Tatbestand
Die Parteien streiten wegen der Weitergewährung von Gründungszuschuss (GZ) für die so genannte zweite Phase (Folge-GZ).
Die 1977 geborene Klägerin hatte von 2007 bis 2009 selbständig gearbeitet im Rahmen der Gestaltung von Modezeitschriften.
Des Weiteren war sie in verschiedenen abhängigen Beschäftigungsverhältnissen als Redakteurin vor allem in Sachen Mode tätig.
An Ausbildungen hatte sie ein Studium im Fach Modejournalismus/ Medienmarketing absolviert sowie eine Journalistenschule besucht.
2010 nahm die Klägerin eine bis 31.10.2011 befristete Beschäftigung bei einem Verlag als Modejournalistin auf. Angesichts
des nahenden Ablaufs dieses Beschäftigungsverhältnisses begann sie im August 2011, Vorbereitungen für eine selbständige Tätigkeit
zu treffen, die sich an die abhängige Beschäftigung anschließen sollte. Für die ersten drei Wochen im Monat November 2011
meldete sich die Klägerin arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld.
Ebenfalls im November 2011 beantragte die Klägerin erstmals die Bewilligung eines GZ. Sie bezeichnete sich dabei als Creative
Producer bzw. Fotoproduzentin. Im Dialog mit Kunden, so die Klägerin, würden Konzepte für Fotografie, Event und Print realisiert.
Im Zusammenhang damit legte sie folgende Kalkulationen vor: - Kostenplanung: Als Kosten für das erste Geschäftsjahr wurden
7.010 EUR eingeplant, für das zweite und dritte jeweils 6.820 EUR. - Umsatzplanung: Für das erste Geschäftsjahr wurden 16.200
EUR an Umsätzen prognostiziert, für das zweite 21.000 EUR und für das dritte 23.600 EUR. - In einer Rentabilitätsvorschau
errechnete die Klägerin die Betriebsergebnisse (= Gewinne) dadurch, dass sie die für die drei Geschäftsjahre prognostizierten
Kosten laut Kostenplan von den vorhergesagten Umsätzen subtrahierte. - In einem Kapitalbedarfsplan und einem Finanzierungsplan
stellte sie den Kapitalbedarf (einschließlich Kosten der privaten Lebensführung) mit 10.320 EUR dar. Sie gab an, ihr eigenes
Guthaben in Höhe von 12.000 EUR dafür einsetzen zu wollen und kam so zum Ergebnis, sie sei in der Lage, ihren Kapitalbedarf
zu decken.
Mit Bescheid vom 24.01.2012 bewilligte die Beklagte GZ für den Zeitraum 24.11.2011 bis 23.08.2012 in Höhe von monatlich 1.595,10
EUR.
Am 05.07.2012 beantragte die Klägerin einen Folge-GZ. Sie teilte in diesem Zusammenhang mit, im ersten Halbjahr 2012 habe
sie einen Umsatz von ca. 6.000 EUR erzielt. Dem stünden Aufwendungen in Höhe von insgesamt 3.000 EUR gegenüber.
Mit Bescheid vom 19.07.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung des Folge-GZ ab. Zur Begründung führte sie aus, um die Tragfähigkeit
des Unternehmens bejahen zu können, werde vorausgesetzt, dass während der ersten Phase pro Monat ein Gewinn von mindestens
