Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Bewilligung des Rechts auf Gewährung einer Entschädigungsrente nach § 3 Gesetz über Entschädigungen
für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet (ERG) ab 01. Januar 1999.
Der im Februar 1931 oder Oktober 1932 in G geborene Kläger wurde während des dortigen Bürgerkrieges im März 1949 verwundet
und deswegen in B behandelt. Im Juli 1950 kam er mit weiteren ca. 1.200 griechischen Kindern und Jugendlichen von B in die
DDR.
Am 31. Juli 1954 wurde er durch den Rat des Bezirkes E als Verfolgter des Naziregimes anerkannt. Diese Entscheidung wurde
durch den Rat des Bezirkes Dresden am 25. Juni 1958 und 16. September 1958 auf der Grundlage des § 1 Nr. 6 der Richtlinien
für die Anerkennung als Verfolgte des Naziregimes vom 10. Februar 1950 (GBl. DDR 1950, 92) - Ri-VdN- bestätigt.
Mit Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes, Verwaltung der Sozialversicherung vom 25. April 1966 wurde dem Kläger eine Ehrenpension
für Verfolgte des Faschismus ab 01. Mai 1965 gewährt, die durch weitere Bescheide vom 09. Januar 1968 und 08. August 1974
erhöht wurde.
Nachdem der Kläger aufgrund eines genehmigten Ausreiseantrages am 05. Mai 1979 mit seiner Ehefrau, der im Oktober 1934 geborenen
S D, früher P, und seiner jüngeren im Juni 1975 geborenen Tochter D nach B (...) ausgereist war, wurde die Zahlung der Ehrenpension
eingestellt. Die ältere im September 1953 geborene Tochter K blieb in der DDR.
Im Juni 1993 bat der Kläger das Bundesversicherungsamt um Überprüfung seiner Rechte als Opfer des Nationalsozialismus. Er
habe die DDR wegen Benachteiligung seiner Ehefrau verlassen. Ihr sei wegen offener Kritik und der Veröffentlichung eines Schreibens
anlässlich des Einmarsches der Warschauer Pakttruppen 1968 in die CSSR als Lehrerin gekündigt worden und habe dadurch Berufsverbot
erhalten.
Die Beigeladene zu 1 schlug mit Beschluss vom 28. März 1994 dem Bundesversicherungsamt vor, die Bewilligung einer Entschädigungsrente
abzulehnen. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bezug der Ehrenpension vom ständigen Wohnsitz in der DDR abhängig
gemacht worden sei. Der Kläger habe die DDR auch nicht zwangsweise verlassen müssen. Von einem freiwilligen Verlassen sei
auch trotz Diskriminierungen und Repressalien auszugehen.
Mit Bescheid vom 24. Juni 1994 lehnte daraufhin das Bundesversicherungsamt die Gewährung einer Entschädigungsrente ab. Das
"Territorialitätsprinzip" sei auch in anderen Rechtsordnungen vertreten. Die Leistungseinstellung sei deshalb auch bei Berücksichtigung
der geltend gemachten besonderen Umstände der Ausreise nicht zu beanstanden.
Eine dagegen am 04. August 1994 als Widerspruch bezeichnete Klage beim Sozialgericht Berlin (S 19 AN 4970/94) nahm der Kläger
am 29. November 1994 zurück.
Im Januar 2003 bat der Kläger die Beigeladene zu 1 um Überprüfung ihrer Entscheidung. Er wies darauf hin, die DDR wegen politisch
motivierter Willkürmaßnahmen der DDR-Organe, durch die er sich in einer so schwerwiegenden Notlage befunden zu haben, die
ihm ein Verbleiben in der DDR unmöglich gemacht habe, verlassen zu haben. Seine Ehefrau sei zwischenzeitlich durch Bescheid
vom 24. Januar 1995 rehabilitiert worden. Er fügte eine Chronologie seines Lebens bei.
Die Beigeladene zu 1 zog vom Sächsischen Staatsarchiv Kopien aus der VdN-Akte bei.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2003 lehnte das Bundesversicherungsamt nach und entsprechend der Stellungnahme der Beigeladenen
zu 1 vom 17. September 2003 die Rücknahme des Bescheides vom 24. Juni 1994 ab: Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen
des Verfahrens lägen bereits nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei bei Anträgen auf Rücknahme
von bestandskräftigen Bescheiden auf der ersten Stufe des Verfahrens nur über die Frage zu entscheiden, ob die Voraussetzungen
für die Eröffnung des Verfahrens nach § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) analog erfüllt seien. Dies sei nicht der Fall, denn es seien weder Tatsachen vorgebracht, die für eine nachträgliche Änderung
der Sach- und Rechtslage sprächen, noch seien neue Beweismittel vorgelegt worden. Nach Durchsicht der beigezogenen VdN-Unterlagen
seien keine Hinweise für eine Zwangslage oder eine ständige Schikanierung vorhanden. Dagegen spreche bereits das Empfehlungsschreiben
des ehemaligen Betriebes vom 11. Februar 1976, in dem dem Kläger ausdrücklich Anerkennung für seine langjährige und klassenbewusste
Tätigkeit gezollt worden sei. Darüber hinaus sei ihm 1972 bevorzugt die Anmietung einer Wohnung angeboten worden. Zumindest
noch 1977 habe er Anspruch auf bevorzugte Behandlung durch einen VdN- Arzt gehabt. Seinem Antrag auf bevorzugte Belieferung
mit einem Pkw der Marke Wartburg sei stattgegeben worden. Seiner Tochter sei im September 1968 eine Studienbeihilfe gewährt
worden. Tatsächlich diskriminiert worden sei jedoch seine Ehefrau. Die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses als Lehrerin habe
nach aller Wahrscheinlichkeit auf der von ihr geäußerten Kritik an den Ereignissen im Jahre 1968 beruht. Dies allein rechtfertige
jedoch vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst bis zu seiner Ausreise dort privilegiert gewesen sei, nicht die Annahme
einer derartigen Zwangslage, die ihm ein Verbleiben in der DDR unzumutbar gemacht habe.
Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, der angefochtene Bescheid benachteilige ihn, weil
die genannten Privilegien nach dem Gesetz allen VdN-Mitgliedern zugestanden hätten, wies das Bundesversicherungsamt mit Widerspruchsbescheid
vom 06. November 2003 unter Hinweis auf diesen Bescheid zurück.
Dagegen hat der Kläger am 05. Dezember 2003 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, die Aberkennung der Ehrenpension durch die zuständigen Behörden der DDR sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen
unvereinbar. Das so genannte Inlandswohnprinzip könne nicht gelten, da ihm ein Verbleiben in der DDR nicht zumutbar gewesen
sei. Auch er selbst sei diskriminiert und drangsaliert worden. Es seien hinreichende Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens
vorhanden. Der Bescheid vom 11. Oktober 2003 sei in sich widersprüchlich. Wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses seiner
Ehefrau als Reaktion der Behörden auf deren Kritik an den Ereignissen im Jahr 1968 einzuordnen sei, sei es ebenso zwangsläufig,
dass er als Ehemann mit seiner geäußerten politischen Position in die Überwachungs- und Steuerungsmaßnahmen des Ministeriums
für Staatssicherheit einbezogen worden sei. Einem weiteren Betroffenen, Dr. K D, der als Zeuge benannt werde, sei ebenso wie
seiner Ehefrau Berufsverbot erteilt worden. Das Bundesversicherungsamt habe diesem aber nachträglich eine Entschädigungsrente
gewährt. Der Kläger hat außerdem die Schreiben der BStU vom 15. September 2005 und 24. März 2006 nebst Karteikarte vorgelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, Gegenstand des Rechtsstreits sei allein die Frage, ob ein Anspruch auf Wiederaufnahme
des Verfahrens bestehe. Hierfür seien keine Gründe vorgetragen. Der Sachverhalt des benannten Zeugen Dr. D sei mit dem des
Klägers nicht vergleichbar.
