Teilweise Aufhebung und Rückforderung von Grundsicherungsleistungen wegen eines Anrechnungstatbestands
Monatsweise Betrachtung bei Änderungen
Nachträgliche Veränderung der Verhältnisse
Voraussetzungen eines Härtefalls
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung vom 18.08.2009 über Leistungen der Grundsicherung nach
dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Monate März bis Juni 2010 mit Bescheid vom 20.06.2011, sowie die damit verbundene Erstattung der Leistung in Höhe
von 1.385,60 EUR streitig.
Die 1970 geborene Klägerin ist auf Grund ihrer geistigen Behinderung dauerhaft voll erwerbsgemindert und steht seit 01.03.2005
im laufenden Leistungsbezug bei der Beklagten. Sie wohnt in der Wohnung ihrer Eltern und zahlt hierfür an ihren Vater monatlich
140 EUR. Für ihre Tätigkeit bei den J.-Werkstätten e.V. in A-Stadt erhielt die Klägerin in den streitbefassten Monaten eine
Entlohnung von 188,04 EUR, 214,44 EUR, 203,28 EUR und 197,08 EUR.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 18.08.2009 ua die streitbefassten Leistungen der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum 01.08.2009 bis 31.07.2010 in Höhe von monatlich 346,40 EUR. Nach den zum Antrag
vorgelegten Unterlagen belief sich das Guthaben auf dem Sparbuch der Klägerin bei der Sparkasse A-Stadt (Nr ...) am 02.07.2009
auf 2.600,73 EUR. Auf dem Girokonto bestand am 15.07.2009 ein Guthaben von 602,31 EUR, jedoch am 03.08.2009 ein Minus von
1,84 EUR. Im Juli erfolgten am 02.07.2009 und am 03.07.2009 zwei Überträge auf das Sparbuch jeweils in Höhe von 200 EUR, was
zu Guthabenständen in Höhe von 2600,73 EUR am 02.07.2009 und von 2800,73 EUR am 03.07.2009 führte. Ein entsprechender Eintrag
auf dem Sparbuch erfolgte erst am 11.08.2009. Ebenfalls am 11.08.2009 erfolgte eine Abhebung von 800 EUR und somit eine Reduzierung
des Guthabenstandes.
Anlässlich des Antrages auf Weiterbewilligung legte die Betreuerin der Beklagten am 28.06.2010 wieder Auszüge des Sparbuches
vor. Daraus ging hervor, dass die Klägerin am 10.02.2010 einen Betrag von 500 EUR, am 01.03.2010 von 450 EUR, am 03.05.2010
von 500 EUR und am 28.05.2010 von 500 EUR von ihrem Girokonto auf das Sparbuch umgebucht hatte. Das Sparkonto verfügte über
einen Guthabenstand am 10.02.2010 von 2.905,13 EUR, am 01.03.2010 von 3.355,13 EUR, am 03.05.2010 über 3.855,13 EUR, am 28.05.2010
über 4.355,13 EUR und (nach einer Abbuchung in Höhe von 1.000 EUR) am 07.06.2010 über 3.355,13 EUR. Der Kontostand des Girokontos
der Klägerin belief sich am 02.03.2010 auf 29,09 EUR Haben und am 07.06.2010 auf 319,49 EUR Haben.
Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin unter Aufzählung der Kontostände auf dem Sparbuch von Februar bis Juni 2010 am
01.07.2010 schriftlich mit, dass sie beabsichtige, auf Grund des vorhandenen Sparguthabens die Bewilligung für den Zeitraum
01.02.2010 bis einschließlich 31.07.2010 nach § 45 SGB X aufzuheben und Leistungen in Höhe von insgesamt 2.078 EUR zurückzufordern. Sie gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu
zu äußern.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin antwortete am 20.07.2010, dass der die Vermögensfreigrenze überschreitende Betrag
in Höhe von 755,15 EUR von der Klägerin an die Beklagte erstattet werde; im Übrigen bestehe jedoch mit der Aufhebung und Erstattung
kein Einverständnis. Daraufhin wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 28.07.2010 erneut an die Klägerin. Darin wurde auf
die Umbuchung am 03.07.2009 auf das Sparbuch hingewiesen (Guthabenstand von 2.800,73 EUR nebst dem Guthaben auf dem Girokonto
von 602,31 EUR), wonach bereits im Monat Juli 2009 der Vermögensfreibetrag um 803,04 EUR überschritten gewesen sei. Des Weiteren
wurden nochmals die Vorgänge im Mai 2010 dargestellt (Sparguthaben am 28.05.2010 in der Höhe von 4.355,13 Euro). Nochmals
bat die Beklagte um Nachweise der Verwendung der Abhebungen. Sie erhielt zT unter Vorlage von Rechnungen zur Antwort, dass
Ausgaben für Urlaub, Freizeit, Kauf von Teppich, Handy, Kleidung, Brille getätigt worden seien.
Am 02.11.2010 erfolgte eine erneute Anhörung zur Aufhebung und zwar zu einer Restforderung von 1.126,46 /.755,46 EUR. Die
Bevollmächtigten wandten am 16.11.2010 ein, dass die Aufhebung unbillig sei; das Vermögen sei für größere Anschaffungen angespart
worden.
Mit Bescheid vom 20. Juni 2011 erfolgte dann die Aufhebung für die Zeit vom 1. März 2010 bis 30. Juni 2010 sowie die Rückforderung
in Höhe von 1.385,60 EUR. Die Beklagte hob die Bewilligung für diesen Zeitraum nach § 48 Abs. 1 SGB X in voller Höhe auf und forderte die Erstattung der bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 1.385,60 EUR.
Am 20.07.2011 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Rückforderung des noch ausstehenden Betrages in Höhe von 630,47 EUR,
da diese rechtsgrundlos sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der D. vom 08.08.2011). Die Widerspruchsbehörde
führte aus, dass die Klägerin über einsetzbares Vermögen über der Schongrenze von 2.600 EUR verfügt habe, das sie sich Monat
für Monat aufs Neue entgegenhalten zu lassen habe. Zu Recht habe daher die Beklagte die Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X aufheben dürfen.
Am 09.09.2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Höhe der Leistungsgewährung wegen des Urteils des BSG vom 19.05.2009 (Az.: B 8 SO 8/08 R) zum Eckregelsatz von 100 % für erwachsene Haushaltszugehörige. Über diesen Antrag hat
die Beklagte unter Hinweis auf das laufende Klageverfahren (noch) nicht entschieden (Schreiben der Beklagten vom 14.11.2011).
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 09.09.2011 Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Zur Begründung führte sie an, dass der streitgegenständliche Bescheid aus formalen Gründen rechtswidrig sei. Die
Beklagte habe die Aufhebung für die Vergangenheit nicht auf § 48 SGB X stützen dürfen. Einer neuerlichen Aufhebungsentscheidung stehe die Jahresfrist entgegen, da die Beklagte bereits seit 29.06.2010
Kenntnis von den Vermögensverhältnissen der Klägerin habe. Inhaltlich sei für einen Erstattungsanspruch auch kein Raum, da
der Klägerin Sozialhilfeleistungen lediglich in Höhe von 80 % der Eckregelleistung anstelle von 100 % bewilligt worden seien.
Am 16.09.2013 hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass die Klägerin keine Erinnerung daran habe, woher die Aufstockung
des Sparbuches für den Zeitraum Februar 2010 bis einschließlich Juni 2010 stamme.
