Anspruch auf Insolvenzgeld; Voraussetzungen des Eintritts des Insolvenzereignisses einer Betriebseinstellung bei offensichtlicher
Masselosigkeit; Unerheblichkeit einer späteren Insolvenzeröffnung
Tatbestand
Der 1975 geborene Kläger war bei der Firma A. Transport & Logistik, Inhaber K. A., in B-Stadt als Fahrer beschäftigt. Herr
A. meldete das Gewerbe zum 26.02.2009 ab und kündigte mit Schreiben vom 02.03.2009 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.
Gegen die Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht B-Stadt (5 Ca 112/09). Der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht B-Stadt endete durch gerichtlichen Vergleich vom 07.04.2009, in dem u.a. zwischen
dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber vereinbart wurde, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2009 ende.
Am 03.03.2009 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte
dem Kläger daraufhin (unter Berücksichtigung eines zweitägigen Ruhens wegen Urlaubsabgeltung) Arbeitslosengeld ab 05.03.2009
in Höhe von 34,42 EUR täglich. Die Nachzahlung für März 2009 betrug 929,34 EUR.
Mit Eingang am 04.03.2009 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Insolvenzgeld für die Monate Januar und Februar 2009
beantragen. Die Fa. A. Transport und Logistik habe ihre Betriebstätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen vollständig eingestellt.
Aus seiner Sicht komme ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht.
Am 26.03.2009 legte Herr K. A. eine Erklärung vor, wonach er am 27.02.2009 seinen Betrieb wegen Zahlungsunfähigkeit dauerhaft
eingestellt habe. Er besitze kein Vermögen und habe Schulden in Höhe von ca. 35.000 EUR. Er werde Kontakt mit dem Amtsgericht
(AG) B-Stadt aufnehmen, eine Entscheidung werde mitgeteilt.
Mit Datum vom 15.04.2009 wurde für den Kläger im Auftrag der Fa. A. eine Lohnabrechnung für März 2009 in Höhe von 2000 EUR
brutto bzw. 1557,50 EUR netto erstellt.
Am 23.04.2009 beantragte Herr A. beim AG B-Stadt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für ehemals Selbständige unter Erteilung
der Restschuldbefreiung.
Ferner beantragte er, ihm die Kosten des Insolvenzverfahrens zu stunden. Sein Vermögen reiche nicht aus, die Kosten des Verfahrens
zu decken.
Aus den beigefügten Unterlagen des Herrn A. ergibt sich u.a., dass dieser spätestens seit Februar 2009 keine Beiträge zur
Sozialversicherung für seine Beschäftigten gezahlt hatte.
Mit Beschluss des AG B-Stadt vom 30.04.2009 (Az. ) wurde über das Vermögen des K. A. das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt
Dr. T. zum Insolvenzverwalter bestellt. Herrn A. wurden vom Insolvenzgericht die Kosten des Verfahrens bis zur Erteilung der
Restschuldbefreiung gemäß §
4 a Insolvenzordnung (
InsO) gestundet. Nach den vorläufigen Erhebungen des AG B-Stadt unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers wurden die Gläubigerforderungen
mit ca. 173.172 EUR ermittelt.
Mit Bescheid vom 28.05.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger gemäß §
42 des
Ersten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB I) einen Vorschuss in Höhe von 2.000,00 EUR auf das zu erwartende Insolvenzgeld.
Am 13.07.2009 erstellte der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. T. einen Zwischenbericht. Herr A. sei als Subunternehmer für
Herrn Ö. E. tätig gewesen. Dieser sei sein einziger Auftraggeber gewesen. Die Zahlungen von Herrn E. seien ab November 2008
nur noch schleppend und ab Januar 2009 nicht mehr erfolgt. Mittlerweile habe Herr E. ebenfalls Insolvenzantrag gestellt.
Aus dem vorgelegten Vermögensverzeichnis ergibt sich ein frei verwertbares Vermögen des Herr A. in Höhe von ca 2.200 EUR,
diesem stehen angemeldete Forderungen in Höhe von ca. 253.400 EUR gegenüber.
