Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII; Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses eines Anspruchsübergangs nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf den ambulanten Pflegedienst nach dem Tod des Leistungsberechtigten
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der seitens des Beklagten zu gewährenden Hilfe zur Pflege für den mittlerweile verstorbenen
U___ T___.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen ambulanten Pflegedienst. Sie hat den am 28. Februar 1953 geborenen Hilfebedürftigen
U___ T___ (im Folgenden: der Hilfebedürftige) seit Februar 2005 bis zu seinem Tod am 18. Juli 2006 gepflegt. Der Hilfebedürftige
war nach einem Hinterwandinfarkt im Jahr 2004 schwerbehindert mit ei nem Grad der Behinderung von 100. Er erhielt die Pflegestufe
III. Er war in fast allen Hilfebereichen auf eine vollständige Übernahme der Verrichtungen durch eine Pflegeperson angewiesen.
Er wohnte in der Wohngemeinschaft K___" wobei er mit dem Vermieter im Februar 2005 einen eigenen Mietvertrag abgeschlossen
hatte. Mit der Klägerin schloss er am 23. Juni 2005 rückwirkend zum 2. Februar 2005 einen Pflegevertrag, der in § 2 vorsah,
dass die Leistungen der Klägerin im Haushalt des Hilfebedürftigen erbracht würden. Gemäß § 5 des Vertrages sollte der Vertrag
während eines vorübergehenden Aufenthaltes des Hilfebedürftigen in einer stationären Einrichtung ruhen und durch eine dauernde
Aufnahme in ein Alten- oder Pflegeheim enden, ohne dass es einer Kündigung bedürfe.
Am 28. April 2005 stellte der Hilfebedürftige beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten. Mit
Bescheid vom 17. Juni 2005 lehnte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 27. April 2005 mit der
Begründung ab, dass er erst am 28. April 2005 erstmals Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit des Herrn T___ erhalten habe. Für
die Monate April 2005 bis Februar 2006 gewährte der Beklagte dem Hilfebedürftigen Leistungen der Hilfe zur Pflege, jedoch
in geringerer als der beantragten Höhe. Der Beklagte berief sich hinsichtlich der Kürzung der Leistungen auf das Gutachten
des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), das in einigen Bereichen eine etwas geringere Pflegebedürftigkeit vorsah
als von der Klägerin jeweils abgerechnet wurde.
Der Hilfebedürftige legte gegen diese Bescheide im Hinblick auf den aus seiner Sicht ordnungsgemäß abgerechneten Pflegeumfang
jeweils Widersprüche ein. Der Beklagte wies alle Widersprüche unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK als unbegründet zurück.
Der Hilfebedürftige hat hiergegen jeweils Klage erhoben und zwar hinsichtlich des Zeitraums Februar bis Juni 2005 und August
2005 zum ursprünglichen Aktenzeichen S 10 SO 123/06 und hinsichtlich der Zeiträume Juli 2005 und September 2005 bis Februar
2006 zum ursprünglichen Aktenzeichen S 12 SO 261/06. Das Sozialgericht Schleswig hat diese Klagen durch Beschluss vom 17.
Februar 2009 zum Aktenzeichen S 11 SO 261/06 verbunden. Der Hilfebedürftige hat zur Begründung geltend gemacht, der Beklagte
habe lediglich 4.804,36 EUR statt beantragter 15.145,39 EUR bzw. lediglich 8.454,87 EUR statt beantragter 20.299,86 EUR geleistet.
Allein das MDK-Gutachten habe es nicht vermocht, den konkreten und angemessenen Pflegebedarf ausreichend darzustellen.
Nachdem der Hilfebedürftige verstorben war, hat die Klägerin den Rechtsstreit durch Schriftsatz vom 1. Dezember 2010 aufgenommen.