950 EUR erzielt worden sei. Dies erfülle die Klägerin nicht.
Am 12.08.2012 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie äußerte, sie selbst halte ihr Unternehmen durchaus für tragfähig. Bis
zum heutigen Tag (Ende Juli 2012) habe sie 9.500 EUR Umsatz erzielt (ohne Mehrwertsteuer). Das entspreche einem Umsatz von
1.357 EUR pro Monat für den Zeitraum Januar bis Juli 2012. Sie trug vor, sie habe in den ersten sieben Monaten des Jahres
2012 einen Gewinn von 6.500 EUR erwirtschaftet. Den in der Rentabilitätsvorschau für das erste Geschäftsjahr prognostizierten
Umsatz von 16.200 EUR werde sie auch erreichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung machte
sie darauf aufmerksam, die Weitergewährung des GZ liege im behördlichen Ermessen. Eine Abwägung der Interessen der Klägerin
mit denen der Versichertengemeinschaft falle zu Ungunsten der Klägerin aus. Es gehe darum zu erreichen, dass der Folge-GZ
tatsächlich nur zur Sicherung der sozialen Absicherung benötigt und eingesetzt werde. Zudem habe sie, die Beklagte, sicherzustellen,
dass die verfügbaren Haushaltsmittel ausreichen würden. Im Rahmen der Ermessensausübung fordere die Agentur für Arbeit grundsätzlich,
dass aufgrund bisheriger Umsatzentwicklung und der weiteren unternehmerischen Tätigkeit von einer durchschnittlichen Gewinnerwartung
von 950 EUR monatlich ausgegangen werden könne. Nach den Angaben der Klägerin im Widerspruch habe der durchschnittliche monatliche
Gewinn bis Ende Juli jedoch nur 928,57 EUR (ergibt sich aus 6.500 EUR./. 7 Monate) betragen.
Am 21.11.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht München Klage erhoben. In der Begründung hat sie zum Ausdruck gebracht,
ihr sei nicht klar, auf welcher rechtlichen Grundlage die Beklagten einen monatlichen Gewinn von 950 EUR verlange. Diese Vorgabe
habe sie in den ersten Monaten der Geschäftstätigkeit lediglich um 21,50 EUR unterschritten. Die Beklagte hat erwidert, der
Betrag von 950 EUR orientiere sich am Existenzminimum für Erwerbstätige nach der Düsseldorfer Tabelle. Die Klägerin hat dem
wiederum entgegengehalten, die Düsseldorfer Tabelle habe keine Gesetzeskraft. Sie hat die Frage aufgeworfen, wieso die Tragfähigkeit
nicht von Anfang an in Frage gestellt worden sei, wo doch der Businessplan nur einen monatlichen Gewinn von 768 EUR prognostiziert
habe. Die Gewinnanforderungen der Beklagten, so die Klägerin weiter, seien unrealistisch, weil überhöht; ihre Selbständigkeit
werde abgewürgt. Um ihr Geschäft weiter auszubauen, habe sie, die Klägerin, bald gemerkt, dass sie weiter investieren müsse
in Kommunikationstechnik (Laptop), Büroausstattung, Kfz, Werbung, Kundenakquise, Marketing. Da Nachfrage im Styling bestanden
habe, habe sie einen Fundus an Kleidung, Schuhen, Accessoires aufgebaut. Das sei mit erheblichen Kosten verbunden gewesen.
Die Umsätze für die Jahre 2012 bis 2013 würden weit über den Angaben im Businessplan liegen. Den beigefügten Unterlagen sei
zu entnehmen, dass bis Ende Juli 2012 ein Nettoumsatz von 9.800 EUR erarbeitet worden sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.08.2014 abgewiesen. In der Begründung hat es zum Ausdruck gebracht, die
Gewährung des Folge-GZ richte sich gemäß §
422 Abs.
2 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (
SGB III) nach neuem (ab 01.04.2012 geltendem) Recht. Rechtsgrundlage sei §
94 Abs.
2 SGB III. Es handle sich um eine Ermessensentscheidung der Beklagten. Diese sei zu Recht davon ausgegangen, eine ausreichende Tragfähigkeit
als Lebensgrundlage sei nicht gegeben und auch prognostisch nicht zu erwarten. Von einer ausreichenden Lebensgrundlage sei
auszugehen, wenn der Arbeitslose nach einer angemessenen Anlaufzeit aus der selbständigen Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer
ein monatliches Bruttoeinkommen erzielen könne, das dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen abhängig Beschäftigter
mindestens zu zwei Dritteln entspreche. Bei einer Einzelperson sei von Einnahmen von 1.000 bis 1.100 EUR netto auszugehen,
um Ansprüche auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) auszuschließen. Im vorliegenden Fall sei die Beklagte in Anlehnung an das in der Düsseldorfer Tabelle festgelegte Existenzminimum
für Erwerbstätige tatsächlich nur von einem erforderlichen Nettoeinkommen von 950 EUR/Monat ausgegangen. Die Beklagte habe
zu Recht angenommen, auch für die zweite Phase sei eine tragfähige Existenz nicht zu erwarten. Denn für das gesamte Jahr 2012
habe die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von nur 6.891 EUR gehabt (entspricht monatlichem Gewinn vor
Steuer in Höhe von 574,25 EUR). Eine längere Anlaufphase sei der Klägerin mangels nachgewiesener Investitionen nicht zuzubilligen.
