Zulässigkeit der Vollstreckung einer Forderung im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts
Tatbestand
Die Klägerin begehrt, eine vom Beklagten veranlasste Vollstreckung für unzulässig zu erklären.
Die Klägerin ist die Tochter des 2000 verstorbenen kriegsbeschädigten W. A. (im Folgenden: Versorgungsberechtigter), der eine
Versorgungsrente bezog, und dessen 2007 verstorbener Ehefrau F. A ... Die Klägerin ist weder Erbin des Versorgungsberechtigten
noch ihrer Mutter geworden.
Die Ehefrau des Versorgungsberechtigten und die Klägerin informierten den Beklagten über das Versterben des Versorgungsberechtigten
nicht, so dass die Versorgungsbezüge in Höhe von zuletzt 118,00 EUR monatlich über Jahre hinweg weiterhin ausgezahlt wurden.
Über die Konten, auf die die Zahlungen des Beklagten nach dem Tod des Versorgungsberechtigten eingingen, waren die Klägerin
und ihre Mutter verfügungsberechtigt; die Klägerin traf auch diverse Verfügungen zu ihren eigenen Gunsten. Im Telefax vom
20.01.2005 trat die Klägerin als Bevollmächtigte ihrer "Eltern, F. und W. A." unter dem Briefkopf "F. und W. A." auf und bat
den Beklagten, die Zahlungen des Versorgungsamts auf ein anderes Konto zu überweisen.
Nachdem der Beklagte vom Standesamt erfahren hatte, dass der Versorgungsberechtigte bereits am 15.04.2000 verstorben war,
wurden mit zwei Bescheiden vom 23.06.2005 sowohl die Mutter der Klägerin als auch die Klägerin selbst jeweils gesamtschuldnerisch
zur Rückerstattung der zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen in Höhe von 6.607,16 EUR aufgefordert.
Die vom VdK vertretene Mutter erhob erfolglos gegen den an sie gerichteten Bescheid Widerspruch und Klage (Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts München vom 27.09.2006, Az.: S 33 V 27/05).
Ein Widerspruch der Klägerin gegen den sie betreffenden Bescheid ging beim Beklagten nicht ein.
Ein gegen die Klägerin eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß §
153 a Abs.
2 Strafprozessordnung zunächst vorläufig mit der Auflage, dass die Klägerin bis zum 31.12.2006 20 Stunden unentgeltliche Arbeitsleistung zu erbringen
und die Widersprüche gegen die Bescheide des Versorgungsamtes zurückzunehmen habe, später dann endgültig eingestellt.
Am 14.08.2008 richtete der Beklagte ein Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt - Vollstreckungsstelle - und gab dabei als
Grund "lt. Bescheid vom 23.06.2005, bestätigt durch Gerichtsbescheid des SG Bayreuth v. 27.09.2006" an. Mit Kurznachricht
vom 27.08.2008 wurden die Unterlagen für die Vollstreckung an das Finanzamt nachgereicht.
Mit Schreiben vom 22.06.2009 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben mit dem Ziel, die Vollstreckung aus
dem Bescheid vom 23.06.2005 für unzulässig erklären zu lassen.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2009 ist die Klage abgewiesen worden, da - so das Sozialgericht - der Bescheid vom 23.06.2005
bestandskräftig geworden sei.
Die Klägerin hat dagegen am 04.12.2009 Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung - ähnlich wie schon die Klage - damit begründet,
dass Empfängerin der Rentenleistungen ausschließlich ihre Mutter gewesen sei. Sie, so die Klägerin, habe gedacht, dass die
Renteneingänge vom Versorgungsamt für ihre Mutter gedacht gewesen seien. Sie selbst habe nie Zugriff auf die Zahlungen gehabt.
Der gegen sie ergangene Bescheid vom 23.05.2006 sei nicht bestandskräftig geworden.
Mit Schreiben vom 08.11.2010 hat das Finanzamt A-Stadt dem Beklagten das Vollstreckungsersuchen zurückgegeben, da die Beitreibung
fruchtlos verlaufen sei.
Der Senat hat sich im Oktober 2012 die Unterlagen zur Verfügung stellen lassen, die dem Finanzamt als Vollstreckungsstelle
vom Beklagten als Grundlage für die Vollstreckung übersandt worden waren. Dies war der vom Beklagten gegen die Mutter der
Klägerin erlassene Bescheid samt dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 27.09.2006.
Die Klägerin beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid des Beklagten vom 23.06.2005 für unzulässig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Vollstreckung aus dem gegen die Mutter ergangenen Bescheid vom 23.06.2005 gegen die Klägerin ist unzulässig.
1. Formelle Gesichtspunkte
Die Frage des Rechtswegs einer Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Vollstreckung einer Forderung im Rahmen des
sozialen Entschädigungsrechts ist einer Prüfung durch das Berufungsgericht gemäß §
17a Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz entzogen.
Die Frage, ob das Finanzamt - und nicht das Zentrum Bayern Familie und Soziales - als zuständiger Vertreter des Beklagten
am Verfahren zu beteiligen gewesen wäre, stellt sich vorliegend nicht mehr. Denn mit der Rückgabe des Vollstreckungsersuchens
durch das Finanzamt mit Schreiben vom 08.11.2010 ist die Versorgungsverwaltung wieder Herrin des Verfahrens geworden.
