SGB-II-Leistungen
PKH-Verfahren
Beschwerde
Zeitpunkt für die Berechnung des Beschwerdewerts
Festsetzung eines Warmwassergrenzwertes
Gründe:
Die Beschwerde gegen die mit dem angefochtenen Beschluss verlautbarte Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe
(PKH) für das erstinstanzliche Verfahren ist zulässig. Sie ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil in der Hauptsache die Berufung
der Zulassung bedürfte (§
172 Abs.
3 Nr
2b Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Mit der - nach Erledigungserklärung im Übrigen (vgl Schriftsatz vom 8. Juni 2017) - zuletzt (nur) noch auf Zahlung weiterer
Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit vom 1. September 2016 bis 28. Februar 2017 gerichteten
Klage wird ein Beschwerdewert von mehr als 750,- € (vgl §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr
1 SGG) zwar nicht erreicht. Denn die Kläger gehen davon aus (vgl Klagebegründung vom 22. März 2017), dass für die von ihnen bewohnte
Unterkunft ein KdUH-Bedarf in tatsächlicher Höhe von mtl insgesamt 637,84 € zu berücksichtigen sei. Der Beklagte hat einen
KdUH-Bedarf iHv insgesamt 540,- € mtl berücksichtigt, dh iHv mtl 270,- € je Kläger (vgl der nach §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordene endgültige Bescheid vom 28. März 2017). Es liegt daher auf der Hand, dass nunmehr, dh
auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH), für sechs Monate insgesamt (nur) noch weitere
KdUH-Leistungen iHv insgesamt 587,04 € (6x 97,84 €) in Streit standen bzw stehen.
Abzustellen ist indes für die Berechnung des Beschwerdewerts bei der Prüfung der Zulässigkeit der PKH-Beschwerde aus Gründen
der Rechtsmittelklarheit auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Gesuchs (hier im November 2016), da ansonsten ein
späteres Sinken des Beschwerdewertes - zB nach einem Teilanerkenntnis - Auswirkungen auf die Beschwerdefähigkeit der PKH-Entscheidung
des Sozialgerichts (SG) hätte und diese zudem vom Zeitpunkt der Entscheidung des SG über das PKH-Gesuch abhinge. Hiervon ausgehend hatten die Kläger mit ihrer Klage für den genannten Streitzeitraum aber zunächst
auch höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Betriebsausgaben für das betrieblich genutzte Kfz des Klägers zu 1) geltend gemacht,
und zwar mit der Folge, dass nach Abzug des Grundfreibetrages kein anrechenbares Einkommen des Klägers zu 1) verbleibe, das
der Beklagte zunächst mit mtl 128,- € in Ansatz gebracht hatte. Hiervon ausgehend ist der Beschwerdewert von mehr als 750,-
€ ohne weiteres erreicht.
Die Beschwerde ist auch begründet. Dies folgt bereits daraus, dass der Beklagte nunmehr (vgl Bescheid vom 28. März 2017) nach
entsprechendem Nachweis die Kfz-Kosten "übernommen" hat und sich ein höherer Leistungsbetrag für den Gesamtzeitraum vom 1.
September 2016 bis 28. Februar 2017 ergeben hat; der Klage konnte daher zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des PKH-Gesuchs
schon deshalb eine hinreichende Erfolgsaussicht (vgl §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Zivilprozessordnung -
ZPO -) nicht abgesprochen werden. Bereits eine teilweise Erfolgsaussicht rechtfertigt jedenfalls in gerichtskostenfreien Verfahren
die unbeschränkte Bewilligung von PKH (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Auflage §
73a Rn 7a mwN).
Auch soweit noch höhere KdUH-Leistungen in Streit stehen, gilt nichts Anderes. Dies kann zum einen schon deshalb der Fall
sein, weil es möglicherweise an einer hierauf bezogenen Kostensenkungsaufforderung fehlt. § 22 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) normiert zwar keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers.
