Versicherungsschutz des Eigentümers eines forstwirtschaftlichen Grundstücks in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand
Die Beteiligten begehren voneinander jeweils die Erstattung von Kosten, die ihnen für den Beigeladenen aufgrund eines Unfalles
entstanden sind.
Die Klägerin ist die für den Forst der Stadt B-Stadt (Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Gemeinde C-Stadt; nachfolgend: Gemeinde)
zuständige Berufsgenossenschaft, bei der Beklagten handelt es sich um die Krankenversicherung des 1977 geborenen Beigeladenen.
Streitig ist, ob der Unfall des Beigeladenen am 21. Januar 2009 im Interessentenwald BC-Stadt während versicherter Tätigkeit
erfolgt ist und damit einen Arbeitsunfall darstellt.
Auf Grund der Unfallanzeige der Mutter des Beigeladenen (Eingang 2. Februar 2009) zog die Klägerin den Durchgangsarztbericht
des Dr. D. (Klinikum Kassel) vom 21. Januar 2009 bei, in dem bei dem Beigeladenen "Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, Beckenfraktur,
Sitz-Schambeinfraktur rechts und ISG-Lockerung rechts" diagnostiziert worden waren. In dem Bericht des Besuchsdiensts der
Klägerin war am 23. Januar 2009 aufgrund eines Gesprächs mit Dr. D. notiert worden: "Im Forst der Mutter beim Brennholzeinschlag
für den privaten Haushalt von einem gefällten Baum getroffen worden."
Mit Schreiben vom 10. März 2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, den Unfall "vorbehaltlich einer Entscheidung durch
den Rentenausschuss" als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Bei einer von der Klägerin am 19. Februar 2009 veranlassten Ortsbesichtigung, an der der Beigeladene sowie sein Vater teilnahmen
und gehört wurden, erlangte die Klägerin folgende Informationen: Der Unfall hatte sich nicht — wie von der Klägerin bis dato
angenommen — in der auf die Mutter des Beigeladenen eingetragenen und bei der Klägerin versicherten Forstfläche ereignet,
sondern im Interessentenwald BC-Stadt. Das zum Unfallzeitpunkt von dem Beigeladenen und dessen Vater geworbene Holz sollte
ausschließlich zu Heizzwecken des von dem Beigeladenen und seinen Eltern gemeinsam genutzten Wohnhauses dienen. Aufgrund von
aus dem späten Mittelalter stammenden Rechten haben einige Bewohner von BC-Stadt noch heute Anspruch darauf, entsprechend
ihrer Anteile am Interessentenwald pro Anteil eine Menge von acht Raummetern Holz zu Heizzwecken zu beziehen. Die Familie
des Beigeladenen besitzt drei Anteile. Der Interessentenwald wird vom Revierförster des Forstamtes Hessisch-Lichtenau betreut.
Dieser markiert die zu fällenden Bäume, die Fällung bzw. Aufarbeitung des Holzes erfolgt dann in Eigenwerbung.
Die Klägerin teilte daraufhin der Beklagten mit Schreiben vom 20. März 2009 mit, nach dem durchgeführten Verwaltungsverfahren
liege kein Arbeitsunfall vor, die behandelnden Ärzte würden gebeten, nunmehr mit der Beklagten als zuständiger Krankenkasse
abzurechnen.
Mit Schreiben vom 31. März 2009 erhob der Beigeladene Widerspruch gegen das Schreiben vom 20. März 2009. Im Grundbuch eingetragene
Eigentümer des Interessentenwaldes, in dem sich der Unfall ereignet hatte, seien die Gemeindenutzungsberechtigten C-Stadt,
zu denen auch er gehöre. Die Hauungsabschnitte würden jedes Jahr vom beauftragten Förster und von der Stadt aufgeteilt. Versehen
war das Widerspruchschreiben mit einer Bestätigung der Angaben durch den Bauamtsleiter der Gemeinde, beigefügt war ein Grundbuchauszug
von C-Stadt (Blatt 255).
Die Klägerin teilte daraufhin dem die Heilbehandlung durchführenden Durchgangsarzt Dr. E. mit Schreiben vom 9. April 2009
mit, in der Unfallsache seien weitere Ermittlungen durchzuführen, das Schreiben vom 20. März 2009 könne zunächst als erledigt
betrachtet werden, die Behandlung erfolge bis auf Widerruf zu Lasten der Klägerin.
