Anerkennung psychischer Unfallfolgen als Folge eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger bei dem Unfall vom 13.02.2001 lediglich eine Halswirbelsäulen (HWS)-Distorsion
oder daneben eine somatoforme Schmerzstörung mit dissoziativer Bewegungsstörung erlitten hat und ihm Verletztenrente nach
einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 25 v.H. zu zahlen ist.
Der 1956 geborene Kläger, Kfz-Meister, wurde am 13.02.2001 auf dem Heimweg in einen Verkehrsunfall verwickelt. Bei einem Überholmanöver
eines Lkw´s wurde sein Fahrzeug an die Leitplanke gedrängt, am hinteren Radkasten berührt, durch einen Schleudervorgang um
180 Grad gedreht und nochmals von vorne von dem Lkw erfasst.
Im Durchgangsarztbericht vom 14.02.2001 diagnostizierte Prof. Dr. R. eine HWS-Distorsion; Frakturen konnten ausgeschlossen
werden. In einer Nachschau am 19.02.2001 berichtete der behandelnde Arzt Dr. N. über radikuläre Symptome. In der Folgezeit
entwickelte der Kläger Schwindel und Konzentrationsstörungen, die zur medizinischen Behandlung Anlass gaben. Die Ursache hierfür
konnte auch in einem Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 23.11.2001 nicht aufgeklärt werden. Der Dr. A. untersuchte den Kläger
am 21.12.2001. Er stellte einen normalen neurologischen Befund fest und konnte einen gezeigten Haltetremor des rechten Armes
keiner Ursache zuordnen. Der Dr. M. begann am 18.03.2002 eine antidepressive Therapie und deutete die Depression als Folge
einer posttraumatischen Belastungsreaktion. Im Gutachten vom 06.05.2002 führte der Orthopäde Dr. N. aus, auf seinem Fachgebiet
seien keine Unfallfolgen mehr festzustellen. Der Dr. B. legte im Gutachten vom 25.04.2002 dar, wenn es bei dem Unfall zu einer
Verletzung des zentralen Nervensystems gekommen wäre, hätten sich zentral-neurologische Defizite in unmittelbarem Zusammenhang
einstellen müssen. Am ehesten sei eine somatoforme Störung zu diskutieren. Eine reaktive Depression oder Anpassungsstörung
sei wegen des minderschweren Traumas auszuschließen. Die Arbeitsunfähigkeit finde vor einem neurosen-psychogenen Hintergrund
statt.
Mit Bescheid vom 13.06.2002 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall mit der Folge einer Zerrung der HWS, bis zum 15.04.2001
dauernder Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für ein Jahr nach dem Unfall an. Eine Rentengewährung lehnte sie
ab. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.09.2002).
Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage mit dem Antrag, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens
20 v.H. zu gewähren.
Das Sozialgericht zog Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. N., Dr. M. und Dr. D. (HNO) bei und einen Bericht der Psychosomatischen
Klinik W. über ein Heilverfahren vom 29.08. bis 28.11.2002, einen Bericht des Dipl. Psych. Dr. S. vom 15.05.2003 über die
Behandlung ab 25.03.2002 sowie Röntgenaufnahmen und ein MRT vom 07.11.2001. Es beauftragte die Neurologin und Psychiaterin
Dr. D., ein Gutachten zu erstatten. Die Sachverständige führte am 08.07.2003 aus, die Beschwerden des Klägers seien am ehesten
als somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Störung zu deuten, für die der Unfall wesentlich mitursächlich war. Die unfallbedingte
MdE schätzte sie anteilsmäßig auf 25 v.H. ein. Der von der Beklagten als Beratungsarzt befragte Dr. B. erklärte am 14.08.2003,
es müsse vorab geklärt werden, ob es sich tatsächlich um eine Dystonie im organischen Sinne handle, die nicht in Unfallzusammenhang
stehen könne. Scheide eine Dystonie als Ursache aus, so handle es sich bei der Bewegungsstörung um eine funktionelle, wobei
dann durchaus der Argumentation der Sachverständigen Dr. D. zu folgen sei. Auszuschließen sei lediglich eine posttraumatische
Dystonie. Der Kläger legte ein Gutachten des Prof. Dr. S./Dr. P., neurologische Klinik am Klinikum A-Stadt vor, das am 02.04.2003
für den Bayerischen Versicherungsverband erstattet worden war.