Sie beruft sich darauf, dass auch ein Pflegedienst unter die Vorschrift des § 19 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), falle. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 13. Juli 2010 (Az.: B 8 SO 13/09 R) diese Frage anders entschieden habe, begegne diese Entscheidung
erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, denn sie verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG). Zur weiteren Begründung hat die Klägerin auf einen Aufsatz von Dr. Groß zur zitierten BSG-Entscheidung in der Fachzeitschrift "Häusliche Pflege" 11/2010 Seite 36 ff. verwiesen. In diesem Aufsatz weise der Verfasser
zutreffend darauf hin, dass die Differenzierungskriterien, die nach Ansicht des BSG eine unterschiedliche Behandlung von stationären bzw. teilstationären Einrichtungen einerseits und ambulanten Pflegediensten
andererseits rechtfertigen sollten, nicht stichhaltig, sondern geradezu willkürlich herangezogen worden seien. Maßgeblich
sei vor allem, dass der Begriff der Einrichtung durch das BSG viel zu eng gefasst werde. Der Beklagte selbst sei es gewesen, der in unzähligen Parallelverfahren im Zusammenhang mit der
so genannten Einsatzpauschale immer wieder darauf hingewiesen habe, dass die von der Klägerin praktizierte Form der Pflege
in betreuten Wohngemeinschaften gleichzusetzen sei mit einer Pflege im Modell des betreuten Wohnens oder in anderen Servicehäusern.
Auch im vorliegenden Fall sei es so gewesen, dass der verstorbene Hilfebedürftige zwar ambulante Leistungen in einer Wohngemeinschaft
erhalten, diese Wohngemeinschaft aber gleichwohl eine enge räumliche Bindung an ein Gebäude aufgewiesen habe. Denn sie, die
Klägerin, habe in dieser Wohngemeinschaft immer gleichzeitig eine Vielzahl von Bewohnern betreut. Das BSG habe in der zitierten Entscheidung selbst darauf hingewiesen, dass maßgeblich für den Begriff der Einrichtung im Sinne des
Sozialrechts seit jeher die räumliche Bindung an ein Gebäude sei. Insoweit sei es auch im konkreten Fall zulässig, die in
den Räumlichkeiten der Wohngemeinschaft in K praktizierte Pflege unter den weit gefassten Einrichtungsbegriff des § 13 Abs. 2 SGB XII zu subsummieren. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Rechtsstreit um ungedeckte Pflegekosten gehe,
die seit einem Jahr vor dem Ableben des Hilfebedürftigen geltend gemacht worden seien. Schon aus diesem Grund sei die Erwägung
des BSG im zitierten Urteil, eine Differenzierung zwischen stationären Einrichtungen und ambulanten Pflegediensten im Hinblick auf
§ 19 Abs. 6 SGB XII sei nicht zu beanstanden, auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Denn das BSG habe maßgeblich mit dem beiambulanten Pflegediensten regelmäßig geringeren Ausfallrisiko argumentiert, weileinerseits das
Kostenrisiko für stationäre Einrichtungen ohnehin höher sei und andererseits diese auch ihre Leistungen in größeren zeitlichen
Abständen abrechnenwürden. Im vorliegenden Fall habe sie, die Klägerin, ihre Leistungen jedoch unmittelbar nach Ablauf des
jeweiligen Leistungsmonats abgerechnet und die damalige Betreuerin des Hilfebedürftigen habe diese auch zeitnah an das zuständige
Sozialamt weitergeleitet. Jenes habe jedoch über die Erstattungsanträge des Hilfebedürftigen erst bis zu fünf Monate später
entschieden, die Widerspruchsbehörde erst bis zu elf Monate später. Unter diesen Umständen von einem geringeren Ausfallrisiko
eines ambulanten Pflegedienstes zu sprechen, sei nicht statthaft. Zumindest sei es dem Beklagten unter diesen, in seiner Verantwortungssphäre
liegenden zeitlichen Verzögerungen verwehrt, sich auf die Gründe des zitierten BSG-Urteils zu berufen.