In der mündlichen Verhandlung am 25. September 2013 hat der Prozessbevollmächtigte vorgebracht, dass der Zuwachs auf dem Sparkonto
nach dem Urteil des BSG vom 19.05.2009 - B 8 SO 35/07 R nicht als Vermögen, sondern vielmehr als Einkommen zu werten sei. Die Aufhebung sei rechtswidrig,
da die Klägerin diesen Zuwachs aus den laufenden Sozialhilfeleistungen sowie ihren Einnahmen aus ihrer Tätigkeit bei den J.-Werkstätten
angespart habe und diese deshalb anrechnungsfrei bleiben müssten. Auch sei die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 i. V. m. § 45 SGB X bereits verstrichen gewesen. Hierfür sei auf die Entscheidung der D. abzustellen, da diese erstmals die richtige Rechtgrundlage
- nämlich § 48 SGB X - angewandt habe. Der Austausch der Rechtsgrundlage habe innerhalb der Jahresfrist zu erfolgen.
Die Beklagte hielt an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Bei dem Zuwachs auf dem Sparkonto der
Klägerin handele es sich um Vermögen im Sinne von § 90 SGB XII. Der nach Ablauf eines Bedarfszeitraumes, der mit einem Kalendermonat gleichzusetzen sei, nicht verbrauchte Teil der Einkünfte
wachse dann dem Vermögen zu. Nach dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.07.2009 - L 20 SO 17/08 dürften dabei auch
Einkünfte von der Werkstatt für behinderte Menschen oder angesparte Sozialhilfe dem Vermögen zugerechnet werden.
Durch Urteil vom 25. September 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum vom März bis Juni 2010 nicht (mehr) hilfebedürftig
gewesen. Sie habe über Einkommen verfügt, das ihren grundsicherungsrechtlichen Bedarf gedeckt habe. Die dem Sparbuch gutgeschriebenen
Wertzuwächse seien Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII. Durch Ansparungen der Klägerin sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die der Erteilung des Bescheides vom
18.08.2009 zu Grunde lagen, eingetreten. Auch Einkommen, das auf nicht verbrauchte Sozialhilfeleistungen zurückzuführen sei,
müsse nach dem Grundsatz des Nachrangs für den aktuellen Lebensunterhalt eingesetzt werden. Das Interesse des über alle Maßen
sparsamen Leistungsempfängers müsse insoweit zurücktreten, da die Gewährung von Sozialhilfe nicht zu Ansparungen führen könne,
die den Bedarf des Leistungsempfängers teilweise sogar überstiegen und an der Hilfebedürftigkeit für die vorausgegangenen
Monate zumindest Zweifel aufwerfen würden (so LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.07.2009 - L 20 SO 17/08 für die Berücksichtigung
von aus Sozialhilfe angespartem Vermögen). Die Ansparungen beliefen sich für den streitgegenständlichen Zeitraum auf 1.769
EUR (ausweislich der Umbuchungen auf das Sparbuch sowie Guthaben auf dem Girokonto). Aus diesen hätten der Klägerin monatlich
442,25 EUR zur Verfügung gestanden. Zusammen mit dem bereinigten Einkommen aus der Tätigkeit von jeweils 188,04 EUR, 214,44
EUR, 203,28 EUR sowie 197,08 EUR habe die Klägerin für den Monat März 552,47 EUR, für den Monat April 572,27 EUR, für den
Monat Mai 563,98 EUR und für den Monat Juni 559,25 EUR an anrechenbarem Einkommen erzielt, das ihren sozialhilferechtlichen
Bedarf in Höhe von 450,86 EUR damit deutlich überschritten habe.
Gegen das am 18.12.2013 zugestellte Urteil vom 25. September 2013 hat die Klägerin am 09.01.2014 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht
(LSG) eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Regensburg vom 25. September 2013 sowie den Bescheid vom 20.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 08.08.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der
D. und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750 EUR (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG). Die Berufung wurde am 09.01.2014 auch form- und fristgerecht gegen das am 18.12.2013 zugestellte Urteil eingelegt (§
151 SGG).
Angefochten ist die Aufhebung und Erstattung insgesamt in Höhe von 1.385,60 EUR, auch wenn die Klägerin bereits einen Teilbetrag
(den die Vermögensfreigrenze überschreitende Betrag in Höhe von 755,15 EUR) zurückerstattet hat und nunmehr eine "offene Forderung"
in Höhe von unter 750 EUR bestehen mag. Schon in erster Instanz lautete der Antrag, den Bescheid vom 20.06.2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2011 insgesamt aufzuheben.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 20.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2011, mit welchem
die Beklagte eine teilweise Aufhebung nach § 48 SGB X des Bescheides vom 18.08.2009 vorgenommen hat sowie ein hiermit verbundene Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X in Höhe von 1.385,60 EUR. Nach dem Klageantrag (§
123 SGG) ist der Antrag nach § 44 SGB X i.V.m. § 136 SGB XII a.F. vom 09.09.2011 wegen der Höhe des Eckregelsatzes von 100 % nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Hierüber fehlt
im Übrigen eine Verwaltungsentscheidung.
Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage, da es sich um die Beseitigung eines Eingriffs in eine begünstigende
Rechtsposition der Klägerin handelt (§
54 Abs.
1 SGG).
Die Berufung ist aber zum größten Teil nicht begründet, denn die Entscheidung des SG war überwiegend im Ergebnis zutreffend. Die Beklagte hatte die Befugnis zur Aufhebung (1) zum erfolgten Zeitpunkt - allerdings
in geringerem Umfang (2) und hat diese auch ohne einen eine Aufhebung rechtfertigenden Verfahrensfehler bewerkstelligt (3).
Als Folge ergibt sich die Berechtigung der Erstattungsforderung (4).
(1)
Die Tatbestandsvoraussetzungen der maßgeblichen Aufhebungsnorm (§ 48 SGB X) für eine Aufhebung für den Zeitraum März bis Juni 2010 waren zum großen Teil erfüllt.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X (in der Fassung vom 18.01.2001) ist ein (rechtmäßiger, dazu a) Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit
in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben,
eine wesentliche Änderung (vgl. b) eintritt. Das durfte auch ab dem von der Beklagten gewählten Zeitpunkt (1. März 2010) rückwirkend
- für die Vergangenheit (c)- im gegebenen Umfang (d) geschehen (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).
(a)
Der Verwaltungsakt vom 18.08.2009 war nicht dauerhaft vom Zeitpunkt eines Erlasses an von Anfang an bis zum 1. März 2010 unrichtig
und hätte deswegen u.U. später nicht unrichtig(er) werden können.
Eine tatsächliche Unrichtigkeit zur Zeit des Erlasses am 18.08.2009 lag nicht vor. Denn das Absinken unter den Schonbetrag
auf 2.000,73 EUR mit Abhebung von 800 EUR am 11.08.2009 und damit das Fehlen eines entgegenstehenden Vermögens (prima Vista)
lag bereits vor dem Erlass des Verwaltungsaktes vom 18.08.2009. Dabei kommt es nicht auf die dem Leistungsträger bekannt gewordenen
Umstände an, sondern auf die in Wirklichkeit vorliegenden Verhältnisse und deren objektive Änderung (BSG SozR 3870 § 4 Nr. 3; BSGE 65, 301 = SozR 1300 § 48 Nr. 60; BSG SozR 3?-?3870 § 4 Nr. 10 S. 42).
