Vergütung stationärer Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Rechtmäßigkeit der Aufrechnung mit anderen Forderungen durch die Krankenkasse
Tatbestand
Gegenstand der Berufung ist ein Krankenhausabrechnungsstreit.
Die Klägerin ist als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts Trägerin und Betreiberin der Clinic A-Stadt, welche
unter der Nummer ... in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern aufgenommen ist.
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Frau E. B. wurde vom 04. - 11.11.2010 in der Clinic A-Stadt stationär
behandelt, wofür die Klägerin als Vergütung 3.748,97 EUR in Rechnung stellte (Rechnung vom 30.11.2010). Die bei der Beklagten
gesetzlich krankenversicherte Frau A. B. wurde vom 23. - 27.11.2010 in der Clinic A-Stadt stationär behandelt, wofür die Klägerin
als Vergütung 3.368,97 EUR in Rechnung stellte (Rechnung vom 02.12.2010). Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte
Frau A. M. wurde vom 25. - 28.11.2010 in der Clinic A-Stadt stationär behandelt, wofür die Klägerin als Vergütung 3.378,97
EUR in Rechnung stellte (Rechnung vom 02.12.2010). In der Summe berechnete die Klägerin für diese drei Behandlungsfälle der
Beklagten 10.496,91 EUR.
Diese leistetet darauf nur 4.591,11 EUR und machte geltend, ihr stehe für den Restbetrag iHv 5.905,80 EUR ein Rückerstattungsanspruch.
Dieser resultiere aus einer Überzahlung für die stationäre Behandlung der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten
C. S. vom 19. - 27.03.2009. Hierfür hatte die Klägerin nach der DRG-Fallpauschale I43B gemäß Rechnung vom 01.04.2009 8.865,37
EUR geltend gemacht. Diesen Betrag hatte die Beklagte zwar zunächst entsprechend der geltenden Pflegesatzvereinbarung, die
der ausschließlich im Freistaat Bayern verwendeten Musterpflegesatzvereinbarung der Jahre 2009 sowie 2010 entspricht, fristgemäß
beglichen. Die Beklagte war aber nach Rechnungsprüfung einer Stellungnahme des MDK vom 15.06.2010 folgend im Schreiben vom
06.10.2009 der Meinung, die Behandlung der C. S. sei nicht mit dem Operationsschlüssel 5822.90 sondern mit Schreiben vom 23.09.2010
5801.mh und zutreffend nach der DRG-Fallpauschale I30Z zu vergüten mit einem Betrag von lediglich 2.959,57 EUR, so dass insoweit
ein Erstattungsanspruch iHv 5.905,80 EUR bestehe. Nach einer weiteren Stellungahme des MDK erklärte die Beklagte mit Schreiben
vom 23.09.2010: "Die Rechnung bitten wir entsprechend zu berichtigen, ansonsten erfolgt nach 14 Tagen eine Korrektur unsererseits."
Dem gegenüber wandte der Leitende Arzt Dr. E. unter dem 13.12.2010 ein, die Behandlung sei den medizinischen Anforderungen
entsprechend zutreffend abgerechnet. Die Beklagte übersandet der Klägerin am 22.12.2010 ein Zahlungsavis vom mit folgendem
Inhalt:
- Foto von Zahlungsavis -
Die ersten beiden Zeilen sind mit dem Behandlungsfall C. S. in Bezug zu bringen, die entsprechende Eintragung auf dem Schriftstück
ist nachträglich handschriftlich und nicht von der Beklagten vorgenommen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 54 der
zweitinstanzlichen Verfahrensakte Bezug genommen. Die Beklagte teilte am 25.01.2011 der Klägerin mit, es verbleibe bei den
bisherigen Begutachtungen sowie: "Den zu viel bezahlten Betrag haben wir uns bereits gutgeschrieben. Wir sehen die Angelegenheit
daher als erledigt an".