Die Klägerin hat beantragt,
die den Zeitraum Februar 2005 bis Februar 2006 betreffenden Bescheide und Widerspruchsbescheide aufzuheben und den Beklagten
zu verpflichten, die ungedeckten Pflegekosten des Herrn U___ T___ in der jeweils beantragten Höhe zu übernehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich zur Begründung auf die bereits von der Klägerin zitierte Entscheidung des BSG berufen. Dieses unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wie das BSG zutreffend dargestellt habe, sei unter Beachtung des Wortlauts, der Systematik sowie der Gesetzeshistorie des § 19 Abs. 6 SGB XII der Wille des Gesetzgebers hinsichtlich der Gleichbehandlung von ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen nicht
erkennbar, was sich daraus begründe, dass zwischen dem Leistungsanbieter von stationären Einrichtungen und dem Sozialhilfeträger
ein sogenanntes Dreiecksverhältnis bestehe. Der Träger der Sozialhilfe stehe mit dem Träger der Einrichtung hinsichtlich der
Vergütung und der besonderen Ausgestaltung der Entgelte in einem unmittelbaren Kontakt. Ausgehandelt würden hierbei fixe Entgelte
in Form von Tagessätzen. Darüber hinaus würden in Form eines Landesrahmenvertrages Detailfragen etwa auch zum Umgang mit Leistungsausschlüssen
z. B. durch den Tod eines Heimbewohners vereinbart und fixiert. Der Gesetzgeber habe diese Entscheidung trotz Kenntnis der
Problematik auch in den folgenden Reformen nicht verändert. Im Vergleich zu den in § 19 Abs. 6 SGB XII genannten Institutionen bestehe mit den ambulanten Leistungsträgern kein unmittelbarer Kontakt. Es handele sich im Hinblick
auf die Höhe des Entgelts um kein klassisches Dreiecksverhältnis. Im Bereich der ambulanten Hilfe zur Pflege werde der Sozialhilfeträger
mit Sachverhalten konfrontiert, die im Nachhinein nicht mehr schlüssig nachprüfbar seien und einer zuverlässigen Rechtfertigung
im Hinblick auf die geleistete Pflege nicht mehr zugänglich seien. Bei einer stationären Betreuung entstehe durch die Pauschalierung
von Leistungen keine derartige Problematik. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, nunmehr als eine der in § 13 SGB XII genannten Einrichtungen eingeordnet zu werden, könne dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin habe in vorangegangenen Verfahren
jeweils betont, dass es sich um eine eigenständige Wohnform handele, die Mietverträge mit einem privaten Vermieter abgeschlossen
würden und andere ambulante Pflegedienste auf Wunsch des Mieters tätig werden könnten. Entgegen der Auffassung der Klägerin
spiele das zeitliche Moment im Falle des § 19 Abs. 6 SGB XII und auch in dem zitierten Urteil des BSG keine gewichtige Rolle. Vielmehr sei Schwerpunkt der Differenzierung das bereits genannte Dreiecksverhältnis, das in den
Fällen der ambulanten Pflege gerade nicht bestehe. So werde der Pflegevertrag im Regelfall auf der Grundlage des vom ambulanten
Pflegedienst eigens festgestellten Hilfebedarfes ausgestaltet. Die Einschätzungs- und Interpretationsspielräume würden von
den Leistungsanbietern ausgeübt und ausgefüllt, in aller Regel ohne vorherige Einschaltung des Sozialhilfeträgers. Ein Durchgriff
vom Leistungsanbieter auf den Sozialhilfeträger existiere insofern zu Recht nicht.
Das Sozialgericht Schleswig hat die Klage durch Urteil vom 13. April 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass
die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der noch ungedeckten Kosten für die dem Hilfeempfänger im streitigen Zeitraum erbrachten
ambulanten Pflegeleistungen aus § 19 Abs. 6 SGB XII i. V. m. den §§ 61 ff. SGB XII habe. Nach § 19 Abs. 6 SGB XII stehe der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung dem Berechtigten
erbracht worden wäre, nach ihrem Tod demjenigen zu, der die Leistungen erbracht oder die Pflege geleistet hat. Das BSG habe diesen Anspruch auf stationäre Einrichtungen beschränkt. Eine Gleichstellung ambulanter Dienste erfolge nicht. Die Kammer
teile die Begründung des BSG und mache sie sich zu eigen.
Gegen das am 21. Juli 2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Schleswig hat die Klägerin am 27. Juli 2011 Berufung eingelegt.
