Aufrechnung gegen Kosten aus einer stationären Behandlung
Fallzusammenführung
Medizinisch überflüssiges Fallsplitting
Tatbestand
Die Klägerin und Berufungsbeklagte begehrt die Zahlung einer Vergütung der Kosten aus einer stationären Behandlung in Höhe
von 4.574,62 EUR und wendet sich hierbei gegen die Aufrechnung in dieser Höhe durch die Beklagte und Berufungsklägerin.
Der Versicherte C. (geb. 1927) befand sich vom 30.04. bis 04.05.2012 in stationärer Behandlung bei der Klägerin; es wurde
am 02.05.2012 eine perkutane transluminale Angioplastie (PTA) mit Rekanalisation der Arteria femoralis superficialis rechts
durchgeführt (DRG F54Z). Für den 02.07.2012 war die erneute stationäre Aufnahme wegen einer perkutanen transluminalen Angioplastie
(nun am linken Bein/Fuß) geplant. Vom 14.05. bis 06.06.2012 musste wegen einer Vorfußphlegmone (bakterielle Entzündung des
Bindegewebes) bzw. pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) mit Ulcus der Großzehenregion rechter Fuß eine erneute
stationäre Behandlung erfolgen. Die Großzehe am rechten Fuß wurde am 29.05.2012 amputiert. Die Klägerin setzte die DRG J03A
bei Hauptdiagnose L03.11 an und berechnete mit Rechnung vom 11.06.2012 Kosten der stationären Behandlung in Höhe von 5.497,76
EUR. Wegen aufgetretener starker Schmerzen beim Versicherten erfolgte jedoch die geplante, weitere stationäre Aufnahme statt
am 02.07.2012 bereits am 13.06.2012 mit Behandlung bis 15.06.2012. Betroffen war nunmehr der linke Fuß (Diagnose: Ulcus bzw.
eine Nekrose der linken Großzehe im Sinne einer pAVK IV bei beschriebenen Verschlüssen bzw. Einengungen der Ober- und Unterschenkelgefäße).
Es wurde eine PTA von Oberschenkel- und Unterschenkelstrombahn vorgenommen. Die Klägerin stellte der Beklagten dafür 4.574,62
EUR nach der DRG F54Z (komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne kompliz. Konstellation, ohne Revision, ohne kompliz. Diagnose,
Alter ) 2 J., ohne bestimmte beidseitige Gefäßeingriffe od. mäßig kompl. Gefäßeingriff mit kompliz. Diagnose, ohne äuß. schw.
CC, ohne Rotationsthrombektomie) mit Hauptdiagnose I70.23 in Rechnung. Die Beklagte leistete unter Vorbehalt.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 08.10.2012 ein. Aus medizinischer Sicht sei
nicht ersichtlich, weswegen eine Wiederaufnahme erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte. Die erforderliche Weiterbehandlung
der Durchblutungsstörungen am linken Bein hätte zum ersten Entlassungszeitpunkt erfolgen können. Deshalb sei eine Fallzusammenführung
mit der gemeinsamen DRG J03A zu erfolgen. Die Beklagte verrechnete daraufhin am 17.10.2012 den streitigen Betrag von 4.574,62
EUR mit einer unstreitigen Forderung. Der SMD hielt in einer Stellungnahme vom 12.06.2015 an der Ansicht fest, dass die notwendige
Behandlung bereits im Rahmen des Aufenthaltes ab dem 14.05.2012 hätte erfolgen können und müssen.
Mit der Klage zum Sozialgericht Regensburg vom 18.11.2015 hat die Klägerin die Zahlung dieser 4.574,62 EUR samt Zinsen begehrt.
Es sei keine Fallzusammenführung vorzunehmen.