Der Fehler lag aber in der unzutreffenden Subsumtion dieser Tatsache. Der Rechtsnatur nach handelte es sich bei der neuen
Bewilligungsperiode für die Jahre 2009/2010 angesichts des langjährigen Bezugs der Leistungen der Grundsicherung nicht um
eine Erstbewilligung. § 44 SGB XII unterscheidet bei den Rechtsfolgen zwischen Erstbewilligungen und "Änderung der Leistung". Damit ist jede Änderung in den
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen erfasst, die beim Erlass der Erstbewilligung vorgelegen haben und die den Sozialhilfeträger
zu einer Neufestsetzung der Leistung berechtigt bzw. verpflichtet (Blüggel in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 44 SGB XII). § 44 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB XII a.F. regeln gegenüber § 48 Abs. 1 SGB X zulässigerweise (§
37 Satz 1
SGB I) Abweichendes. Sie vorverlagern zugunsten des Hilfebedürftigen den maßgeblichen Änderungszeitpunkt bei für den Hilfebedürftigen
günstigen Änderungen zeitlich auf den Monatsersten und verlagern diesen bei nachteiligen Änderungen nach hinten (auf den Ersten
des Folgemonates); die Änderung ist zudem immer zwingend vorzunehmen (anders dagegen § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X: "soll"). Bei Änderungen ist nach den Regelungen des § 44 Abs. 1 Sätze 2 und 4 SGB XII damit immer eine monatsweise Betrachtung (und keine taggenaue Berechnung) vorzunehmen (Blüggel, a.a.O., Rn. 28).
Die Abhebung von 800 EUR vom Sparbuch der Klägerin führte den Kontostand auf einen Betrag von 2.000,73 EUR zurück. Damit liegt
deren Vermögen bei einem Betrag von unter 2.600 EUR und ist von einer Verwertung geschützt (§ 90 Abs.2 Nr.9 SGB XII). Der Senat geht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Abhebung lediglich für eine andere
Sparform, etwa den Verbleib als Bargeld, erfolgt ist. Es würde angesichts der zuvor im Juli vorgenommenen Einzahlungen keinen
Sinn machen. Entsprechendes ist bislang auch nie vorgetragen worden, so dass an einem Überschreiten des Vermögensfreibetrags
erhebliche Zweifel bestehen. Insbesondere erfolgt eine solche Behauptung erst jetzt, viel später, im Sinne einer Schutzbehauptung.
Das Unterschreiten des Vermögensfreibetrags bewirkt eine wesentliche Änderung zu Gunsten der Klägerin. Sie muss dieses Vermögen
nicht mehr einsetzen. Dazu hat die Beklagte nach der Verwendung der Abhebungen auf dem Sparkonto gefragt (Schreiben vom 22.09.2010).
Als Antwort wurden normale Verbrauchsangaben angeführt (Brille, Handy, Kleidung, Teppich, Koffer, Freizeit und ein Geburtstagsgeschenk),
so dass von einem Verbrauch des Geldes auszugehen ist.
Eine für den Hilfebedürftigen günstige Änderung wird aber zeitlich nur auf den Monatsersten (der Änderung- hier den 01.08.2009)
vorverlagert, wenn sie mitgeteilt worden ist (vgl. § 44 Abs. 1 S.2 SGB XII letzte Alternative: "oder die Voraussetzungen für die Änderung eingetreten und mitgeteilt worden sind"). Für Änderungen zugunsten
des Leistungsempfängers bedeutet dies, dass die erhöhte Grundsicherungsleistung bei späterer Antragstellung bzw. Mitteilung
erst mit Beginn dieses Monats gezahlt werden kann. Da eine solche Mitteilung im August 2009 nicht erfolgt ist, war die "Vermögenslosigkeit"
im Sinne eines nicht vorzunehmenden Einsatzes erst am 01.09.2009 vorgelegen. Für den Monat August hätte die Beklagte die Bewilligung
nur insoweit vornehmen dürfen, als die Klägerin zunächst ihren Bedarf in Höhe von 200 EUR (den übersteigenden Betrag) aus
ihrem Vermögen befriedigt hat. Für den Monat September hätte kein Hindernis bestanden, da ein tatsächlicher und kein (rechtlich
unbeachtlicher) fiktiver Vermögensverbrauch erfolgt ist.
Damit kann auch festgestellt werden, dass bis zur erneuten Überschreitung des Vermögensfreibetrages im Februar des Jahres
2010 keine Unrichtigkeit des am 18.08.2009 erlassenen Verwaltungsaktes bestanden hat.
Damit besteht eine Ausnahme von der Regel, dass § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht auch auf anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte angewendet werden kann. Die Ausnahme besteht darin, dass die nachträgliche
Änderung der Verhältnisse sich auf tatsächliche oder rechtliche Umstände bezieht, auf denen die Rechtswidrigkeit nicht beruht
(BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 47; BSG KrV 2003, 27, Waschull Diering/Timme/Waschull, Sozialgesetzbuch X 3. Auflage 2011, Randnummer 13). Die nachträgliche Änderung im Februar 2010 hat keinen Zusammenhang mehr mit der kurzzeitigen
Überschreitung des Vermögensfreibetrages im August 2009. Insbesondere ist das der Leistung schädliche Vermögen nicht in den
Folgemonaten stehen geblieben, sondern (rechtlich) im September 2009 wieder abgebaut worden.
Schließlich aber beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 SGB X nicht ausschließlich nur auf "rechtswidrig gewordene" Verwaltungsakte. Die Vorschrift kann durchaus auch auf rechtswidrige
Verwaltungsakte anwendbar sein, wenn sich die ihnen zugrunde liegenden Verhältnisse nachträglich ändern. Hierfür spricht zum
einen der Wortlaut der Norm, der anders als in den §§ 46 und 47 SGB X keine Beschränkung auf rechtmäßige Verwaltungsakte vorsieht. Zum anderen entspricht dies auch dem gesetzgeberischen Willen,
denn in der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich erwähnt, dass sich nicht nur "bei rechtmäßigen, sondern auch beim rechtswidrigen
Verwaltungsakt ( ...) die Verhältnisse nach Erlass des Verwaltungsakts ändern" können. Dies gilt selbst dann, wenn sich die
Umstände ändern, auf denen die ursprüngliche Rechtswidrigkeit beruht (vgl. Mertens in: Hauck/Noftz, SGB X K § 48 Rn 10, 11; Brandenburg in: jurisPK-SGB X, § 48 SGB X, R 34, 35). § 48 Abs. 1 SGB X setzt nicht voraus, dass der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rechtmäßig war (BSG 19.07.2010 - B 8 SO 22/10 B RdNr 7 mwN, zuletzt Urt. BSG 27.05.2014, Az.: B 8 SO 26/12 R).Eine wesentliche Änderung kann - zu (weiteren) Gunsten des Betroffenen wie zu seinen Ungunsten
- auch bei Rechtswidrigkeit des Ursprungsbescheids eintreten. "Soweit" in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen
eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt aufzuheben (Steinwedel Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht
82. EL 2014, § 48 Randnummer 25).
(b)
Die eine Aufhebung rechtfertigende wesentliche Änderung erfolgte im Tatsächlichen durch das Überschreiten des Vermögensschonbetrages
infolge einer Einzahlung am 10.02.2010 durch die Klägerin. Die Hilfebedürftigkeit ist damit entfallen, weil es sich bei dem
Betrag von 2.905.13 EUR um einzusetzendes Vermögen (aa) handelt, dass weder geschont ist (bb) noch wegen einer Härte nicht
verwertet werden muss (cc). Die maßgeblichen Verhältnisse bei Erlass des Bescheides vom 18.08.2009 sahen unter anderem (prospektiv)
vor, dass die Klägerin in dem Ausmaße hilfebedürftig war und bleiben würde, wie die Hilfeleistung erfolgt ist. So ging der
Bescheid vom 18.08.2009 insbesondere auch davon aus, dass kein einzusetzendes Vermögen vorhanden gewesen war. Diese Erwartung
traf aber seit dem 10.02.2010 (zu den rechtlichen Konsequenzen unten d) nicht mehr zu. Denn zu diesem Zeitpunkt ist das Vermögen
durch eine Umbuchung in Höhe 500 EUR vom Girokonto augenscheinlich (aber auch ohne diese Umbuchung durch Zusammenrechnung
von Spar- und Girokonto) auf einen Betrag von 2.905.13 EUR angewachsen. Dabei kommt es auf die objektiven Verhältnisse an,
nicht auf die Eintragung im Sparbuch am 28.05.2010. Die jeweilige Erkenntnis erschließt sich aus den von der Klägerin vorgelegten
Kopien der jeweiligen Konten.
(aa)
Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs.1 SGB XII in der Fassung vom 27.12.2003). Das war bei dem Guthaben auf dem Sparbuch der Fall. Dieses ist frei konvertierbar. Das galt
auch schon bei der freien Verfügung über das Girokonto. Es gab weder rechtlich noch tatsächliche Verwertungshindernisse.
Bei dem Betrag von 2.905,13 EUR handelt es sich jedenfalls ab dem für die Änderung maßgeblichen Zeitpunkt (siehe unten, 1.
März 2009) um Vermögen und nicht um Einkommen, welches unter Umständen über mehrere Bewilligungszeiträume zu verteilen wäre.
Nach der so genannten modifizierten Zuflusstheorie wird ein Zufluss nur dann als Einkommen berücksichtigt, wenn er gegenwärtig
zur Deckung des Bedarfs eingesetzt werden kann. Bei den laufenden Leistungen werden Einnahmen im Bedarfszeitraum, d.h. dem
Zeitraum in dem der Bedarf und die konkrete Hilfebedürftigkeit geprüft werden, berücksichtigt. Nicht verbrauchtes Einkommen
ist im nächsten Bedarfszeitraum "Vermögen" (Mecke in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 90 SGB XII, Rn 19). Bedarfszeitraum ist ein Kalendermonat. Dass vom Monatsprinzip auszugehen ist, wird schon aus der Festlegung der
Regelbedarfshöhe nach dem monatlichen Bedarf erkennbar. Darüber hinaus ist bei der Berücksichtigung des Einkommens von den
monatlichen Bruttoeinnahmen auszugehen, § 3 Abs. 3 Satz 1 DVO § 82 SGBXII. Soweit Einkünfte als Jahreseinkünfte berechnet
werden, gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 1 DVO § 82 SGB XII der zwölfte Teil als Monatseinkommen. Da sich die Prüfung demnach grundsätzlich auf einen vollen Monat erstreckt, beträgt
auch der Bedarfszeitraum einen Kalendermonat, so dass Zuflüsse vom ersten bis zum letzten Tag eingeschlossen sind (Schmidt
in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 82 SGB XII). Für eine wiederholte Berücksichtigung von Einkommen, das im Monat des Zuflusses nicht verbraucht ist, gibt es im vorliegenden
Fall keinen Ansatzpunkt. Insoweit sind die Ausführungen im angefochtenen Urteil auf Seite 7 zumindest missverständlich ("
... Mit Ablauf des entsprechenden Kalendermonates, in dem die Sozialhilfe zugeflossen ist, wird jedoch aus den nicht verbrauchten
Sozialleistungen und dem gesparten Lohn von der Behindertenwerkstätte Einkommen, das nach § 82 SGB XII berücksichtigt werden darf. Auch Einkommen, das auf nicht verbrauchte Sozialhilfeleistungen zurückzuführen ist, muss nach
dem Grundsatz des Nachrangs und der nur als ultima ratio gewährten Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) für den aktuellen Lebensunterhalt eingesetzt werden").
Insoweit wird der Begriff des Bedarfszeitraums verkannt und mit dem der Bewilligungsperiode vermischt. Vom Bewilligungszeitraum
zu unterscheiden ist der Zeitraum, für den die (bewilligte) Leistung ausgezahlt wird. Dass der Bewilligungszeitraum in der
Regel ein Jahr beträgt, bedeutet nicht, dass die Grundsicherungsleistung jährlich (einmal) auszuzahlen ist, sondern monatlich
und wegen des Bedarfsdeckungsprinzips im Voraus. Dies ist zwar nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt (wie z.B. in §§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB II, 118 Abs.
1 SGB VI, 28 Abs. 2 WoGG), ergibt sich jedoch aus historischer und systematischer Auslegung (s. BT-Dr. 14/5150, 51, und § 44 S. 2, 3, sowie §§ 41 Abs. 2, 42 SGB XII).
(bb)
Ein Verschonungstatbestand war nicht gegeben. So darf zwar die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder
von der Verwertung der in Absatz 2 Nummern 1-9 aufgeführten Tatbestände (§ 90 SGB XII in der Fassung vom 27.12.2003). Insbesondere aber ein Tatbestand der Nr. 9 hat nicht vorgelegen. Geschont in diesem Sinne
sind kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen
(§ 90 Absatz 2 Nr. 9 SGB XII). Welche Beträge bzw. Werte als "klein" i.S. dieser Vorschrift anzusehen sind, bestimmt die auf Grundlage des § 96 Abs. 2 SGB XII erlassene Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des SGB XII (DVO § 90 SGB XII). § 1 DVO § 90 SGB XII legt differenziert nach der Art des Hilfefalls einerseits und der einstandspflichtigen Personengruppe andererseits bestimmte
Vermögensgrenzen fest. Hinsichtlich der Hilfearten differenziert § 1 DVO § 90 SGB XII nach der Hilfe zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII) einerseits und der Hilfe nach dem 5. bis 9. Kapitel SGB XII andererseits. Keine Freibeträge sind dem Wortlaut nach für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel
SGB XII) vorgesehen. Eine entsprechende Ergänzung der DVO § 90 SGB XII dürfte bei der Integration des GSiG, das eine entsprechende Anwendung der BSHG § 88 Abs. 2 DV 1988 vorsah, in das SGB XII übersehen worden sein. Es ist jedoch kein Grund erkennbar, der eine unterschiedliche Behandlung von Empfängern jeweils nur
existenzsichernder Leistungen nach dem 3. oder 4. Kapitel SGB XII rechtfertigen könnte, weshalb die für die Hilfe zum Lebensunterhalt vorgesehenen Freibeträge auch im Rahmen der Grundsicherung
anzuwenden sind.