Die Beigeladene zu 1 hat sich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen. Sie hat erklärt, dass der Vermerk Blatt 79 Band II
der Verwaltungsakte der Beklagten des Leiters der Geschäftsstelle der Kommission, Herrn Z, mit dem dieser den Überprüfungsantrag
des Klägers und sein erneutes Vorbringen gewürdigt und zudem die Auffassung vertreten habe, dass eine erneute Beteiligung
der Kommission im Wege der Beschussfassung nur für den Fall erforderlich sei, dass die Beklagte beabsichtige, den Bescheid
vom 24. Juni 1996 zurückzunehmen, von den Mitgliedern der Kommission selbst auf Blatt 81 dieser Verwaltungsakte gegengezeichnet
worden und damit Gegenstand der Beratung in der Kommission gewesen sei.
Die Beigeladene zu 2 hat sich zur Sache nicht geäußert.
Bei seiner persönlichen Anhörung hat der Kläger u. a. ausgeführt: Nach der politisch motivierten Kündigung seiner Ehefrau
hätten beide unter dieser Situation sehr gelitten. Seine Ehefrau habe jeden Tag geweint. Er habe gedacht, er verliere seine
Ehefrau oder er müsse hier ausreisen.
Das Sozialgericht hat vom Verwaltungsgericht Berlin die Akte VG 9 A 128.02, vom Sächsischen Landesamt für Familie und Soziales (nunmehr Landesdirektion Chemnitz) - Rehabilitierungsbehörde die Verwaltungsakte
die Ehefrau des Klägers betreffend, vom Sozialgericht Berlin die weiteren Gerichtsakten S 19 RA 4970/94 und S 38 RA 386/99 sowie aus der Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin S 8 RA 1009/99 neben dem Urteil vom 21. August 2000, den Beschluss der Beigeladenen zu 1 vom 04. Mai 1998 und die Stellungnahme der Beklagten
vom 24. September 1998 in einer Petitionsangelegenheit beigezogen. Außerdem hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch uneidliche
Vernehmung der SD und der D D. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts
vom 26. Juni 2009 verwiesen.
Mit Urteil vom 26. Juni 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Im Rahmen der Prüfung von § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) habe keine Prüfung von Wiederaufnahmegründen entsprechend der Regelung des § 51 VwVfG zu erfolgen, denn anders als das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht folge das SGB X bei Ansprüchen auf Sozialleistungen dem Grundsatz, dass der materiellen Gerechtigkeit auch für die Vergangenheit Vorrang
vor der Rechtsbeständigkeit behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen und damit vor der Rechtssicherheit gebühre. Nach
§ 44 Abs. 1 SGB X sei die Behörde vielmehr stets verpflichtet, nach erneuter Sach- und Rechtsprüfung über die Rücknahme zu entscheiden. Ergäben
sich jedoch im Einzelfall keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des bestandkräftigen Verwaltungsaktes, so könne sich
die Entscheidung, wie in den angefochtenen Bescheiden geschehen, auf das Vorbringen des Antragstellers beschränken (Hinweis
auf BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 32/02 R, Urteil vom 05. September 2006 - B 2 U 24/05 und weitere Nachweise). In Anlegung dieses Maßstabes seien die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht gegeben. Anknüpfungspunkt seien in erster Linie die Gründe für die Nicht(weiter-)gewährungs- bzw. Aberkennungsentscheidung
der DDR. Ein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze im Sinne des ERG erfordere eine Verletzung jener unabänderlichen Kerngehalte
des Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes (
GG), die in Artikel
1 und Artikel
20 GG unabänderbar festgeschrieben seien. Die Einstellung der Ehrenpensionszahlung im Fall des Klägers sei nicht mit rechtsstaatlichen
Grundsätzen unvereinbar. Das in § 1 Verordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und Verfolgte des Faschismus
sowie für deren Hinterbliebene vom 08. April 1965 (GBl DDR II 1965, 293) verankerte Territorialitätsprinzip sei unter rechtsstaatlichen
Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. In der Regel habe daher ein ehemaliger Bezieher einer Ehrenpension, dem nach dem Verlassen
der DDR die Ehrenpension entzogen oder nicht weitergezahlt worden sei, keinen Anspruch. Ausnahmsweise könne etwas anderes
gelten, wenn dem Betroffenen die Wohnsitzaufgabe nicht zuzurechnen gewesen sei. Dies sei unter Berücksichtigung des Sinns
und Zwecks der Regelung des § 3 ERG, eine Gleichstellung der NS-Verfolgten im Beitrittsgebiet, denen die DDR ein Recht auf
Wiedergutmachung in rechtsstaatlich unerträglicher Weise verweigert bzw. aberkannt gehabt habe, mit denjenigen, die nach §
2 ERG eine Anschlussbewilligung beanspruchen könnten, nur dann anzunehmen, wenn der Betroffene die DDR gegen seinen ausdrücklichen
Willen zwangsweise habe verlassen müssen.
Dies sei der Fall, wenn eine Ausbürgerung gegen den eigenen Willen erfolgt sei oder wenn der Betreffende, obwohl er unter
den in der DDR herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen habe weiterleben wollen, durch Entzug seiner
materiellen Lebensgrundlage faktisch gezwungen gewesen sei, die DDR zu verlassen bzw. einen Ausreiseantrag zu stellen. Sei
dies nicht der Fall, so sei eine Ausreise letztlich als freiwillig anzusehen, auch wenn sie als Reaktion auf einschneidende,
mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbare, staatliche Willkürmaßnahmen erfolgt sei. Es sei im Falle des Klägers nicht
bewiesen, dass dieser gegen seinen ausdrücklichen Willen faktisch gezwungen gewesen sei, die DDR zu verlassen. Es werde dabei
nicht verkannt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Ehefrau des Klägers politisch motiviert gewesen und aufgrund
der politischen Meinungsäußerung betreffend den Einmarsch der Warschauer Paktstaaten in die CSSR im Jahre 1968 erfolgt sei
und für sie sowie für die gesamte Familie des Klägers eine enorme psychische Belastung dargestellt habe. Auch seien die Angaben
des Klägers und der als Zeugin gehörten Ehefrau, dass versucht worden sei, sie zu einer Änderung ihrer politischen Meinung
zu bewegen, der damit verbundenen psychischen Druck sowie, dass die Familie des Klägers nachvollziehbar das Gefühl ständiger
Beobachtung gehabt habe, glaubwürdig. Eine Anhörung des als weiteren Zeugen benannten Dr. D habe es daher nicht bedurft. Dennoch
sei die Ausreise letztlich als freiwillig anzusehen. Nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der als Zeugin gehörten
Ehefrau sei die finanzielle Situation der Familie auch nach der Kündigung der Zeugin 1971 und der vom Kläger geltend gemachten
eigenen beruflichen Zurückstufung gesichert gewesen. Der Zeugin sei es nach der politisch motivierten Kündigung weiterhin
möglich gewesen, verschiedenen Beschäftigungen nachzugehen. Auch wenn es sich hierbei um Tätigkeiten gehandelt habe, die nicht
ihrer Qualifikation entsprochen hätten, sei es ihr dennoch möglich gewesen, zum Familienunterhalt beizutragen. Den Angaben
des Klägers zufolge habe dessen geltend gemachte berufliche Zurückstufung kaum finanzielle Auswirkungen gehabt. Er habe auch
weiterhin die ihm als Verfolgter des Naziregimes zustehenden Leistungen bezogen gehabt. Eine materielle Notlage eines Grades,
der faktisch zum Entzug der materiellen Lebensgrundlage geführt habe, habe somit nicht vorgelegen. Der angefochtene Bescheid
sei auch nicht deswegen zu beanstanden, weil er ohne eine erneute förmliche Beschlussfassung durch die Beigeladene zu 1 erfolgt
sei. Die Beigeladene zu 1 habe im Rahmen des Überprüfungsverfahrens das Vorbringen des Klägers berücksichtigt und keinen Anlass
gesehen, von der mit Beschluss vom 28. März 1994 getroffenen Entscheidung abzuweichen, wie sich aus der von den Kommissionsmitgliedern
autorisierten Stellungnahme vom 17. September 2003 ergebe. Eine darüber hinausgehende förmliche Beschlussfassung sei nur erforderlich
gewesen, wenn die Beklagte nach erfolgter Prüfung der Sach- und Rechtslage beabsichtigt gehabt hätte, den ursprünglichen Bescheid
aufzuheben.