Aus dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 15.01.2010 ergibt sich nach Abzug der Masseverbindlichkeiten eine Verteilungsquote
von 2,41 %.
Mit Bescheid vom 05.08.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 27.02.2009
in Höhe von 4.096,92 EUR unter Absetzung des bereits ausgezahlten Vorschusses in Höhe von 2000,00 EUR.
Mit seinem am 19.08.2009 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.08.2009 machte der Kläger weiteres Insolvenzgeld
für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis 31.03.2009 mit der Begründung geltend, das Insolvenzereignis sei nicht die Einstellung
des Betriebes der Firma A. Transport & Logistik Ende Februar 2009, sondern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.04.2009
gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2009 mit der Begründung zurück, maßgebliches
Insolvenzereignis sei die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der Firma A. Transport & Logistik am 27.02.2009. Dieses
Insolvenzereignis entfalte Sperrwirkung hinsichtlich der anderen in §
183 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) aufgeführten Insolvenzereignisse. Im Übrigen scheitere die Erweiterung des Insolvenzzeitraumes auf die Zeit bis 31.03.2009
auch an der Vorschrift des §
324 Abs.
3 SGB III, da der (neuerliche) Antrag auf Insolvenzgeld nicht innerhalb der Zwei-Monatsfrist gestellt worden sei, sondern erst im Rahmen
der Erhebung des Widerspruchs am 19.08.2009.
Hiergegen ließ der Kläger am 14.10.2009 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erheben.
Mit Urteil vom 17.11.2011 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 6.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2009, dem
Kläger weiteres Insolvenzgeld auch für die Zeit ab 01.03.2009 bis 31.03.2009 unter Anrechnung des bezogenen Arbeitslosengeldes
nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Zur Überzeugung der Kammer sei vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.04.2009 kein Insolvenzereignis eingetreten.
Die Beklagte habe zu Unrecht als Insolvenzereignis die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland am 27.02.2009
angesehen. Die Voraussetzungen des §
183 Abs.
1 Nr.
3 SGB III hätten insoweit nicht vorgelegen.
Maßgeblich für den Eintritt des eine Sperrwirkung entfaltenden Insolvenzereignisses nach §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III sei nicht die subjektive Einschätzung der Beklagten, sondern grundsätzlich, ob sich aus äußeren Tatsachen für einen unvoreingenommenen
Betrachter der Eindruck ergebe, dass ein Insolvenzverfahren nicht in Betracht kommt. Hierbei genüge zur Bejahung der Voraussetzungen
der offensichtlichen Masselosigkeit nicht eine angenommene Zahlungsunfähigkeit. Denn auch Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
bedeuteten noch nicht, dass deshalb die Kosten zur Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorhanden wären.
Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers habe sich im Vergleich vom 07.04.2009, also über einen Monat nach Beendigung der Betriebstätigkeit,
verpflichtet, an den Kläger die Vergütung für Januar 2009, Februar 2009 in der geschuldeten Höhe zu bezahlen und den Monat
März 2009 ordnungsgemäß abzurechnen sowie den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszubezahlen.
Dem stehe nicht entgegen, dass der ehemalige Arbeitgeber des Klägers ausweislich des Protokolls über die öffentliche Sitzung
vor dem Arbeitsgericht B-Stadt vom 07.04.2009 erklärt habe, dass er "derzeit nicht zahlungsfähig" sei. Vielmehr deute die
Einschränkung "derzeit" aus Sicht der Kammer darauf hin, dass der Arbeitgeber damals noch selbst davon ausging, dass es sich
lediglich um einen vorübergehenden Zustand handele.
Auch soweit die Bevollmächtigten des Klägers im Zusammenhang mit der Beantragung von Insolvenzgeld mit Schreiben vom 02.03.2009
ausgeführt hätten, dass aus ihrer Sicht ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht komme, lasse dies keine andere
Beurteilung zu, da die (damalige) Einschätzung des Klägers bzw. seiner Bevollmächtigten zwar ein Indiz darstellen können,
dass Masselosigkeit zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung vorlag, jedoch nicht die Ermittlung der erforderlichen Tatsachen
ersetzen können.