Der Freibetrag ermittelt sich aus einem Grundbetrag, der bei der Hilfe zum Lebensunterhalt 1.600 EUR beträgt und sich auf
2.600 EUR erhöht, sofern ein Mitglied der Einsatzgemeinschaft das 60. Lebensjahr vollendet hat, im Sinne des Rentenrechts
voll erwerbsgemindert ist (ein Rentenanspruch ist nicht notwendig) oder eine Invalidenrente bezieht. Der Freibetrag aus §
1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a oder lit. b DVO § 90 SGB XII ist nach § 2 Abs. 1 DVO § 90 SGB XII angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Bei der Prüfung des Vorliegens
einer besonderen Notlage und bei der Entscheidung über den Umfang der Erhöhung sind nach § 2 Abs. 1 S. 2 DVO § 90 SGB XII vor allem Art und Dauer des Bedarfs sowie besondere Belastungen zu berücksichtigen. Nach der Formulierung und dem sich hieraus
ergebenden Zweck einer abweichenden Festsetzung des Vermögensfreibetrags bei besonderen Notlagen lehnt sich diese Vorschrift
an § 87 Abs. 1 S. 2 SGB XII an, weshalb die dort genannten Gesichtspunkte wie Art und Schwere einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit sowie Umfang
und Dauer der hiermit verbundenen Aufwendungen zur Konkretisierung auch der besonderen Notlage i.S.d. § 2 Abs. 1 DVO § 90 SGB XII herangezogen werden können.
Insoweit hat die Beklagte Ermittlungen unternommen und als Ergebnis steht nun auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die
Ansparungen der Klägerin für normale Verbrauchsausgaben in bescheidenem Umfange verwendet worden sind. Dazu hat die Beklagte
nach der Verwendung der Abhebungen auf dem Sparkonto gefragt hat (Schreiben vom 22.09.2010). Als Antwort wurden normale Verbrauchsausgaben
angeführt (Brille, Handy, Kleidung, Teppich, Koffer, Freizeit und ein Geburtstagsgeschenk). Später noch mit Schreiben vom
07.10.2010 sind weitere Verbrauchsausgaben in bescheidenem Umfang (zum Beispiel Kleidung am 20.10.2009) angeführt worden.
Dies deckt sich auch mit den entsprechenden Buchungen für Freizeiten und Brille.
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass eine Erhöhung des Freibetrages nicht zu erfolgen hat.
(cc)
Die Härte i.S.d. § 90 Abs. 3 SGB XII lässt sich als außergewöhnliche Fallgestaltung definieren, die von den Regelfällen des Verwertungsausschlusses in § 90 Abs. 2 Nr. 1-9 SGB XII nicht erfasst wird, diesen aber nach den daraus abzuleitenden Wertungen und Zielen gleichzusetzen ist. Zwei Beispiele hierfür
nennt § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII, indem Vermögen bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel von der Verwertung ausgenommen wird, soweit hierdurch
eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Trotz
des naheliegenden Umkehrschlusses schließt diese Formulierung die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte im Rahmen des Satzes
1 auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht aus.
Hierfür bestehen hier keine Anhaltspunkte. Die Klägerin, ohnehin noch in jungem Alter, bringt nicht vor, dass sie Maßnahmen
der Vorsorge im Hinblick auf die Alterssicherung betreibt. Hinzu kommt, dass sie jetzt ohnehin bereits Rente wegen voller
Erwerbsminderung erhält. Eine angemessene Lebensführung ist ihr mit ihrem bisherigen finanziellen Mitteln möglich. Denn sie
hat immer Guthaben aufgebaut trotz ihrer Ausgaben neben den laufenden Kosten zum Lebensunterhalt, zum Beispiel durch Urlaub
oder Ferienfreizeiten oder Erwerb von Kleidung, Teppich und Ähnlichem.
Für die Prüfung des Vorliegens einer Härte sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und daraufhin zu überprüfen,
ob sie in ihrem Zusammenwirken eine bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende, also atypische schwere Belastung
des Vermögensinhabers ergeben. Eine Härte liegt danach vor, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie z.B.
der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers
und seiner Angehörigen, eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung
der nachfragenden Person insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt
ist. Bei der danach erforderlichen wertenden Betrachtung im Einzelfall kann auch die UN-Behindertenrechtskonvention herangezogen
werden. Eine Härte kann sich aber auch unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung eines bereits manifestierten Selbsthilfewillens
ergeben, wenn durch die Verwertung eines Vermögensgegenstands die soziale Stellung der zum Einsatz verpflichteten, nicht selbst
leistungsberechtigten Person beeinträchtigt würde. Auch insoweit ist nichts vorgetragen. Die Klägerin hat insofern, was die
Gestaltung ihrer Zukunft betrifft, keine Pläne dargestellt. Sie ist sozial integriert in der Werkstatt für behinderte Menschen.
Sie hat keine Gründe genannt, die eine größere Akkumulation von Kapital für die Überwindung ihrer Behinderung erforderlich
machen würden.
Für das Vorliegen einer Härte spielt die Herkunft des Vermögens regelmäßig keine entscheidende Rolle, jedoch gilt dies nicht
ausnahmslos. In Einzelfällen kann die Herkunft des Vermögens dieses so prägen, dass seine Verwertung eine Härte darstellen
kann. Anlass zu dieser Diskussion gibt der Umstand, dass das Vermögen aus laufenden Leistungen der Sozialhilfe bzw. aus Werkstatteinkommen
erspart worden ist. Die Klägerin mag dies so empfinden, dass ihr Sozialhilfeleistungen angerechnet werden, die sonst bei Verbrauch
nicht zur Anrechnung frei gestanden hätten. Sozialpolitische Erwägungen im Sinne des zurzeit im Gesetzgebungsverfahren diskutierten
Bundesleistungsgesetzes haben aber noch keinen normativen Niederschlag gefunden. Eine Härte liegt dann nahe, wenn das Vermögen aus nachgezahlten
oder angesparten Leistungen stammt, die nach § 88 SGB XII nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.
In diesem Sinne wurde der Einsatz von aus Blindengeld angespartem Vermögen als Härte i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII angesehen. Grundsätzlich als Härte anzusehen ist danach auch der Einsatz angesparten Erziehungsgeldes während des gesetzlichen
Förderungszeitraums. Auch der Einsatz von Vermögen aus Zahlungen, die ein Hilfesuchender als Opfer nationalsozialistischer
Verfolgung aus dem Hardship Fund der Claims Conference und nach den Richtlinien zum Härtefond des Landes Nordrhein-Westfalen
zur Unterstützung von NS-Opfern erhalten hat, ist als Härte gewertet worden (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 28. Juli 2008 - L 20 SO 17/08 -, [...] ); ebenso aus einer Schmerzensgeldzahlung stammendes Vermögen.
Eine derartige Fallgestaltung sieht der Senat nicht. Die Klägerin hat die reguläre Leistung der Grundsicherung erhalten, die
zur Bestreitung der laufenden Lebenshaltungskosten ohne besondere Zweckbestimmung pauschal bewilligt wird.
c)
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X durfte die Aufhebung zum Zeitpunkt der Änderung, und folglich rückwirkend, erfolgen. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung
vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes
Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Das Entstehen
von Vermögen, das einzusetzen ist, führt automatisch zum Entfallen der Hilfebedürftigkeit, soweit damit der Bedarf gedeckt
werden kann (§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 2, 41 Abs. 1 SGB XII). Subjektive Umstände (zum Beispiel Bösgläubigkeit) spielen für diese Eingriffsnorm keine Rolle. Ein atypischer Fall, der
die Behörde verpflichtet, ihr Ermessen auszuüben, ob nicht (teilweise) von der dem Betroffenen ungünstigen Rückwirkung (mit
nachfolgender Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X) abgesehen werden kann, liegt nicht vor. Die Frage, ob ein solcher Ausnahmefall gegeben ist, ist dabei nicht Teil der Ermessensprüfung.
