Tatbestand:
Die 1924 geborene Klägerin stellte am 08.10.2006 erstmals einen Antrag auf Pflegegeld aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Im Gutachten vom 22.11.2006 nach Hausbesuch am 13.11.2006 kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zum Ergebnis,
bei der Klägerin bestehe ein Pflegebedarf wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, anhaltendem Hautdefekt an
der linken Ferse, Coxarthrose mit Gangstörungen und Deformität an den Fingergelenken. Sie werde von ihrer in Vollzeit beschäftigten
Tochter gepflegt. Diese komme morgens und abends und versorge die Klägerin und deren ebenfalls pflegebedürftigen Ehemann.
Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage 23 Minuten, nämlich für Körperpflege 10 Minuten, Ernährung 4 Minuten und
Mobilitätsunterstützung von 9 Minuten. Unterstützung bzw. teilweise Übernahme sei erforderlich beim Waschen von Rücken und
Füßen, Haarewaschen und Kämmen. Zur Toilette könne die Klägerin selbständig gehen. Für mundgerechte Zubereitung sei wegen
der deformierten Fingergelenke viermal täglich jeweils 1 Minute notwendig. Für Aufstehen und Zubettgehen, Ankleiden, Entkleiden
und Transfer in die und aus der Badewanne beim einmal wöchentlichen Bad brauche die Klägerin Unterstützung bzw. teilweise
Übernahme.
Mit Bescheid vom 30.11.2006 lehnte die Beklagte Pflegegeld ab. Sie stütze sich auf die Feststellungen des MDK. Im dagegen
erhobenen Widerspruch brachte die Klägerin vor, sie bade nicht nur einmal sondern zweimal pro Woche. Daneben benötige sie
fünfmal pro Woche Hilfe für die Ganzkörperwäsche. Ein höherer Zeitaufwand, als vom MDK für notwendig gehalten, seien für die
mundgerechte Nahrungszubereitung, nämlich 10 Minuten, für Aufstehen und Zubettgehen richtigerweise 5 bis 6 Minuten, für An-
und Auskleiden 10 Minuten und für Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung von 15 bis 20 Minuten erforderlich. Darüber hinaus
weise sie darauf hin, dass ihr nach dem Schwerbehindertenrecht ein GdB um 100 sowie die Merkzeichen "B" und "G" zugebilligt
wurden.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine nochmalige Begutachtung durch den MDK. Im Gutachten vom 01.02.2007 korrigierte der
MDK das frühere Gutachten insoweit, als er zu einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 27 Minuten gelangte. Er ging,
den ersten Angaben der Klägerin zufolge, erneut von einem einmal wöchentlichen Bad und sechsmal Ganzkörperwäsche aus. Für
mundgerechte Zubereitung der Nahrung hielt er nur einmal täglich Hilfe für Kleinschneiden von Fleisch 2 Minuten für nötig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht Landshut Klage. Dieses zog die Akte des Zentrums Bayern für Familie und Soziales,
Region Niederbayern sowie Befundberichte der Ärzte O. und Dr. C. bei. Es beauftragte die Internistin Dr. L. mit der Begutachtung
der Klägerin. Die Sachverständige kam im Gutachten vom 25.06.2008 nach einem Hausbesuch am 19.05.2008 zum Ergebnis, der Hilfebedarf
im Grundpflegebereich belaufe sich auf 37 Minuten, nämlich 19 Minuten für Körperpflege, 2 Minuten für Ernährung und 16 Minuten
für Mobilität. Sie führte aus, der von ihr gesehene Mehrbedarf von 10 Minuten gegenüber dem MDK-Gutachten beruhe darauf, dass
die Hüftgelenkseinschränkungen und Schmerzen, jetzt auch an der Lendenwirbelsäule, zugenommen hätten. Das Gehen im Raum sei
der Klägerin mit einem Gehstock oder Rollator noch möglich. Aus dem Liegen könne sie nur mit Hilfe aufstehen. Hilfe benötige
sie auch für die Benützung des Badewannenlifters für das zweimal wöchentliche Baden. Darüber hinaus setzte sie 5 Minuten täglicher
Hilfe für ein zusätzliches Fußbad wegen entzündlicher Veränderungen im Bereich des linken Fußes an. Für Verlassen und Wiederaufsuchen
der Wohnung falle kein Hilfebedarf an. Der Hausarzt Dr. C. führe Hausbesuche durch; regelmäßige krankengymnastische Anwendungen
fänden nicht statt.
Mit Urteil vom 18.07.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. L. sei lediglich
ein täglicher Hilfebedarf von 37 Minuten befundangemessen. Damit würden die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe
I nicht erreicht. Diese setzten einen Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten für Grundpflege voraus.
Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Zur Begründung führte sie an, sie müsse einmal pro Woche ihren Hausarzt Dr. C. aufsuchen
und gelegentlich auch andere Arztpraxen. Ein täglicher Hilfebedarf von 10 Minuten im Wochendurchschnitt sei hierfür anzusetzen.