Gegen das ihm am 28. Juli 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. August 2009 eingelegte Berufung des Klägers.
Er meint, das Sozialgericht habe den Sachverhalt dahingehend falsch gewürdigt, dass seine Ausreise letztlich als freiwillig
anzusehen sei. Auch wenn er 1978 einen Antrag auf Ausreise gestellt gehabt habe, sei die tatsächliche Ausreise am 05. Mai
1979 nicht mehr freiwillig gewesen. Er habe keine Möglichkeit mehr gehabt, den Entschluss, die DDR zu verlassen, nochmals
zu bedenken. Das Territorialitätsprinzip sei ihm nicht geläufig gewesen. Es liege deshalb auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot
darin, dass er im Zusammenhang mit seinem Ausreiseantrag nicht auf einen möglichen Wegfall der Ehrenpension hingewiesen worden
sei. Es sei auch keineswegs davon auszugehen, dass die Ehrenpensionen nur an Berechtigte mit ständigem Wohnsitz in der DDR
gezahlt worden seien. Das Sozialgericht habe nicht gebührend gewürdigt, dass er Repressionsmaßnahmen ausgesetzt gewesen und
sich in einer unzumutbaren Zwangslage befunden habe. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass der zweiten älteren Tochter
K D wegen der politischen Haltung des Klägers und seiner Ehefrau untersagt worden sei, ein Studium an der Deutschen Hochschule
für Körperkultur in Leipzig aufzunehmen. Das Sozialgericht habe ohne ausreichenden Grund auf die Vernehmung des Zeugen Dr.
K D verzichtet. Der Kläger hat den Beschluss der Beigeladenen zu 1 vom 23. August 2002 und den Bescheid der Beklagten vom
24. September 2002 im Verfahren des Dr. K D vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 und den Bescheid vom 10. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 24. Juni 1994 zurückzunehmen und ihm ein
Recht auf Gewährung einer Entschädigungsrente ab dem 01. Januar 1999 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass, selbst wenn eine Sachprüfung ohne Vorliegen von Wiederaufnahmegründen für erforderlich gehalten
werde, eine solche aus den zutreffenden Urteilsgründen nicht zum Erfolg führe. Entgegen dem jetzigen Vortrag des Klägers seien
ihm, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht dargelegt, die Konsequenzen der Ausreise bezüglich der Ehrenpension
bewusst gewesen. Dort habe der Kläger vorgetragen, dass die ältere Tochter studiert gehabt habe, bei der Ausreise berufstätig
gewesen und in der DDR geblieben sei. Eine Ursächlichkeit für die Ausreise des Klägers sei daher nicht ersichtlich.
Die Beigeladene zu 1 stellt keinen Antrag.
Sie vertritt die Auffassung, mit der Interpretation des Verhältnisses von § 44 SGB X und § 51 VwVfG hebele das Sozialgericht die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 03. April 2001 - B 4 RA 22/00 R aus. Unabhängig davon werde dem Urteil des Sozialgerichts jedoch gefolgt. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass in der
DDR weder das Studienfach noch der Studienort frei wählbar gewesen seien. Die Beigeladene hat die Namen ihrer Mitglieder mitgeteilt;
eines dieser Mitglieder habe die Stellungnahme vom 17. September 2003 für diese gegengezeichnet.
Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag und sieht von einer Stellungnahme in der Sache ab.
Der Senat hat die Auskunft der K D vom 26. September 2010 eingeholt.
Der Kläger meint, diese Auskunft lasse die Schlussfolgerung zu, dass die Ablehnung des Studiums an der Hochschule für Körperkultur
in L Folge der politischen Haltung des Klägers und seiner Ehefrau und Teil der gegen diese gerichteten Maßnahmen gewesen sei.
Die Beklagte ist der Ansicht, diese Auskunft gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ablehnung Teil einer Verfolgungsmaßnahme
gewesen sei. Die ältere Tochter des Klägers habe ihr Wunschfach Sportlehrerin ohne zeitliche Verzögerung am Institut für Lehrerbildung
Großenhain aufnehmen und abschließen können. Daraufhin sei sie als Lehrerin tätig geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist,
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 10. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06. November 2003 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte unter Rücknahme des Bescheides
vom 24. Juni 1994 ein Recht auf Gewährung einer Entschädigungsrente bewilligt.
§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der anzuwenden ist, denn nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ERG gilt u. a. das SGB X, bestimmt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von
einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht
erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Bescheid vom 24. Juni 1994 ist nicht rechtswidrig, denn es ist bei Erlass dieses Bescheides weder das Recht unrichtig
angewandt, noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist, so dass seine Rücknahme mit Bescheid
vom 10. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2003 zutreffend abgelehnt wurde.
Wie das Sozialgericht zutreffend unter entsprechender Zitierung des Urteils des BSG vom 11. November 2003 - B 2 U 32/02 R, abgedruckt in NZS 2004, 660, erkannt hat, findet nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X keine Prüfung von Wiederaufnahmegründen entsprechend § 51 VwVfG statt. Vielmehr haben, wie das BSG im weiteren Urteil vom 05. September 2006 - B 2 U 24/05 R, abgedruckt in SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 = BSGE 97, 54, klargestellt hat, im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X Verwaltung und Gericht auch ohne neues Vorbringen zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsaktes das Recht
unrichtig angewandt wurde. Ergänzend ist in letztgenanntem Urteil ausgeführt: Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der
betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch
ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde. Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen.
Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller
bescheiden. Das BSG hat außerdem betont, dass aus den Entscheidungen des BSG vom 03. Februar 1988 - 9/9 a RV 18/86 (abgedruckt
in SozR 1300 § 44 Nr. 33 = BSGE 63, 33) und vom 03. April 2004 - B 4 RA 22/00 R (abgedruckt in SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20 = BSGE 88, 75) nichts anderes folgt. Unabhängig von der Frage, so das BSG, inwieweit der aufgezeigten Rechtsprechung zu einem abgestuften
Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder
es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann
es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren ankommen. Bei der ersten Alternative handelt
es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte
beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss. Das BSG hat daher, wenn sich der Kläger
nicht auf die Behauptung neuer Tatsachen beschränkt, keine Abweichung von den o. g. anderslautenden Entscheidungen des BSG
gesehen.
Der Senat schließt sich dieser Rechtsmeinung an. Im Verfahren des BSG 9/9 a RV 18/86 ging es ausschließlich um die Frage einer
Leidensverschlimmerung. Im Verfahren des BSG B 4 RA 22/00 R war eine abgestufte Prüfung entsprechend § 51 VwVfG nicht entscheidungserheblich, denn die Behörde des dortigen Verfahrens nahm eine inhaltliche Überprüfung ohnehin vor. Unabhängig
davon, dass die beiden Alternativen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht immer eindeutig voneinander abzugrenzen sein dürften, bietet der Wortlaut dieser Vorschrift keinen Anhalt dafür, dass
eine Prüfung entsprechend § 51 VwVfG zu erfolgen hat. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ersichtlich nicht § 51 VwVfG nachgebildet, sondern als davon abweichende Regelung geschaffen worden. Angesichts dessen verbietet sich grundsätzlich eine
einschränkende Auslegung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Sinne des § 51 VwVfG. Etwas anderes mag gelten, wenn (ausnahmsweise) lediglich eine beschränkte Überprüfung im Hinblick auf die Behauptung neuer
Tatsachen vom Berechtigten begehrt wird. Wegen der daran geknüpften Rechtsfolgen einer nur eingeschränkten Prüfung und dem
o. g. Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X muss ein solches Begehren dann aber eindeutig ersichtlich sein.
Dem im Januar 2003 gestellten Antrag des Klägers kann nicht entnommen werden, dass er eine umfassende Überprüfung des Bescheides
vom 24. Juni 1994 nicht begehrte. Insbesondere geht daraus nicht hervor, dass dieser Bescheid nur in tatsächlicher, nicht
jedoch in rechtlicher Hinsicht überprüft werden sollte.
Diesen vom Kläger gestellten Antrag auf umfassende Überprüfung lehnte die Beklagte ab. Auch wenn sie sich hierbei ausschließlich
bei ihrer Entscheidung darauf gestützt haben sollte, dass die Voraussetzungen des § 51 VwVfG analog nicht erfüllt seien, stünde dies einer materiell-rechtlichen Überprüfung nicht entgegen. Denn aus der Sicht eines
objektiven Erklärungsempfängers wäre damit zugleich konkludent der weitergehende Antrag auf eine solche Sachentscheidung abschlägig
beschieden worden (so auch BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 32/02 R). Das Sozialgericht hat allerdings in diesem Zusammenhang schon zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Beklagte nicht
lediglich auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG bezog, sondern demgegenüber nach Anforderungen von Kopien aus der VdN-Akte vom Sächsischen Staatsarchiv durch die Beigeladene
zu 1 diese umfassend würdigte und einer inhaltlichen Bewertung unterzog, also eine materiell-rechtliche Entscheidung zum Bescheid
vom 24. Juni 1994 mit Bescheid vom 10. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2003 traf.
Einer Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheides vom 10. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.
November 2003 bedurfte es nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ERG i. V. m. § 24 Abs. 1 SGB X nicht. Ein über § 24 Abs. 1 SGB X hinausgehendes Anhörungsrecht ist in § 6 Abs. 3 ERG im Übrigen nicht vorgesehen.
Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist einem Beteiligten (nur dann) Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern,
bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, wenn dieser in dessen Rechte eingreift. Mit der Ablehnung der Rücknahme eines Verwaltungsaktes
wird nicht in bereits bestehende Rechte eingegriffen; vielmehr wird damit lediglich deren Erweiterung abgelehnt, so dass eine
Anhörung nicht erforderlich ist (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. März 1984 - 5 a RKn 2/83, abgedruckt in SozR 1200 § 34 Nr.
18, allerdings mit anderer Begründung zur wortgleichen Vorschrift des bis 31. Dezember 1980 gültigen §
34 Abs.
1 SGB I).
Ob im Verfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, in dem grundsätzlich abschließend die Rücknahmevoraussetzungen mit dieser Vorschrift geregelt sind, darüber hinaus ausnahmsweise
wegen der besonderen Bedeutung der Kommission die Regelung des § 3 Abs. 3 ERG ganz oder teilweise entsprechend anzuwenden
ist, kann dahin stehen.
Ein weitergehendes Anhörungsrecht sieht § 3 Abs. 3 ERG für den vorliegenden Sachverhalt nicht vor.
Der Bekanntgabe der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1 vom 17. September 2003 zum Antrag des Klägers bedurfte es jedenfalls
nicht.
Nach § 3 Abs. 3 ERG gilt: Über die Bewilligung einer Entschädigungsrente nach § 3 Abs. 1 ERG entscheidet das Bundesversicherungsamt
auf Vorschlag der Kommission nach § 3 des Versorgungsruhensgesetzes. Soweit es erforderlich ist, kann die Kommission bei öffentlichen
Stellen Auskünfte einholen und Akten einsehen. Für die Übermittlung personenbezogener Daten und die Akteneinsicht gelten die
für die übermittelnde oder Einsicht gewährende Stelle jeweils maßgebenden Regelungen. Auf Antrag des Betroffenen hat die Kommission
eine von ihm benannte Verfolgtenorganisation zu hören. Der Vorschlag der Kommission ist mit einer schriftlichen Begründung
zu sehen. Den Betroffenen ist auch der Beschluss der Kommission bekannt zu geben. Will das Bundesversicherungsamt in besonders
begründeten Fällen von dem Vorschlag der Kommission abweichen, hat es dieses zu begründen. Im gerichtlichen Verfahren ist
die Kommission beizuladen.
Der Beschluss (Vorschlag) der Kommission ist kein Verwaltungsakt. Er ist allerdings im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller
und der Beklagten rechtlich nicht unbeachtlich. Denn er dient auch zu seinem Schutz vor sachlich und rechtlich ungerechtfertigten
Ablehnungen durch das Bundesversicherungsamt. Auf dieses Recht gestützt kann der Antragsteller mit der Anfechtungsklage geltend
machen, das Bundesversicherungsamt sei dem Vorschlag ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt. Das Bundesversicherungsamt ist
in seinem im Bereich der vollziehenden Gewalt des beklagten Staates liegenden Binnenverhältnis (Interorganverhältnis) zur
Kommission prinzipiell gehalten, über die Bewilligung eines Rechts auf Entschädigungsrente gegen die Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) gemäß dem Vorschlag der Kommission zu entscheiden. Grund hierfür
ist, dass diese nach § 3 Versorgungsruhensgesetz mit besonderer Fachkunde, gerade auch hinsichtlich der Verhältnisse in der DDR, sowie unabhängig und weisungsfrei entscheidet.