Sie kann von den Gerichten in vollem Umfang überprüft werden. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, sondern
vielmehr immer wieder darauf hingewiesen, dass der Vermögensfreibetrag nicht überschritten werden dürfe. Als Zeitpunkt der
Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der
besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs. 1 S. 3 SGB X). Der Anrechnungszeitraum bestimmt sich nach § 44 SGB XII (s.o.). Einkommen wird zum Vermögen, sofern es am Ende des Zuflussmonats nicht verbraucht und noch im Bestand ist (Umkehrschluss
aus § 11 Abs. 2 S 1 und Abs. 3 S 1 SGB II). Die Änderung erfolgte daher zu Recht - wie als nächstes dargestellt - ab Anfang März 2010.
d)
Unter Beachtung weiterer Vorschriften zum Verfahren war die Aufhebung für die Bedarfszeiträume März, April, Mai und Juni 2010
gerechtfertigt. Für den Zeitraum März 2010 aber nur im Umfang von 233,40 EUR anstatt der voll ausgekehrte Leistung in Höhe
von 346,40 EUR.
Für Beginn und Dauer der Unrichtigkeit besagt § 44 Abs. 1 S. 4 (damals noch S. 3) SGB XII, dass Änderungen zuungunsten des Leistungsempfängers nachverlagert werden. Führt eine Änderung nicht zu einer Begünstigung
des Berechtigten, so beginnt der neue Bewilligungszeitraum gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 SGB XII erst am Ersten des Folgemonats.
Die Einzahlung vom 10.02.2010 in Höhe von 500 EUR auf das Sparkonto der Klägerin (Sparbuch bei der Sparkasse A-Stadt Nr ...)
zeitigt rechtliche Folgen für das damit geschaffene Vermögen von 2.905.13 EUR erst am 01.03.2010. Erst im Monat März war das
Schonvermögen in Höhe von 305,13 EUR überschritten. Die weitere Einzahlung in Höhe von 450 EUR am 01.03.2010 wirkt wiederum
gemäß § 44 Abs. 1 S. 4 SGB XII erst zum 01.04.2010. Im Monat März 2010 sind damit zwei Änderungen mit unterschiedlichen Wirkungen eingetreten.
Wesentlich iSv § 48 Abs. 1 SGB X sind aber nur Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt
- hier den Bescheid vom 18.08.2009 - für März 2010 nicht hätte erlassen dürfen (vgl. zB BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22, S 50; vgl. auch BSGE 102, Seite 295 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr. 24, RdNr 10; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 38, RdNr 15). Grundsätzlich sind daher bei der Prüfung, ob bzw. inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
dazu führt, dass der bindende Ursprungsbescheid - hier also der Bescheid vom 18.08.2009 - in der festgesetzten Höhe zu Lasten
des Leistungsberechtigten aufgehoben werden durfte, neben der Berücksichtigung des Vermögens auch die weiteren, den Grund
und die Höhe beeinflussenden Berechnungsfaktoren der bereits bewilligten Leistungen - unter Berücksichtigung des § 44 SGB X - einzubeziehen, soweit Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit dargetan oder ersichtlich sind (vgl. auch BSG SozR 34100 § 119 Nr. § 23; vgl. Steinwedel in Kasseler Komm § 48 SGB X RdNr 28, insgesamt: BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 132/11 R).
Das verlangt eine Bedarfsermittlung in objektiv richtiger Weise, wie es die Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 19.05.2009 Aktenzeichen: B 8 SO 8/08 R und vom 23.03.2010, Aktenzeichen: B 8 SO 17/09 R vorschreibt.
Für die Klägerin sind 100 % des Eckregelsatzes (359 EUR) als Bedarf der Regelleistung zu berücksichtigen. § 3 RSV, Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, Regelsatzverordnung vom 02.03.2009 erlaubt den pauschalen Nachweis von Einsparungen nur für normativ erfasste Haushaltsangehörige.
Die 1970 geborene Klägerin wohnt in der Wohnung ihrer Eltern und zahlt hierfür an ihren Vater monatlich 140 EUR. Ihr stehen
damit höhere Regelsatzleistungen schon deshalb zu, weil sie nach § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sowie § 28 SGB XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 9. Dezember
2004 - BGBl I 3305 f - erhalten hat) i.V.m. der auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 40 SGB XII (idF des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21. März 2005 - BGBl I 818) zur näheren Bestimmung
der Regelsätze erlassenen RSV idF vom 3. Juni 2004 (BGBl I 1067) und dem Ausführungsgesetz über die Regelsätze in Bayern (Art. 82 ASGG) Anspruch auf den
"Eckregelsatz" in Höhe von 359 EUR hat. Dies ergibt sich aus einer - gegenüber der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
- einschränkenden Auslegung der mit der typisierenden Annahme einer Haushaltsersparnis verbundenen Begriffe des "Haushaltsvorstands"
und "Haushaltsangehörigen" in der RSV. Es kann dahinstehen, ob der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu BSGE 99, 131 ff RdNr 16 = BSG SozR 4-3500 § 28 Nr. 1) für die Auslegung der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bis zum 31. Dezember 2004 in vollem Umfang zu folgen ist und die Klägerin bereits nach den bisher entwickelten Kriterien
als Haushaltsvorstand anzusehen war. Jedenfalls können seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts
in das SGB und des SGB II durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) mit Wirkung zum
1. Januar 2005 nach Maßgabe des Gleichheitssatzes (Art
3 Abs.
1 GG) und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem SGB II und dem SGB XII Einsparungen bei gemeinsamem Haushalt nur angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft
iS des SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft iS des § 19 Abs. 1 SGB XII bilden (Rn 17, BSG Urteil vom 19.05.2009 Aktenzeichen: B 8 SO 8/08 R betr. Empfängerin von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
mit ihrem volljährigen, Arbeitslosengeld II beziehenden Sohn zusammen).
Diese Rechtsprechung des BSG ist fortentwickelt worden mit Urteil vom 23.03.2010 am Beispiel eines volljährigen, unverheirateten Hilfebedürftigen, der
zwar mit seiner Mutter zusammen lebt, aber mit dieser weder eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II noch eine Einsatzgemeinschaft iS des § 19 SGB XII bildet. Der Senat sieht keine Veranlassung, dieser Rechtsprechung nicht zu folgen, zumal auch die jüngste Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts diese Haltung bekräftigt (vergleiche Urteile des BSG vom 23.07.2014, Terminbericht vom 24.07.2014, Az. B 8 SO 31/12 R, B 8 SO 14/13 R und B 8 SO 12/13 R).