Am 11.10.2011 hat die Klägerin Zahlungsklage über 5.905,80 EUR zum Sozialgericht Nürnberg erhoben mit der Begründung, § 12
der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung (zum Inhalt wird auf Blatt 15 und 16 der erstinstanzlichen Gerichtsakte Bezug genommen)
erlaube eine Aufrechnung nicht. Zudem sei der Behandlungsfall C. S. zutreffend abgerechnet. Die Beklagte hat den gegensätzlichen
Standpunkt vertreten. Mit Urteil vom 24.08.2012 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Weil nach der
anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung der zur Aufrechnung gestellte Erstattungsanspruch nicht fällig gewesen sei, habe eine
Aufrechnung der Beklagten die Vergütungsansprüche in den Behandlungsfällen B., M. und B. nicht zum Erlöschen bringen können.
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, ihr stehe aus dem unzutreffend abgerechneten Behandlungsfall
C. S. ein Erstattungsanspruch iHv 5.905,80 EUR zu mit dem sie aufgerechnet habe und auch wirksam habe aufrechnen können. Die
Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Entscheidung des Sozialgerichts sei zu folgen. Mit Schriftsatz vom
06.11.2015 hat die Beklagte hilfsweise Widerklage erhoben. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten Einsicht genommen
in eine schriftliche Aufrechnungserklärung aus einem hier nicht strittigen Parallelverfahren; insoweit wird auf die Anlage
der Niederschrift Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.08.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Klägerin zur Zahlung von 5.905,80 EUR zuzüglich 4 % Zinsen über den Basiszinssatz an die Beklagte zu verurteilen und damit
den Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Erstattung fällig zu stellen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten
beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
151 SGG), aber unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf vollständige Bezahlung der Krankenhausleistungen, welche die Klinik Clinic
A-Stadt für die Versicherten E. B. vom 04. - 11.11.2010, A. B. vom 23. - 27.11.2010 und A. M. vom 25. - 28.11.2010 abgerechnet
hat. Die demgegenüber geltend gemachte Aufrechnung wurde weder wirksam erklärt, noch ist sie mit einem fälligen Anspruch unterlegt.
Die zuletzt erhobene Hilfs-Widerklage bleibt infolge Verfristung ohne Erfolg.
1. Gesetzlich krankenversicherte Personen - wie hier die Versicherten A. B., A. M., E. B. und C. S. - haben gemäß § 2, §
27 Abs.
2 Satz 2 Nr.
5, §
39 Abs.
1 Satz 1
SGB V Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn das Behandlungsziel nicht anderweitig erreicht werden kann und wenn diese
medizinische Versorgung wegen Art und Schwere der Krankheit notwendig ist. Diesen Leistungsanspruch des Versicherten konkretisiert
eine nach §
108 SGB V als Leistungserbringer zugelassene Klinik, sobald sie stationäre Leistungen erbringt. Gleichzeitig mit der Sachleistungserbringung
entsteht spiegelbildlich der Vergütungsanspruch des Krankenhauses, der - mangels Vorliegens eines Vertrages nach §
112 SGB V für den Freistaat Bayern nach §
109 Abs.
4 S 3
SGB V - auf §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V, §
7 Satz 1 Nr.
1 KHEntgG beruht. Der Zahlungsanspruch bestimmt sich sodann näher nach den Pflegesatzvereinbarungen, also der Vereinbarung
für den Vereinbarungs-/Pflegesatzzeitraum, welche nach § 18 Abs. 2 KHG abgeschlossen ist (vgl. BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR R).
2. Die Klägerin hat mangels Vorliegens eines Vertrages nach §
112 SGB V für den Freistaat Bayern nach §
109 Abs.
4 S 3
SGB V i.V.m. §
7 Satz 1 Nr.
1 und §
9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG und der einschlägigen Pflegesatzvereinbarung einen Zahlungsanspruch für die Krankenhausbehandlungen
der Versicherten E. B. vom 04. - 11.11.2010, A. B. vom 23. - 27.11.2010 und A. M. vom 25. - 28.11.2010 einen Vergütungsanspruch
iHv in der Summe 10.496,91 EUR ohne Abzug iHv 5.905,80 EUR. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Klägerin
aufgrund stationärer Behandlungen dieser Versicherten gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die zutreffend berechnete
Vergütung hat. Eine nähere Prüfung und Sachaufklärung erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B.