Das Sozialgericht hat die Patientenakten beigezogen und den Chirurgen Prof. Dr. PD Dr. F. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens
beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 20.09.2016 dargelegt, dass die zunächst abwartende Haltung der
Klägerin unter kurzfristiger Kontrolle des operierten Bereiches nachvollziehbar und widerspruchsfrei sei. Es sei neben dem
hohen Alter (87 Jahre) auch auf eine Demenz und Harninkontinenz beim Versicherten hinzuweisen. Eine möglichst geringe Belastung
des Versicherten sei anzustreben gewesen, wobei eine Verschlechterung der Durchblutungsstörungen mit dem neuen Eingriff hinzunehmen
gewesen sei. Insgesamt ist der Gutachter zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kriterien für eine Fallzusammenführung nicht vorlägen.
Die Beklagte hat, gestützt auf eine Stellungnahme des SMD vom 07.11.2016, eingewandt, dass im Rahmen der stationären Unterbringung
vom 14.05. bis 06.06.2012 die Probleme am rechten Bein im Vordergrund gestanden hätten, wobei der folgende stationäre Aufenthalt
das linke Bein betroffen habe. Zeitgleich zum Aufenthalt ab 14.05.2012 hätten beide Behandlungen durchgeführt werden können;
eine geplante Wiederaufnahme hätte daher vermieden werden können.
Nach Ansicht der Klägerin sei wegen des Gesamtzustandes des Patienten ein Eingriff an beiden Beinen beim ersten Aufenthalt
nicht vertretbar gewesen.
Das Sozialgericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. PD Dr. F. vom 06.03.2017 eingeholt, der an seinem Gutachtensergebnis
festgehalten hat. Entsprechendes gilt für eine weitere ergänzende Stellungnahme des Gutachters vom 24.04.2017 zu den Ausführungen
des SMD vom 12.04.2017, nach der eine Indikation für ein abwartendes Verhalten nicht gegeben gewesen sei. Eine weitere Äußerung
des SMD vom Juni 2017 ist erst nach dem Urteil des Sozialgerichts eingegangen. Bereits am 14.05.2012 habe eine beidseits fortgeschrittene
AVK vorgelegen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14.06.2017 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.574,62
EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.10.2012 zu bezahlen. Das Sozialgericht
ist dabei den Ausführungen des Prof. Dr. PD Dr. F. gefolgt. Der Beklagten sei zwar zuzugeben, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot
durch die höchstrichterliche Rechtsprechung im Abrechnungsstreit festgeschrieben sei; letztlich handele es sich hierbei jedoch
nicht um den alleinigen Primat der Vergütungsrechtsprechung. Ein Krankenhaus, hier die Klägerin, sei daneben verpflichtet,
auch die medizinischen Gesichtspunkte bei der Behandlung zu beachten. Die Einschätzungsprärogative verhelfe dem vorliegenden
Fall zum Durchbruch zugunsten der Klägerin. Tatsächlich handele es sich um einen 87-jährigen Versicherten, der nicht nur unter
Demenz leide, sondern auch unter einem Diabetes mellitus. Die Erkrankung sei nicht behandelbar gewesen, der Verlauf ungünstig.
Notfallmäßiges Einschreiten bei Absenkung der Durchblutung unter das lebensnotwendige Maß sei zu befürchten gewesen. Eine
abwartende Haltung sei beim Versuch der Erhaltung der Extremität durchaus begründet. Ein schnellkorrigierendes Eingreifen
sei dabei aber erforderlich. Somit lasse sich hinterher - wie vom SMD dargetan - gleichsam vom grünen Tisch aus zwar dartun,
dass theoretisch beide Eingriffe in einem Aufenthalt hätten gemacht werden können, jedoch sei der behandelnde Arzt vor Ort
mit dem jeweiligen Patienten bei unterschiedlicher Lage gehalten, kurzfristig eine Entscheidung zu treffen. Hinzu komme der
schlechte Allgemeinzustand des Patienten im hohen Alter, wonach eine Behandlung an beiden Extremitäten im ersten Aufenthalt
viel zu risikoreich gewesen wäre. Dies verkenne der SMD. Eine ex post-Betrachtung sei zwar möglich, letztlich bei Abrechnungsstreitigkeiten
auch üblich und erforderlich, jedoch existierten immer wieder Einzelsituationen - so wie hier - in denen schnell gehandelt
werden müsse und auch durchaus abwartende Haltungen nachvollziehbar seien. Dem Patienten habe damit zu Recht die Rekonvaleszenz
nach der Behandlung des rechten Fußes zugestanden, wenn dann erst Wochen später der linke Fuß behandelt werden sollte. Dies
sei für die Kammer ein nachvollziehbares Vorgehen, das durch die Rechtsvorschriften gedeckt sei.