Sie beruft sich zur Begründung auf die bereits im Rahmen der ersten Instanz vorgetragenen Gründe.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Schleswig vom 13. April 2011 und der Ausgangsbescheide des Sozialamtes N____
vom 17. Juni 2005, 12. August 2005 und 18. September 2005 in der Form der Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 17. Februar
2006 den Beklagten zu verurteilen, die ungedeckten Pflegekosten des verstobenen Herrn U____ T___ für die Monate Februar, März,
April, Juni und August 2005 in beantragter Höhe zu übernehmen sowie unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Schleswig
vom 13. April 2011 und der Ausgangsbescheide des Sozialamts N____ vom 29. Dezember 2005, 25. Oktober 2005, 25. Januar 2006,
20. Februar 2006 und 21. März 2006 in der Form der Widerspruchs bescheide des Beklagten vom 19. Mai 2006 den Beklagten zu
verurteilen, die ungedeckten Pflegekosten des verstorbenen Herrn U___ T___ für die Monate Juli 2005 und September 2005 bis
einschließlich Februar 2006 in Höhe der jeweils beantragten Beträge zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung ebenfalls auf das bereits im Rahmen der ersten Instanz Vorgebrachte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten
des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht Schleswig hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin
hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten für die ambulante Pflege des Hilfebedürftigen als dessen Rechtsnachfolgerin
im Zeitraum Februar 2005 bis Februar 2006.
Ein Anspruch der Klägerin käme hier allein gemäß § 19 Abs. 6 i.V.m. §§ 61 ff. SGB XII in Betracht. Gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld nach ihrem Tode demjenigen zu, der
die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre. Liegen diese
Voraussetzungen vor, tritt der Leistungserbringer im Wege der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis in die Rechte
des ursprünglich Leistungsberechtigten, also des Hilfebedürftigen, ein (BSG, Urteil vom 13.07.2010 - B 8 SO 13/09 R, zitiert nach [...], m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, da hier weder ein Anspruch auf Leistungen für Einrichtungen noch auf Pflegegeld
im Streit steht. Die Klägerin hat gegenüber dem Hilfebedürftigen keine Leistungen für Einrichtungen im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII erbracht. Leistungen können gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB XII entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen),
für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden, wobei Einrichtungen
in diesem Sinne gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII alle Einrichtungen sind, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat unter den Begriff der Einrichtung
einen in einer besonderen Organisationsform zusammengefassten Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher
Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der
Sozialhilfe erbringt, gefasst, wobei als wesentliches Merkmal die Bindung an ein Gebäude vorausgesetzt wurde (BVerwGE 95,
149, 152; BVerwG, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91, FEVS 45, 52 ff.; Urteil vom 24.02.1994 - 5 C 13/91, FEVS 45, 183 ff.; Urteil vom 24.02.1994 - 5 C 17/91, ZfSH/SGb 1995, 535 ff.; BVerwGE 48, 228 ff = Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 6).
Soweit eine Mindermeinung der Auffassung ist, dass der Einrichtungsbegriff in § 19 Abs. 6 SGB XII auch die ambulanten Dienste umfassen müsse (so SG Hamburg, Urteil vom 14.03.2008 - S 58/SO 514/06, [...] Rn. 24 ff.; Neumann
in: Hauck/Noftz, SGB XII K § 19, Rn. 35; Groß in: Häusliche Pflege 11/2010 S. 36), folgt der Senat dem nicht. Die zitierte Auffassung stützt sich teilweise
auf die in § 19 Abs. 6 SGB XII gewählte Formulierung "Leistungen für Einrichtungen". Aus dieser Formulierung lasse sich schließen, dass der Gesetzgeber
die zum Recht nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSGH) unterschiedene Begrifflichkeit zwischen "Leistungen in Einrichtungen" und "Leistungen durch Einrichtungen" habe aufgeben
wollen und insofern nun- mehr unter den Einrichtungsbegriff auch die Leistungen, die durch eine Einrichtung erbracht würden,
zu subsummieren seien. Hierunter könnten auch Leistungen durch ambulante Dienste fallen. Diese Auffassung lässt aber außer
Acht, dass nach der insoweit eindeutigen Formulierung in § 13 Abs. 1 S. 1 SGB XII, auf den in § 13 Abs. 2 SGB XII Bezug genommen wird, die ambulanten Leistungen als außerhalb von Einrichtungen erbracht definiert werden. Auch § 75 Abs. 1 SGB XII differenziert ausdrücklich zwischen dem Begriff der Einrichtung und dem der Dienste. Demnach sind gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Einrichtungen stationäre und teilstationäre Einrichtungen im Sinne von § 13. Gemäß Satz 2 finden die §§ 75 bis 80 SGB XII auch für Dienste Anwendung, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber des SGB XII keine weite Auslegung des Einrichtungsbegriffs, der ambulante Dienste umfassen könnte, zugrunde gelegt hat.
