Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Witwenrente.
Die 1957 geborene Klägerin ist die Witwe des 1935 geborenen H T, des Versicherten. Beide lebten seit Januar 1992 ununterbrochen
in einem gemeinsamen Haushalt. 2005 wurde bei dem Versicherten Prostatakrebs festgestellt. Er unterzog sich einer achtwöchigen
Bestrahlungs- und einer mehrmonatigen Hormontherapie. In der Folge blieben die PSA-Werte stabil. Während des stationären Aufenthalts
im Krankenhaus L vom 17. bis 21. April 2007 wurde bei dem Versicherten ein metastasiertes Karzinom im Bauchraum diagnostiziert.
Die behandelnden Ärzte sahen von einer Operation ab und leiteten eine intensive Schmerztherapie ein. Am 8. Mai 2007 rief der
Versicherte die Standesbeamtin an und bat um die Eheschließung bei sich zu Hause. Die notwendigen Unterlagen gingen am 22.
Mai 2007 im Standesamt ein; die Ehe sollte am 24. Mai 2007 geschlossen werden. Da der Versicherte sich wegen Verschlechterung
seines Allgemeinzustandes bereits am 21. Mai 2007 erneut in stationäre Behandlung begeben musste, wurde die Eheschließung
am 23. Mai 2007 im Krankenhaus vollzogen. Nach seiner Entlassung starb der Versicherte am 29. Mai 2007 zu Hause.
Den Antrag der Klägerin vom 7. September 2007 auf Gewährung einer Witwenrente wies die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar
2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2008 mit der Begründung ab, die Ehe sei als Versorgungsehe
zu werten.
Mit ihrer Klage bei dem Sozialgericht Cottbus hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat insbesondere vorgetragen:
Der Versicherte und sie hätten ganz sicher schon 2001 geheiratet. Allerdings habe der Versicherte vor der Eheschließung sein
Elternhaus in B, das in einem sehr schlechten Zustand gewesen sei, so weit renovieren wollen, dass sie dort als Eheleute hätten
einziehen können. Wegen dessen Hüftarthrose habe er die Arbeiten an dem Haus nicht so schnell durchführen können, wie er sich
die ursprünglich vorgestellt habe. Durch die Prostataerkrankung hätten sich die Renovierungsarbeiten noch weiter verzögert.
Da die Behandlung des Versicherten sehr positiv verlaufen sei, habe er wieder zielgerichtet die Renovierung des Hauses, verbunden
mit den Plänen zur Heirat im Zusammenhang mit dem Einzug nach B, verfolgt. Ostern 2007 habe der Versicherte erfahren, dass
sich inoperable Metastasen im Bauchraum gebildet hätten. Die Ärzte hätten ihm mitgeteilt, dass er noch ein Jahr, gegebenenfalls
auch wesentlich länger zu leben habe. Der Versicherte habe nun so schnell wie möglich mit ihr verheiratet werden wollen. Er
habe damit hinsichtlich des Erbes im Verhältnis zu seinen drei Kindern aus früheren Ehen Klarheit schaffen wollen. Er habe
aber insbesondere auch beabsichtigt, dass sie - die Klägerin - mit ihm zusammen soweit wie möglich noch das fortsetze, was
er begonnen habe, nämlich in B in Zuhause zu schaffen und mit ihm dort noch zu wohnen. Da sich der Zustand des Versicherten
unerwartet und sehr schnell verschlechtert habe, sei die Heirat noch im Krankenhaus durchgeführt worden. Für die Zeit nach
seiner Entlassung aus dem Krankenhaus sei bereits ein Pflegebett bestellt und ein Pflegedienst bestellt worden. Völlig überraschend
sei er nach wenigen Tagen verstorben.
Die Klägerin trägt weiter vor, sie habe den Versicherten geheiratet, weil sie dies schon über die gesamte Zeit des Zusammenlebens
gewollt habe. Es sei immer ihr Bestreben gewesen, dessen Frau zu werden.
Das Sozialgericht hat nach der Vernehmung von vier Zeugen, u.a. der Standesbeamtin und des Hausarztes, die Klage mit Urteil
vom 23. Juni 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die gesetzliche Vermutung, dass der Zweck der
Ehe allein der Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten gedient habe, sei nicht widerlegt worden. Der Tod des Versicherten
sei bei der Eheschließung klar vorhersehbar gewesen. Zwar sei gut nachzuvollziehen, dass der Verstorbene den Wunsch gehegt
habe, zunächst seine Vergangenheit zu bereinigen und dann mit der Klägerin "eine T in sein Elternhaus in B einziehen zu lassen".
Allerdings habe sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass dies der überwiegende Beweggrund der Eheschließung gewesen sei.