Entsprechend sei auch der Zinsanspruch begründet. Gegen das am 04.07.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.07.2017
Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat sie sich auf die Äußerungen des SMD (vor allem
vom 08.10.2012) berufen. Es liege ein unzulässiges Fallsplitting durch die Klägerin vor, weil sich zum Entlassungszeitpunkt
am 06.06.2012 bereits die Indikation zu weiteren Maßnahmen gestellt habe. Auch unter Berücksichtigung höchstrichterlicher
Rechtsprechung (BSG, Urt. v. 28.03.2017, B 1 KR 29/16 R) hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, den Patienten zwischen den beiden Aufenthalten zu beurlauben anstatt ihn zu entlassen.
Die Beurlaubung setze - wie hier - im Übrigen eine bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung beabsichtigte
Wiederaufnahme in das Krankenhaus voraus.
Die Klägerin hat auf das Gerichtsgutachten verwiesen. Danach sei die Aufteilung der Behandlung in zwei Aufenthalte aus medizinischen
Gründen geschuldet gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 28.03.2017. Die Fallkonstellationen seien nicht vergleichbar. Dort sei eine Entlassung eines jungen Versicherten ohne
medizinische Gründe und auf Wunsch des Patienten (zur Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung) erfolgt. Hier sei die erneute
stationäre Aufnahme wegen des linken Fußes erst am 02.07.2012 vorgesehen gewesen, damit sich der 87-jährige Versicherte zunächst
von dem ersten Eingriff erholen konnte.
Auch eine Beurlaubung sei nicht in Betracht gekommen: Zwingende Voraussetzung hierfür sei, dass die stationäre Behandlung
noch nicht abgeschlossen sei. Eine stationäre Behandlung sei abgeschlossen, wenn keine medizinische Notwendigkeit mehr für
eine stationäre Behandlung vorliege. Die Behandlung des rechten Fußes sei hier abgeschlossen gewesen, nachdem eine transmetatarsale
DI-Amputation durchgeführt worden sei. Der Eingriff am linken Fuß habe wegen des schlechten Allgemeinzustandes nicht unmittelbar
erfolgen können. Daher sei die stationäre Behandlung (zunächst) abgeschlossen gewesen. Insbesondere liege keine vorzeitige
"blutige" Entlassung im betriebswirtschaftlichen Eigeninteresse des Krankenhauses vor. Allein der Umstand, dass der zweite
Eingriff am anderen Bein bereits zum Zeitpunkt der Entlassung geplant gewesen sei, führe nicht dazu, dass noch derselbe oder
ein einheitlicher stationärer Behandlungsfall vorliege.
Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Es habe keine gleiche zweckmäßige und notwendige
Behandlungsmöglichkeit gegeben, deren Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer seien (BSG, Urt. vom 10.03.2015, B 1 KR 3/15 R).
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. PD Dr. F. vom 09.11.2018 eingeholt. Dieser hat klargestellt, dass
der Versicherte als schwerstkranker Mann den verstümmelnden Eingriff des rechten Beines mit zusätzlichem Absetzen des linken
Beines ohne Möglichkeit der Heilung zum Zeitpunkt des Eingriffs rechts wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Die Beklagte hat
auch hierzu eine Stellungnahme des SMD vom 11.12.2018 vorgelegt. Die vorliegende ärztliche Dokumentation gebe es nicht her,
dass ein zweiter Termin notwendig gewesen sei. Das Gutachten sei spekulativ. Der Behandlungsfall hätte zusammengeführt werden
müssen und sei abzubilden mit DRG F59A: Der erste Behandlungsfall allein wäre nach DRG F27B abzurechnen gewesen mit der Hauptdiagnose
I70.24 und der Nebendiagnose aufgrund des Diabetes mellitus E11.74; dies sei bislang noch nicht berücksichtigt worden. Der
Sachverständige berücksichtige die Anweisungen der Kodierregelwerke nicht ausreichend. Dieses Verfahren konnte im Güterichterverfahren
nicht einer einvernehmlichen Lösung zugeführt werden (Mediationsvereinbarung vom 22.11.2017).