Nach den sodann von der Klägerin veranlassten weiteren (zunächst hausinternen) Ermittlungen war die Gemeinde seit vielen Jahren
mit dem Interessentenwald im Unternehmerverzeichnis eingetragen und ihr auf Grund einer Anfrage von der Katasterabteilung
der Beklagten am 18. April 1983 mitgeteilt worden, dass die Miteigentümer des Interessentenwaldes im Rahmen von forstwirtschaftlichen
Tätigkeiten in ihrem anteiligen Interessentenwald den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung genössen. Nach einer Auskunft
des zuständigen Revierförsters F. (Telefonat mit der Klägerin am 16. Juni 2009) war vor langer Zeit zwischen den Eigentümern
der Waldflächen und der Gemeinde ein Rezess (Vertrag) vereinbart worden, wonach sämtliche Rechte und Pflichten der Waldflächen
auf die Gemeinde übertragen wurden. Die Waldbesitzer seien zwar Eigentümer der Flächen geblieben, allerdings handele es sich
nur um einen ideellen Wert. Hintergrund dieser Vertragsvereinbarung sei gewesen, dass die Eigentümer an einer Vermarktung
nicht interessiert gewesen seien und die bestehenden Verpflichtungen abtreten wollten. Die Eigentümer hätten sich lediglich
ein jährliches Brennholzdeputat für den privaten Haushalt gesichert. Die Gemeinde vermarkte den Wald, trage alle Rechte und
Pflichten, während die Eigentümer keinerlei Weisungs- bzw. Eingriffsbefugnisse, aber auch keine Verpflichtungen hätten. Gewinn
und Verlust würden ausschließlich von der Gemeinde getragen. Die Pflege sei von der Gemeinde auf G. (Beförsterungsvertrag)
übertragen worden. Der Revierförster weise das jährlich zustehende Holzdeputat zu. Die Eigentümer seien nicht ermächtigt,
eigene Einschläge vorzunehmen. Einige Eigentümer beanspruchten das Holzdeputat nicht und verkauften es an andere Selbstwerber
weiter.
Mit an den Beigeladenen adressiertem Bescheid vom 21. Juli 2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Entschädigung des Unfalles
vom 21. Januar 2009 ab, da der Kläger nicht in seiner Eigenschaft als Unternehmer verunfallt sei. Der Unfall habe sich im
Zuständigkeitsbereich des Forstamtes Hessisch-Lichtenau beim Aufarbeiten von Brennholz für den eigenen Haushalt ereignet,
der Beigeladene sei nicht als Unternehmer, sondern als Holz-Selbstwerber tätig geworden. Durch den Rezess hätten die Waldeigentümer
alle Rechte (mit Ausnahme eines jährlichen Holzdeputats) und Pflichten und damit die grundlegenden Unternehmereigenschaften
wie das Tragen von Gewinn und Verlust auf die Gemeinde übertragen. Als Holz-Selbstwerber habe der Beigeladene eine Unternehmertätigkeit
für seinen eigenen unversicherten Privathaushalt ausgeübt und somit nicht gleichzeitig als Versicherter nach §
2 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII in einem anderen Unternehmen tätig sein können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde ein Unternehmer, der Tätigkeiten im Rahmen seines eigenen Unternehmens verrichte, auch dann ausschließlich als Unternehmer
seines eigenen Unternehmens tätig, wenn seine Tätigkeit zugleich den Zwecken eines anderen Unternehmens diene. Ein Arbeitsunfall
liege daher nicht vor, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten nicht erbracht werden, zuständig sei die
gesetzliche Krankenversicherung des Beigeladenen, die eine Durchschrift des Bescheides erhalte. Widerspruch gegen den Bescheid
vom 21. Juli 2009 erhob der Beigeladene nicht.
Am 31. August 2009 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit Bitte um Erstattung von 9.387,14 €. Die Beklagte wies das
Erstattungsbegehren zurück (Schreiben vom 4. November 2009 und 24. November 2009) und berief sich auf die Feststellungen der
Katasterabteilung der Klägerin vom 18. April 1983 zum Versicherungsschutz. Selbst wenn sich "das Katasteramt" geirrt haben
sollte, bestünde Versicherungsschutz für den Beigeladenen auf Grund einer sogenannten Formalversicherung und die Klägerin
wäre leistungspflichtig.