Das Sozialgericht beauftragte Prof. Dr. W., Neurologische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität B-Stadt, mit der
Erstattung eines weiteren Gutachtens. Der Sachverständige erläuterte im Gutachten vom 27.02.2004, seiner Meinung nach handle
es sich um eine posttraumatische Dystonie, bei der sich organische oder psychogene Ursachen der Beschwerden nicht abklären
ließen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall sei wahrscheinlich, aber letztendlich nicht vollständig beweisbar (so
Stellungnahme vom 12.07.2005). Die Beklagte hielt einen Zusammenhang mit dem Unfall für unwahrscheinlich. Sie stützte sich
auf eine Stellungnahme des Neurologen Dr. K. vom 26.05.2004, der lediglich einen zeitlichen Zusammenhang für erwiesen hielt.
Der Kläger änderte seinen ursprünglichen Antrag dahin ab, ihm Rente nach einer MdE um 25 v.H., dem Gutachten der Dr. D. entsprechend,
zu gewähren.
Mit Urteil vom 29.11.2005 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte, eine somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Bewegungsstörung
bei Primärpersönlichkeit mit ausgeprägten zwanghaften Zügen als Unfallfolge anzuerkennen und dem Kläger unter Aufhebung der
angefochtenen Bescheide Verletztenrente nach einer MdE um 25 v.H. ab 20.06.2002, dem Wegfall der Verletztengeldzahlung, zu
gewähren. Es machte sich die Ausführungen der Sachverständigen Dr. D. zu Eigen. Diese habe herausgearbeitet, dass der Kläger
trotz seiner Primärpersönlichkeit in seinem bisherigen Leben in der Lage war, akute wie auch chronische Belastungen zu bewältigen.
Die Entwicklung des jetzt schwer krankheitswertigen psychosomatischen Bildes des Klägers wäre ohne den Unfall nicht denkbar.
Insoweit war der Unfall im Rechtssinne wesentliche Mitursache. Auch hinsichtlich der MdE-Einschätzung folgte das Sozialgericht
der Sachverständigen. Es könne nur der unfallbedingte Verschlimmerungsanteil entschädigt werden, der mit 25 v.H. zu bewerten
sei. Mit dieser Einschätzung befinde sich die Sachverständige auch mit dem für die Beklagte tätig gewordenen Beratungsarzt
Dr. B. im Einklang. Eine Dystonie sei nicht bewiesen, so dass es bei der somatoformen Schmerzstörung und Bewegungsstörung
sein Bewenden habe.
Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. Das Unfallereignis sei seinem Schweregrad entsprechend nicht geeignet gewesen, die
jetzigen psychischen Störungen weder allein noch wesentlich mitursächlich hervorzurufen. Berücksichtigt werden müsse die unfall-unabhängige
prämorbide Vulnerabilität des Klägers. Letzterer komme die wesentliche Ursache zu. Beweisend hierfür sei auch die zeitliche
Latenz sowie die Verstärkung und Chronifizierung der psychischen Erkrankung. Eine dystone Bewegungsstörung sei nicht beweisbar.
Die Thematik brauche nicht weiter verfolgt zu werden.
Der Senat beauftragte die Sachverständige Dr. D., zu den Einwendungen der Beklagten Stellung zu nehmen und die nach ihrem
Gutachten vom 08.07.2003 eingegangenen Befunde zu berücksichtigen. Am 04.01.2007 führte die Sachverständige aus, die beim
Kläger nach wie vor festzustellenden Störungen seien entweder als somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Störungen nach
dem Unfall zu qualifizieren oder als organische Dystonie. Letzteres müsse noch abgeklärt werden. Hierzu äußerten sich im Auftrag
der Beklagten Prof. Dr. S. und im Auftrag des Senats Prof. Dr. W. unterschiedlich. Prof. Dr. W. räumte jedoch ein, dass die
Forschungsergebnisse zur Ursache von Dystonien noch in der medizinisch-wissenschaftlichen Diskussion stehen.