Der Senat hat die Beklagte um Mitteilung der Differenz bei der Vergütung nach DRG J03A und F59A angefragt. Nach Angaben der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2019 betrage der Unterschied 1.193,15 EUR zugunsten der Klägerin. Auf die
Niederschrift der Sitzung wird ergänzend verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 14.06.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der beigezogenen Patientenakte sowie
die Klage- und Berufungsakte hingewiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG ist begründet. Die Beklagte kann gegen den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht mit einem öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch aufrechnen (§
387 BGB analog).
Die Vergütung für Krankenhausbehandlungen des Versicherten bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher
Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus
§
109 Abs.
4 S. 3 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB V) i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17 b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG
mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach §
11 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und
der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit
Abrechnungsbestimmungen in den Fallpauschalenvereinbarungen auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG.
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen
Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert. Die Anwendung der zwischen den Vertragspartnern auf
Bundesebene beschlossenen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR - hier Version 2012) und der Fallpauschalenabrechnungsbestimmungen
einschließlich der OPS erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von
zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als
jährlich weiter zu entwickelndes und damit lernendes System angelegt ist, sind bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder
Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (st. Rspr. des
BSG, vgl. Urteil vom 17.11.2015, B 1 KR 41/14 R). Nach Ansicht des BSG handelt es sich bei der konkreten Auslegung der DKR und Abrechnungsbestimmungen um eine rechtliche Prüfung (BSG, B 1 KR 97/15 B - juris Rn. 8).
Streitig ist hier inhaltlich vor allem die Frage, ob ein Fall der Wiederaufnahme vorlag bzw. eine Beurlaubung insbesondere
aus wirtschaftlichen Gründen geboten gewesen wäre (§ 2 Abs. 1, 2 Fallpauschalenvereinbarungen - FPV 2012) oder die Voraussetzungen
einer abrechnungstechnisch gebotenen Fallzusammenführung (§ 2 Abs. 3 FPV 2012) vorliegen mit der Folge, dass eine Neueinstufung
in eine neue Fallpauschale geboten wäre (§ 2 Abs. 4 FPV 2012), d.h. nicht nach DRG F54Z (komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe
ohne kompliz. Konstellation, ohne Revision, ohne kompliz. Diagnose, Alter ) 2 J., ohne bestimmte beidseitige Gefäßeingriffe
od. mäßig kompl. Gefäßeingriff m. kompliz. Diagnose, ohne äuß. schw. CC, ohne Rotationsthrombektomie), sondern zweimal nach
DRG J03A (Eingriff an der Haut der unteren Extremität bei Ulkus oder Infektion / Entzündung mit äußerst schwerem CC) bzw.
wie nun im Berufungsverfahren vorgebracht nach DRG F59A (komplexe Gefäßeingriffe ohne komplizierende Konstellation, ohne Revision,
ohne kompliz. Diagnose, Alter ) 2 J., ohne bestimmte beidseitige Gefäßeingriffe, mit äuß. schweren CC oder mäßig kompl. Gefäßeingriff
mit äuß. schweren CC oder Rotationsthrombektomie) abzurechnen wäre.
a) Beurlaubung
Die Beklagte bezieht sich unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 28.03.2017 (BSG, a.a.O.) im Berufungsverfahren auf die Notwendigkeit einer Beurlaubung. In dem Fall des BSG wollte der Patient das Krankenhaus verlassen, um eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Es liegt bereits keine unmittelbare
Vergleichbarkeit mit dem hier zu entscheidenden Fall vor, da zumindest nach Darlegung des Krankenhauses vorliegend die Behandlung
abgeschlossen war.