Die Klägerin zog die Betriebsakte ihrer Katasterabteilung bei und teilte der Beklagten unter Beifügung des Auszuges aus dieser
Akte mit Schreiben vom 11. Dezember 2009 mit, für Arbeiten des Beigeladenen hätte Versicherungsschutz entsprechend den Ausführungen
in diesen Unterlagen (Schreiben an die Gemeinde vom 18. April 1983) bestanden, sofern er Tätigkeiten für den Interessentenwald
verrichtet hätte. Der Beigeladene sei aber nicht für den Interessentenwald, sondern für seinen privaten Haushalt tätig geworden.
Aus den Unterlagen der Katasterabteilung gehe zudem hervor, dass sich damals ein Herr H. mit der Frage des Versicherungsschutzes
der Nutzungsberechtigten C-Stadt an die Klägerin gewandt habe, wobei er vorgegeben habe, Vorsitzender des Interessentenwaldes
C-Stadt zu sein. Daraufhin sei sie — die Klägerin — davon ausgegangen, dass der bisherige Eintrag im Unternehmerverzeichnis
abzuändern und alle Eigentümer als Unternehmer aufzunehmen seien. Auf eine erste Stellungnahme der Gemeinde sei dann davon
ausgegangen worden, dass alle Anteilseigner als Unternehmer anzusehen seien. Erst später habe sich herausgestellt, dass Herr
H. nicht Vorsitzender des Interessentenwaldes gewesen sei, sondern Interessensprecher der Waldeigentümer, die sich zum Ziel
gesetzt hatten, den abgetretenen Wald wieder in ihren Nutzungs- und Verfügungsbereich zu bekommen. Die Gemeinde habe ausdrücklich
erklärt, dass kein Nutzungsberechtigter Einfluss auf die Vermarktung des Waldes habe. Lediglich bestehe das Recht, Losholz
in Eigenwerbung aufzuarbeiten. Allein die Gemeinde sei Unternehmer, trage Gewinn und Verlust und sei alleinige Beitragspflichtige.
Eine Abänderung des Unternehmerverzeichnisses sei damit nicht nötig gewesen und nicht erfolgt. Herr H. habe eine Mitteilung
zur weiterhin geltenden Unternehmereigenschaft der Gemeinde erhalten und sei gebeten worden, sich wegen weiterer Informationen
an die Stadtverwaltung zu wenden. Gegenüber der Gemeinde sei erklärt worden, dass die Nutzungsberechtigten nicht als Unternehmer
anzusehen seien und somit keinen Versicherungsschutz beim Aufarbeiten des Brennholzes für den eigenen Haushalt genießen würden.
Auch eine Formalversicherung für den Beigeladenen könne ausgeschlossen werden. Angemeldet sei das von der Gemeinde betriebene
Unternehmen. Nur diese zahle Beiträge, während von den Nutzungsberechtigten wie dem Beigeladenen kein Beitrag erhoben worden
sei und diesen gegenüber auch zu keinem Zeitpunkt erklärt worden sei, dass bei Eigenwerbung Versicherungsschutz in der gesetzlichen
Unfallversicherung bestehe.
Mit Schreiben vom 30. November 2009 stellte der Beigeladene einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X. Die Klägerin teilte ihm daraufhin in einem Schreiben vom 11. Dezember 2009 mit, dass sich seinem knappen Schreiben keine
neuen unberücksichtigten Tatsachen entnehmen ließen. Es ergäben sich keine Hinweise, dass die Vorentscheidung (Bescheid vom
21. Juli 2009) unrichtig sei. Daher berufe sich die Klägerin auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 21. Juli 2009 ohne
jede weitere Sachprüfung.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2010 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 28. Februar 2010 und Hinweis
auf die Absicht der Klageerhebung im Falle fruchtlosen Fristablaufs zur Erstattung von 5.574,84 € auf (Die zunächst darüber
hinaus geltend gemachten 3.853,41 € machte die Klägerin nun separat gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Hessen geltend.).
Die Beklagte lehnte eine Erstattung weiterhin ab (Schreiben vom 4. Februar 2010).