Die Beklagte dürfe im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen, dass für die nahe Zukunft ein hinreichendes Übersteigen der
Betriebseinnahmen gegenüber den Betriebsausgaben nicht absehbar gewesen sei.
Am 30.09.2014 hat die Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berufung eingelegt. In der Begründung hat sie gefordert,
bei der Entscheidung über die Weitergewährung des GZ müsse auch die Frage mit einbezogen werden, inwieweit sich die Angaben,
die im Geschäftsplan für die ersten neun Monate gemacht worden seien, bestätigt hätten. Dass die Gewährung des Folge-GZ im
Ermessen stehe, bedeute nicht, dass Anträge allein aus Gründen der Haushaltsdisziplin abgelehnt werden könnten. Die Beklagte
habe dadurch ermessensfehlerhaft gehandelt, dass sie pauschal auf unzureichende Einnahmen während der ersten Phase verwiesen
habe; dabei habe sie, die Klägerin, substantiiert dargelegt, dass die Einnahmen im Steigen begriffen gewesen seien. Es gebe
keinen sachlichen Grund, 950 EUR an Gewinn pro Monat zu fordern. Die Tragfähigkeit sei auch nicht dadurch entkräftet, dass
der erwirtschaftete Gewinn in der ersten Phase unter dem SGB II-Niveau gelegen habe. Tragender Gesichtspunkt müsse vielmehr sein, ob die Selbständigkeit in der ersten Phase so zielstrebig
betrieben worden sei, dass es nach Überwindung einer üblichen Durststrecke eine ausbaufähige Nachfrage der angebotenen Leistung
auf dem Markt gebe. Während der ersten Phase habe sie als Marketinginstrument Leistungen auch unentgeltlich erbracht. Der
Umsatz im ersten Geschäftsjahr habe 29.740,41 EUR betragen und damit die Erwartungen übertroffen. Die relativ hohen Betriebsausgaben
2012 seien dadurch verursacht worden, dass sie sich einen Fundus an Requisiten habe anschaffen müssen. Daher habe Ende 2012
der Gewinn nur 6.891 EUR betragen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. August 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.
Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2012 zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu über den Antrag auf Folge-GZ zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Am 28.04.2016 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Die erste mündliche Verhandlung am 09.06.2016 ist vertagt worden, um
der - damals nicht anwesenden - Klägerin rechtliches Gehör zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Die Akten haben vorgelegen, sind als Streitstoff in das Verfahren eingeführt worden und Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens der Klägerin mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden.
In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen des Fernbleibens enthalten. Das rechtliche Gehör der
Klägerin ist gewahrt.
Der Senat definiert den Streitgegenstand wie das Sozialgericht dahin, dass die Klägerin lediglich eine Verurteilung der Beklagten
zur Neubescheidung begehrt. Eine Verurteilung zur Leistung hat die Klägerin nicht beantragt. Somit liegt keine Kombination
von Haupt- und Hilfsantrag vor. Auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. dazu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders.,
SGG, 11. Auflage 2014, §
92 Rn. 12 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts) und einer daraus abgeleiteten "klägerfreundlichen"
Auslegung der relevanten Prozesserklärungen vermag der Senat nicht, die direkte Verurteilung der Beklagten als Klage- und
Berufungsziel zu erkennen. Zu eindeutig hat sich die Klägerin darauf beschränkt, die Neubescheidung zu verlangen. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Sozialgericht hat sie ausschließlich einen Antrag auf Neubescheidung zu Protokoll gegeben. Des Weiteren
hat sie in der Berufungsinstanz zu keiner Zeit auch nur angedeutet, das Sozialgericht könnte das Klageziel zu eng gefasst
haben. Vor allem hat sie in ihrem umfangreichen schriftlichen und mündlichen Sachvortrag stets nur eine fehlerhafte Ausübung
des Ermessens gerügt, nie aber die Position vertreten, sie könnte einen Rechtsanspruch auf Bewilligung des Folge-GZ ohne Ermessensausübung
haben.
Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene
Bescheid vom 19.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt deshalb die Klägerin
nicht in ihren Rechten. Nur der Information halber weist der Senat darauf hin, dass die Berufung auch hinsichtlich eines Antrags
auf Verurteilung der Beklagten zur Leistung - der wie oben ausgeführt nicht vorliegt - unbegründet wäre.
Schon die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung des Folge-GZ sind nicht erfüllt, so dass von vornherein kein behördliches
Ermessen eröffnet ist. Einschlägige Rechtsgrundlage sind §§
93 und
94 SGB III in der ab 01.04.2012 geltenden, auch heute noch aktuellen Fassung.
Nach §
93 Abs.
1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit
beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen GZ erhalten.
Aus §
93 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB III geht hervor, dass ein GZ nur dann gewährt werden darf, wenn sich die Existenzgründung als tragfähig erweist; insofern legt
das Gesetz eine Nachweisobliegenheit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers fest.
Nach §
94 Abs.
1 SGB III wird für die Dauer von sechs Monaten als GZ der Betrag geleistet, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld
zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro. Diese Bestimmung betrifft die so genannte erste Phase der Existenzgründung.
Für die zweite Phase legt §
94 Abs.
2 SGB III Folgendes fest: 1Der Gründungszuschuss kann für weitere neun Monate in Höhe von monatlich 300 Euro geleistet werden, wenn
die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. 2Bestehen begründete Zweifel an der Geschäftstätigkeit,
kann die Agentur für Arbeit verlangen, dass ihr erneut eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt wird.
Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass gemäß §
422 Abs.
2 SGB III auf die Weiterbewilligung das ab 01.04.2012 geltende (neue) Recht Anwendung findet. Damit ist für die Weiterbewilligung nicht
mehr §
58 Abs.
2 SGB III in der vor dem 01.04.2012 geltenden Fassung einschlägig, sondern wie ausgeführt §
94 Abs.
2 SGB III in der aktuellen Fassung. Daran vermag nichts zu ändern, dass sich die Bewilligung des GZ für die erste Phase bei der Klägerin
noch nach altem Recht richtete. Denn die Bewilligung des Folge-GZ impliziert einen eigenen Entstehungstatbestand im Sinn von
§
422 Abs.
1 Nr.
1 SGB III. Das zeigt §
40 Abs.
2 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch; nach dieser Vorschrift wird bei Ermessensleistungen deren Entstehen grundsätzlich dann
angenommen, wenn die Entscheidung über die Bewilligung der Leistungen der begünstigten Person bekanntgegeben wird. Wenn aber
für den Folge-GZ ein eigener Entstehungstatbestand vorliegt, dann muss insoweit gemäß §
422 Abs.
1 Nr.
1 SGB III gerade das Recht Anwendung finden, das zum Zeitpunkt dieses Entstehens gegolten hat.
Der begehrte Folge-GZ konnte der Klägerin schon deswegen nicht bewilligt werden, weil zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung
über den Antrag - also zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - die Tragfähigkeit der Existenzgründung für die
zweite Phase bei prognostischer Betrachtung nicht gegeben war. Der Aspekt der weiteren Tragfähigkeit verkörpert kein Element,
das lediglich im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen wäre. Denn die Ermächtigung zur Zahlung eines Folge-GZ ist in §
94 SGB III verortet, der die Überschrift "Dauer und Höhe der Förderung" trägt. Daraus, dass §
94 SGB III ausweislich seiner Überschrift nur Dauer und Höhe regelt, schließt der Senat, dass die Voraussetzungen dem Grunde nach -
auch für den Folge-GZ - nicht dort statuiert sind, sondern sich an anderer Stelle, also in §
93 SGB III finden müssen. §
93 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB III gilt demnach auch für die Weiterbewilligung. Es handelt sich um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, die das Gericht voll zu
prüfen hat.