Zwar habe das Insolvenzgericht dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers die Kosten des Verfahrens bis zur Restschuldbefreiung
nach §
4a InsO gestundet. Gemäß §
26 Abs.
1 Satz 1
InsO weise das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich
nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Die Abweisung unterbleibe gemäß §
26 Abs.
1 Satz 2
InsO jedoch, wenn ein ausreichender Betrag vorgeschossen oder - wie vorliegend - die Kosten nach §
4a InsO gestundet werden. Allerdings lasse zur Überzeugung der Kammer die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung des
Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers als voraussichtlich nicht ausreichend angesehen wurde, um die Verfahrenskosten
zu decken, nicht den Schluss zu, dass dies auch bereits zwei Monate vorher zum Zeitpunkt der Gewerbeabmeldung der Fall gewesen
sein müsse.
Hiergegen hat die Beklagte mit Eingang am 09.01.2012 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt mit dem Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß)
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Ergänzend wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakten, der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Akten des
AG B-Stadt (Insolvenzgericht) Az. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte im vorliegenden Fall gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) - nach Einverständnis der Beteiligten - ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Gemäß §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB III (in der Fassung des Gesetzes vom 02.12.2006, BGBl I S. 2742) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt
haben.
Der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht
gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, gleich (§
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 und
3 SGB III).
Nach ständiger Rechtsprechung besteht zwischen den drei möglichen Insolvenzereignissen gemäß §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III kein Rangverhältnis. Vielmehr kommt es auf das Ereignis an, durch das die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erstmals zu
Tage getreten ist. Der Insolvenzgeldanspruch wird durch das zeitlich früheste der drei möglichen Insolvenzereignisse ausgelöst,
anschließend tritt für möglicherweise später eintretende Insolvenzereignisse eine sog. Sperrwirkung ein. Wird z.B. ein Antrag
auf Insolvenzverfahren zunächst mangels Masse abgelehnt und später nach Einzahlung eines Vorschusses das Insolvenzverfahren
doch noch eröffnet, bleibt maßgeblich, das zuerst eingetretene Insolvenzereignis der Abweisung des Antrages mangels Masse
(vgl. Brand/Kühl,
SGB III, 6. Auflage, §
165 Rdnr. 27, m.w.N.).
Entscheidend ist daher, ob am 27.02.2009, wie von der Beklagten angenommen, die Voraussetzungen des Insolvenzgeldtatbestandes
des §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III gleichzeitig gegeben waren, also
* die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit des Arbeitsgebers im Inland sowie
* ein fehlender Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und
* offensichtliche Masselosigkeit.
Hierzu ist festzustellen, dass spätestens am 27.02.2009 von einer vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit der Fa. A.
Transport und Logistik auszugehen ist. Die Gewerbeabmeldung durch den alleinigen Firmeninhaber, Herrn K. A., erfolgte am 26.02.2009.
Herr A. war vom 27.02.2009 bis 30.06.2009 arbeitslos gemeldet, anschließend nahm er ein Beschäftigungsverhältnis auf.
Im Antragsschreiben vom 02.03.2009 an die Beklagte führen die Bevollmächtigten des Klägers aus, dass die Fa. A. Transport
und Logistik ihre Betriebstätigkeit eingestellt habe.
Auch der Kläger ging offensichtlich von der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der Fa. A. Transport und Logistik
Ende Februar 2009 aus, da er sich mit Wirkung ab 03.03.2009 bei der Beklagten arbeitslos meldete und Arbeitslosengeld ab 05.03.2009
bezog.
Auch die zweite Voraussetzung für die Annahme des Insolvenzgeldtatbestandes des §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III am 27.02.2009 ist erfüllt, da zu diesem Datum ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht gestellt worden
war. Der Antrag wurde vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers erst am 23.04.2009 gestellt.