Die Klägerin hat daraufhin am 17. März 2010 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben und Erstattung von 5.574,84 € geltend
gemacht. Sie weist auf den im Jahr 1915 geschlossenen Rezess hin. Zum Unfallzeitpunkt habe der Beigeladene nach dessen eigenen
Angaben zusammen mit seinem Vater Holz ausschließlich für Heizzwecke des gemeinsam genutzten Wohnhauses bezogen. Er sei damit
als Holz-Selbstwerber im eigenen Interesse tätig gewesen. Die Behauptung, die Gemeinde führe für die privaten Holzeinschläger
Beiträge ab, sei unrichtig. Die Gemeinde leiste zwar Beiträge an die Klägerin, aber als forstwirtschaftlicher Unternehmer.
Versicherungsschutz bestehe für den Personenkreis, der in dem Unternehmen der Gemeinde Pflegetätigkeiten durchführe, zu denen
der Eigentümer nach § 6 Hessisches Forstgesetz verpflichtet sei und die nach ökologischen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
ordnungsgemäß durchzuführen seien. Der Beigeladene sei aber als Holz-Selbstwerber für seinen eigenen unversicherten Haushalt
tätig gewesen.
Die Beklagte hat Widerklage erhoben und geltend gemacht, die Klägerin müsse ihr für die an den Beigeladenen erbrachten Leistungen
12.941,11 € erstatten. Sie ist der Auffassung, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin von ihren eigenen Feststellungen
im "Mai 2009" abrücke. Die Klägerin setze den vorliegenden Fall fälschlich mit dem einer Privatperson gleich, die bei der
Gemeinde Obst auf dem Baum kaufe. Dem Beigeladenen sei zudem auf einer Gemeindeversammlung vom Bürgermeister versichert worden,
dass die Gemeinde für die Holzeinschläger Beiträge an die Klägerin abführe. Wenn schon kein direkter Versicherungsschutz bestanden
haben sollte, so bestehe doch eine Formalversicherung. Unter Hinweis auf die Auskunft der Katasterabteilung der Beklagten
vom 18. April 1983 ist die Beklagte der Meinung, dass der Beigeladene zu den versicherten Miteigentümern gehöre und bei dem
Ereignis am 21. Januar 2009 eine gemischte Tätigkeit vorgelegen habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2013 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.574,84 € zu erstatten,
und die Widerklage der Beklagten abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin
habe nach § 102 Abs. 1 SGB X Anspruch auf die geltend gemachte Erstattung. Sie habe vorläufig Sozialleistungen erbracht, zur Leistung verpflichteter Leistungsträger
sei jedoch die Beklagte. Bei dem Ereignis vom 21. Januar 2009 habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall nach §
8 Abs.
1 SGB VII gehandelt, denn der verunfallte Beigeladene sei im Zeitpunkt des Unfalls nicht einer versicherten Tätigkeit nachgegangen.
Insbesondere sei er als Nutzungsberechtigter bei der Holz-Selbstwerbung für den eigenen Haushalt nicht als Unternehmer eines
landwirtschaftlichen (forstwirtschaftlichen) Unternehmens tätig geworden und somit nicht gemäß §
2 Abs. Abs.
1 Nr.
5 a)
SGB VII versichert gewesen. Ein solches forstwirtschaftliches Unternehmen in dem Interessentenwald C-Stadt habe die Gemeinde betrieben,
denn diese treffe nach dem im Jahre 1915 erfolgten Rezess allein die unternehmerischen Entscheidungen; sie bzw. das von ihr
beauftragte Forstamt weise den Nutzungsberechtigten die fällbaren Bäume zu und trage allein Gewinn und Verlust. Dementsprechend
sei sie alleinige Beitragspflichtige gegenüber der Klägerin, während der Beigeladene selbst keine Beiträge leiste. Für den
Beigeladenen komme mangels eigener Beitragszahlung auch eine Formalversicherung nicht in Betracht. Eine solche Formalversicherung
bestehe auch nicht aufgrund der Zahlungen der Gemeinde, denn im Unternehmerverzeichnis stehe allein die Gemeinde, die einzelnen
Nutzungsberechtigen seien nicht aufgeführt. Der Beigeladene sei auch nicht auf Grund einer Tätigkeit für die Gemeinde versichert
gewesen. Nach seinen eigenen Angaben habe er im Zeitpunkt des Unfalls Holz für das von ihm und seinen Angehörigen gemeinsam
bewohnte Wohnhaus geworben. Es sei zwar möglich, dass er durch das Fällen markierter Bäume auch der Forstpflege gedient habe.