Die Klägerin hat ihre Leistungen gegenüber dem Hilfebedürftigen ambulant erbracht. Der Hilfebedürftige hat in einer Wohngemeinschaft
gewohnt und hierfür einen eigenen Mietvertrag abgeschlossen. Mit der Klägerin hat er einen Pflegevertrag geschlossen, der
ausdrücklich die Leistungserbringung im Haushalt des Hilfebedürftigen vorsah. Wäre der Hilfebedürftige in eine andere Wohnung
verzogen, wäre der Pflegevertrag hiervon unberührt geblieben. Auch sollte der Vertrag gemäß § 5 Abs. 1 und 2 ruhen bzw. enden,
solange und soweit sich der Hilfebedürftige in einer stationären Einrichtung aufgehalten hätte. Diese Umstände sprechen unzweifelhaft
für das Vorliegen einer Leistung außerhalb von Einrichtungen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die von ihr praktizierte
Form der Pflege gleichzusetzen sei mit dem Modell des betreuten Wohnens oder in anderen Servicehäusern, folgt der Senat dem
nicht. Auch wenn die Klägerin Synergieeffekte dadurch erreichen konnte, dass sie in der Wohngemeinschaft des Hilfebedürftigen
mehrere Personen betreute, war jedenfalls der Vertrag des Hilfebedürftigen im vorliegenden Fall nicht an einen Aufenthalt
in der Wohngemeinschaft gekoppelt. Die von der Klägerin geltend gemachte räumliche Bindung an das Gebäude galt insofern eventuell
für die Klägerin, weil Mitarbeiter von ihr in dem Gebäude für mehrere Bewohner tätig waren, nicht jedoch für den Hilfebedürftigen,
der dieses Gebäude jederzeit hätte verlassen können. In diesem Fall wäre die Klägerin für ihn in einem anderen Gebäude tätig
geworden. Auf der anderen Seite wiederum könnten sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft unter Einhaltung der Kündigungsfristen
entscheiden, einen anderen Pflegedienst mit der Durchführung der ambulanten Pflege zu beauftragen.
Dass § 19 Abs. 6 SGB XII Leistungen für Einrichtungen substantiell anders behandelt als ambulante Leistungen, verstößt entgegen der Ansicht der Klägerin
auch nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art.
3 Abs.
1 GG. Ein Verstoß gegen das Postulat in Art.
3 Abs.
1 GG, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass
sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 - 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, [...] Rn. 47). Wesentlich Gleiches ist demnach gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (ständige Rspr. des
Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 23.10.1951, 2 BvG 1/51, zitiert nach [...]).
Zwischen den Erbringern ambulanter Leistungen und den Leistungserbringern in Einrichtungen bestehen Unterschiede so substantieller
Art, dass sie eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Damit folgt der Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(Urteil vom 13.07.2010 - B 8 SO 13/09 R, [...] Rn. 15 ff.) und der herrschenden Auffassung in der Literatur (Coseriu in: [...]