Es liegt kein einheitlicher Behandlungsfall mit einer Beurlaubung vor. Nach § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2012 liegt eine Beurlaubung
vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbelegung zeitlich befristet unterbricht,
die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Bei Fortsetzung der Krankenhausbehandlung nach einer Beurlaubung
liegt keine Wiederaufnahme im Sinne von § 2 FPV 2012 vor. Vollständige Tage der Beurlaubung sind gesondert in der Rechnung
auszuweisen und zählen nicht zur Verweildauer (§ 1 Abs. 7 S. 4 FPV 2012). Insgesamt bewirkt die Beurlaubung, dass für die
DRG-Abrechnung nur von einem Behandlungsfall im Rechtssinne auszugehen ist. Die Gesetzesregelung in § 8 Abs. 2 S. 1 KHEntgG
verweist hierzu auf den Fallpauschalen-Katalog nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG. Die Abrechnungsbestimmungen in § 1 Abs.
7 FPV 2012 setzen die Gesetzeskonzeption auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG gesetzeskonform um (BSG vom 28.03.2017, a.a.O., juris Rn. 17). Unstreitig wurde vorliegend jedoch der Versicherte am 06.06.2012 aus der stationären
Behandlung zur ambulanten Weiterbehandlung entlassen. Dies ergibt sich ohne Zweifel aus dem stationären Arztbrief der Klägerin
vom 06.06.2012 an den Arzt Dr. W ... Eine förmliche Beurlaubung ist nicht erfolgt.
b) Wirtschaftlichkeitsgebot
Es liegt aber auch kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Dies wäre dann gegeben, wenn ein Krankenhaus einen
Patienten entlässt anstatt ihn zu beurlauben. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt für alle Leistungsbereiche des
SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten
(§
12 Abs.
1 S. 1
SGB V). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer
nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung
durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der GKV nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung.
Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt auch Krankenhäuser bei der Behandlungsplanung, die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens
zu prüfen und ggf. zu nutzen. Wählt das Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, kann es allenfalls die Vergütung
beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert,
dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu
erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind. Soweit die Behandlung kostengünstiger durch einen stationären
Aufenthalt statt durch zwei stationäre Behandlungsepisoden tatsächlich möglich ist und medizinische Gründe nicht entgegenstehen,
hat das Krankenhaus seine Behandlungsplanung zwingend daran auszurichten (vgl. BSG, Urt. vom 28.03.2017, a.a.O.).
Vorliegend war die Behandlung am 06.06.2012 jedoch abgeschlossen. Diese betraf zum einen das rechte Bein, während die folgende
stationäre Behandlung das linke Bein betraf. Das linke Bein war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht behandelt worden. Hierfür
war ein gesonderter Termin am 02.07.2012 vorgesehen.
Zum anderen war die Behandlung des rechten Beins vom 14.05. bis 06.06.2012 erforderlich, da eine Vorfußphlegmone aufgetreten
war. Bereits vom 30.04. bis 04.05.2012 wurde das rechte Bein mit einer PTA mit Rekanalisation der Arteria femoralis superficialis
rechts behandelt - diese Behandlung ist vergleichbar mit der ab 13.06.2012, nicht jedoch mit der Behandlung des Auftretens
der Phlegmone ab 14.05.2012. Hier stellte sich der Versicherte ausweislich der Patientenakte mit einer starken Rötung am Vorfuß
mit Überwärmung bei diagnostizierter Vorfußphlegmone im Bereich des rechten Fußes vor. Am linken Bein wurde ein "stabiler
Befund mit einer trockenen Ulceration an der Großzehe" beschrieben (Anamnese gem. stationärem Arztbrief vom 06.06.2012). Der
Diabetes mellitus war entgleist, weshalb gleichzeitig auch eine internistische Behandlung erforderlich wurde. Die Großzehe
am rechten Fuß musste amputiert werden. Demgegenüber erfolgte am 13.06.2012 ein ähnlicher Eingriff wie am 02.05.2012, nämlich
die Behandlung der Verschlusskrankheit an der unteren Extremität mittels PTA. Die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus betrug nur
wenige Tage (13.06. bis 15.06.2012).