Deswegen darf das Bundesversicherungsamt nicht schon dann abweichen, wenn es der Ansicht ist, die Kommission habe die von
ihr erhobenen Beweise unzutreffend gewürdigt, Umstände des Einzelfalls falsch bewertet, Verhältnisse in der DDR nicht richtig
beurteilt oder die Voraussetzungen des § 3 ERG aufgrund des von ihr im Einzelfall festgestellten Sachverhalts zu Unrecht bejaht.
Demgegenüber dient die Kompetenz des Bundesversicherungsamtes zur abschließenden und außenverbindlichen Entscheidung dazu,
im Einzelfall prüfen zu können, ob die Kommission ihrem Rechtsanwendungsvorschlag ein zutreffendes Verständnis der rechtlichen
Vorgaben des ERG zugrunde gelegt und diese beachtet hat. Kommt das Bundesversicherungsamt zu der Ansicht, die Kommission habe
den abstrakten Inhalt von Vorschriften des ERG nicht zutreffend erfasst, und wäre nach dem von der Kommission festgelegten
Sachverhalt bei - nach Ansicht des Bundesversicherungsamtes - "richtiger" Auslegung des ERG eine andere als die vorgeschlagene
Entscheidung geboten, liegt - falls die Kommission nach Rückfrage des Bundesversicherungsamtes bei ihrem Vorschlag bleibt
- ein "besonders begründeter" Fall nach § 3 Abs. 3 Satz 6 ERG vor (so BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 33/95, abgedruckt in SozR 3-8850 § 3 Nr. 1 = BSGE 80, 54).
Davon ausgehend liegt es nicht in der Kompetenz der Kommission, die Rechtsfrage zu entscheiden, ob im Rahmen von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Entscheidung der Kommission nach § 3 Abs. 3 Satz 1 ERG nur in Betracht käme, wenn das Bundesversicherungsamt beabsichtige, den ursprünglichen Bescheid aufzuheben. Der
genannten besonderen Fachkunde der Kommission bedarf es insoweit nicht. Vielmehr fällt es in die Kompetenz des Bundesversicherungsamtes
zu beurteilen, ob und ggf. welche rechtlichen Vorgaben des ERG bei Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu beachten sind.
Ungeachtet dessen machte die Kommission, die Beigeladene zu 1, tatsächlich aber einen Vorschlag. In ihrer Stellungnahme vom
17. September 2003 kam sie nämlich nach Auswertung der beigezogenen VdN-Unterlagen zu dem Ergebnis, dass eine neue, für den
Kläger günstigere Beweislage nicht vorliegt. Auch wenn daran anknüpfend nicht ausdrücklich der Vorschlag gemacht wurde, den
Überprüfungsantrag abzulehnen, stellt die Weiterleitung dieser Stellungnahme vom 17. September 2003 an das Bundesversicherungsamt
nichts anderes als einen solchen entsprechenden (ablehnenden) Vorschlag dar. Das Bundesversicherungsamt machte sich die Begründung
zu dieser Beweislage in vollem Umfang zu Eigen.
Der Beschluss (Vorschlag) der Kommission wurde dem Kläger (lediglich) nicht bekannt gegeben.
Dies war allerdings auch nicht erforderlich. Die Befassung der Kommission stellt eine Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung
(vgl. insoweit BSG, Urteil vom 31. Oktober 2002 - B 4 RA 15/01 R, abgedruckt in SozR 3-1300 § 24 Nr. 22) insoweit dar, als deren besondere Fachkunde gefordert ist. Dieser besonderen Fachkunde
bediente sich das Bundesversicherungsamt, indem es dem Vorschlag der Kommission in deren Stellungnahme vom 17. September 2003
folgte. Wie das BSG im Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 33/95 ausgeführt hat, dient der Vorschlag im Übrigen auch dem Schutz des Betroffenen vor ungerechtfertigten Ablehnungen durch das
Bundesversicherungsamt. Ablehnungen in diesem Sinne stellen allein die Entscheidungen dar, mit denen das Recht auf Gewährung
einer Entschädigungsrente verweigert wurde. Bei dieser erstmaligen Entscheidung über dieses Recht besteht aber bereits nach
dem Urteil des BSG das subjektiv-öffentliche Recht des Betroffenen, das er mit der Anfechtungsklage im Zusammenhang mit dem
Beschluss (Vorschlag) der Kommission geltend machen kann, nicht unbeschränkt. Die Bekanntgabe des Beschlusses (Vorschlages)
der Kommission bezweckt folglich, den Betroffenen in die Lage zu versetzen zu prüfen, ob das Bundesversicherungsamt dem Vorschlag
der Kommission ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt ist, denn nur mit dieser Begründung kann seine Anfechtungsklage aus
formellen Gründen erfolgreich sein. Letztgenanntem Gesichtspunkt kommt jedoch nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X keine wesentliche Bedeutung zu, denn diese Vorschrift dient dazu, der materiellen Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen.
Insofern ist es weder erforderlich noch geboten, bei der Entscheidung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X dieselben formalen Maßstäbe heranzuziehen, die bei der erstmaligen Entscheidung über die Ablehnung des Rechts auf Gewährung
einer Entscheidungsrente gelten. Insbesondere wenn das Bundesversicherungsamt nicht von einem Beschluss (Vorschlag) der Kommission
abweicht, ist die Bekanntgabe des Beschlusses (des Vorschlages) entbehrlich, denn eine schutzwürdige Rechtsposition des Betroffenen
wird dadurch nicht berührt.
Der Bescheid vom 24. Juni 1994 ist nicht rechtswidrig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Entschädigungsrente nach § 2 ERG. Die Vorschrift setzt voraus, dass er bis zum 30.
April 1992 eine Ehrenpension bezogen hat, was nicht der Fall ist.
Zwar unterliegt der Kläger dem Geltungs- und Anwendungsbereich des ERG, denn mit Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes, Verwaltung
der Sozialversicherung vom 25. April 1966 wurde ihm eine Ehrenpension in Höhe von 210.- MDN bewilligt und gezahlt bis zu seiner
Ausreise.
§ 1 EhPensAO lautet: Kämpfer gegen den Faschismus und Verfolgte des Faschismus sowie deren Hinterbliebene, die ihren ständigen
Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik haben, erhalten eine Ehrenpension bzw. Hinterbliebenenpension nach dieser
Anordnung. In § 2 Abs. 2 EhPensAO ist geregelt, dass als Verfolgte des Faschismus die nach § 1 Ri-VdN Anerkannten gelten,
soweit sie nicht Träger der "Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933 bis 1945" sind, also nicht bereits zu den in §
2 Abs. 1 EhPensAO genannten Personen zählen.
Der Kläger war durch die Entscheidungen des Rates des Bezirkes Erfurt vom 31. Juli 1954 bzw. des Rates des Bezirkes D vom
25. Juni 1958 und 16. September 1958 nach § 1 Nr. 6 Ri-VdN als Verfolgter des Faschismus anerkannt. Nach dieser Regelung wurden
Personen anerkannt, die sich im Auslande aufgrund ihrer antifaschistischen Einstellung an den Kämpfen ausländischer Widerstandsgruppen
gegen die faschistischen Okkupanten beteiligten, wobei § 1 Ziffer 5 Ri-VdN entsprechend galt, also auch nach 1945 eine antifaschistisch-demokratische
Haltung bewahrt hatten.