Der sozialhilferechtliche Bedarf der Klägerin bestand im März 2010 in Höhe von insgesamt 522,86 EUR. Er setzt sich zusammen
aus dem og Regelsatz in Höhe von 359 EUR (abzüglich der Mittagessen in der Werkstatt von 25 EUR), einem Mehrbedarf in Höhe
von 48,79 EUR wegen Erwerbsunfähigkeit sowie den Unterkunftskosten in Höhe von 148,52 EUR (abzüglich des Warmwasseranteils
von 5,43 EUR sowie des Kochfeueranteils von 3,02 EUR, vgl. Bescheid vom 18. August 2009). Hierauf sind anzurechnen (vgl. §§
19 Abs.1, 41 Abs. 1 SGB XII) das Werkstatteinkommen der Klägerin bereinigt in Höhe von monatlich 104,86 EUR und daneben ein Vermögen in Höhe von (den
Schonbetrag übersteigenden) 305 EUR, insgesamt 409,86 EUR. Es hätte sich damit weiterhin ein Anspruch, aber nur in Höhe von
113 EUR ergeben. Von der bewilligten Leistung in Höhe von 346,40 EUR sind 233,40 EUR zu Unrecht gewährt worden.
Die Bewilligungen für die Monate April, Mai und Juni im August 2009 des Dauerverwaltungsaktes vom 18.08.2009 als Regelungsbündel
für 12 Monate waren unrichtig. Sie durften aufgehoben werden, weil eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Mit der Einzahlung von 500 EUR am 01.03.2010 auf das Sparguthaben von 2.905,13 EUR und der entsprechenden Nachverlagerung
im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 3 SGB XII aF bestand am 1. April 2010 ein verwertbares Vermögen von 3.405,12 EUR. Das einsetzbare Vermögen war bei über 800 EUR gelegen.
Denn ein Verbrauch des Vermögens von 2.905,13 EUR ist nicht erfolgt. Die für den Monat März angestrengten Überlegungen führen
nicht zu einem rechtlich nicht zulässigen (vgl. dazu Urteil des BSG vom 20.09.2012, B 8 SO 20/11 R m.w.N.) fiktiven Vermögensverbrauch. Den gleich bleibenden monatlichen Bedarf von 522,86 EUR
hätte die Klägerin mit einem Vermögen von 800 EUR vollständig befriedigen können. Ihre Hilfebedürftigkeit ist damit objektiv
entfallen. Das gleiche gilt für den Monat Mai 2010. Insoweit ist das Vermögen noch durch Einzahlungen am 03.05.2010 in Höhe
von 500 EUR und am 28.05.2010 in Höhe von 500 EUR auf einen Betrag von 4.355,13 EUR vergrößert worden. Auch die Abhebungen
im Monat Juni in Höhe von 1.000,00 EUR (Vermögensstand von 3.355,13 EUR am 07.06.2010) und 300,00 EUR (Vermögensstand am 10.06.2010:
3055,13 EUR) habe nicht zu einer Vermögensreduzierung unter den Schonbetrag geführt. Im Übrigen wäre auch keine Vorverlagerung
im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 2 SGB XII geschehen. Denn es wurde kein Änderungsantrag gestellt und die Abhebungen wurde nicht mitgeteilt.
Damit war die Bewilligung in og drei Monaten um jeweils die ausgekehrte Leistung von 346 EUR unrichtig geworden. Der Tatbestand
nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (Aufhebung) war erfüllt.
Zusammenfassend war damit die Leistung im März zu Unrecht um 233,40 EUR zu hoch und in den folgenden drei Monaten um jeweils
die ausgekehrte Leistung von 346,40 EUR. In der Summe wären dann 1272,60 EUR - nicht wie von der Beklagten angenommen in Höhe
von 1.385,60 EUR -zu viel geleistet worden.
(3)
Eine Aufhebung rechtfertigende Verfahrensfehler liegen nicht vor. Gemäß § 42 S. 1 SGB X kann zudem die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form
oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der
Sache nicht beeinflusst hat.
Die vom Klägerbevollmächtigten im Bescheid vom 20.06.2011 angeführte falsche Wortwahl "Rücknahme" anstelle von "Aufhebung"
stellt keinen Verfahrensfehler dar. Weder ist eine falsche Begründung ein Verfahrensfehler, noch bestünde damit mittelbar
eine Unbestimmtheit hinsichtlich der Wirkung der Aufhebung in Bezug auf Zukunft und Vergangenheit.
Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 33 Abs. 1 SGB X). Diese Vorschrift soll bewirken, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich bestimmt ist, also den Willen der Behörde vollständig
und unzweideutig ausdrückt, damit der Empfänger weiß, was ihm auferlegt oder zugebilligt wird ("Klarstellungsfunktion"; BSG 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 46 S 384 mwN). Mit ihrem Regelungssatz hat die Beklagte klar zum Ausdruck gebracht, dass die im Jahre 2011 erfolgte Aufhebung
sich auf Bewilligungen vom März bis Juni 2010 - und damit auf die Vergangenheit - bezieht.
Zudem kann zum Zwecke der Auslegung auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf den Sachverhalt, wie er sich aus den Verwaltungsakten
ergibt, oder auf früher zwischen den Beteiligten ergangenen Schriftwechsel (hier zum Beispiel die Anhörung) zurückgegriffen
werden.
Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen (§ 35 Abs. 1 S. 1 SGB X). An die Qualität der Begründung werden aber keine besonderen Anforderungen gestellt. Lediglich bei der Begründung von Ermessensentscheidungen
muss diese auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist
(vgl. § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X). Auch insoweit ist die falsche Wortwahl unbeachtlich.
Insbesondere die Handlungsfrist zur Aufhebung ist eingehalten. § 48 Abs. 4 SGB X ordnet eine entsprechende Anwendung von § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 SGB X an. Die Verweisung auf § 45 Abs. 4 SGB X ist nur dahingehend zu verstehen, dass eine Aufhebung des Ursprungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit zuungunsten
des hieraus Berechtigten lediglich durch einen Bescheid möglich ist, der innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Behörde
von den Aufhebungstatsachen ergeht (Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Rn. 78 zu § 48, BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 26; s zur Einfügung von "Satz 2" in Abs. 4 S 1: BT-Drucks 13/10033 S 24 zu Art 5 Nr. 3). Für § 48 SGB X ist besonders problematisch, ob der Beginn der Jahresfrist voraussetzt, dass die Behörde Kenntnis nicht nur der Voraussetzungen
für die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S 2 Nr. 2-4 SGB X hat, sondern auch vom Nichtvorliegen eines atypischen Falles bzw. von den bei einem atypischen Fall relevant werdenden Tatsachen
für die Ermessensausübung. Die Jahresfrist beginnt nach der herrschenden Meinung mit Kenntnis der Behörde von den Voraussetzungen
nach § 48 Abs. 1 S 2 Nr. 2-4 SGB X, da ab dann grundsätzlich eine Aufhebung möglich ist.