Der Pflegebedarf sei von der Sachverständigen sowie vom MDK willkürlich festgestellt worden. Die in den Pflegerichtlinien
vorgesehenen Zeitwerte seien nicht ausgeschöpft worden. Zum Beispiel seien für Ganzkörperwäsche nur 12 Minuten angenommen
worden, obwohl die Richtlinien hierfür 20 bis 25 Minuten vorsähen. Haarewaschen sei nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Bei
drei Hauptmalzeiten müsse die Nahrung mundgerecht zubereitet werden. Nach den Richtlinien fielen hierfür jeweils 2 bis 3 Minuten
an. Insgesamt errechne sich ein Hilfebedarf von 57 Minuten, wobei Zeitwerte für Arztbesuche noch hinzuzurechnen seien.
Der Senat erbat von Dr. C. die genaue Aufschlüsselung der Arztbesuche. Nach der Auskunft des Dr. C. von 06.02.2009 ergeben
sich rückblickend keine Zeiträume von mindestens sechs Monaten, in denen regelmäßig einmal pro Woche ein Praxisbesuch angefallen
wäre.
Die Beklagte wies darauf hin, das Fußbad zur Versorgung der Hautdefekte falle in den Bereich der Behandlungspflege und sei
beim Pflegebedarf nicht zu berücksichtigen. Dass die Zeitwerte, wie sie in den Pflegerichtlinien festgehalten seien, nicht
ausgeschöpft würden, beruhe darauf, dass die Klägerin für die meisten Verrichtungen nur Unterstützung oder Teilübernahme brauche.
Falls regelmäßig einmal wöchentlich der Arzt aufgesucht werde, führe dies nur zu einem auf den Tag umgerechneten Hilfebedarf
von 2 Minuten.
Die Klägerin wandte unter Bezug auf ein Schreiben ihrer in Berlin lebenden Tochter vom 23.06.2009 ein, auch die Ganzkörperwäsche
finde in der Badewanne statt, weil sie nicht stehen könne. Somit fielen täglich Transfers in die und aus der Badewanne an.
Das tägliche Fußbad sei bereits von Dr. L. berücksichtigt worden und müsse weiter berücksichtigt werden. Die Fahrten zum Arzt
nähmen wesentlich mehr Zeit ein. Die Klägerin besitze weder einen Führerschein noch ein Auto. Sie sei darauf angewiesen, von
einer Hilfsperson abgeholt und wieder zurück gebracht zu werden. Die Hilfsperson müsse während des Arztbesuchs in der Praxis
warten. Ein Arztbesuch dauere 25 Minuten. Hinzukomme jeweils die Hin- und Rückfahrt mit je 10 Minuten und 6 Minuten für die
Begleitung von Haus zum Auto und vom Auto zum Arzt sowie wieder zurück. Für einen Arztbesuch ergebe dies 51 Minuten bzw. umgerechnet
auf den Tag 7,2 Minuten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18.07.2008 sowie den Bescheid vom 30.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 22.02.2007 aufzuheben und ihr ab Oktober 2006 Pflegegeld mindestens nach der Stufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Zutreffend hat das Sozialgericht die auf Gewährung von Pflegegeld nach mindestens der Stufe I gerichtete Klage abgewiesen.
Voraussetzung für eine solche Leistung gemäß §
37 Abs.
1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB XI) ist, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche
Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen kann. Die Höhe des Pflegegeldes hängt davon ab, welcher Pflegestufe der
Pflegebedürftige zuzuordnen ist. Nach §
15 Abs.
1 Ziffer 1
SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) zuzuordnen, die bei der Körperpflege, der Ernährung
oder der Mobilität wenigstens für zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe
bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Maßgeblich ist nach §
15 Abs.
3 Ziffer 1
SGB XI, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die
erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung pro Tag im Wochendurchschnitt in der Pflegestufe
I mindestens 90 Minuten beträgt, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.
Einen solchen Mindestbedarf in der Grundpflege von mehr als 45 Minuten kann der Senat auch unter Berücksichtigung der Einwendungen
der Klägerin im Berufungsverfahren nicht feststellen. Er stützt sich insoweit auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. L.