Der Kläger teilte mit, er habe sich zwischenzeitlich von Prof. Dr. K., Universitätsklinikum F-Stadt untersuchen lassen, der
eine Dystonie als Ursache der geklagten Beschwerden ausschließen konnte. Damit liege keine organische sondern eine psychische
Erkrankung vor; eine Simulation konnte Prof. Dr. K. ebenfalls ausschließen. Der Senat zog die Unterlagen von Prof. Dr. K.
bei, der den Kläger stationär vom 08.12. bis 12.12.2008 untersucht hatte.
Auf Antrag des Klägers (§
109 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) erstattete der Dr. C. am 19.06.2009 ein weiteres Gutachten. Er hielt neben einer HWS-Distorsion mit vertebragenen Kopfschmerzen
eine dystone Bewegungsstörung psychosomatischer Ätiologie für Unfallfolgen und bewertete diese nach einer MdE um 70 v.H ...
Mit Schriftsatz vom 30.06.2009 legte der Kläger Anschlussberufung ein und beantragte, dem Gutachten des Dr. S. entsprechend
ein vertebragenes Schmerzsyndrom und dystonische Bewegungsstörung anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE in Höhe
von 70 v.H. zu gewähren. Die Beklagte hielt die Ausführungen des Dr. C. nicht für nachvollziehbar und stützte sich auf eine
Stellungnahme ihres Beratungsarztes Prof. Dr. S. vom 03.09.2009. Der Senat bat die Sachverständige Dr. D. zum Bericht des
Prof. Dr. K./Dr. F. und zum Gutachten des Dr. C. sowie der Stellungnahme von Prof. Dr. S. Stellung zu nehmen, insbesondere
vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 09.05.2006. Am 20.08.2009 erläuterte die Sachverständige,
nachdem eine organisch bedingte Dystonie ausgeschlossen worden sei, bleibe es bei ihrer früheren Beurteilung. Danach sei der
Unfall als wesentliche Mitursache bei vorbestehender erhöhter Vulnerabilität zu bewerten. Der Auffassung von Dr. C. sei entgegen
zu halten, dass dieser bei der Bemessung der MdE, die er nicht weiter begründet habe, das psychosomatische Bild einer schweren
Persönlichkeitsänderung gleich setze. Eine bewusstseinsnahe Bewegungsstörung, wie von Prof. Dr. S. angenommen, stehe im Widerspruch
zu den vorliegenden Befunden, insbesondere zum Befundbericht des Prof. Dr. K ... Die MdE sei richtigerweise mit 25 v.H. zu
bewerten.
Der Kläger beantragt,
auf seine Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29.11.2005 sowie den angefochtenen Bescheid vom 13.06.2002
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach
einer MdE um 70 v.H. statt 25 v.H. zu zahlen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
auf ihre Berufung das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29.11.2005 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 13.06.2002
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2002 abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß §
136 Abs.
2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§
143,
151 SGG), aber unbegründet; die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig und unbegründet. Zulässig ist die Anschlussberufung gem.
§
99 SGG, obwohl mit ihr ein Anspruch geltend gemacht wird, nämlich Rente nach einer MdE um 70 v.H., der über den in erster Instanz
gestellten Antrag, Rente nach einer MdE um 25 v.H. zu gewähren, hinaus geht. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob eine
Änderung nach §
99 Abs
3 Nr.
2 SGG, d.h. eine Klageerweiterung vorliegt, denn in jedem Fall ist die Klageerweiterung sachdienlich. Eine Anschlussberufung zum
Zwecke der Klageerweiterung ist zulässig (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer,
SGG 9. Aufl. §
143 Rn. 5d).
Zutreffend entschied das Sozialgericht, auf dessen Ausführungen der Senat gemäß §
153 Abs.
2 SGG Bezug nimmt, dass eine somatoforme Schmerzstörung und eine dissoziative Bewegungsstörung Folgen des Unfalls vom 13.02.2001
sind und der Kläger Anspruch auf Feststellung hat. Dieses Ergebnis wird durch die Beweiserhebung im Berufungsverfahren bestätigt.