Auch für diesen Fall einer sog. gemischten Tätigkeit sei der Beigeladene indes nicht versichert, denn nach seinen Angaben
hat das Schlagen des Holzes nicht wesentlich auch versicherten Zwecken gedient und wäre nicht ohne den privaten Anlass in
derselben Weise vorgenommen worden.
Gegen den ihr am 29. Oktober 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 29. November 2013 Berufung beim Hessischen
Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Sie trägt zur Begründung vor, Versicherungsschutz sei hier schon anzunehmen, weil die Klägerin den Arbeitsunfall gegenüber
der Beklagten mit Schreiben vom 10. März 2009 "vorbehaltlich einer Entscheidung durch den Rentenausschuss" anerkannt habe.
Zudem bestehe Versicherungsschutz über eine Formalversicherung, denn diese setze nicht voraus, dass Beiträge gezahlt worden
seien, sondern fuße darauf, den betreffenden Versicherungsträger an seiner Aussage zur Versicherung festzuhalten. Schließlich
liege Versicherungsschutz auf Grund der Tatsache vor, dass hier eine gemischte Tätigkeit des Beigeladenen vorgelegen habe.
Der "Kausalitätsnorm" der gesetzlichen Unfallversicherung laufe es zuwider, wenn das erstinstanzliche Gericht fordere, Versicherungsschutz
sei bei einer gemischten Tätigkeit nur zu bejahen, wenn die dem versicherten Zweck dienende Tätigkeit hypothetisch auch ohne
den privaten Anlass in derselben Weise für sich allein vorgenommen worden wäre.
Der Senat hat mit Beschluss vom 6. Juli 2015 den verunfallten B. zum Verfahren beigeladen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des SG Kassel aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen,
ihr die aus Anlass des Arbeitsunfalls des B. vom 21. Januar 2009 erbrachten Leistungen in Höhe von 12.941,11 € zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten der Klägerin
(Band I - III sowie die Beitragsakte xxxxx) verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§
153 Abs.
1 i. V. m. §
124 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die erstinstanzliche Entscheidung ist zu Recht ergangen. Der Anspruch der Klägerin
auf Erstattung ist berechtigt, der im Wege der Widerklage (§
100 SGG) geltend gemachte Erstattungsanspruch der Beklagten ist unberechtigt. Nicht die Klägerin, sondern die Beklagte ist der zuständige
Leistungsträger und hat die gesamten Kosten aus Anlass des Unfalls des Beigeladenen zu tragen.
Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Erstattung die
Vorschrift § 102 SGB X ist, da sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften als zuerst angegangener Leistungsträger vorläufig tätig geworden ist. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen
(§
153 Abs.
2 SGG).
Die Beklagte ist der eigentlich zuständige Leistungsträger, denn ein die Zuständigkeit der Klägerin begründender Arbeitsunfall
gemäß §
8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII liegt hier nicht vor.
Der Beigeladene war beim Brennholzeinschlag im Interessentenwald BC-Stadt am 21. Januar 2009 nicht unfallversichert.
Versicherungsschutz bestand nicht kraft Gesetzes nach §
2 Abs.
1 Nr.
5 a)
SGB VII, denn der Beigeladene war zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht als Unternehmer eines landwirtschaftlichen bzw. forstwirtschaftlichen
Unternehmens im Sinne des §
123 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII tätig. Ein solches Unternehmen zeichnet sich im Allgemeinen aus durch die planmäßige Betätigung durch Nutzungsberechtigte
eines Grundstücks auf eigene Rechnung als Unternehmer, die mit den Boden in irgendeiner Art wirtschaften (vgl. Ricke in: Kasseler
Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand 1. April 2015,
SGB VII §
123 SGB Rnr. 6). Eigentum oder Nutzungsrecht am Grundstück allein genügt nicht, es muss eine tatsächliche Bewirtschaftung stattfinden.
