Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für den Zeitraum 25. September 2009
bis 31. Dezember 2012.
Der 1994 geborene Kläger ist guinesischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 in die Bundesrepublik
Deutschland ein und verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltsG).
Am 23. Juli 2012 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von BAB für eine am 26. September 2009 beginnende
Berufsausbildung zum Tischler. Ausweislich des Berufsausbildungsvertrages vom September 2012 erhielt er für die 36 Monate
dauernde Berufsausbildung eine Berufsausbildungsvergütung.
Durch Bescheid vom 17. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Gewährung von BAB ab, da er nicht zum
Kreis der gem. §§
56 und
59 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (
SGB III) förderfähigen Ausländer gehöre. Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, sein Ausschluss vom Bezug
von BAB hätte zur Folge, dass er gezwungen wäre, seine Ausbildung aufzugeben, um sein verfassungsrechtlich gebotenes Existenzminimum
wieder zur Verfügung zu haben. Denn das Jobcenter versage ihm Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende
- (SGB II) im Hinblick auf die dem Grunde nach förderfähige Ausbildung nach § 7 SGB II. Dies widerspreche dem Gebot des Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen
als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden
Schutzes (Qualifikationsrichtlinie - QR). Der Widerspruch wurde von der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 27. November
2012 als unbegründet zurückgewiesen, hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Berlin erhoben und vorgetragen, er gehöre zwar nach dem Wortlaut des
SGB III nicht zum förderungsfähigen Personenkreis, die für ihn maßgebende Fassung des
SGB III widerspreche jedoch dem Gebot des Art. 27 Abs. 2 der QR vom 29. April 2004, die insoweit nicht ausreichend in nationales Recht umgesetzt worden sei. Ein vom
SGB III geforderter vierjähriger Voraufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland als Voraussetzung für die Ausbildungsförderung sei
nach der QR nicht vorgesehen und erschwere faktisch den Zugang zu Bildung in europarechtswidriger Weise. Denn die Ausbildungsvergütung
unterschreite deutlich das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum, so dass der Kläger auf Hilfeleistungen angewiesen
sei. Sein Ausschluss vom Leistungsbezug nach dem
SGB III hätte damit zur Folge, dass er letztlich gezwungen wäre, seine Ausbildung aufzugeben. Das
SGB III sei deshalb entsprechend dem Sinn und Zweck der QR auszulegen und anzuwenden, um auch den vom Schutz der QR erfassten Ausländern
gleichberechtigten Zugang zum Bildungssystem zu gewährleisten.
Auf weiteren, vom Kläger am 18. Januar 2013 gestellten Antrag hat ihm die Beklagte durch Bescheid vom 21. Januar 2013 ab dem
1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 BAB bewilligt, der Kläger hat daraufhin seine Klage teilweise insoweit zurückgenommen,
als ihm BAB bewilligt worden war.
Durch Urteil vom 13. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf BAB, weil er nicht zum förderfähigen
Personenkreis gehöre. Denn §
59 Abs.
1 SGB III iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) verlange für Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthaltsG, dass sie sich mindestens seit vier Jahren in der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig, gestattet oder geduldet
aufhielten. Dies sei bei dem Kläger, welcher im Jahre 2009 nach Deutschland eingereist sei, nicht der Fall. Auch der hilfsweise
gestellte Antrag des Klägers, das Klageverfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auszusetzen
und eine Vorabentscheidung einzuholen, könne keinen Erfolg haben, da die Regelung des §
59 Abs.
1 SGB III iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG nicht gegen Artikel 27 der QR verstoße, weil sich hieraus kein individuelles Recht auf uneingeschränkte Bewilligung von BAB ableiten lasse. Vielmehr
habe die Richtlinie unmittelbare Rechtswirkung nur zwischen den Mitgliedsstaaten und bedürfte der Umsetzung in innerstaatliches
Recht, um individuelle Rechtsgrundlagen zu schaffen. Die insoweit in §
59 Abs.
1 SGB III und § 8 Abs. 2 BAföG getroffenen Regelungen seien mit Artikel 27 der QR vereinbar, denn sie verhinderten nicht den Zugang zum allgemeinen Bildungssystem, zu Weiterbildung und Umschulung.