BSG Urt. vom 21.04.2015 - B 1 KR 8/15 R; BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 7 Rn. 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr. 2 Rn. 15; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr. 4 Rn. 8 - zitiert jeweils nach [...]); im Übrigen sind Anhaltspunkte für eine unzutreffende Leistungsabrechnung oder
eine unzutreffende Anwendung der Pflegesatzvereinbarung in diesen Behandlungsfällen nicht ersichtlich.
3. Dieser Zahlungsanspruch ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten C. S. vom 19. - 27.03.2009 iHv von 5.905,80
EUR analog §
387 BGB aufgerechnet hat (zur Aufrechnung in entsprechender Anwendung des §
387 BGB auf überzahlte Krankenhausvergütungen vgl. BSG Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14; Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 8/15 R). Vorliegend fehlt es zum einen bereits an einer wirksamen, hinreichend bestimmten Aufrechnungserklärung. Zum anderen war
die in Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten nach § 12 Ziff. 2 der Pflegesatzvereinbarung nicht fällig.
a) Rechtsgrundlage für die behauptete Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus der Erfüllung von
Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist §
69 Abs.
1 S. 3
SGB V in Verbindung mit den Regelungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches -
BGB. Grundsätzlich ist die Aufrechnung auch zwischen Krankenversicherungsträgern und Klinikträgern möglich trotz Fehlens der
Voraussetzungen des §
51 SGB I, denn es besteht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung entgegenzutreten.
Dabei sind die Regelungen in §§
387 ff
BGB anzuwenden (vgl. bereits BSG, Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R, Rn. 15 mwN - zitiert nach [...]). Voraussetzung dieses einseitigen Gestaltungsrechts, mit dem die wechselseitige Tilgung
zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß §
387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der wirksamen Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige, und fällige bzw. erfüllbare Forderungen
gegenüberstehen. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss dabei uneingeschränkt wirksam und fällig sein, die Hauptforderung
muss jedoch lediglich erfüllbar sein (Gursky in: Staudinger,
BGB, Neubearbeitung 2011, § 387 Rn. 136 f; BSG, Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 33/12 R- Rn. 13 - zitiert nach [...]).
b) Die Aufrechnung der Beklagten ist bereits unwirksam, weil es an einer wirksamen Aufrechnungserklärung im Sinne des §
388 BGB fehlt, welche die vom BSG aufgestellten Mindestvoraussetzungen - im Falle von Sammelrechnungen - erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R). Vorliegend ist in Auswertung der Verwaltungsakten der Beklagten sowie des Vorbringens der Beteiligten einschließlich der
dazu vorgelegten Dokumente in beiden Instanzen festzustellen, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt eine Aufrechnung erklärt
hat. Weder im Schreiben vom 06.10.2009 noch im Schreiben vom 23.09.2010 hat die Beklagte eine wörtliche oder sinngemäße Aufrechnungserklärung
abgegeben. In letzterem Schreiben ist allenfalls eine Ankündigung der Aufrechnung zu sehen in den Worten: "Die Rechnung bitten
wir entsprechend zu berichtigen, ansonsten erfolgt nach 14 Tagen eine Korrektur unsererseits."
Eine hinreichende Erklärung enthält auch das Zahlungsavis vom 22.12.2010 nicht. Dort ist nur angeführt, dass im Rahmen der
Abrechnung mehrere Rechnungen zusammengefasst und einem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurden. Sodann folgen 10 Zeilen
mit Abrechnungsnummern und Positiv- sowie Negativ-Beträgen, abgeschlossen mit einer Gesamtsumme vom 1.154,68 EUR. Daraus ist
nicht zuordenbar, welche der dort aufgeführten Rechnungen der Klägerin in welcher Höhe durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht
werden sollten. Ebenso wenig ist dort erklärt oder erkennbar, in welcher Reihenfolge und in welcher Höhe jeweils unstrittige
Forderungen der Klägerin zum Erlöschen gebracht werden sollten. Festzustellen ist somit, dass nicht ermittelt werden kann,
auf welche Forderung der Klägerin der Überweisungsbetrag von 1.154,68 EUR zu beziehen ist.
Auch das weitere Schreiben vom 25.01.2011 enthält keine Aufrechnung, sondern die Erklärung, die Beklagte habe sich einen Überzahlbetrag
"bereits gutgeschrieben".