Die Bewirtschaftung bei einem Unternehmen der Forstwirtschaft besteht dabei in der Gewinnung von Holz, d. h. dem Anbau und
Einschlag von Bäumen und Sträuchern (Ricke, a.a.O.,
SGB VII §
123 Rnr. 12). Unternehmer ist nach der Legaldefinition in §
136 Abs.
3 Nr.
1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil reicht, d. h. derjenige, der das Unternehmerrisiko
trägt (Ricke, a.a.O.,
SGB VII §
136 Rnr. 25). Bei der Beurteilung sind dabei nicht die von den Beteiligten gewählten Bezeichnungen oder zivilrechtlichen Formen,
sondern die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend (Ricke, a.a.O.,
SGB VII §
136 Rnr. 28). Aus der Beitragsakte der Beklagten, insbesondere dem in den Jahren 1983 und 1984 geführten Schriftwechsel zwischen
der Klägerin, der Gemeinde und dem Hessischen Städte- und Gemeindebund ergibt sich, dass nicht die - wie der Beigeladene -
im Grundbuch eingetragenen Eigentümer des Interessentenwaldes, sondern ausschließlich die Gemeinde Unternehmer bzgl. dieser
Forstflächen war und ist. Auf Grund des Rezesses aus dem Jahre 1915 (siehe Wortlaut der Vereinbarung Bl. 59 der Beitragsakte,
wiedergegeben im Schreiben des Hessischen Städte- und Gemeindebundes an den Magistrat der Stadt B-Stadt vom 26. Oktober 1983)
sind die betreffenden Forstflächen für Rechnung (Gewinn und Verlust) der Stadtverwaltung zu bewirtschaften. Die Eigentümer
haben nach dem Rezess lediglich jährlich Anspruch auf ein Holzdeputat nach dem Hauungsplan, also entsprechend dem Anfall auf
Grund einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes und müssen dabei die Werbungskosten, also praktisch die Selbstkosten
der Gemeinde erstatten. Eine Änderung bezüglich des Unternehmerrisikos ist in den 1980er Jahren ausweislich des vorliegenden
Schriftwechsels nicht vorgenommen worden. Ausschließlich die Gemeinde führte und führt die Bewirtschaftung tatsächlich durch
- und darauf kommt es an -, indem sie die Beförsterungskosten, Wegebaukosten etc. trägt bzw. durch Beförsterungsvertrag die
Durchführung des forsttechnischen Betriebsvollzuges dem Hessischen Forstamt in J-Stadt übertragen hat (vgl. dazu u.a. Schreiben
des Hessischen Städte- und Gemeindebundes vom 26. Oktober 1983, Bl. 60 der Beitragsakte). Die Gemeinde ist dementsprechend
auch allein im Unternehmerverzeichnis der Klägerin eingetragen und leistet auch allein die Beiträge als Unternehmer. Letzteres
ist im Übrigen unstreitig.
Der Beigeladene ist auch nicht nach §
2 Abs.
2 SGB VII versichert, denn er ist beim Holzeinschlag am 21. Januar 2009 nicht wie ein Beschäftigter für die Gemeinde im Sinne von §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII tätig geworden. Nach seinen eigenen Angaben sowie den Angaben seiner Eltern diente der Holzeinschlag an dem betreffenden
Tag, das Fällen des Baumes, ausschließlich dazu, Holz zu Heizzwecken für das von dem Beigeladenen und seinen Eltern gemeinsam
genutzte Wohnhaus zu erwerben. Der Beigeladene nahm somit seinen jährlichen Anspruch auf das Holzdeputat wahr, wurde dabei
als sog. Selbstwerber für eigene Zwecke tätig und ist im Zeitpunkt des Ereignisses einer unversicherten eigenwirtschaftlichen
Tätigkeit nachgegangen (vgl. zur sog. Selbstwerbertätigkeit Ricke, a.a.O.,
SGB VII §
123 Rnrn. 13-14). Der Vortrag der Beklagten, es habe sich beim Fällen des Baumes um eine gemischte Tätigkeit gehandelt, da der
Beigeladene zugleich durch das Fällen markierter Bäume der Forstpflege gedient habe, führt nicht zum Versicherungsschutz.
Wenn der Beigeladene mit seiner (einen) Handlung, dem Fällen des Baumes bzw. dessen Vorbereitung, auch einer fremdnützigen
Tätigkeit für die Gemeinde nachgegangen wäre, bedürfte es einem entsprechenden Willen des Handelnden. Der Beigeladene müsste
dann im Zeitpunkt der Verrichtung subjektiv zwei Ziele verfolgt haben. Eine solche gemischte Motivationslage zum Zeitpunkt
des Holzeinschlages hat der Beigeladene selbst indes im Rahmen der Ermittlungen der Klägerin und anlässlich der Ortsbegehung
nie vorgetragen. Selbst wenn man aber eine solche weitere Motivation - Tätigkeit für die Gemeinde - unterstellen würde, wäre
der Beigeladene nicht versichert. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn die konkrete Verrichtung, hier die Tätigkeit im
Zusammenhang mit dem Fällen des Baumes, hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns
entfallen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 14/10 R - juris; Spellbrink, WzS 2011, 351, 352). Dies kann unter den gegebenen Umständen keinesfalls angenommen werden.
