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LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.09.2012 - 19 AS 2084/12
Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche
1. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob der auf der Grundlage von Art. 16 Buchstabe b) des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) mit Wirkung zum 19. Dezember 2011 erklärte Vorbehalt der Bundesregierung über § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten wirksam ausschließen kann.
2. Die Regelung des Art. 16 Buchstabe b) EFA soll den Vertragsstaaten nur Vorbehalte offen halten, die sie bei Vertragsschluss noch nicht machen konnten, weil es ein entsprechendes Fürsorgegesetz noch nicht gab.
3. Bei einer Vielzahl schwieriger und komplexer (Völker-)Rechtsfragen, die eine abschließende Bewertung im summarischen Verfahren nicht erlauben, ist eine Folgenabwägung geboten.
4. Die Folgenabwägung ist im Bereich existenzsichernder Leistungen nicht auf Fälle begrenzt, in denen der Senat von der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit überzeugt ist, ernsthafte Zweifel reichen aus.
1. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob der auf der Grundlage von Art. 16 Buchst. b des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) mit Wirkung zum 19.12.2011 erklärte Vorbehalt der Bundesregierung über § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten wirksam ausschließen kann.
2. Die Regelung des Art. 16 Buchst. b EFA soll den Vertragsstaaten nur Vorbehalte offen halten, die sie bei Vertragsschluss noch nicht machen konnten, weil es ein entsprechendes Fürsorgegesetz noch nicht gab.
3. Bei einer Vielzahl schwieriger und komplexer (Völker-)Rechtsfragen, die eine abschließende Bewertung im summarischen Verfahren nicht erlauben, ist eine Folgenabwägung geboten.
4. Die Folgenabwägung ist im Bereich existenzsichernder Leistungen nicht auf Fälle begrenzt, in denen der Senat von der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit überzeugt ist, ernsthafte Zweifel reichen aus. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Fundstellen: NZS 2013, 236
Normenkette:
AEUV Art. 18 Abs. 1
,
AEUV Art. 45
,
EFA Anh 1
,
EFA Art. 1
,
EFA Art. 16 Buchst. b
,
FreizügG/EU (2004) § 2
,
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
,
SGG § 86b Abs. 2 S. 2
,
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 4
Vorinstanzen: SG Berlin 25.07.2012 S 18 AS 17428/12 ER
Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2012 wird der Beschluss abgeändert und der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 28. Juni 2012, längstens bis zum 30. November 2012, für die Zeit vom 03. Juli 2012 bis zum 03. August 2012 monatlich zeitanteilig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 299,20 Euro sowie ebenfalls monatlich zeitanteilig für diesen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung auf der Grundlage eines Bedarfs von 280,00 Euro und für die Zeit vom 01. November bis zum 30. November 2012 Leistungen für Unterkunft und Heizung von 143,93 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.

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