Mit ihrer Berufung gegen diese Entscheidung bringt die Klägerin u.a. vor: Es möge objektiv richtig sein, dass der Tod des
Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei. Für die Frage des Motivs der Eheleute
komme es hierauf nicht an, sondern allenfalls darauf, ob die Beteiligten ihrerseits mit dem Motiv die Ehe geschlossen hätten,
dass der Tod in Kürze bevorstehe, und die Eheschließung der Versorgung habe dienen sollen. Das Gegenteil ergebe sich aus der
Aussage der Standesbeamtin, die hervorgehoben habe, dass sie nicht den Eindruck gehabt habe, der Versicherte habe nicht mehr
lange zu leben. Dies werde durch die Aussage des Hausarztes bestätigt, der auf die Nachfrage, ob der Versicherte und sie -
die Klägerin - gewusst hätten, dass der Versicherte in Kürze sterben würde, bekundet habe, dieses Gefühl nicht gehabt zu haben.
Auch habe der Zeuge ausgesagt, dass der Versicherte die Schwere seiner Erkrankung nicht wahr haben wollte. Daraus ergebe sich,
dass der Versicherte von seinem Weiterleben ausgegangen sei und deshalb nicht das Motiv gehabt habe, sie aus Versorgungsgesichtspunkten
zu heiraten. Er habe die Ehe schließen wollen im Bewusstsein seiner Erkrankung, weil er erkannt habe, dass er das Haus in
B kurzfristig nicht mehr würde fertig stellen können, aber der festen Überzeugung gewesen sei, dass er noch viel länger lebe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 7. November 2013 ist die Klägerin persönlich angehört worden. Hinsichtlich
der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.
Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2008 zu verurteilen, ihr ab dem 29. Mai 2007 aus der
Versicherung des verstorbenen H T eine große Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt
der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte die Gewährung
der Witwenrente ablehnte, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf die von ihr begehrte Witwenrente.
Nach §
46 Abs.
2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (
SGB VI) in der hier maßgeblichen Fassung vom 15. Dezember 2004 haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des
versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, u.a. dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45.
Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 29. Mai 2007
verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß §
50 Abs.
1 SGB VI erfüllt hatte. Im Zeitpunkt des Todes des Versicherten hatte die 1957 geborene Klägerin auch das 45. Lebensjahr vollendet.
Gemäß §
46 Abs.
2a SGB VI ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach
den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der
Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr bestanden, nämlich vom 23. bis zum 29. Mai 2007.
Damit ist der Tatbestand des §
46 Abs.
2a Halbsatz 1
SGB VI erfüllt.
Die entsprechende Rechtsfolge dieser Vorschrift, der Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente, tritt jedoch dann nicht ein,
wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es
der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI) .
Das Vorliegen derartiger besonderer Umstände steht nicht nach voller richterlicher Überzeugung des Senats fest.
Der Begriff der "besonderen Umstände" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten
mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Bundessozialgericht
[BSG], Urteil vom 3. September 1986 - 9a RV 8/84 -, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5).
Aus §
46 Abs.
2a SGB VI ergibt sich nicht ohne weiteres, was unter "den besonderen Umständen des Falles" zu verstehen ist, die geeignet sind, eine
Ausnahme vom gesetzlichen Ausschluss einer Witwenrente bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr zuzulassen. Da diese
am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Vorschrift allerdings vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Regelungen in der gesetzlichen
Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist (vgl. BT-Drucks 14/4595 S 44), kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden. Danach sind als besondere Umstände alle äußeren
und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die
Heirat schließen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973 - 5 RKnU 11/71 -, BSGE 35, 272 = SozR Nr. 2 zu § 594
RVO). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten
an (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 2009 - B 13 R 101/08 R -, bei Juris).
Die Annahme einer Versorgungsehe nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider
Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen dem Versorgungszweck
zumindest gleichwertig sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R -, BSGE 103, 99). Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung
ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch
dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung
keine Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986 aaO.).
Die Vorschrift des §
46 Abs.
2a SGB VI zwingt den Hinterbliebenen aber nicht, seine inneren Gründe für die Eheschließung oder die des verstorbenen Ehegatten zu
offenbaren (vgl. BSG, Urteile vom 28. März 1973 und vom 3. September 1986, jeweils aaO.). Der hinterbliebene Ehegatte kann sich auch auf die Darlegung
von äußeren (objektiv nach außen tretenden) Umständen beschränken, die seiner Ansicht nach auf einen von der Versorgungsabsicht
verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Ebenso bleibt es ihm unbenommen, keinerlei Auskünfte über den "Zweck
der Heirat" zu geben. Es soll nicht gegen seinen Willen zu einem Eingriff in seine Intimsphäre kommen, indem er genötigt wird,
auch seine allerpersönlichsten, innersten Gedanken und Motive für die Eheschließung mit dem verstorbenen Versicherten mitzuteilen.
Denn die gesetzestechnische Ausgestaltung des §
46 Abs.
2a SGB VI als Regel-/Ausnahmetatbestand verfolgt gerade den Zweck, die Träger der Rentenversicherung und die Sozialgerichte von der
Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 aaO. m.w.N.).
Dies bedeutet aber nicht, dass es dem hinterbliebenen Ehegatten untersagt ist, seine (höchst-) persönlichen Gründe und die
des verstorbenen Versicherten für die Eheschließung darzulegen. Vielmehr kann er selbst abwägen, ob er derartige private Details
preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr zu entkräften.