Das ihm zuerkannte Recht auf eine Ehrenpension bestand bis 30. April 1992 fort. Es lässt sich nicht feststellen, dass dieser
Bescheid (vor Ablauf des 30. April 1992) aufgehoben wurde Weder der Kläger behauptet ihre Weiterzahlung, noch gibt es Hinweise
darauf.
Der Geltungs- und Anwendungsbereich des ERG erfasst nach § 1 ERG diejenigen, die zu den in den §§ 1 und 2 EhPensAO genannten
Personen gehören. Dabei wird aber grundsätzlich an den EV angeknüpft. Bis zum 31. Dezember 1991 war die EhPensAO nach Anlage
II Kap. VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 5 EV in der zuvor durch § 32 Rentenangleichungsgesetz der DDR vom 28. Juni 1990
(GBl DDR I 1990, 495) - RAnglG - geänderten Fassung weiter anzuwenden; die zu diesem Zeitpunkt laufenden Leistungen an Berechtigte
und die sich daraus ableitenden Leistungen an Hinterbliebene wurden weitergezahlt.
Durch § 1 ERG wurde das Recht auf Entschädigung wegen NS-Verfolgung für Opfer im Beitrittsgebiet auf eine neue Grundlage gestellt:
Soweit im April 1992 ein zuerkanntes Recht auf eine Ehrenpension oder Hinterbliebenenpension nach der EhPensAO bestand, wurde
es nach § 2 ERG durch ein Recht auf Entschädigungsrente nach dem ERG ersetzt (so BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 33/95; Bundestags-Drucksache 12/1790, S. 6 zu § 1 ERG).
Zu dem Personenkreis, der einen Anspruch auf Anschlussbewilligung nach § 2 ERG gegenüber der Beigeladenen zu 2 hatte, gehört
der Kläger gleichwohl nicht. Das Urteil des BSG vom 30. Januar 1997 - 4 RA 33/95 könnte zwar dahingehend verstanden werden, weil das BSG bereits bei Zitierung der maßgebenden Vorschrift des EV nicht auf
die "laufenden Leistungen" abstellt, sondern stattdessen dieses Tatbestandmerkmal durch den Begriff "zuerkanntes Recht" ersetzt.
Eine solche Auslegung, die vom BSG nicht näher begründet wird, wird jedoch weder dem Wortlaut des EV noch der Gesetzesbegründung
zum ERG gerecht, denn nach der Bundestags-Drucksache 12/1790, Allgemeiner Teil, S. 5 wird ausgeführt: "Die bisherigen Ehrenpensionen
sollen künftig als Entschädigungsrenten weitergezahlt werden, ....". Eine Auslegung, die einer (tatsächlichen) Zahlung keine
Bedeutung beimisst, entspricht zudem nicht dem Zweck beider Vorschriften. Beide Regelungen stellen auf Vertrauensschutz ab.
Vertrauensschutz auf Erhalt einer Ehrenpension wird vornehmlich durch deren Zahlung bewirkt. Fehlt es daran hinsichtlich der
Ehrenpension, mangelt es zugleich am Vertrauen auf den Erhalt einer Entschädigungsrente.
Ein Anspruch des Klägers lässt sich auch nicht aus § 3 Abs. 1 Buchstabe c ERG herleiten.
Diese Vorschrift bestimmt: Personen, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Entschädigungsrente nur deshalb nicht erfüllen,
weil sie eine Ehrenpension oder Hinterbliebenenpension am 30. April 1992 nicht bezogen haben, erhalten auf Antrag frühestens
ab 03. Oktober 1990 eine Entschädigungsrente, wenn sie vor dem 01. März 1990 als Verfolgte anerkannt worden sind und die Nichtbewilligung
oder der Entzug einer Ehrenpension oder die Aberkennung der Eigenschaft als Verfolgte mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder
mit den Regelungen des EV unvereinbar ist (Art. 19 Satz 2 EV) und zu keiner Zeit Gründe für eine Aberkennung der Eigenschaft
als Verfolgte vorgelegen haben.
Der Kläger hat zwar wie dargelegt eine Ehrenpension am 30. April 1992 nicht bezogen. Allerdings bestand zu diesem Zeitpunkt
wie dargelegt ein zuerkanntes Recht auf eine Ehrenpension nach der Anordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus
und für Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene vom 20. September 1976.
Der nach § 3 Abs. 1 Buchstabe c ERG erforderliche Entzug einer Ehrenpension liegt nicht vor.
Wie dargelegt wurde der Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes, Verwaltung der Sozialversicherung vom 25. April 1966 nicht aufgehoben
und damit die Ehrenpension nicht entzogen.
Weder ist die Einstellung der Ehrenpension, wenn diese dem Entzug der Ehrenpension im Wege einer Analogie gleichgestellt werden
könnte, noch wäre der Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes gerichtet auf den Entzug wegen der am 05. Mai 1979 erfolgten
Ausreise nach Berlin (West) zudem mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EV unvereinbar (Art. 19 Satz
2 EV).
Ein Verstoß gegen Grundsätze des Rechtsstaats im Sinne des ERG erfordert eine Verletzung jener unabänderlichen Kerngehalte
des Rechtsstaats im Sinne des
GG, die in Art.
1 und Art.
20 GG sogar für den Verfassungsgesetzgeber (und somit auch für den EV-Gesetzgeber) unabänderbar festgeschrieben worden sind (Art.
79 Abs.
3 GG). Hierbei handelt es sich vor allem um das Verbot, die Menschenwürde (Art.
1 Abs.
1 GG) und die im
GG als Grundrechte näher ausgestalteten unveräußerlichen Menschenrechte (Art.
1 Abs.
2 GG) in ihrem Kerngehalt (Art.
19 Abs.
2 GG) zu verletzen; ferner ist elementar das Gebot der Sachgerechtigkeit staatlichen Verhaltens, nach dem der Staat sich darum
bemühen muss, seine Entscheidungen an den Vorgegebenheiten des jeweiligen Lebens- und Sachbereichs auszurichten und von sachfremden
Einflüssen freizuhalten; dies bedeutet zumindest ein Willkürverbot. Ein Verwaltungsakt der DDR verstößt damit jedenfalls dann
gegen Grundsätze des Rechtsstaates im Sinne des
GG (vgl. Art.
28 Abs.
1 Satz 1
GG), wenn er sich bei einer Würdigung seines Inhalts, der seinen Erlass begleitenden Umstände oder des nicht widerlegten äußeren
Anscheins als (mutmaßlich weltanschaulich oder "politisch" motivierte) Willkürmaßnahme darstellt. Hingegen reicht ein Verstoß
gegen weitere rechtsstaatliche Grundsätze, die über das Erfordernis einer elementaren Rechtsorientierung des Gemeinwesens
hinausgehen, nicht aus, einen Verstoß gegen Grundsätze des Rechtsstaats zu begründen. Dies gilt u. a. für alle Arten des Gesetzesvorbehaltes,
für die rechtsstaatlichen Grundsätze über Verfahrens- und Mitwirkungsrechte des Bürgers im Verwaltungsverfahren und über einen
vor unabhängigen Gerichten einklagbaren Rechtsschutz. Diese Einschränkung der vom
Grundgesetz ansonsten in strikter Rechtsbindung (Art.
1 Abs.
3, 20 Abs.