Für eine positive Beantwortung der Frage, ob am 27.02.2009 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens offensichtlich mangels
Masse nicht in Betracht kam, genügt es, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für eine Masseunzulänglichkeit
gesprochen haben. Es muss insoweit nicht letzte Klarheit darüber bestehen, ob eine den Kosten des Insolvenzverfahrens entsprechende
Masse vorhanden ist oder nicht. Maßgeblich ist, ob sich aus äußeren Tatsachen für einen unvoreingenommenen Betrachter der
Eindruck ergibt, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt. Die Masselosigkeit muss dabei vor oder
gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten; eine spätere Masselosigkeit ist nicht ausreichend
(vgl. Brand/Kühl, a.a.O. Rn. 39 unter Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 04.03.1999, Az. B 11/10 AL 3/98 R; Peters-Lange in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2009, §
183 SGB III Rn 47; Völzke in: Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 07/2010, §
183 Rn. 65).
Dies kann der Fall sein, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit
eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt wird (BSG, Urteil vom 23.11.1981 - 10/8b RAr 6/80 - SozR 4100 § 141b Nr 21). Weitere Indizien können in zahlreichen arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteilen auf Lohnzahlung, erfolglos gebliebenen
Zwangsvollstreckungen, eidesstattlichen Versicherungen oder einer Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen gesehen
werden (vgl. dazu insgesamt Brand/Kühl aaO mwN). Dass ein Arbeitgeber Schulden in großer Höhe gemacht und sich abgesetzt hat,
ohne sie zu begleichen, ist dagegen allein kein Grund für die Annahme einer offensichtlichen Masselosigkeit, da zwischen Zahlungsunwilligkeit
und Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1993, Az. 10 RAr 9/91, SozR 3-4100 § 141b Nr. 7). Allein aus einer Zahlungsunwilligkeit kann nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen
werden (vgl. Estelmann in: Eicher/Schlegel,
SGB III, §
183 Rn 72).
Ergänzend führt Peters-Lange (in Gagel, a.a.O.) aus, dass angesichts der Tatsache, dass die Kosten für das Insolvenzverfahren
- wie im hier vorliegenden Fall - gestundet werden können, die Frage einer ausreichend vorhandenen Masse aus Sicht der Arbeitnehmer
kaum zu beurteilen sei. Zu Gunsten der Arbeitnehmer sollten daher unter Beachtung der Tatsache, dass §
183 Abs.
1 Nr.
3 SGB III als Auffangtatbestand gilt, keine überhöhten Anforderungen an die Feststellung der offensichtlichen Masseunzulänglichkeit
gestellt werden. Insolvenzgeld sei zu gewähren, wenn die äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit
sprechen würden. Der Senat ist dieser Auffassung bereits in seinem Urteil vom 31.03.2011 (Az. L 9 AL 109/08) gefolgt und hält seine diesbezügliche Rechtsprechung weiterhin aufrecht.
Unter Beachtung des Willens des Gesetzgebers, eine schnelle Auszahlung von Insolvenzgeld bei Eintritt eines der drei möglichen
Tatbestände des §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III zu erleichtern, hat die Beklagte daher nach den Feststellungen des Senats im vorliegenden Fall zu Recht die Voraussetzungen
für den Eintritt des Insolvenzereignisses der Betriebseinstellung mangels offensichtlicher Masseunzulänglichkeit am 27.02.2009
angenommen und dem Kläger folgerichtig Insolvenzgeld vom 01.01.2009 bis 27.02.2009 gewährt.
Für einen unvoreingenommenen Betrachter musste sich zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Insolvenzgeld durch den Kläger mit
Schreiben vom 02.03.2009 (Eingang am 04.03.2009) der Eindruck ergeben, dass ein Insolvenzverfahren wegen Masselosigkeit des
K. A. nicht in Betracht kam.
Im Antragsschreiben vom 02.03.2009 an die Beklagte hat der Bevollmächtigte des Klägers selbst angegeben, dass "aus diesseitiger
Sicht" ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht komme.
Mit weiterem Schreiben vom 19.03.2009 ließ der Kläger nochmals auf die ausstehenden Zahlungen des Arbeitsentgeltes für Januar
und Februar 2009 hinweisen und unter Hinweis auf sein überzogenes Konto die Auszahlung eines Vorschusses beantragen.