vom 25.06.2008. Dieses Gutachten hält er insoweit für korrekturbedürftig, als entgegen der Meinung der Sachverständigen die
Hilfe für ein tägliches Fußbad wegen der Hautdefekte an der linken Ferse nicht berücksichtigungsfähig ist. Zutreffend wendet
die Beklagte insoweit ein, dass es sich hierbei um Maßnahmen der Behandlungspflege handelt. Darunter sind solche Verrichtungen
zu verstehen, die der Linderung oder Bekämpfung einer Erkrankung dienen. Solche Verrichtungen fallen nur dann in den Bereich
der Pflegeversicherung, wenn sie untrennbar mit einer ansonstigen Pflegeverrichtung verbunden sind (BSG, Urteil vom 21.08.2000
- B 3 P 14/99 R; Urteil vom 22.08.2001 - B 3 P 23/00 R). Somit sind von dem von Dr. L. festgestellten Hilfebedarf von 37 Minuten 5 Minuten abzuziehen. Daraus folgt, dass, selbst
wenn man für einmal wöchentliche Arztbesuche, wie von der Klägerin errechnet, 7 Minuten täglich zufügen wollte, ein Hilfebedarf
von mehr als 45 Minuten nicht erreicht wird. Die teilweise von der Klägerin aufgestellte Behauptung, sie müsse dreimal pro
Woche ihren Hausarzt aufsuchen, ist nur insoweit richtig, als dies zeitweise der Fall ist bzw. war, nämlich wenn akuter Behandlungsbedarf
anfällt bzw. angefallen war. In keiner Weise kann aus der Behandlungsübersicht, die Dr. C. dem Senat zur Verfügung gestellt
hat, der Schluss gezogen werden, es hätte regelmäßig, d.h. über einen Zeitraum von sechs Monaten, wöchentlich mehr als ein
Praxiskontakt stattgefunden. Im Ergebnis räumt dies die Klägerin sogar ein, zumindest soweit die Lücken auf einen stationären
Aufenthalt zurückzuführen sind. Bei Durchsicht sämtlicher Behandlungsdaten ist festzustellen, dass sich kein Zeitraum von
mehr als sechs Monaten ablesen lässt, in dem die Klägerin regelmäßig einmal pro Woche die Praxis des Dr. C. aufgesucht hätte.
Ebenso wenig lässt sich aufgrund des bekannten Behandlungsverlaufs und Krankheitsbildes bei vorausschauender Betrachtung erkennen,
dass die Klägerin ihren Hausarzt für einen wenigsten sechs Monate dauernden Zeitraum regelmäßig einmal pro Woche aufsuchen
müsste. Dies hat zur Folge, dass sich der Senat nicht weiter damit auseinandersetzen muss, ob der auch von Klägerin für einen
Arztbesuch errechnete Zeitwert von 7,2 Minuten mehrfach pro Woche zu berücksichtigen wäre.
Die weiteren Einwendungen der Klägerin sind nicht nachvollziehbar. Sie hat keine Gründe vorgetragen, die es rechtfertigten,
Hilfe für das Schneiden von Fleisch bei drei Hauptmalzeiten pro Tag anzusetzen. Dr. L. stellte bezüglich der oberen Extremitäten
fest, dass insoweit keine feinmotorischen Störungen nachzuweisen waren. Halten und Greifen mit beiden Händen war möglich;
mit Löffel und Gabel konnte ohne Probleme gegessen werden. Weswegen für mundgerechte Nahrungszubereitung dreimal täglich jeweils
3 Minuten erforderlich seien, erklärt die Klägerin nicht. Nicht nachvollziehbar ist, dass sowohl Frühstück als auch Mittag-
und Abendessen ausschließlich aus fester Nahrung bestehen sollen.
Noch viel weniger ist ihr Vorbringen nachvollziehbar, auch die Ganzkörperwaschung müsse in der Badewanne vollzogen werden.
Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin zum waschen nicht stehen können sollte, zum anderen wäre waschen auch im
Sitzen vor dem Waschbecken zumutbar. Dass die Klägerin zur Ganzkörperwäsche mittels Badewannenlifter in die Badewanne gesetzt
und wieder herausgehoben werden müsse, ist in keiner Weise einleuchtend und wurde so von der Klägerin und ihrer Pflegeperson,
der in der Nähe lebenden Tochter, auch nicht so geschildert, wie der Pflegeanamnese der Sachverständigen Dr. L. zu entnehmen
ist.
Im Übrigen ist der Klägerin entgegen zu halten, dass es nicht darauf ankommen kann, die in den Pflegerichtlinien vorgesehenen
Zeitkorridore bis zum Maximum auszuschöpfen. Vielmehr ist auf die konkreten behinderungsbedingten Einschränkungen abzustellen.
Insoweit sind die Feststellungen der Sachverständigen Dr. L. für den Senat maßgeblich. Der Senat geht von einem - korrigierten
- Hilfebedarf von täglich 32 Minuten aus. Auf die von der Klägerin noch aufgeworfenen Frage, ob, bei welcher Verrichtung und
mit welchem Zeitansatz Haarewaschen hinzuzurechnen ist, braucht nicht weiter eingegangen zu werden. Das Waschen der Haare
findet - so die Sachverständige aufgrund der Angaben der Klägerin und ihrer Pflegeperson - zweimal wöchentlich im Zusammenhang
mit Baden statt. Zwischen dem ermittelten Hilfebedarf von 32 Minuten und den für Pflegestufe I maßgeblichen 46 Minuten besteht
eine Differenz von 14 Minuten, die durch die auf den Tag umgerechnete Hilfe nicht aufgefüllt werden kann.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld gemäß §
37 SGB XI nicht erfüllt sind. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18.07.2008 war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
193 SGG.
Es liegen keine Gründe vor, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen.
Für die Berechnung des notwendigen Pflegebedarfs kommt es auf den Hilfebedarf an, der aufgrund der konkreten behinderungsbedingten
Einschränkungen erforderlich ist und nicht auf das Ausschöpfen der von den Pflegerichtlinien vorgegebenen Zeitkorridore bis
zum Maximum.