Die Vorschrift stellt auch keine sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese Erklärung. Andererseits
erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion einer Aufforderung zur Senkung der KdUH, dass zumindest die Angabe des angemessenen
Mietpreises erfolgt, da dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit dieser
Kostenart ist (vgl hierzu auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R = BSGE 97, 254; BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 43/06 R -, juris). Diese Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden Schutzfunktion (vgl hierzu BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R -, juris). Mit der Zumutbarkeitsregelung soll verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der
Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine Übergangszeit verbleiben, in der er sich
um Kostensenkungsmaßnahmen bemühen kann. Ist ein Umzug erforderlich, etwa um eine Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis
anzumieten, besteht eine "Schonzeit" nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten (vgl BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R -; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R = BSGE 102, 263) ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen. Nach der Auffassung des 10. Senats des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg bedarf es hingegen (auch) einer die Heizkosten betreffenden Kostensenkungsaufforderung, um die Rechtsfolge
auszulösen, dass nur die angemessenen und nicht die tatsächlich anfallenden Heiz-(und wohl auch Warmwasser)kosten den Bedarf
bilden (vgl Urteil vom 19. Februar 2014 - L 10 AS 881/10 - juris Rn 49), wofür spricht, dass nur die konkrete Aufschlüsselung zwischen Bruttowarm- und Bruttokaltmiete Klarheit hinsichtlich
der vom Leistungsberechtigten geforderten Maßnahmen schaffen kann (so auch Krauß, in Hauck/Noftz, SGB II, 10/12, § 22 SGB II Rn. 151, 206). Dass in derartigen Fällen ein unspezifizierter Hinweis auf die zulässige Bruttowarmmiete möglicherweise nicht
genügt, um den Leistungsberechtigten in die Lage zu versetzen, seiner Obliegenheit zur Kostensenkung nachzukommen, deutet
auch der 14.Senat des BSG im Urteil vom 12. Juni 2013 (- B 14 AS 60/12 R - juris Rn 35f) an. Wenn dort unter Bezugnahme auf frühere höchstrichterliche Entscheidungen zur "Kostensenkungsaufforderung
wegen der Aufwendungen für Heizung" ausgeführt wird, es liege "nahe", im Falle einer angestrebten Heizkostensenkung dem Leistungsberechtigten
einen mehr als sechsmonatigen Zeitraum zur Änderung seines Verbrauchsverhaltens zuzubilligen, lässt sich dies dahin gehend
deuten, dass in Heizkostenfällen der "standardmäßige" Hinweis auf die nach Auffassung des Grundsicherungsträgers angemessene
Bruttowarmmiete nicht für eine Deckelung der Heizkosten ausreicht.
Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, dass der Beklagte ein Kostensenkungsverfahren überhaupt durchgeführt hat. Hiergegen
spricht bereits der Aktenvermerk vom 29. August 2016. Inwieweit ein angeblich vom Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg durchgeführtes
Kostensenkungsverfahren, zu dem weitere Ermittlungen des SG anzustellen wären, ggf den rechtlichen Voraussetzungen an eine wirksame Kostensenkungsaufforderung genügt, ist ebenfalls
ungeklärt und bei der hier (nur) gebotenen summarischen Prüfung auch nicht abschließend einschätzbar.
Ungeachtet dessen, ob vorliegend von einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung auszugehen ist, dürfte sich ein Anspruch auf
weitere Leistungen jedenfalls (auch) bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) herleiten lassen. In den von den Klägern geschuldeten Heizkostenvorauszahlungen sind sowohl die "eigentlichen" Heizkosten
als auch die Kosten für das zentral erzeugte Warmwasser enthalten. Zur Bestimmung der Angemessenheit sind die Heizkosten (vgl
BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R -, juris; BSG Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R = BSGE 114, 1 ff)) und die Warmwasserkosten (vgl SG Berlin, Urteil vom 27. Mai 2016 - S 37 AS 1974/16 -, juris; Brehm/Schifferdecker, Der neue Warmwasserbedarf im SGB II, SGb 2011, 505 [508], Eckhardt, Zur Frage der Angemessenheit der Energiekosten zur Bereitung von Warmwasser im SGB II, info also 2012, 200 f.) jeweils mit einem Grenzwert abzugleichen, der kostspieliges oder unwirtschaftliches Verhalten indiziert.
Für die Festsetzung eines Warmwassergrenzwertes hat sich indes noch kein höchstrichterlich gebilligtes Verfahren etabliert.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Mehrbedarfe nach 21 Abs. 7 SGB II insoweit nicht herangezogen werden können, weil sie nicht den in § 22 Abs. 1 SGB II verbürgten Anspruch auf Übernahme der individuellen Kosten widerspiegeln (vgl SG Berlin aaO. Rn 81). Entsprechendes soll
für die - ohnehin erst seit 2014 - in den Heizspiegel enthaltenen Pauschalen gelten, welche auf den durchschnittlichen Kosten
für die Warmwasserbereitung beruhen (vgl SG Berlin aaO. Rn 82). Zum Teil werden vom Jobcenter München entwickelte Grenzwerte
angewandt (vgl SG Berlin aaO. Rn 84f). Brehm/Schifferdecker (aaO. S 508) haben vorgeschlagen, als Grenzwert das Produkt aus
dem doppelten Durchschnittswert der Kosten der Warmwasserbereitung nach der lokalen Betriebskostenübersicht und dem Wert,
der sich für den Haushalt des Leistungsberechtigten als abstrakt angemessene Wohnfläche ergibt, anzusetzen (gebilligt auch
von Geiger, in: Arbeitslosenprojekt TuWas [Hrsg.], Unterkunfts- und Heizkosten nach dem SGB II, 2017, S. 157). Da eine jedenfalls insoweit höchstrichterlich geklärte Rechtslage nicht vorliegt, kann der Klage, mit der
(sinngemäß auch) die Übernahme weiterer Kosten für die zentrale Heizungs- und Warmwasseranlage begehrt wird, zumindest eine
teilweise Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.
Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (§
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).