Nicht streitgegenständlich ist hierbei ein eventueller Fallzusammenhang zwischen der stationären Behandlung vom 30.04. bis
04.05.2012 und der Behandlung vom 13.06. bis 15.06.2012. Im Übrigen lagen nach Anforderung dem SMD auch hierzu die Unterlagen
vom Krankenhaus vor; es erfolgte insoweit offensichtlich keine Beanstandung.
Auch der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. PD Dr. F. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.09.2016 festgestellt,
dass die Behandlung am 06.06.2012 "in sich geschlossen" (Seite 4) war. Ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot wegen
gebotener Beurlaubung liegt damit nicht vor.
Im Übrigen ergibt sich auch aus der Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. PD Dr. F., dass eine abwartende Haltung bei
der Entlassung am 06.06.2012 medizinisch beim Versuch der Erhaltung der Extremität durchaus begründet war. Im Fall des Patienten
kommt nämlich hinzu, dass dieser in fortgeschrittenem Alter und multimorbid war bei lokalen Befunden. Es lag vor allem eine
Erkrankung des gesamten Gefäßsystems mit Verhärtung, Verkalkung und Engstellen der Schlagadern am ganzen Körper vor (fortgeschrittene
periphere arterielle Verschlusskrankheit vom Becken- und Beintyp im Stadium IV nach Fontaine). Insgesamt kommt der Gutachter
zu dem Ergebnis, dass eine zunächst abwartende Haltung unter kurzfristiger Kontrolle des erkrankten bzw. evtl. operierten
Bereichs insbesondere bei schweren Allgemeinerkrankungen einschließlich einer essentiellen Hypertonie, Demenz und Harninkontinenz
den Regeln der ärztlichen Kunst entsprach. Klinisch ist deutlich nachzuvollziehen, dass die eingeschlagene Strategie von einzelnen
Minimaleingriffen nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchaus begründbar ist. Es lagen damit medizinische Gründe dafür vor,
am 06.06.2012 zunächst eine Entlassung des Patienten vorzunehmen.
Der Senat hält das Gutachten des Prof. Dr. PD Dr. F. mit den ergänzenden Stellungnahmen für schlüssig und überzeugend. Es
handelt sich um einen erfahrenen Chirurgen und Sachverständigen. Ihm lag u.a. die Patientenakte einschließlich dem OP- und
Entlassungsbericht zur Beurteilung vor. Er stützt seine Einschätzung auf medizinische Gründe - und nicht auf eine Einschätzungsprärogative
der behandelnden Ärzte (BSG v. 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R). Es wurde zur Bewertung der medizinischen Fragen vom Senat herangezogen.
c) Voraussetzungen einer abrechnungstechnisch gebotenen Fallzusammenführung
Auch die Voraussetzungen einer abrechnungstechnisch gebotenen Fallzusammenführung liegen nach Überzeugung des Senats nicht
vor. Es ist den Krankenhäusern verwehrt, vorzeitige ("blutige") Entlassungen im Eigeninteresse vorzunehmen, um z.B. durch
ein planvolles, medizinisch überflüssiges Fallsplitting Zusatzeinnahmen zu erzielen. Die Frage, ob ein oder mehrere abzurechnende
Behandlungsfälle vorliegen, ist allein danach zu beurteilen, ob die Behandlung durch das Krankenhaus (zunächst) abgeschlossen
wurde. Eine erneute Aufnahme, und sei es auch wegen derselben Erkrankung, rechtfertigt deshalb nicht retrospektiv die Annahme,
dass nur ein Behandlungsfall vorlag (vgl. BSG, Urt. v. 10.03.2015, B 1 KR 3/15 R).