Dabei geht der Senat von dem Krankheitsverlauf aus, den das Sozialgericht nachgezeichnet hat, nämlich von zunächst anhaltenden
Nacken- und Kopfschmerzen, einem sich später entwickelnden Tremor der rechten Hand und Ohnmachtsanfällen sowie einer Gangstörung
nach Verlust des Arbeitsplatzes und schließlich Sprach- und Atemstörungen sowie ein Zittern der Bauchdecke. Das Sozialgericht
stützte sich im Wesentlichen auf das von ihm eingeholte Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. D. und hielt eine von
Prof. Dr. W. zur Diskussion gestellte unfallbedingte Dystonie für nicht nachweisbar.
Letztere Annahme erachtet der Senat nunmehr eindeutig für ausgeschlossen und zwar aufgrund der eingehenden Untersuchung des
Klägers unter stationären Bedingungen in der Neurologischen Klinik F-Stadt vom 08.12. bis 12.12.2008. Unter Dystonie wird
eine Bewegungsstörung verstanden, deren neurologischer Ursprung in den motorischen Zentren im Gehirn liegt; sie kann vom Betroffenen
nicht unterdrückt werden (Internet-Recherche bei Wikipedia). Bei der Untersuchung in F-Stadt zeigte sich jedoch u.a. eine
Änderung der Tremorfrequenz bei Ablenkungsaufgaben, was bei einer Dystonie nicht möglich wäre. Damit scheidet eine organisch
bedingte Störung aus.
Es bleibt bei der schon von Dr. D. diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F 45.4) und dissoziativen Bewegungsstörung
(ICD-10 F 44.4). Charakteristisch für eine somatoforme Schmerzstörung ist ein andauernder schwerer Schmerz, der durch körperliche
Störungen nicht vollständig erklärt werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen
auf mit der Folge einer beträchtlichen persönlichen oder medizinischen Zuwendung. Die dissoziative Bewegungsstörung beinhaltet
u.a. Gangstörungen, Zittern, Ähnlichkeiten mit Ataxien und dergleichen. Als diagnostische Leitlinie ist zu fordern, dass eine
körperliche Krankheit als Verursachung ausgeschlossen werden kann. Aufgrund des psychologischen und sozialen Hintergrunds
muss das Auftreten der Erkrankung erklärbar sein. Diese Definition entnimmt der Senat der von der Sachverständigen Dr. D.
auf Aufforderung des Senats abgegebenen Stellungnahme vom 20.08.2009. Der Forderung des Bundessozialgerichts im Urteil vom
09.05.2006 (B 2 U 1/05 R), die Erkrankung so genau zu bezeichnen, dass Sie mit einem ICD-10-Schlüssel benannt werden kann, ist damit Rechnung getragen.
Der Senat schließt sich auch hinsichtlich der Ursachenbeurteilung den Ausführungen der Sachverständigen an. Sie führt aus,
dass beim Kläger eine Reihe biografischer Belastungen zu eruieren sind, die eine leistungsorientierte Grundhaltung mit zwanghaften
Zügen förderten. Insgesamt ist die Persönlichkeit des Klägers aber eher als stabil, fast rigide zu bezeichnen. Trotz biografischer
Belastungen, wie z. B. die andauernde Krankheit seiner Ehefrau, was eine erhöhte Vulnerabilität annehmen lässt, war es jedoch
beim Kläger vor dem Unfallereignis nicht zu krankheitswertigen Symptome gekommen. Von einem nachgewiesenen Vorschaden kann
nicht ausgegangen werden, allenfalls von einer erhöhten Vulnerabilität, die aber nicht so groß war, dass sie durch alltägliche
austauschbare Gelegenheitsursachen zu krankheitswertigen Symptomen geführt hätte. Daraus ist zu folgern, dass trotz der medizinisch
gesicherten Erkenntnis, dass erst das Zusammenspiel von Primärpersönlichkeit, Ressourcen und Belastungen zu psychischen Auffälligkeiten
führt, dem Unfallereignis eine tragende Bedeutung zukommt. Der Unfall war wesentlich mitursächlich für die somatoforme Schmerzstörung
und dissoziative Bewegungsstörung.