Es ist daher festzustellen, dass die Beklagte keine Aufrechnung erklärt, sondern eine Verrechnung vorgenommen hat. Bei der
Verrechnung oder auch "Abrechnung" werden gegenseitige offene Forderungen ausgeglichen. Die Modalitäten der Verrechnung bestimmen
sich nach dem jeweiligen Verkehrsbereich oder anhand gesetzlicher Regelungen (BGH Urteil vom 07.04.2011 - VII ZR 209/09). Eine solche Verrechnung gegenseitiger Ansprüche ist im konkreten Fall aber unzulässig, §
52 SGB I, denn die Klägerin kein Leistungsträger.
Dem gegenüber kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, ihr sei es im Rahmen des Dauerabrechnungsverhältnisses mit
der Klägerin nicht möglich, im Einzelnen eine Aufrechnungserklärung abzugeben. Dieser sinngemäße "ultra-posse-Einwand" ist
bereits widerlegt durch die Abrechnungserklärung, die eine andere Krankenkasse in einem Parallelverfahren abgegeben hat und
die den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in anonymisierter Kopie übergeben wurde.
Selbst wenn man vorliegend in dem Verhalten der Beklagten eine konkludente Aufrechnungserklärung erblickte, so fehlte es jedoch
an der notwendigen Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung. Weil in Aufrechnung gestellte Forderungen nur soweit erlöschen,
als sie sich decken, müssen Art und Umfang der Aufrechnung eindeutig erklärt werden. Dazu gehören insbesondere Angaben über
die Höhe, den Rechtsgrund, die Bezugszeiten, die Fälligkeit der Forderung sowie die Darlegung, ob die Forderung bestands-
bzw. rechtskräftig festgestellt worden ist (so BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 §
52 Nr. 1, Rn. 21; vgl. auch Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB I, 2. Aufl. 2011, §
51 SGB I Rn. 46). Das gilt selbst im zwischen den Beteiligten bestehenden Dauerabrechnungsverhältnis, in welchem nicht allzu hohe
Anforderungen an eine Aufrechnung zu stellen sind. Denn die Minimalanforderungen an die Bestimmtheit einer Aufrechnungserklärung
bestehen auch hier, weil sonst die Wirkungen der Aufrechnung gem. §
389 BGB nicht festgestellt werden können. Danach bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem
Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind. Um Rechtssicherheit
zu erlangen, muss für alle Beteiligten klar sein, welche Forderungen, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum durch Aufrechnung
zum Erlöschen gebracht werden sollen. Dies erfordert auch die Rechtsklarheit, um sicherzustellen, welche - bislang - unstreitigen
Forderungen erloschen sein sollen. Im Zahlungsavis vom 22.12.2010 ist dies nicht zu erkennen. Es fand vielmehr ein Rück- oder
Umbuchung strittiger Beträge statt, bei welcher diverse Beträge verschiedener Rechnungen bzw. Rechnungspakete nicht gezahlt
wurde mit der Folge, dass es zu einer Überweisung von 1.154,68 EUR gekommen ist. In welcher Höhe die einzelnen Haupt- oder
Teilforderungen und ggf. in welcher Reihenfolge getilgt werden sollten, lässt sich dem selbst großzügig interpretierend nicht
entnehmen. Da eine Aufrechnung rechtsgestaltend wirkt, muss sich aber die beabsichtigte Rechtsänderung klar und unzweideutig
aus der Erklärung ergeben. Fehlt es an der danach erforderlichen Bestimmtheit, ist die Aufrechnungserklärung unwirksam. So
liegt der Fall hier.
c) Die fehlende Bestimmtheit der Aufrechnung ist durch §
396 Abs.
1 Satz 2
BGB iVm. §
366 Abs.
2 BGB nicht zu heilen. Dies bedarf allerdings keiner näheren Erörterung, weil jedenfalls die Gegenforderung vorliegend nach den
Besonderheiten von § 12 Ziff. 2 der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung nicht fällig war und somit keine Aufrechnungslage
bestand. Zwar darf bei Krankenhausabrechnungen grundsätzlich die Aufrechnung eingesetzt werden, es sei den - wie das BSG ausgeführt hat - landesrechtliche Besonderheiten oder die Besonderheiten der jeweiligen Pflegsatzvereinbarung seien zu beachten
(BSG, Urteile vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R, Rn. 27; B 1 KN 2/08 KR R Rn. 37; sowie B 1 KN 3/08 KR R, Rn. 37 - zitiert jeweils
nach [...]).