Im Hinblick auf ihre Prüfungs- und Entscheidungsstruktur weist die Bewilligung eines GZ - auch eines Folge-GZ - Besonderheiten
auf: Einige Tatbestandsmerkmale von §
93 Abs.
1,
2 SGB III sind zukunftsbezogen. Insoweit enthält die Entscheidung zwangsläufig Prognoseelemente (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 17.02.2015 - L 14 AL 7/11, RdNr. 43). Dazu gehört auch die Beurteilung der Tragfähigkeit. Das Erfordernis der Tragfähigkeit bringt nicht lediglich
eine formelle Obliegenheit des Existenzgründers zum Ausdruck, die er damit erfüllen kann, dass er schlicht eine positive Stellungnahme
einer fachkundigen Stelle beschafft und einreicht. Vielmehr müssen die materiellen Voraussetzungen objektiv erfüllt sein,
sprich die Tragfähigkeit der Existenzgründung muss tatsächlich vorliegen. Letztlich kommt es darauf an, ob die Tragfähigkeit
ex ante betrachtet, also prognostisch, objektiv vorliegt oder fehlt. Dabei billigt der Senat der Beklagten keinen prognosebedingten
Beurteilungsspielraum (auf der "Tatbestandsseite") zu.
Wegen der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der Tragfähigkeitsprognose spielt es keine Rolle, ob die Beklagte die Tragfähigkeit
fehlerhaft ermittelt hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, welche Prognose objektiv getroffen werden musste. Daher kann es sich
nicht zu Gunsten der Klägerin auswirken, dass die Beklagte im vorliegenden Fall tatsächlich einen Fehler beging, der potenziell
geeignet war, sich zu Ungunsten der Klägerin auszuwirken. So hält es der Senat für methodisch falsch, dass die Beklagte ihre
negative Prognose auf der Basis des durchschnittlichen monatlichen Gewinns seit Beginn der Existenzgründung getroffen hat.
Denn anzustellen war die Prognose, ob die Klägerin ab dem zehnten Monat ihrer Existenzgründung in der Lage war, ihren Lebensunterhalt
mit Ausnahme der Beiträge für die soziale Sicherung aus ihrem Gewinn zu bestreiten. Dabei hätte die Beklagte angesichts dessen,
dass erfahrungsgemäß und regelmäßig die Erträge am Beginn der selbständigen Tätigkeit am geringsten sind und dann steigen,
auf die Gewinndynamik innerhalb der ersten Phase abstellen müssen. Die bloße Bildung eines Durchschnittsgewinns ohne Rücksicht
darauf, wann welche Gewinne zugeflossen sind, erscheint nicht aussagekräftig.
Wenn die Beklagte auch methodisch falsch vorgegangen ist, so trifft ihr Prognoseergebnis dennoch zu. In der Tat liegt eine
Tragfähigkeit im Sinn von §
93 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB III nicht vor. Zu diesem Ergebnis kommt der Senat, wenn er, wie es der Prognosecharakter der Entscheidung erfordert, eine Ex-ante-Perspektive
einnimmt; er darf in die Beurteilung keine Umstände berücksichtigen, die erst nachträglich eingetreten sind. Zum danach maßgeblichen
Zeitpunkt im Juli 2012 (Erlass des Ablehnungsbescheids) beziehungsweise im November 2012 (Erlass des Widerspruchsbescheids)
war eine Tragfähigkeit für die ab 24.08.2012 beginnende zweite Phase nicht zu erkennen.
Angesichts der dargestellten zeitlichen Gebundenheit der Prognose muss außer Betracht bleiben, dass sich das Unternehmen der
Klägerin im Jahr 2013 ausweislich des entsprechenden Einkommensteuerbescheids (festgestellter Jahresgewinn ca. 18.200 EUR)
offenbar stabilisiert hatte. Die bis November 2012 eingetretenen Fakten - darauf kommt es an - ließen eine positive Prognose
nicht zu. Dabei kann der Senat dahin stehen lassen, welcher zu erwartende monatliche Gewinn zur Bejahung der Tragfähigkeit
geführt hätte. Jedenfalls war prognostisch deutlich abzusehen, dass die Klägerin nicht einmal einen Gewinn erzielen würde,
der dem von der Beklagten zugrunde gelegten Betrag von 950 EUR monatlich entsprach. Der Senat macht kein Hehl daraus, dass
er den Maßstab der Beklagten, 950 EUR als Bruttoeinkommen zu verlangen, für zu großzügig hält. Doch selbst davon war die Klägerin
ex ante betrachtet weit entfernt.