Erst anlässlich eines Antrages auf Weiterbewilligung legte die Betreuerin der Klägerin der Beklagten am 28.06.2010 Auszüge
des Sparbuches der Klägerin bei der Sparkasse A-Stadt (Nr ...) vor. Daraus ging erstmalig hervor, dass die Klägerin am 10.02.2010
einen Betrag von 500 EUR, am 01.03.2010 einen Betrag von 450 EUR und am 03.05.2010 einen Betrag von 500 EUR auf ihr Sparbuch
transferiert hatte. Die Anhörung war am 16.11.2010 beendet, als der Bevollmächtigte der Klägerin sich zuletzt zur Frage eines
Härtefalles geäußert hatte. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 20.06.2011 setzte die Beklagte die Konsequenzen ihres
Wissens noch in einer Frist von sieben Monaten dahingehend um, dass sie eine Aufhebung vorgenommen hat. Auf die Frage einer
Verlängerung der Handlungsfrist wegen Ermittlungen zur Atypik kommt es damit nicht an. Die letzten Auskünfte zum Verbrauch
des Vermögens sind am 07.10.2010 eingegangen. Die letzte Äußerung dazu erfolgte am 16.11.2010 durch die Bevollmächtigten.
Der Bevollmächtigte der Klägerin irrt, wenn er die Aufhebungsentscheidung erst im Widerspruchsbescheid der D. vom 08.08.2011
sieht. Denn erst in dieser Entscheidung sei die richtige Rechtsgrundlage (§ 48 SGB X) genannt und auch eine Wirkung für die Vergangenheit ausgesprochen. Dies trifft schon tatsächlich nicht zu, weil auch die
Beklagte auf Seite 2 ihres Bescheides in der Begründung § 48 SGB X in seinem vollen Wortlaut (also auch die Wirkung für die Vergangenheit in § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X) anführt. Zudem war der Verfügungssatz (wie oben angeführt) eindeutig auf eine Aufhebung für die Vergangenheit gerichtet.
Die Unbeachtlichkeit der Folgen von Verfahrens- und Formfehlern gilt nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder
nicht wirksam nachgeholt ist (§ 42 S. 2 SGB X). Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den
für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Bei belastenden Verwaltungsakten, also solchen, die gegenüber dem vorherigen
Zustand eine ungünstigere Regelung enthalten, ist grundsätzlich anzuhören, denn die Anhörungsvorschriften sollen nach ihrem
Sinn und Zweck vor Überraschungsentscheidungen schützen und das Vertrauen in die Verwaltung stärken (vgl. BT-Drucks 7/868,
S 28, zuletzt BSG Urteil vom 4.6.2014, B 14 AS 2/13 R).
Das Anhörungsschreiben vom 01.07.2010 erging an die Betreuerin als Anhörungsadressatin. Das folgende Schreiben vom 28.07.2010
ging dann schon an die bevollmächtigten Rechtsanwälte der Klägerin. In Form und Inhalt handelte es sich um ein Schreiben (vom
01.07.2010) mit der Überschrift "Vollzug der Sozialgesetze; Anhörung von Beteiligten gemäß § 24 SGB X". Anschließend wird weiter ausgeführt: "nach den Vorschriften des § 24 SGB X ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu
den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Im vorliegenden Fall hat die Stadt A. zu prüfen, ob die für Frau
S. gewährte Leistung gemäß § 45 in Verbindung mit § 50 SGB X zurückzufordern ist". Auf der Rückseite des Schreibens befindet sich eine Begründung, die auf den Weitergewährungsantrag
abstellt und darlegt, dass aus den geforderten Unterlagen nun hervorgegangen sei, dass die Klägerin bereits ab Februar 2010
über ein Sparguthaben verfügt habe, welches über dem Vermögensfreibetrag von 2600 EUR liege. Es sei daher beabsichtigt, die
Hilfegewährung ab dem 01.08.2010 einzustellen und die zu Unrecht gewährten Leistungen für die Zeit vom 01.02. bis zum 31.7.2010
in Höhe von insgesamt 2078 EUR zurückzufordern. Die Klägerin könne sich zu dieser Absicht in zwei Wochen ab Zugang dieses
Schreibens schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Sachbearbeiters während der Dienstzeit äußern. Dazu wurden weiter
Kontostände auf dem Sparbuch mitgeteilt: am 10.02.2010: 2.905.13; 01.03.2010: 3.355,13; 03.05.2010: 3.855,13; 28.05.2010:
4.355,13 und 07.06.2010: 3.355,13.
Die Beklagte hat damit der Klägerin in der Anhörung alle entscheidungserheblichen Haupttatsachen mitgeteilt, auf die sie die
Rücknahme auf der Grundlage ihrer Rechtsansicht stützen wollte. Entscheidungserheblich iS von § 24 Abs. 1 SGB X sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh, auf die sich die Verwaltung auch
gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr. 4). Darüber hinaus wurde die beabsichtigte Handlung angekündigt. Ebenso hat die Beklagte gezeigt,
dass sie die Anhörung ernsthaft betreibt und zu einer Revision ihrer Absicht bereit wäre, weil sie eine Frist gesetzt und
Modalitäten zur Äußerung bezeichnet hat.
Im Übrigen wäre die Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X entbehrlich, weil der Beklagte von den tatsächlichen Angaben der Klägerin (Kontostände, Verwendung des Geldes) nicht zu ihren
Ungunsten abweicht.
Zur Begründung der beabsichtigten Regelung hat die Beklagte allerdings die falsche Rechtsnorm (§ 45 SGB X anstelle von § 48 SGB X) angeführt. Der Subsumtionsprozess wurde aber prospektiv dargestellt als fehlende Bedürftigkeit wegen entgegenstehenden Vermögens.
Die spätere Grundlage der Aufhebung, § 48 Abs. 1 S. 2 Nummer 3 SGB X: "3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder
zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde") ist damit in allen Elementen beschrieben worden. Die Voraussetzungen bei
§ 45 SGB X sind im Übrigen strenger. Dazu bedürfte es innerer Tatsachen im Sinne der Bösgläubigkeit. Bei § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X ist dies aber nicht nötig (zu den erhöhten Anforderungen bei Wechsel der Eingriffsgrundlage: vgl. Urteil des BSG vom 9.11.2010, B 4 AS 37/09 R). Letztlich kommt es auch nicht auf die anzuwendende Norm selbst an, sondern auf die zur Subsumtion erforderlichen Tatsachen,
zu denen angehört werden muss.
Rechtsprechung und Literatur (KassKomm/Steinwedel SGB X § 48 Rn. 8) halten einen Wechsel von § 45 auf § 48 SGB X selbst dann für zulässig, wenn es um die Regelung selbst geht, nicht nur - wie hier - lediglich um deren Ankündigung. Hat
die Verwaltung einen Bescheid auf § 45 SGB X gestützt, ist aber richtigerweise § 48 Abs. 1 SGB X einschlägig (und umgekehrt), so bedarf es keiner Umdeutung; es liegt lediglich ein Austausch der Begründung vor (BSG SozR 4?-?4200 S 11 Nr. 36 RdNr 17, SozR 3?-?1300 § 45 Nr. 42 S 138; sa bei § 43). Geht die Verwaltung zu Unrecht davon aus, es greife § 48 Abs. 1 SGB X ein, werden in der Regel die strengeren Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht erfüllt sein (vgl. z.B. BSG Urteil vom 11.4.2002 - B 3 P 8/01 R). Hier ist es aber gerade umgekehrt.
(4)
Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 S. 1 SGB X). Die Aufhebung ist dem oben dargestellten Umfang gerechtfertigt. Aus ihr folgt die Erstattungshöhe von 1.272,60 EUR.
Im Umfang von 113 EUR hat die Berufung Erfolg, im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind angesichts des geringen Obsiegens der Klägerin zu 1/12 zu erstatten (§
193 SGG).
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§
160 SGG).