Wie der Senats bereits entschieden hat (Urteil vom 23.09.2014 - 5 KR 322/10), stellt die zwischen den Beteiligten geltende
Regelung in § 12 Ziff. 2 der Pflegesatzvereinbarung nicht lediglich eine Verfahrensbestimmung dar. Dies folgt schon daraus,
dass sie als Gegenstück zu § 12 Ziff. 2 in beiden Alternativen (Satz 2 einvernehmliche Korrektur der Rechnung und Satz 3 gerichtliche
Auseinandersetzung) ebenfalls eine Drei-Wochen-Frist als Zahlungsziel festsetzt. Zudem ist auch in Ziffer 2 bei Überschreitung
der Zahlungsfrist ein Verzugszins (Satz 4) zu zahlen. Es handelt sich also insoweit um eine echte Fälligkeitsbestimmung. Denn
bei einer Zeitbestimmung - wie hier - ist §
271 Abs.
2 BGB folgend im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher
bewirken kann. Detailliert regelt die Pflegesatzvereinbarung, dass im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rückzahlungsfrist
des zu viel bezahlten Betrags drei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt (§ 12 Ziff. 2 Satz 3). Damit gilt für die
Beteiligten eine zweistufige Fälligkeit. Diese besteht in der Anspruchsfälligkeit (1. Stufe), wonach hat die Beklagte bei
einer behaupteten Überzahlung einen möglichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch einzuklagen hat. Die davon zu trennende
Zahlungsfälligkeit (2. Stufe) ergibt sich aus der weiteren Bestimmung, dass der konkret zu erstattende Betrag von der Klägerin
erst drei Wochen nach Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung zurückzuzahlen ist. Für eine wirksame Aufrechnung wäre aber
neben der Anspruchsfälligkeit auch die Zahlungsfälligkeit notwendig. An dieser fehlt es vorliegend. Fälligkeit ist auch nicht
dadurch eingetreten, dass die Klägerin die ursprüngliche Rechnung storniert und eine neue Rechnung ausstellt hätte (vgl. §
12 Ziffer 2 Satz 2 Pflegesatzvereinbarung - Fälligkeit bei einvernehmlichen Lösungen). Dies ist bislang aufgrund des Dissenses
der Beteiligten nicht erfolgt. Solange aber keine neue Rechnung ausgestellt ist, ist ein möglicher Rückforderungsanspruch
nach der gültigen Pflegesatzvereinbarung jedenfalls nicht fällig.
d) Die Zahlungs-, Fälligkeits- und Zinsbestimmung in § 12 Ziffer 2 Pflegesatzvereinbarung stellt auch keine überraschende
und unzumutbare Regelung dar (vgl. ausführlich hierzu Urteil des Senats vom 07.02.2012 - L 5 KR 244/11; vgl. Urteil vom 24.09.2015 - L 5 KR 244/13 - NZB eingelegt). Dies gilt vorliegend umso mehr, als dass die medizinisch zutreffende Einordnung und Abrechnung nach den
OP- sowie DRG-Kodierungen im Behandlungsfall C. S. nicht feststeht. Den Stellungnahmen des MDK hat der Leitende Arzt Dr. E.
medizinisch fundierte, detaillierte Ausführungen entgegengehalten, die nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind. Dem
klägerischen Anspruch steht somit auch nicht der dolo-agit-Grundsatz als eine spezielle Ausprägung des Prinzips von Treu und
Glauben (§
242 BGB) entgegen. Zudem hat sich Dr. E. im Schreiben vom 13.12.2010 - anders als von der Beklagten behauptet - nicht mit einer Verrechnung
einverstanden erklärt, sondern nicht zuletzt mit dem Hinweis auf den Klageweg seine Sicht bekräftigt, dass das klägerische
Vorgehen und Abrechnen im Behandlungsfall C. S. beanstandungsfrei war.