Macht der Hinterbliebene von sich aus oder auf Befragen entsprechende Angaben und sind diese glaubhaft, so sind auch diese
persönlichen Gründe in die Gesamtbetrachtung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu
würdigen. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der "Ermittlung der Beweggründe für die Heirat"
würde jedenfalls in einem solchen Fall die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe
zu entkräften, in unzulässiger Weise beschneiden. Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die
inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung,
ob es sich dabei um besondere Umstände im Sinne des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 aaO. m.w.N.).
Eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen
des §
46 Abs.
2a SGB VI ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten
Einzelfalls.
Der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI wird nur erfüllt, wenn insoweit nach §
202 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in Verbindung mit §
292 Zivilprozessordnung der volle Beweis erbracht wird (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986 aaO.) . Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit.
Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich
ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen
Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, Rn. 3b zu §
128 SGG m.w.N.). Zu beachten ist, dass das Vorliegen von "besonderen Umständen" von den Sozialgerichten von Amts wegen zu prüfen
ist; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§
103 SGG). Eine Regelung (wie beispielsweise §
142 Abs.
2 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch), wonach der Betroffene zur Anspruchsbegründung bestimmte Sachverhalte "darlegen und beweisen"
muss, enthält §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI nicht.
Die in der Literatur geäußerten Einwände gegen diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass sie im Kern Elemente einer
unzulässigen Umkehr der Beweislast beinhalte (so Löns, in: Kreikebohm,
SGB VI, 3. Auflage 2008, Rn. 28 zu §
46 SGB VI), überzeugen nicht. Denn diese Ansicht verkennt die Regelungstechnik des §
46 Abs.
2a SGB VI, die - wie bereits ausgeführt - den Zweck verfolgt, die Rentenversicherungsträger und die Sozialgerichte zur Ermittlung des
Sachverhalts nicht zu Ausforschungen im Bereich der privaten Lebensführung der Betroffenen zu zwingen. Im Übrigen lässt das
Bundessozialgericht den Grundsatz der objektiven Beweislast unberührt, indem es derjenigen, welche den Witwenrentenanspruch
geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der "besonderen Umstände" im Sinne des §
46 Abs
2a Halbsatz 2
SGB VI auferlegt (so BSG, Urteile vom 3. September 1986 und vom 5. Mai 2009, jeweils aaO.).
In diesem rechtlichen Rahmen ist es der Klägerin nicht gelungen, den vollen Beweis für das Vorliegen der besonderen Umstände
zu erbringen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer von nur sechs Tagen die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der
alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat zwischen der Klägerin und dem Versicherten war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung
zu begründen. Nach Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist der Senat nicht davon überzeugt, dass derartige Gründe
hier vorliegen.
Bei der Befragung durch den Senat zu den Motiven für die Heirat hat die Klägerin vorgebracht, der Versicherte habe, als es
ihm während dessen Krankenhausaufenthalts im Mai 2007 plötzlich wesentlich schlechter gegangen sei, die Heirat unbedingt vorantreiben
wollen, um vor allem die Vermögens- und Erbschaftsangelegenheiten in Bezug auf das Haus in B und das Haus in Bo zu regeln,
das er mit seiner früheren Ehefrau gemeinsam bewohnt hätte. Gleichermaßen seien für sie die Häuser wichtig gewesen, aber es
sei für sie auch wichtig gewesen, nach fünfzehn Jahren des Zusammenlebens endlich zu heiraten. Hiernach mag ein von beiden
Partnern übereinstimmend verfolgtes und nicht unwesentliches Motiv darin gelegen zu haben, der Klägerin die Verfügungsbefugnis
über die beiden Grundstück zu sichern. Indes schließt der Umstand, dass mit der Eheschließung die Versorgung der Klägerin
(die ihrem Vortrag zufolge immer erwerbstätig war) hinsichtlich dieser Immobilien verfolgt wurde, nicht aus, dass - unausgesprochen
- der Versorgungsgedanke auch im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung maßgebliches Motiv der Eheschließung bildete.
Denn die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu
betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die
Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen.
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu.
So ist ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand insbesondere dann anzunehmen,
wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt
war, unvermittelt eingetreten ist (in der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt, BT-Drucks
14/4595, S. 44).
Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden
Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a Halbsatz 2
SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose
und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest
gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung
diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger
und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt
mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem
Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der
gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres
nach Eheschließung angeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 aaO. m.w.N.).
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin und der Versicherte, die fünfzehn Jahre zusammen lebten, ihre Heirat
erst dann beschlossen, nachdem bei dem Versicherten im April 2007 ein metastasierendes Karzinom im Bauchraum diagnostiziert
worden war und die behandelnden Ärzte von einer Operation abgesehen hatten. Der Umstand, dass der Klägerin und dem Versicherten
die Bedrohlichkeit der Situation bewusst gewesen sein muss, folgt insbesondere daraus, dass sie die für den 24. Mai 2007 bei
sich zu Hause geplante Eheschließung wegen der wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten auf
den 23. Mai 2007 im Krankenhaus vorverlegten. Die sich hieraus ergebenden massiven Zweifel an dem Vorliegen der genannten
besonderen Umstände, hat die Klägerin nach der Überzeugung des Gerichts nicht zerstreuen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht erfüllt.