Richtige Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage. Nicht einschlägig ist eine Vollstreckungsgegenklage im Sinne von
§
767 Zivilprozessordnung, deren Statthaftigkeit strittig wäre (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Urteile vom 05.04.2005, Az.: L 5 KR 12 /05 , vom 06.07.2005,
Az.: L 16 LW 14/04, und vom 17.03.2009, Az.: L 8 SO 100/08; Beschluss vom 07.04.2010, Az.: L 20 R 845/09 ER). Denn bei der Vollstreckungsgegenklage geht es um die Unzulässigkeit der Vollstreckung wegen einer Einwendung, die die
Rechtskraft des Titels unberührt lässt und ledig den rechtskräftig zuerkannten Anspruch nachträglich vernichtet oder in seiner
Durchsetzbarkeit hemmt. Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Vielmehr steht die Frage im Raum, ob der vom Beklagten veranlassten
Vollstreckung überhaupt ein vollstreckbarer Titel zugrunde liegt.
2. Materielle Prüfung
Die vom Beklagten veranlasste Vollstreckung ist für unzulässig zu erklären, weil der Beklagte dem Vollstreckungsersuchen den
"falschen", nämlich nicht den an die Klägerin, sondern den an ihre Mutter gerichteten Bescheid zugrunde gelegt hat.
Für die Vollstreckung durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung gilt gemäß § 66 Abs. 2 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch das
Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (
VwVG). Grundvoraussetzung für die Vollstreckung ist gemäß §
3 Abs.
2 Buchst. a
VwVG ein Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist.
An einem solchen Leistungsbescheid fehlt es bei der konkret durchgeführten Vollstreckung. Denn der Beklagte hat die Vollstreckung
nicht auf einen gegen die Klägerin gerichteten Leistungsbescheid gestützt. Vielmehr hat er die Vollstreckung mit dem gegen
die Mutter der Klägerin erlassenen Bescheid begründet. Daraus kann er aber nicht gegen die Klägerin vollstrecken.
Die Zugrundelegung eines "falschen" Bescheids ist dem Vollstreckungsersuchen des Beklagten vom 14.08.2008 und der Kurzmitteilung
vom 27.08.2008 zu entnehmen. Insbesondere aus der Kurzmitteilung vom 27.08.2008, mit der der Beklagte die Unterlagen, auf
die das Vollstreckungsersuchen gestützt wurde, an das Finanzamt weiter geleitet hat, ist zweifelsfrei ersichtlich, dass er
aus dem gegen die Mutter gerichteten Bescheid vom 23.06.2005 und den im Rechtsstreit der Mutter der Klägerin mit dem Beklagten
ergangenen Gerichtsbescheid vom 27.09.2006 vollstrecken wollte. Damit ist die Vollstreckung auf keinen gegen die Klägerin,
die auch nicht Erbin ihrer Mutter geworden ist, gerichteten Leistungsbescheid gestützt worden.
3. Ausblick
Gegenstand dieses Verfahrens war nicht die Frage, ob der Beklagte nicht aus einem anderen Grund, d.h. auf der Basis eines
anderen Leistungsbescheids, gegen die Klägerin die Vollstreckung hätte einleiten können.
Der Streitgegenstand und damit der Prüfungsumfang des Gerichts werden durch das klägerische Begehren und das zugrunde liegende
Verwaltungshandeln beschrieben. Da die Klägerin nur angestrebt hat, die vom Beklagten veranlasste Vollstreckung für unzulässig
zu erklären, ist dem Gericht die Prüfung verwehrt gewesen, ob der Beklagte aus dem gegenüber der Klägerin selbst, also nicht
gegenüber ihrer Mutter, erlassenen Rückforderungsbescheid vom 23.06.2005 vollstrecken könnte.
Dafür, dass die Vollstreckung gegen die Klägerin auch aus dem gegen sie selbst erlassenen Bescheid für unzulässig erklärt
würde, spricht rein gar nichts. Denn nach den vorliegenden Akten besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass der gegen
die Klägerin erlassene Bescheid vom 23.06.2005 in Bestandskraft erwachsen ist und eine zulässige Grundlage für eine Vollstreckung
darstellt. Die von der Klägerin in diesem Verfahren zur Begründung der Berufung vorgebrachten Einwände, auf die es im vorliegenden
Verfahren überhaupt nicht ankam, wären auch bei der Prüfung einer Vollstreckung aus dem "richtigen" Bescheid sämtlich unbehelflich.
Materielle Einwände wegen der von der Klägerin unterstellten Unrichtigkeit des Bescheids vom 23.06.2005 wären schon wegen
der Bestandskraft dieses Bescheids unbeachtlich, wobei der Senat sich den Hinweis erlaubt, dass diese Einwände auch inhaltlich
nicht überzeugend wären. Das gilt umso mehr, als sich beim Senat überdeutlich der Eindruck verfestigt hat, dass die Klägerin
von Beginn an unlautere Mittel zur Verfolgung ihres Ziels angewandt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).