Anordnung des Ruhens eines Klageverfahrens
Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen Versterbens
Einschränkung der Wirkung des Ruhens
Klärung der Rechtsnachfolge
Gründe:
Gegenstand der Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Klägers ist die Anordnung des Ruhens des Klageverfahrens
auf einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen des Versterbens des Klägers.
Während des Klageverfahrens, das vom Kläger wegen höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Monaten
Oktober 2013 bis März 2014 im Juli 2014 angestrengt wurde, hatte der Kläger im November 2015 Verzögerungsrüge erhoben. Ebenfalls
im Klagewege machte er im Verfahren S 10 R 1142/14 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 11. Januar 2016 mit, dass eine volle
Erwerbsminderung ab März 2015 anerkannt worden sei. Im Erörterungstermin am 26. Januar 2016 wies die Vorsitzende der 189.
Kammer die Beteiligten darauf hin, dass die Umzugsfähigkeit bzw. die Erwerbsfähigkeit des Klägers für den hier geltend gemachten
Leistungsanspruch eine Rolle spielen könnte und das Ruhen bis zur Rechtskraft der in Parallelverfahren bereits ergangenen
Urteile sinnvoll wäre. Diese Auffassung wurde vom Kläger nicht geteilt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte mit Schreiben vom 30. März 2016 mit, dass der Kläger am 1. März 2016 verstorben
sei, und beantragte, das Verfahren auszusetzen. Eine Rechtsnachfolge sei noch nicht geklärt. Die Beklagte erklärte daraufhin
(auf entsprechende Frage des Gerichts), sie sei mit dem Ruhen des Verfahrens einverstanden.
Mit Beschluss vom 24. Mai 2016hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Aufgrund übereinstimmender Anträge
der Beteiligten sei unter Berücksichtigung der zuvor angegebenen Gründe gemäß §
202 SGG iVm §
251 ZPO das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Es obliege den Beteiligten, bei einem Wegfall des Ruhensgrundes die Wiederaufnahme des
Verfahrens zu beantragen, da dies nicht von Amts wegen erfolgen müsse.
Gegen den ihm am 30.Mai 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 31. Mai 2016 eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten
des verstorbenen Klägers.
Die Beklagte hält eine Stellungnahme für entbehrlich.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus §
172 SGG, wonach gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden die
Beschwerde stattfindet. Ausnahmeregelungen finden sich in §
172 Abs
2 und
3 SGG für die Anordnung des Ruhens bzw eine Aussetzung des Verfahrens nicht.
Der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Klägers hat auch ein Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde, die sich gegen
die Anordnung des Ruhens statt der beantragten Aussetzung wendet. Die prozessualen Rechte der Klägerseite werden durch die
Entscheidung beeinträchtigt. Zwar ist die Anordnung des Ruhens nach ganz herrschender Meinung ein Fall der Aussetzung (Keller
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer:
SGG, 11. Aufl., vor §
114 RdNr 1d, Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann:
ZPO, 64. Aufl., §
251 ZPO, RdNr 1). Jedoch ist für den Fall der - hier von der Klägerseite beantragten - Aussetzung nach §§
202 SGG,
246 ZPO abweichend von §
251 ZPO die Geltung der Regelungen der §§
239,
241 und
242 ZPO ausdrücklich angeordnet, während die Einschränkung der Wirkung des Ruhens nach §
251 Satz 2
ZPO für die Aussetzung nach §§
202 SGG,
246 ZPO nicht gilt. Jedoch sperrt die Aussetzung nach §§
202 SGG,
246 ZPO eine Fortsetzung des Verfahrens gegen den Willen der Klägerseite, solange die Fortsetzungsgründe nach §§
246,
239 Abs
1,
2 ZPO (insbesondere die Klärung der Rechtsnachfolge) noch nicht wieder vorliegen, während nach einer Anordnung des Ruhens das Verfahren
allein durch Wiedereintritt durch die Gegenseite das Ruhen beendet wird, sofern keine zeitliche Begrenzung erfolgt ist (Keller
aaO. RdNr 4).
Schon dieser Nachteil begründet ein Rechtsschutzinteresse, gegen die Anordnung des Ruhens vorzugehen, während die Aussetzung
nach §§
202 SGG,
246 ZPO beantragt wurde.
Die Beschwerde ist auch begründet. §
251 Satz 1
ZPO lautet: Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass
wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Beteiligten
hatten hier das Ruhen gerade nicht übereinstimmend beantragt. Zwar hatte die Beklagte das Ruhen beantragt, nicht jedoch der
Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Klägers, der ausdrücklich die Aussetzung nach §§
202 SGG,
246 ZPO beantragte.
Da der Beschluss schon aus diesem Grunde aufzuheben ist, kann dahinstehen, ob das Sozialgericht hinreichend bestimmt die Ruhensgründe
gekennzeichnet hat. Das Gericht hat hier zur Begründung des Beschlusses lediglich ausgeführt, dass aufgrund der übereinstimmenden
Anträge der Beteiligten unter Berücksichtigung der zuvor angegebenen Gründe gemäß § 202SGG i V m §
251 ZPO das Ruhen des Verfahrens anzuordnen gewesen sei. Die "zuvor angegebenen Gründe" erschließen sich aus dem Beschluss nicht.
Die Aussetzung ist anzuordnen gemäß §
202 SGG i V m §
246 ZPO. Nach dieser Vorschrift hat das Prozessgericht auf Antrag des Bevollmächtigten in den Fällen des Todes und auch auf Antrag
des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. Die Voraussetzungen liegen vor. Der Antrag wurde vom Bevollmächtigten
des verstorbenen Klägers gestellt, die Beteiligten haben den Tod des Klägers gegenüber dem Gericht mitgeteilt. Es besteht
kein Anlass, diese Mitteilung in Frage zu stellen.
Die Kostenentscheidung ist im Hauptsacheverfahren zu treffen. Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ruhensbeschluss des Sozialgerichts
nach §
202 SGG i.V.m. §
251 ZPO ist kein selbständiger Verfahrensabschnitt, sondern nur Zwischenstreit in einem noch anhängigen Rechtsstreit und enthält
deshalb keine Kostengrundentscheidung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.02.2016, L 8 R 294/15 B, JURIS-RdNr 18 mwN).
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§
177 SGG).