Der Gesetzgeber habe durch diese Regelungen von seinem Gestaltungsspielraum in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen
und ist insbesondere der Ansicht, er habe einen unmittelbaren Anspruch auf Förderung durch BAB aus der QR, weil die Regelungen
in §
59 Abs.
1 SGB III iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG die QR nicht korrekt umgesetzt hätten. Denn mit diesen Regelungen sei eine dem Ziel und Zweck von Art. 27 QR zuwiderlaufende
Regelung geschaffen worden. In diesem Falle müssten nach der Rechtsprechung des EuGH die begünstigenden Regelungen der QR
als für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindliches Recht von den Gerichten beachtet und angewendet werden, diese verleihe dem
Kläger deshalb individuelle Rechte gegenüber der Beklagten. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG setzte die QR deshalb nicht korrekt um, weil zum einen Art. 27 der QR Personen mit subsidiärem Schutzstatus wie demjenigen des Klägers Chancengleichheit hinsichtlich des Zugangs zu Bildung,
Weiterbildung etc wie denjenigen anderer Drittstaatenangehöriger mit regelmäßigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
sichere, die nationalen Regelungen jedoch unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich dieser beiden Personengruppen vorsähen
und subsidiär schutzberechtigte Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthaltsG schlechter stellten als Inhaber
von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthaltsG. Die Regelung zur BAB verhindere zudem im Falle des Klägers
den Zugang zu Bildung, Weiterbildung und Umschulung, da der Ausschluss von Ausbildungsförderung für finanziell Hilfebedürftige
faktisch dem Ausschluss von einer Ausbildung gleichkomme. Es bestehe damit ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Zugang zu
Ausbildungsförderung und Zugang zu Ausbildung. Das Gericht habe deshalb hilfsweise den vorliegenden Rechtsstreit bis zu einer
Entscheidung des EuGH auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH über die vorliegend streitigen Rechtsfragen abzuwarten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Berufsausbildungsbeihilfe
für den Zeitraum vom 26. September 2009 bis 31. Dezember 2012 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend, weil der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zum förderfähigen
Personenkreis nach §
59 Abs.
1 SGB III iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG gehörte. Ein unmittelbarer Anspruch auf BAB folge auch nicht aus der QR.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte
des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung geworden sind.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten,
weshalb das SG die Klage zutreffend abgewiesen hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf BAB für den noch streitigen Zeitraum. Ein solcher ergibt sich - was zwischen den Beteiligten
auch unstreitig ist - nicht aus §
56 Abs.
1 SGB III in der bis zum 30. April 2015 geltenden Fassung (aF). Danach hatten Auszubildende Anspruch auf BAB während einer Berufsausbildung,
wenn 1. die Berufsausbildung förderungsfähig war, 2. sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehörten und die sonstigen persönlichen
Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt waren und 3. ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt,
die Fahrkosten und die sonstigen Aufwendungen (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung standen. Der Kläger gehörte als
Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthaltsG nicht zum förderungsfähigen Personenkreis iSd des §
56 Abs.
1 Nr.
2 SGB III aF. Hierzu zählten gem. §
59 Abs.
1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG in der bis zum 1. Dezember 2013 geltenden Fassung Ausländer, die über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthaltsG
verfügten, nur, wenn sie sich seit mindestens vier Jahren in Deutschland ununterbrochen rechtmäßig, gestattet oder geduldet
aufhielten. Dies war bei dem Kläger frühestens ab dem 1. Januar 2013 der Fall.
Ein Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht unmittelbar aus Art. 27 der bis zum 21. Dezember 2013
anzuwendenden QR. Nach Artikel 27 Abs. 2 QR gestatten die Mitgliedsstaaten Erwachsenen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder
der subsidiäre Schutz zuerkannt worden ist, zu denselben Bedingungen wie Drittstaatsangehörigen mit regelmäßigem Aufenthalt
Zugang zum allgemeinen Bildungssystem, zu Weiterbildung und Umschulung. Dieser Artikel regelt nach seinem eindeutigen Wortlaut
allein den Zugang zum allgemeinen Bildungssystem, Weiterbildung und Umschulung und nicht - wie der Kläger meint - denknotwendig
damit verbunden die Finanzierung dieses Zugangs. Dies ergibt sich bereits aus den Erwägungen der QR, nach deren Nr. 31 diese
Richtlinie gerade nicht für finanzielle Zuwendungen, die von den Mitgliedsstaaten zur Förderung der allgemeinen und beruflichen
Bildung gewährt werden, gilt. Um solche finanzielle Zuwendungen handelt es sich vorliegend. Angesichts dieser eindeutigen
Regelung besteht für das vom Kläger hilfsweise beantragte Vorlageverfahren beim EuGH kein Raum.