In ihrem Weiterbewilligungsantrag lieferte die Klägerin keine Informationen, die ihr hätten helfen können: Sie habe im ersten
Halbjahr einen Umsatz von 6.000 EUR erzielt und Betriebsausgaben in Höhe von 3.000 EUR gehabt. Daraus lässt sich nur ersehen,
dass sie im Durchschnitt 500 EUR an Gewinn zu verzeichnen hatte. Die Verteilung auf die Monate teilte sie indes nicht mit.
Auch der Widerspruch der Klägerin ließ nicht den Schluss zu, die Unternehmung sei in der zweiten Phase tragfähig. Die Klägerin
gab in diesem Zusammenhang bekannt, sie habe 2012 bis Ende Juli 9.500 EUR umgesetzt, woraus sie - bei erneut 3.000 EUR Betriebskosten
- einen Gewinn von 6.500 EUR errechnete. Dazu schrieb sie, in der Anfangsphase der Selbständigkeit hätte man mit erhöhten
Anlaufkosten zu kämpfen. Für die Monate September und Oktober habe sie Auftragszusagen in Höhe von 5.000 EUR.
Damals (im August 2012) zeichnete sich jedoch bereits deutlich ab, dass weitere hohe Betriebsausgaben auf die Klägerin zukommen
würden, die sich keineswegs als von vornherein einmalige Aufwendungen darstellten. Denn die Klägerin musste umfangreiche Requisiten
beschaffen, woran sie bei der Erstellung des Geschäftsplans noch nicht gedacht hatte. Im Erörterungstermin hat sie dazu vorgetragen,
PR-Agenturen hätten ihr entgegen ihrer ursprünglichen Erwartung keine Accessoires mehr zur Verfügung gestellt; so habe sie
sich selbst einen Fundus zulegen müssen. Die hohen Ausgaben für Requisiten wurden in der Einkommensteuererklärung 2012 unter
der Rubrik "übrige unbeschränkt abziehbare Betriebsausgaben" manifest; dort waren Ausgaben in Höhe von 8.576,14 EUR angegeben.
Mit der Notwendigkeit dieser Ausgaben war die ursprüngliche Rentabilitätsvorschau Makulatur. Das bis November 2012 zu Tage
getretene Überschreiten der tatsächlichen gegenüber den in der ursprünglichen Planung kalkulierten Umsätze war aus damaliger
Sicht nicht geeignet, sich angesichts der eingetretenen oder konkret drohenden "Kostenlawine" zu Gunsten der Klägerin auszuwirken.
Denn maßgebend für die Tragfähigkeit ist der betriebliche Gewinn, der das Bruttoeinkommen darstellt. Zum für die Prognose
maßgeblichen Zeitpunkt war klar oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die Klägerin keineswegs in
der Lage sein würde, mit ihrer selbständigen Tätigkeit während der zweiten Phase ihren Lebensunterhalt - mit Ausnahme der
Sozialversicherungsbeiträge - zu bestreiten.
Die sehr hohen Betriebsausgaben im Jahr 2012 sind bei der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen, auch wenn die Klägerin
sie nicht gegenüber der Beklagten geoffenbart hatte. Ein Existenzgründer darf sich nicht dadurch einen Vorteil verschaffen
können, dass er ungünstige Umstände einfach verschweigt. Maßgeblich sind daher die zum Zeitpunkt der Prognose objektiv vorliegenden
relevanten Umstände. Hier waren zu diesem Zeitpunkt die hohen Ausgaben für die Anschaffung von Requisiten entweder bereits
getätigt oder aus der Sicht des vernünftigen Unternehmers zumindest konkret absehbar. Der anfänglich für das zweite Geschäftsjahr
kalkulierte Gewinn von 14.180 EUR war damals in weite Ferne gerückt (und wurde dann ja auch tatsächlich bzw. retrospektiv
weit verfehlt).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.