Versicherungsschutz des Beigeladenen kommt hier auch nicht auf Grund einer sogenannten Formalversicherung in Betracht, wie
das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat. Dieses Institut ist von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes unter
den allgemein gültigen Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes entwickelt worden und unterstellt unter bestimmten engen Voraussetzungen
eine nicht versicherungspflichtige Person dem vollen sozialversicherungsrechtlichen Schutz. Die Formalversicherung greift
ein, wo das Gesetz das Versicherungsverhältnis mit einer Mitgliedschaft zum Versicherungsträger verbindet wie bei der Unternehmerversicherung
in der Unfallversicherung. Sie kann in der gesetzlichen Unfallversicherung u.a. in der Konstellation auftreten, dass eine
Person dem Anschein nach Unternehmer und Versicherter zugleich ist, ohne dass dafür die materiell-rechtlichen Voraussetzungen
vorliegen. Der Unfallversicherungsträger muss dann aber einen Haftungsgrund mit Rechtsschein nach außen hin gesetzt haben,
sei es durch Verwaltungsakt oder eine andere Handlung mit Außenwirkung. Daran anknüpfend muss das Handeln des Unfallversicherungsträgers
geeignet gewesen sein, in der betreffenden Person das Vertrauen zu begründen, sie stehe bei diesem Versicherträger unter Unfallversicherungsschutz
(vgl. die Zusammenfassung zum Sonderfall Formalversicherung unter dem Recht der
RVO und nach dem
SGB VII von Kruschinsky in: Becker u.a., Gesetzliche Unfallversicherung, Band 1, Stand: 2011,
SGB VII, §
2 Rnr. 907 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Klägerin hat gegenüber dem Beigeladenen nicht einen Vertrauenstatbestand
gesetzt, er sei bei ihr als landwirtschaftlicher Einzelunternehmer nach §
2 Abs.
1 Nr.
5 a)
SGB VII versichert. Aus dem Schriftwechsel in den Jahren 1983/1984, der sich aufgrund der Anfrage des Interessensprechers der Waldeigentümer
H. ergeben hatte, geht hervor, dass die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen hat, nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen
sei nur die Gemeinde des Interessentenwaldes Unternehmer und nicht die Miteigentümer des Interessentenwaldes wie der Beigeladene
(siehe u.a. das Schreiben an den Interessensprecher der Waldeigentümer H. vom 4. Januar 1984). Der Beigeladene wurde, wie
ausgeführt, ebenso wie die anderen Miteigentümer nicht in das Unternehmerverzeichnis eingetragen, ihm wurde kein Mitgliedsschein
zugestellt und es wurden auch tatsächlich keine Beiträge von ihm erhoben oder gezahlt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein Rechtsgrund für eine Zuständigkeit der Klägerin für die Kosten auch
nicht aus einem Anerkenntnis der Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2009. Zwar hat die Klägerin der Beklagten mit Schreiben
vom 10. März 2009 zunächst mitgeteilt, sie werde den Unfall als Arbeitsunfall behandeln, dies hat sie aber unter den Vorbehalt
"einer Entscheidung durch den Rentenausschuss" gestellt und sich damit ausdrücklich nicht endgültig binden wollen. Dies geht
auch aus der akteninternen Verfügung vom gleichen Tage hervor, wonach ein Arbeitsunfall "zunächst" angenommen wird. Nach ihren
Ermittlungen stellte sich der Sachverhalt anders da, als von der Klägerin zunächst angenommen und die Beklagte wurde umgehend
am 20. März 2009 davon in Kenntnis gesetzt, dass die weitere Abrechnung der Heilbehandlungskosten über sie, die Krankenkasse,
abzurechnen sei. Im Übrigen stehen Klägerin und Beklagte in einem Gleichordnungsverhältnis, so dass ein bindender Verwaltungsakt
mit der Konsequenz einer erschwerten Rücknahme über die Vorschriften §§ 44 ff SGB X hier nicht greift. Gegenüber dem Beigeladenen hat sich die Klägerin in keinem Fall gebunden, denn das Schreiben war an die
Beklagte gerichtet.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorgelegen haben.