PK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 19 SGB XII, Rn. 59 f.; Grube in: Grube/Wahrendorf SGB XII 5. Aufl. 2014, Rn. 27; BeckOK SozR/Groth SGB XII § 19 Rn. 27; Hohm, in Schellhorn/Schellhorn/Hohm SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 19 Rz 59; a.A.: SG Hamburg, Urteil vom 14.03.2008 - S 58/SO 514/06, [...] Rn. 24 ff.; Neumann in: Hauck/Noftz, SGB XII K § 19, Rn. 35). Wie das BSG zutreffend ausführt, sollen durch die Regelung in § 19 Abs. 6 SGB XII die Träger einer Einrichtung, die Hilfe zur Pflege erbracht haben, einerseits und Pflegepersonen im Sinne von nahen Angehörigen
des Pflegebedürftigen andererseits in ihrem Vertrauen auf die Gewährung von Leistungen geschützt werden. Dabei rechtfertige
sich der besondere Schutz der Einrichtungsträger dadurch, dass stationäre Pflege im Regelfall gewährt werde, wenn ambulante
Hilfen nicht ausreichend seien, was insbesondere dann der Fall sei, wenn der Hilfebedürftige in einem zunehmenden Maße pflegebedürftig
werde. Aus dem in § 13 Abs. 1 Satz 3 bis 5 SGB XII normierten Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach ambulante Leistungen grundsätzlich den stationären vorzuziehen seien, könne
entnommen werden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von höheren Kosten für die stationäre Pflege im Vergleich zur ambulanten
Pflege ausgehe. Das Kostenrisiko sei daher für den Erbringer stationärer Leistungen typischerweise größer als für einen ambulanten
Leistungserbringer. Zudem sei davon auszugehen, dass Einrichtungsträger ihre Leistungen im Regelfall in größeren zeitlichen
Abständen abrechneten, sodass sie eher gefährdet seien, den Anspruch auf Leistungen in einem größeren Umfang durch den Tod
des Hilfeberechtigten zu verlieren. Schließlich sei besonders zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorgängerregelung
zu § 19 Abs. 6 SGB XII (§ 28 Abs. 2 BSHG) nicht den Fall vor Augen gehabt habe, dass es um höhere Leistungen nach einer Leistungsbewilligung gehe, sondern lediglich
beabsichtigt habe, dass der Leistungserbringer nicht leer ausgehe (BT-Drs. 13/3904, S. 45). Dieser Argumentation schließt
sich der Senat an. Die vom Bundessozialgericht dargestellte Differenzierung dahingehend, dass die Pflege innerhalb von Einrichtungen
insbesondere für Menschen mit sehr umfangreichem Pflegebedarf erbracht werde, wohingegen bei ambulanter Leistungserbringung
regelmäßig ein geringerer Pflegebedarf bestehe, gilt zwar offenkundig nicht für alle Fälle. So war auch im vorliegenden Fall
der Hilfebedürftige sehr umfangreich pflegebedürftig, obwohl er ambulant versorgt wurde. Dass es ggf. auch zahlenmäßig nicht
unbeachtliche Einzelfälle gibt, die dem generellen Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht entsprechen, schließt aber eine Differenzierung
des Gesetzgebers hinsichtlich unterschiedlicher Normadressaten nicht aus. Betrachtet man die ambulante Betreuung durch Pflegedienste
im Ganzen und vergleicht sie mit der Pflege von Menschen in Einrichtungen, verbleibt es bei der Einschätzung, dass ambulante
Pflege häufig Menschen mit geringerem Pflegebedarf erbracht wird, während innerhalb von Einrichtungen sehr häufig in hohem
Maße Pflegebedürftige betreut werden. Auch ist davon auszugehen, dass von der Pflege in Einrichtungen signifikant häufiger
Menschen betroffen sind, deren Tod absehbar bevorsteht, als dies hinsichtlich ambulant gepflegten Menschen der Fall ist.
Soweit der Beklagte als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Einrichtungen und ambulanten Diensten auf das zwischen
den Einrichtungen, Sozialleistungs- trägern und Hilfebedürftigen bestehende Dreiecksverhältnis abstellt, ist allerdings darauf
hinzuweisen, dass von einem entsprechenden Dreiecksverhältnis ebenso in der Beziehung zwischen ambulanten Diensten und den
anderen Akteuren auszugehen ist. Dies ergibt sich schon aus § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII, der die ambulanten Dienste hinsichtlich der Regelungen über Leistungs-, Vergütungs- und Prüfvereinbarungen den Einrichtungen
gleichstellt. Ein Differenzierungskriterium, das eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf Art.