4. Die im Schriftsatz vom 06.11.2015 zulässig erhobene Widerklage (§
100 SGG) ist auf Grund eingetretener Verjährung unbegründet.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Widerklage im Berufungsverfahren selbst ohne Einwilligung des Gegners möglich (Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
100 Rn. 3a). Auch der erforderliche Zusammenhang von Widerklage und Klage ist erfüllt, denn insoweit genügt ein unmittelbarer
wirtschaftlicher Zusammenhang (Leitherer a.a.O. Rn. 4). Vorliegend besteht eine wirtschaftliche Identität zwischen Klage-
und Widerklageanspruch.
Der Anspruch der Beklagten als Krankenkasse gegen die Klägerin als Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten
Vergütung unterliegt der vierjährigen Verjährung (BSG Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14 R, Rn. 44; vgl. auch zB BSG SozR 4-7610 § 204 Nr. 2 Rn. 12; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr. 8, Rn. 39; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1, Rn. 25- zitiert jeweils nach [...]). Die Verjährung der streitigen Erstattungsforderung hat nach
Ablauf des Jahres 20009 entsprechend §
45 Abs.
1 SGB I begonnen, also nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung (vgl. zB BSGE 69, 158, 163 = SozR 3-1300 § 113 Nr. 1; BSG SozR 4-7610 § 204 Nr. 2 Rn. 12 mwN - zitiert nach [...]; Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, 2004, S 374 f), hier also mit
der zunächst pflegesatzvereinbarungsgemäß vor Ablauf von drei Wochen nach Rechnungsstellung vorgenommenen vollständigen Begleichung
der Rechnung vom 01.04.2009 zum Behandlungsfall C. S ... Die Beklagte hat erst im Jahre 2015 und somit nach Eintritt der Verjährung
(Ablauf 31.12.2013) Widerklage erhoben. Eine Hemmung der Verjährung nach §
204 Abs.
1 Nr.
5 BGB ("Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess") ist nicht eingetreten, da hier eine vorprozessual vollzogene Verrechnung vorliegt.
Damit liegen die Voraussetzungen des §
204 Abs.
1 Nr.
5 BGB nicht vor. Diesem Ergebnis steht auch die Pflegesatzvereinbarung nicht entgegen, soweit angenommen würde, dass diese auch
Rückerstattungsansprüche nach Überzahlung erfasst oder zumindest eine analog anzuwendende Regelung enthielte. Denn die dortige
Regelung der Anspruchsfälligkeit einerseits hindert nicht den dargelegten Verjährungsablauf des Anspruches, da die Anspruchsfälligkeit
von der Zahlungsfälligkeit zu trennen ist, die erst nach einer abgeschlossenen gerichtlichen Klärung eintritt.
5. Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 3 der Pflegesatzvereinbarung. Danach ist die Rechnung innerhalb
von drei Wochen nach Rechnungseingang zu zahlen und sind ab Überschreitung der Zahlungsfrist Verzugszinsen in Höhe von vier
Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten.
Damit ist die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
6. Kosten: §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 und
2 VwGO. Da über die Kosten für Klage und Widerklage einheitlich zu entscheiden ist (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 11. Aufl, §
100 Rn. 7) und die Beklagte jeweils unterlag, hat die Beklagte die Kosten auch der Berufung zu tragen.
7. Streitwert: §
197a Abs.
1 Satz
SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, 3, § 47 Abs. 1 GKG. Die Streitwerte von Klage und Widerklage sind vorliegend nicht zu addieren, weil wirtschaftlich die gleiche Forderung im
Streit steht (Leitherer, a.a.O.).
8. Die Revision ist nicht zuzulassen (§
160 SGG), da die Frage der Zulässigkeit einer Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Verhältnis zwischen
einem Krankenhausträger und einer Krankenversicherung bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 22.03.2004 - B 3 KR 21/03 R, vom 28.09.2006 - B KR 23/05 R sowie vom 01.07.2014 - B 1 KR 24/13 R). Zudem wurde die hier streitentscheidende Formulierung der Pflegesatzvereinbarung, die den bis 2010 angewandten Musterpflegesatzvereinbarungen
im Freistaat Bayern entspricht, ausschließlich in Bayern verwendet. Seit 2011 findet sie auch hier keine Anwendung mehr.