelehrung sei deutlich geworden, dass nur gegen die Meldeaufforderung ein Widerspruch statthaft war.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung hat der Kläger nach der Zustellung des Urteils am 29.12.2008 am 08.01.2009 Beschwerde
eingelegt. Es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob gegen die Anordnung der vorläufigen Leistungseinstellung Widerspruch statthaft
sei. Zudem verstoße es gegen den Meistbegünstigungsgrundsatz, wenn der der Anordnung beigefügten Belehrung über die Statthaftigkeit
des Widerspruchs keine Bedeutung zugemessen werde.
Der Kläger beantragt:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.11.2008 wird zugelassen.
Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.11.2008 wird aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 14.04.2008 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Klägers. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts
als Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.11.2008 zurückzuweisen und
zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Bei der vorläufigen Zahlungseinstellung handle es sich um keinen Verwaltungsakt, da mit ihr keine eigenständige Regelung getroffen
werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Sozialgerichtsakten sowie der Beschwerdeakten Bezug
genommen.
II. Die vom Kläger fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
145 Abs
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Es gibt keinen Grund, die gemäß §
144 Abs
1 Satz1 Nr
1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen.
Nach §
144 Abs
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die
Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt,
um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt
(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Auflage, §
144 Rdnr 28). Neben der Klärungsbedürftigkeit und der über den Einzelfall hinaus gehenden Bedeutung der vom Kläger erstrebten
Entscheidung ist auch zu fordern, dass die aufgeworfene Rechtsfrage konkret klärungsfähig ist. Dies setzt voraus, dass die
klärungsbedürftige Rechtsfrage für den zu entscheidenden Fall erheblich ist, das Berufungsgericht also nach der Zulassung
der Berufung in der Lage ist, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich zu entscheiden (Leitherer aaO. § 144 Rdnr
28 und § 160 Rdnr 9). Die vom Kläger erstrebte Klärung ist dem Berufungsgericht jedoch nicht möglich.
Der Kläger wirft die Rechtsfrage auf, ob gegen die vorläufige Einstellung von Leistungen das Rechtsmittel des Widerspruchs
statthaft sei, diese Einstellung also einen Verwaltungsakt darstelle oder nicht. Hierüber ist nicht mehr zu entscheiden. Die
streitbefangene Regelung ist nämlich bereits vor Klageerhebung durch die Löschung der Anordnung erledigt worden. Eine Beschwer
war daher mit der strittigen Regelung nicht mehr verbunden, so dass trotz Bestehens des klageabweisenden Urteils ein schutzwürdiges
Interesse des Klägers an der Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nicht zu erkennen ist.
Zwar ist zu prüfen, ob der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der strittigen Anordnung hat.
Dies ist ausnahmsweise zu bejahen, wenn ein berechtigtes Interesse im Sinne des §
131 Abs
1 Satz 3
SGG gegeben ist. Dabei genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, z.B. hinreichend konkrete
Wiederholungsgefahr oder Rehabilitationsinteresse. Vorliegend geht es erkennbar darum, dass der Kläger ein Interesse an der
Änderung der für ihn ungünstigen Kostenentscheidung hat. Dieses Interesse kann die weitere Inanspruchnahme der Gerichte aber
regelmäßig nicht rechtfertigen (BSG, Urteil vom 21.06.1995 in SozR 3-1500 § 131 Nr 5, Leitherer aaO. § 145 Rdnr 48a). Die
Berufung ist nämlich ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt (§
144 Abs
4 SGG).
Das Urteil des Sozialgerichts leidet auch nicht an dem vom Kläger gerügten Verfahrensmangel. Ein Verfahrensmangel ist ein
Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen
Inhalt des Urteils, so dass es nicht um die Richtigkeit der Entscheidung gehen kann, sondern lediglich um das prozessuale
Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil oder die Zulässigkeit des Urteils. Der Kläger macht geltend, er habe nach dem
Grundsatz der Meistbegünstigung die Möglichkeit gehabt, Widerspruch einzulegen, weil er in den Rechtsfolgen- und Rechtsbehelfsbelehrungen
auf das Rechtsmittel des Widerspruchs hingewiesen worden sei. Der etwaige Verstoß gegen diesen Grundsatz der Meistbegünstigung
betrifft jedoch vorliegend nicht das gerichtliche Verfahren, sondern das Widerspruchsverfahren. Ein derartiger Verfahrensmangel
ist jedoch nicht geeignet, die Zulassung der Berufung zu rechtfertigen (Leitherer aaO. § 144 Rdnr 32).
Der Kläger macht zwar auch einen Zulassungsgrund im Sinne des §
144 Abs
2 Nr
2 SGG geltend, beruft sich zur Begründung der Divergenz allerdings nur auf Urteile des Bundesgerichtshofes. Die Voraussetzung des
§
144 Abs
2 Nr
2 SGG ist damit nicht erfüllt.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG). Nach §
145 Abs
4 Satz 4
SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.