3 GG) den Organen der Recht sprechenden Gewalt vorgegebenen Prüfungsmaßstäbe rechtfertigt sich nur aus der außerordentlichen Umbruchsituation
in der Wiedervereinigung. Da die DDR kein Rechtsstaat war, muss das Bundesrecht auch in dem vom ERG geregelten Sachbereich
an die vorrechtsstaatliche Normalsituation in der DDR anknüpfen. Anderenfalls, das heißt bei maßstäblicher Anwendung aller
im
GG niedergelegten und im Normalfall bindenden rechtsstaatlichen Grundsätze, gäbe es von vornherein praktisch keinen belastbaren
Staatsakt der DDR, der im Sinne von § 3 Abs. 1 ERG beachtlich und im Sinne von Art. 19 Satz 2 EV nicht jederzeit aufzuheben
wäre (BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 33/95 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Januar 1995 - X R 146/93, abgedruckt in BFHE 177, 317, m. w. N.).
Der Bezug einer Ehrenpension setzte nach § 1 EhPensAO einen ständigen Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik voraus.
Somit stand diese Leistung allein solchen Personen zu, die (und solange sie) in der DDR und damit im Beitrittsgebiet ständig
wohnhaft waren.
Die Verlegung des ständigen Wohnsitzes außerhalb des Gebiets der Deutschen Demokratischen Republik begründete nach dieser
Vorschrift den Entzug der Ehrenpension. Die Einstellung dieser Leistung ist und der Erlass eines entsprechenden Bescheides
wäre von dieser Vorschrift erfasst. Ein entsprechendes behördliches Handeln ist mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vereinbar.
Das so genannte Territorialitätsprinzip, das für § 1 EhPensAO bestimmend ist und den Bestand eines Rechts vom ständigen Wohnsitz
oder ständigen Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet abhängig macht, ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ebenfalls
nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob eine Rechtsvorschrift unter diesen Gesichtspunkten überhaupt überprüft werden
kann, da § 3 Abs.1 Buchstabe c ERG auf die Verwaltungsentscheidung abstellt.
Bei dieser Sachlage könnte allenfalls erwogen werden, ob § 3 Abs. 1 Buchstabe c ERG über seinen Wortlaut hinaus einer (weiteren)
entsprechenden Anwendung zugänglich ist, wenn die Verlegung des ständigen Wohnsitzes auf Sachverhalten beruht, die als Unrechtsmaßnahmen
zu bewerten sind.
Der Senat ist ausgehend von einer solchen Erwägung einer analogen Anwendung davon überzeugt, dass die Verlegung des ständigen
Wohnsitzes des Klägers am 05. Mai 1979 von der Deutschen Demokratischen Republik nach Berlin (West) wesentlich ursächlich
auf der Kündigung der Ehefrau als Lehrerin beruht.
Die in der Akte der Rehabilitierungsbehörde enthaltenen Urkunden belegen als nachgewiesenen Sachverhalt Folgendes:
Nach dem Schreiben des Rates des Stadtbezirkes Südwest der Stadt L vom 05. Januar 1971 wurde der Ehefrau zum 31. August 1971
gekündigt, weil sie für diese Tätigkeit nach § 31 Abschnitt 2 b des Gesetzbuches der Arbeit nicht mehr geeignet sei.
Mit Schreiben derselben Behörde vom 20. Mai 1971 wurde das Arbeitsverhältnis (erneut) zum 31. August 1971 gekündigt. Als Begründung
ist angegeben, dass der Minister für Volksbildung mit Verfügung vom 11. Mai 1971 auf Antrag des Komitees "Freies Griechenland"
die gemäß § 3 Abs. 4 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte der Volksbildung erteilte Genehmigung, als Lehrer und Erzieher
tätig zu sein, zurückgezogen habe. Die BGL habe dieser Kündigung in der Sitzung am 19. Mai 1971 zugestimmt.
Aus einem Schriftsatz dieser Behörde an das Kreisgericht L-vom 22. Juni 1971 geht hervor, dass der Ehefrau gekündigt worden
sei, da sie aufgrund ihrer politischen Überzeugung (Bekenntnis zu einer Spaltergruppe des ZK der Kommunistischen Partei Griechenlands)
nicht in der Lage sei, die griechischen Kinder in sozialistischem Sinne zu erziehen. Der Minister für Volksbildung habe die
Lehrgenehmigung zurückgezogen.
Mit Urteil des Bezirksgerichts L vom 09. Dezember 1971 wurde der Einspruch der Ehefrau als unbegründet zurückgewiesen. Zur
Begründung wird auf die zurückgenommene Genehmigung verwiesen. Die staatlichen und gesellschaftlichen Gerichte seien nicht
berechtigt zu überprüfen, aus welchen Gründen eine Nichtgewährung oder Rücknahme einer bereits erteilten Ausnahmegenehmigung
durch das Ministerium für Volksbildung erfolgt sei.
Daraus folgt, dass das Bekenntnis der Ehefrau zu einer Spaltergruppe des ZK der Kommunistischen Partei Griechenlands der maßgebende
Grund darstellte, der Ehefrau die Lehrgenehmigung zu entziehen. Mit Bescheid vom 24. Januar 1995 stellte das Amt für Familie
und Soziales L - Rehabilitierungsbehörde - fest, dass die Ehefrau des Klägers Verfolgte im Sinne des §
1 Abs.
1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz ist. Die Verfolgungszeit habe vom 01. September 1971 bis 05. Mai 1979 gedauert. Die Entlassung aus dem Schuldienst stelle
eine Maßnahme dar, welche auch der politischen Verfolgung gedient habe. Ihr Anlass sei das Bekenntnis der Ehefrau des Klägers,
sich gegen die Befürwortung des Einmarsches der Warschauer Paktstaaten 1968 in die ehemalige CSSR gestellt zu haben, womit
sie von ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht habe. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an.
Die Kündigung der Ehefrau des Klägers als Lehrerin war wesentliche Ursache dafür, den Ausreiseantrag zustellen und nach seiner
Bewilligung die DDR zu verlassen.
Auf diese Tatsache stützte sich der Kläger maßgeblich in seinen Anträgen von Juni 1993 und Januar 2003. Bei seiner persönlichen
Vernehmung in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts hat er ergänzend vorgetragen, seine Ehefrau habe nach ihrer Kündigung
jeden Tag geweint. Er habe gedacht, er verliere sie und müsse ausreisen. Wie die Ehefrau bei ihrer Vernehmung als Zeugin bekundet
hat, habe man zwar nach der Kündigung immer noch gehofft, die Verantwortlichen würden einsehen, dass ihr Unrecht geschehen
sei und sie in ihren Beruf wieder zurückkehren könne. Sie habe danach weniger verdient, es habe aber für die Familie ausgereicht.
Wesentlich für die Ehefrau des Klägers war, dass sie ihren Beruf als Lehrerin nicht mehr ausüben konnte. Sie hat insoweit
bekundet, dies habe ihr sehr wehgetan. Sie hat - befragt nach dem unmittelbaren Anlass für die Ausreise - bekundet: Sie seien
so verzweifelt gewesen, weil sie bestraft worden seien und sie ihren Beruf nicht mehr habe ausüben können.
An der Wahrhaftigkeit dieser Aussagen des Klägers und seiner Ehefrau hat der Senat keine Zweifel. Der Kläger hat bei seiner
persönlichen Anhörung darauf hingewiesen, dass sie sozialistisch erzogen wurden und entsprechend Scheuklappen hatten. Die
Entscheidung, die DDR zu verlassen, war für sie sehr schwer.