Wie oben dargelegt, liegt aber keine sog. "blutige" Entlassung vor, sondern die komplikationsbedingte Behandlung des rechten
Fußes war abgeschlossen.
Es liegt auch kein sonstiger Fall einer abrechnungstechnisch gebotenen Fallzusammenführung vor. Nach § 2 Abs. 1 FPV 2012 hat
das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen,
wenn
1. ein Patient oder eine Patientin innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem
Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Krankenhausaufenthaltes, wieder aufgenommen
wird und
2. für die Wiederaufnahme eine Einstufung in die gleiche Basis-DRG vorgenommen wird.
Die Klägerin kodierte den (zweiten) Aufenthalt ab 14.05.2012 mit der Hauptdiagnose L03.11. Nach im Berufungsverfahren vorgebrachter
Ansicht des SMD wäre gemäß dem Hauptressourcenverbrauch zutreffend zu kodieren gewesen I70.24 und der Diabetes mellitus mit
der Nebendiagnose E11.74, so dass sich ergäbe: DRG F27B (Verschiedene Eingriffe bei Diabetes mellitus mit Komplikationen,
ohne Gefäßeingriff, ohne bestimmte Amputation, mit äußerst schweren CC oder komplexer Arthrodese des Fußes oder komplexem
Haut- oder bestimmtem Gefäßeingriff). Der SMD weist darauf hin, dass die Wiederaufnahme des Versicherten wegen weiterbestehender
und zunehmender Beschwerden in Folge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Sinne einer Komplikation noch innerhalb
der Oberen Gesamtverweildauer (OGVD) von 33 Tagen liege, so dass weiterhin DRG F27B Geltung habe.
Nicht zutreffend ist hierbei jedoch die Annahme, dass für die Wiederaufnahme eine Einstufung in die gleiche Basis-DRG vorzunehmen
gewesen wäre, da sich der zweite und dritte Eingriff wie dargelegt wesentlich unterscheiden. Die Einstufung des zweiten Eingriffs
unter den DRG J03A (Eingriffe an der Haut der unteren Extremität bei Ulkus oder Infektion/Entzündung mit äußerst schweren
CC) ist zutreffend und entspricht auch der Einschätzung des SMD vom 08.10.2012. Demgegenüber ist die PTA gemäß der ersten
und dritten stationären Behandlung, die wie oben dargestellt vergleichbar sind, mit der DRG F54Z zutreffend abgebildet: Sie
umfasst komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne komplizierte Konstellationen, ohne Revision und ohne kompl. Diagnose,
ohne bestimmte beidseitige Gefäßeingriffe oder mäßig komplizierte Gefäßeingriffe mit kompliz. Diagnose, ohne äußerst schwere
CC und ohne Rotationsthrombektomie. Die Hauptdiagnose lautete jeweils I70.23 (Atherosklerose der Extremitätenarterien: Becken-Bein-Typ,
mit Ulzeration). So hat auch die Beklagte die Abrechnung der ersten stationären Behandlung vom 30.04. bis 04.05.2012 mit DRG
F54Z nicht beanstandet.
Nach § 2 Abs. 3 FPV 2012 hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine
Fallpauschale vorzunehmen, wenn Patienten oder Patientinnen, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer in den
Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der
oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten unter dieser Vorschrift
zur Zusammenfassung fallenden Aufenthaltes, wieder aufgenommen werden. Der dritte Aufenthalt erfolgte aber offensichtlich
nicht wegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankhauses fallenden Komplikation.
Der insoweit unstreitige Zinsanspruch ergibt sich aus den Regelungen der nach § 18 Abs. 2 KHG geschlossenen Pflegesatzvereinbarung (BSG v. 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R; v. 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R). Danach sind die Rechnungsbeträge ab dem Fälligkeitstag ohne weitere Mahnung in Höhe von
4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert ist bezifferbar im Sinne des § 52 Abs. 3 S. 1 GKG und mit 4.574,62 EUR festzusetzen.