Das Fortbestehen dieser psychogenen Störungen ist zwar auch auf ungünstige berufliche Einflüsse, nämlich die Kündigung im
Frühjahr 2002, zurückzuführen, aber nicht in dem Sinne, dass ab dann das Krankheitsgeschehen einen eigenständigen vom Unfallgeschehen
unabhängigen Verlauf genommen hätte. Die Sachverständige Dr. D. erläutert hierzu, dass der Kläger bereits 1999 eine Kündigung
verkraften musste und dies auch bewältigte, ohne dass es zu anhaltenden psychischen Störungen gekommen war. Die Kündigung
im Jahr 2002 erlebte der Kläger anders als die von 1999, als er noch gesund und leistungsfähig war. Aufgrund der Unfallfolgen
konnte er die neuerliche Kündigung schlechter verarbeiten. Insofern ist das Fortbestehen der psychogenen Störungen, auch wenn
nicht nachweisbar ist, dass dem Kläger wegen verminderter Leistungsfähigkeit gekündigt worden war, noch wesentlich teilursächlich
auf den Unfall zurückzuführen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung von Dr. D. an, die in ihrer Stellungnahme vom
20.08.2009 das Zusammenwirken von Kündigung und vorbestehenden Unfallfolgen im Sinne einer gleichwertigen Mitursache interpretiert.
Der Beurteilung des Dr. C. im Gutachten vom 19.06.2009 folgt der Senat weder hinsichtlich der Diagnose noch der MdE-Bewertung.
Eine dystone Bewegungsstörung psychosomatischer Ätiologie, wie Dr. C. meint, hält der Senat für widersprüchlich. Von einer
Dystonie ist nur zu sprechen, wenn ein hirnorganischer Schaden vorliegt und von einer psychosomatische Störungen, wenn Beschwerden
vorliegen, die organisch nicht zu erklären sind. Auch ist seine MdE-Bewertung nicht nachvollziehbar. Eine Begründung, weshalb
er eine MdE um 70 v.H. für angemessen hält, gibt er nicht.
Der Senat schließt sich der gut nachvollziehbaren MdE-Einschätzung der Sachverständigen Dr. D. an. Sie legt dar, nach medizinischer
Literatur ist das Ausmaß der psychisch emotionalen Beeinträchtigung, der sozialen kommunikativen Beeinträchtigung und der
körperlich-funktionellen Beeinträchtigung zu würdigen. Danach liegt beim Kläger ein Zustand zwischen einer leichten bis mittelgradigen
körperlich-funktionellen Einschränkung vor, die allein mit 10 v.H. zu bewerten ist, und einer solchen Einschränkung stärkeren
Grades, für die eine MdE um 30 v.H. angemessen ist. Unter Abwägung der konstant aufgetretenen Gangstörung, der häufigen ärztlichen
Konsultationen erscheint eine MdE um 25 v.H. angemessen.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass das Urteil des Sozialgerichts vom 29.11.2005 in vollem Umfang zutreffend ist, während
die Anschlussberufung des Klägers, mit der dieser Rente nach einer MdE um 70 v.H. begehrt, unbegründet ist. Die Berufung der
Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers waren daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
193 SGG. Da die Beklagte im Berufungsverfahren unterlegen ist und eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen ist (Meyer-Ladewig
aaO. § 143 Rn. 5 h) bleibt es trotz erfolgloser Anschlussberufung bei der Pflicht der Beklagten, dem Kläger die außergerichtlichen
Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.