Allerdings gelangt der Senat zur Überzeugung, dass eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 1 Buchstabe c ERG nicht begründet ist.
Eine Regelungslücke, die eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1 Buchstabe c ERG erlauben müsste, lässt sich bereits nicht
feststellen.
Der Kläger gehörte nicht zu dem von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis und bedurfte des Schutzes des § 3 Abs. 1 Buchstabe
c ERG nicht. Im Unterschied zu denjenigen, denen in der DDR die Ehrenpension entzogen wurde, konnte der Kläger mit der Beseitigung
des bisherigen Regimes in der DDR nach den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 allein durch Rückkehr in die DDR unter Vorlage
des Bescheides des FDGB-Kreisvorstandes, Verwaltung der Sozialversicherung vom 25. April 1966 die Weiterzahlung seiner Ehrenpension
beanspruchen. Gleiches konnte er, gestützt auf diesen Bescheid, seit dem 03. Oktober 1990 bis zur Beseitigung der Ehrenpension
durch das ERG zum Ablauf des 30. April 1992 - ungeachtet dessen, dass der EV lediglich die "laufenden Leistungen" geschützt
hat - verlangen. Seither bildet dieser Bescheid allerdings keine Rechtsgrundlage mehr, denn mit der Beseitigung der Ehrenpension
kraft Gesetzes, nämlich durch das ERG, hat er zugleich seine Erledigung auf sonstige Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X gefunden, weil diese Leistung von niemandem mehr geltend gemacht werden kann. Die Nichtzahlung der Ehrenpension am 30. April
1992 beruht somit ausschließlich auf dem Verhalten des Klägers. Die Zahlung hätte dem Kläger behördlicherseits nicht verweigert
werden dürfen, der Bewilligungsbescheid war wirksam.
Das BSG hat in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Verwaltungsakte der ehemaligen DDR, die vor Wirksamwerden
des Beitritts ergangen sind, grundsätzlich wirksam bleiben. Diese Verwaltungsakte können nur aufgehoben werden, wenn sie mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVtr unvereinbar sind (BSGE 76, 124, 125 = SozR 3-8100 Art 19 Nr 1; BSGE 80, 119, 122 = SozR 3-1300 § 48 Nr 61; BSGE 84, 22, 26 = SozR aaO.), wofür im vorliegenden Fall nichts spricht. Dieser grundsätzliche Ausschluss gilt für die Anwendbarkeit
des § 44 Abs 1 SGB X auf - möglicherweise - rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte in der ehemaligen DDR nach der Rechtsprechung des
erkennenden Senats in gleicher Weise auch für rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte. Die Anwendung der insoweit einschlägigen
§§ 45, 48 Abs 3 SGB X ist durch Art 19 Satz 2 iVm der Anlage I Kap VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr 2 EinigVtr mit Wirkung für Zeiträume vor dem 1. Januar 1991
ebenfalls ausgeschlossen (BSGE 76 aaO.; BSGE 80 aaO.). Daraus folgt, dass vorbehaltlich der Voraussetzungen des Art 19 Satz
2 EinigVtr die Aufhebung eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes sowie die Rücknahme eines rechtswidrigen
begünstigenden Verwaltungsaktes ausgeschlossen sind. Die Aufhebung bzw. Änderung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei
Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 Abs 1 SGB X ist damit nur möglich, wenn die Änderung der Verhältnisse nach dem 31. Dezember 1990 eingetreten ist. Für den Bereich der
gesetzlichen Rentenversicherung und für die Nichtanwendbarkeit des § 44 Abs 1 SGB X hatte dies der 4. Senat des BSG bereits durch Urteil vom 25. Januar 1994 (- 4 RA 20/92 - SozR 3-1300 § 44 Nr 8) entschieden. Der Rechtsprechung des Senats (BSGE 76, 124, 125 = SozR 3-8100 Art 19 Nr 1; BSGE 80, 119, 122 = SozR 3-1300 § 48 Nr 61; BSGE 84, 22, 26 = SozR aaO.) haben sich inzwischen der 9. Senat des BSG (vgl Beschluss vom 28. Juli 1999 - B 9 VM 4/98 B -; Urteil vom 28. Juni 2000 - B 9 V 9/99 R - SGb 2000, 547) sowie der 8. Senat des BSG (SozR 3-8100 Art 19 Nr 6 S 26) angeschlossen.
Zudem sollte mit § 3 Abs. 1 Buchstabe c ERG keine Vorschrift geschaffen werden, die Unrechtsmaßnahmen berücksichtigt, die
lediglich mittelbar zur Einstellung (oder zum Entzug) der Ehrenpension führten, aber nicht selbst und unmittelbar das Recht
auf die Ehrenpension beeinträchtigten. Solchen Unrechtsmaßnahmen kommt nicht dasselbe Gewicht zu, weil es am zielgerichteten
intendierten Eingriff auf eine bestimmte Rechtsposition fehlt. Vielmehr allein wegen eines solchen Eingriffs, der damit zugleich
von allgemeinen Unrechtsmaßnahmen mit vielfältigen Folge- und Rechtswirkungen abgrenzbar ist, sieht das Gesetz einen Ausgleich
vor.
Die Neubewilligung nach § 3 ERG bezweckt eine Gleichstellung vor allem der NS-Verfolgten im Beitrittsgebiet, denen die DDR
ein Recht auf Wiedergutmachung in rechtsstaatlich unerträglicher Weise verweigert bzw. entzogen hatte, mit denjenigen, die
nach § 2 ERG eine Anschlussbewilligung beanspruchen können (so BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 33/95; Bundestags-Drucksache 12/1790, S. 5 - Allgemeiner Teil). Über die Vertrauensschutzregelung des EV und daran anknüpfend des
§ 2 ERG hinaus hat es der Gesetzgeber offensichtlich aus Gründen der Gerechtigkeit als geboten erachtet, eine solche Gleichstellung
für diejenige Personengruppe zu schaffen, die im Beitrittsgebiet wohnend eine Ehrenpension deswegen nicht erhielt, weil ihr
diese in rechtsstaatlich unerträglicher Weise nicht gewährt oder entzogen wurde, mit derjenigen Personengruppe, die im Beitrittsgebiet
wohnend eine solche Leistung erhielt.
Der Kläger rechnet nicht zur gleichzustellenden Personengruppe, denn er befand sich in keiner vergleichbaren Situation. In
sein Recht auf die Ehrenpension wurde bis zur Verlegung seines ständigen Wohnsitzes aus der DDR nicht eingegriffen. Es besteht
damit ein wesentlicher Unterschied zu der Personengruppe, denen dieses Recht in der DDR genommen wurde. Angesichts dessen
fehlt es an einer regelungsbedürftigen Lücke im Gesetz und gibt es keine überzeugende Begründung für eine entsprechende Anwendung,
nämlich dafür, weswegen dem Kläger ein Recht eingeräumt werden müsste, das ihm in der DDR zustand, weil es nicht (und damit
erst recht nicht unter Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze) beseitigt wurde. Sachverhalte, die als allgemeine Unrechtsmaßnahmen
zu bewerten sind, vermögen daran nichts zu ändern.
Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.
Die Revision ist zuzulassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).