3 Abs.
1 GG rechtfertigen könnte, sieht der Senat hierin insofern nicht.
An dem Ergebnis, dass die Klägerin von einer Geltendmachung des ursprünglichen Anspruchs des Hilfebedürftigen ausgeschlossen
ist, ändert auch die am 18. November 2014 ergangene Entscheidung des BSG (AZ: B 8 SO 23/13 R, bislang lediglich als Terminübersicht veröffentlicht, Einzelheiten zum Sachverhalt aber ersichtlich
aus dem vorgehenden Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.09.2013 - L 20 SO 394/12, zitiert nach [...]) nichts.
Hier hat das BSG dem klagenden ambulanten Pflegedienst Leistungen auch nach dem Tod der dortigen Hilfebedürftigen zugesprochen. Rechtsgrundlage
war ein unmittelbarer zivilrechtlicher Zahlungsanspruch des Pflegedienstes gegenüber dem Sozialhilfeträger aus einem Schuldbeitritt
des Sozialhilfeträgers. Im dort entschiedenen Fall hatte der Sozialhilfeträger noch vor dem Vertragsschluss zwischen der Hilfeempfängerin
und dem Pflegedienst einen Kostenübernahmebescheid dem Grunde nach und eine Kostenzusage hinsichtlich konkreter Leistungs-
und Verbundkomplexe abgegeben. Das BSG sah hierin wie auch die Vorinstanzen einen Schuldbeitritt, der eine gesamtschuldnerische Haftung von Hilfeempfänger und Sozialleistungsträger
zur Folge hatte und somit nicht durch den Tod der Hilfeempfängerin erlosch. Die Rechtsprechung des BSG zum sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis (Urteile vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R und vom 02.02.2010 -B 8 SO 20/08 R, zitiert
nach [...]) wurde dabei auf Leistungen ambulanter Pflegedienste übertragen.
Im hier vom Senat zu entscheidenden Fall kommt diese Rechtsprechung jedoch nicht zur Anwendung. Zum einen fehlt es bereits
an der erforderlichen Kostenzusage seitens des Beklagten gegenüber der Klägerin. Diese ist vorliegend ohne Absicherung in
Vorleistung getreten. Zum anderen kann aber der vom BSG angenommene Schuldbeitritt auch jeweils nur insoweit reichen, als Leistungen auch der Höhe nach bewilligt wurden. Hierfür
muss zwar kein konkreter Betrag genannt sein, im zitierten Fall hatte der Sozialleistungsträger lediglich die Leistungskomplexe
benannt und auf die geltende Vergütungsvereinbarung des Pflegedienstes mit den gesetzlichen Pflegekassen nach §
89 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) verwiesen, aber die Kostenzusage kann sich nur auf die auch seitens des Sozialleistungsträgers anerkannten Leistungskomplexe
beziehen. Nur insoweit kann der Wille des Sozialleistungsträgers reichen, den Verpflichtungen des Hilfeempfängers aus dem
Pflegevertrag beizutreten. So hat das SG Dortmund (Urteil vom 21.08.2012 - S 41 SO 583/11, zitiert nach [...]) in der dem
BSG-Urteil vom 18. November 2014 zugrundeliegenden erstinstanzlichen Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 19 Abs. 6 SGB XII weiterhin für die Fälle maßgeblich sei, in denen der Tod des Hilfeempfängers vor der Kostenübernahme durch Bewilligungsbescheid
eintrete oder in denen der Leistungserbringer als Rechtsnachfolger des Hilfeempfängers höhere als die bewilligten Leistungen
begehre (ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.11.2010 - L 1 SO 8/10, [...] Rn. 36). Die letztgenannte Konstellation liegt
hier vor. Da der Beklagte im vorliegenden Fall bereits mit der ersten Bewilligung der Leistungen durch die Bescheide vom 12.
August 2005 die Höhe der Leistungen auf die nach seiner Auffassung nur erforderlichen Pflegekomplexe beschränkt hat, könnte
ein möglicherweise hierin zu sehender Schuldbeitritt lediglich für die dort bewilligten Leistungen im Einzelnen gelten. Diese
Leistungen stehen hier jedoch nicht im Streit, sondern nur die über die Bewilligung des Beklagten hinausgehenden abgerechneten
Pflegeleistungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG durch den Senat zuzulassen, bestehen nicht, da die hier zugrundeliegende Rechtsfrage bereits abschließend durch das BSG geklärt wurde.