Die am 26.03.2009 vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers vorgelegte Erklärung, wonach er am 27.02.2009 seinen Betrieb wegen
Zahlungsunfähigkeit dauerhaft eingestellt habe, kein Vermögen besitze und Schulden in Höhe von ca. 35.000 EUR habe, stellt
ein weiteres Indiz dafür dar, dass bereits zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung am 27.02.2009 offensichtliche Masselosigkeit
vorlag.
Vor allem die Tatsache, dass das AG B-Stadt als Insolvenzgericht dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers die Kosten des Verfahrens
bis zur Restschuldbefreiung nach §
4a InsO gestundet hat, erhärtet den Anschein, dass bereits zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung am 27.02.2009 eine offensichtliche
Masselosigkeit vorlag.
Aus dem Zwischenbericht des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Dr. T. vom 13.07.2009 an das Insolvenzgericht ist abzuleiten,
dass zwischen der Betriebseinstellung am 27.02.2009 und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 23.04.2009 keine Verbesserung
der Vermögenssituation des K. A. im Sinne der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit stattgefunden hat. Danach war Herr A.
ausschließlich als Subunternehmer für Herrn Ö. E. tätig. Die Zahlungen von Herrn E. seien ab November 2008 nur noch schleppend
und ab Januar 2009 nicht mehr erfolgt. Mittlerweile habe Herr E. ebenfalls Insolvenzantrag gestellt. Herr A. war im damaligen
Zeitraum arbeitslos gemeldet.
Aus dem ergänzend vorgelegten Vermögensverzeichnis ergibt sich ein frei verwertbares Vermögen des Herrn A. in Höhe von ca.
2.200 EUR, diesem stehen angemeldete Forderungen in Höhe von ca. 253.400 EUR gegenüber.
Im Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 15.01.2010 sind Masseverbindlichkeiten gem. §
54 InsO für Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters in Höhe von 4794,01 EUR verzeichnet, diese übersteigen daher
den Wert des im Vermögensverzeichnis zum Zwischenbericht vorläufig angenommenen frei verwertbaren Vermögens erheblich.
Die Annahme einer offensichtlichen Masselosigkeit des K. A. zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung am 27.02.2009 durch die
Beklagte ist daher zu Recht erfolgt.
Wie bereits ausgeführt, entfaltet das hiermit gemäß §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB III eingetretene Insolvenzereignis eine Sperrwirkung für mögliche spätere Insolvenzereignisse. Die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens
am 30.04.2009 ist daher insoweit ohne Bedeutung.
Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn das eingetretene Insolvenzereignis durch Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des
Arbeitgebers beseitigt würde (vgl. Sartorius in: Münchner Anwaltshandbuch Sozialrecht, 4. Auflage 2013, § 15, Rn. 17 und 29).
Hierfür sind aus den dargelegten Gründen jedoch keine Anhaltspunkte erkennbar.
Die noch von Krodel in der 5. Auflage des Kommentars Niesel/Brand,
SGB III, in der Kommentierung zu §
183, Rn. 47, vertretene Auffassung, dass die (spätere) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei unveränderter Sachlage zeige,
dass ein Anschein für eine offensichtliche Masselosigkeit (zuvor) objektiv nicht bestanden haben könne, würde die vom Gesetzgeber
beabsichtigte Sperrwirkung eines Insolvenzereignisses unterlaufen und wird daher vom Senat nicht geteilt. In der Folgeauflage
des Kommentars (nunmehr von Brand/Kühl,
SGB III, 6. Auflage, §
165, Rn. 39) wird die o.a. Meinung von Krodel auch nicht mehr vertreten.
Ergänzend ist festzustellen, dass die Beklagte die Auszahlung des Vorschusses von 2000,00 EUR an den Kläger mit Bescheid vom
28.05.2009 auf §
42 SGB I gestützt hat. Diese Vorschrift steht alternativ neben einer möglichen Vorschussgewährung nach § 186
SGB III (a.F.) und setzt ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis voraus (vgl. Sartorius, a.a.O. § 15, Rn. 61).
Nach alledem ist der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 05.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.09.2009 rechtmäßig ergangen.
Das der Klage stattgebende Urteil des SG Augsburg vom 17.11.2011 ist somit aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.