Gründe:
I. Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 31.07.2008 verpflichtet, der Klägerin ab 01.01.2002 Verletztenrente nach einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 30 vH auch über den 30.06.2002 hinaus zu gewähren. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil
Berufung eingelegt und sinngemäß beantragt, das o.a. Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Ferner hat sie beantragt,
die Vollstreckung des Urteils auszusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Gutachten, auf das sich das SG stütze, überzeuge nicht.
Die Klägerin beantragt, den Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung zurückzuweisen. Sie hält das Urteil des SG und das der Entscheidung zugrunde liegende Gutachten für zutreffend.
II. Der Antrag auf einstweilige Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung ist zulässig und begründet.
Nach §
154 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass
des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit
nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger
ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil
des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts
(LSG) gemäß §
199 Abs
2 Satz 1
SGG durch einstweilige Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil aussetzen, soweit die Berufung gemäß §
154 Abs
2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Die Entscheidung gemäß §
199 Abs
2 SGG ergeht nach Ermessen. Dabei sind die schutzwürdigen Sicherungs- und Erhaltungsinteressen beider Beteiligter abzuwägen, insbesondere
auf den voraussichtlichen Erfolg der Berufung Rücksicht zu nehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 9.Aufl, §
199 Rdnr 8). Die Aussetzung der Vollstreckung kommt nicht nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die Regelung des §
154 Abs
2 SGG, wonach die aufschiebende Wirkung von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde für bestimmte Fälle (zwingend) angeordnet ist,
zwingt nicht zu der Schlussfolgerung, dass sonst im Einzelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur ausnahmsweise
in Betracht kommt. Ein Regel-/Ausnahmeverhältnis kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl. Zeihe in SGb 94, 505; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
aaO. Rdnr 8a unter Verweisung auf BSG Beschluss vom 06.05.1960 - BSGE 12, 138; BSG Urteil vom 05.09.2001 -B 3 KR 47/01 R-, das für eine Ablehnung des Antrags offensichtliches Fehlen einer Erfolgsaussicht fordert). Der Richter muss unerwünschte
Folgen einer etwaigen Überzahlung verhindern, soweit ihm das Gesetz dies erlaubt. Das ist durch die klare Ermessensregelung
in §
199 Abs
2 SGG der Fall (Zeihe aaO. S 506). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist auch in anderen Fällen als der
offensichtlichen Erfolgsaussicht der Berufung die Aussetzung zulässig. Eine Bindung an eine feste Regel existiert nicht (ebenso
Thüringer LSG, 6.Senat, Beschluss vom 14.09.2004, -L 6 Kr 621/04 ER-, juris Recherche). Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels
nicht überschaubar, kommt es auf die Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit
sowie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung des Anspruchs an. Dazu gehört auch die
Aussicht des Leistungsträgers, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die gewährten Leistungen zurückzuerhalten (LSG
Baden-Württemberg, 8.Senat, Beschluss vom 26.01.2006, -L 8 AS 403/06 ER- mwN, juris Recherche).
Vorliegend überwiegt das Interesse der Beklagten, dass nicht vor endgültiger Klarstellung der Sach- und Rechtslage Leistungen
erbracht werden müssen, die dann nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen im Falle des Erfolgs der Berufung zurückgefordert
werden können, das Interesse der Klägerin an der Vollziehung des Urteils. Zum einen ist vorliegend der Erfolg des Rechtsmittels
offen. Zum anderen besteht für den Leistungsträger vielfach die Gefahr, dass die Rückerstattung faktisch nicht realisierbar
ist. So kann der Leistungsträger keine Erstattung von Beträgen verlangen, die er in Ausführung eines später aufgehobenen Urteils
erbracht hat (sog. Urteilsleistungen), wenn die Rückzahlung für den Leistungsempfänger eine besondere Härte bedeuten würde
(BSG SozR 1300 § 50 Nr 6 und SozR 3-1300 § 45 Nr 10). Die Klägerin hingegen erleidet durch die Aussetzung der Vollstreckung
keinen dauerhaften Nachteil, da sie im Falle der Bestätigung des Ersturteils Leistungen rückwirkend erhält (Niesel, der Sozialgerichtsprozess,
4.Aufl, Rdnr 400).
Diese Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden (§
199 Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
4 SGG in entsprechender Anwendung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO. §
199 Rdnr 7c).