Tatbestand:
Im Streit zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Kostenerstattung für eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation.
Der 1946 geborene Versicherte D W - V. - ist sowohl bei der Klägerin als auch bei der Beklagten Mitglied.
Am 18. März 2004 beantragte V. bei der Klägerin Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Die Frage im Formblatt, ob er
Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des §
428 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -
SGB III - beziehe und ob er eine entsprechende Erklärung beim Arbeitsamt unterschrieben habe, verneinte dieser, was damals zutreffend
war. Am 18. Juli 2004 jedoch unterschrieb V. bei der Agentur für Arbeit eine Vereinbarung mit der Verpflichtung, zum frühestmöglichen
Zeitpunkt Altersrente beantragen zu müssen. Schon am 5. Juli 2004 hatte V. der Klägerin mitgeteilt, dass er dies beabsichtige.
Mit Bescheid vom 31. August 2004 bewilligte die Klägerin die Maßnahme, die vom 20. Oktober 2004 bis zum 17. November 2004
durchgeführt wurde. Die Klägerin meldete bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß §
14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch -
SGB IX - in analoger Anwendung an, den diese ablehnte, da diese Anspruchsgrundlage nur für zweitangegangene Träger in Betracht komme.
Ansprüche nach § 105 SGB X seien ausdrücklich ausgeschlossen.
Mit der am 10. September 2005 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihren Anspruch weiter verfolgt.
Sie hat dies damit begründet, §
14 Abs.
4 SGB IX sei entsprechend anzuwenden, wenn der erstangegangene Rehabilitationsträger nach den ihm vorliegenden Angaben und Unterlagen
von seiner Zuständigkeit habe ausgehen können, sich im weiteren Verlauf des Verfahrens und aufgrund neuer Erkenntnisse jedoch
die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträger heraus gestellt habe.
Die Beklagte ist dem mit der Auffassung entgegengetreten, ein Erstattungsanspruch scheitere bereits daran, dass zwischen den
Rehabilitationsträgern keine Vereinbarung gemäß §
14 Abs.
4 Satz 3 2. Halbsatz
SGB IX geschlossen worden sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 2. November 2007 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Rehabilitationsmaßnahme
4.629,73 € zu erstatten. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei für eine analoge Anwendung von §
14 Abs.
4 SGB IX kein Raum. Der Anspruch ergebe sich jedoch aus § 103 Abs. 1 SGB X, da der Anspruch des V. gegen die Klägerin durch die Unterzeichnung der Vereinbarung mit der Agentur für Arbeit nachträglich
entfallen sei. Nach § 103 Abs. 2 SGB X richte sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften,
wobei der vorleistende Träger nach Möglichkeit so gestellt werden solle, wie er bei sofortiger Leistung des letztlich zuständigen
Trägers gestanden hätte. Danach hätte die Beklagte die Kosten zu erstatten.
Gegen das der Beklagten am 28. November 2007 zugestellte Urteil hat diese am 30. November 2007 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.
Der Senat hat mit Beschluss vom 19. Februar 2008 die Berufung zugelassen und das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren
fortgesetzt.
Unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - hat die Beklagte die Auffassung vertreten, §
14 SGB IX komme in derartigen Fällen nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht; Erstattungsansprüche könnten lediglich nach den §§ 102 ff. SGB X entstehen, deren Voraussetzungen hier nicht vorlägen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, sie habe erst nach Abschluss der Maßnahme Kenntnis von der
Vereinbarung mit der Agentur für Arbeit erhalten.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Reha-Akte der Klägerin verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung
des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Über die zulässige Berufung konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr
Einverständnis mit einem solchen Verfahren erklärt haben (§
124 Abs.
2 SGG).
Die Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte. Das Urteil des Sozialgerichts
war daher zu ändern und die Klage abzuweisen.
Sowohl Erstattungsansprüche nach § 104 und 105 SGB X als auch der nach §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX setzen die Unzuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers voraus. Wer selbst zuständig ist, kann keine Erstattung
verlangen.
Nach §
9 Abs.
1 SGB VI sind die Rentenversicherungsträger - also auch die Klägerin - zur Erbringung von Leistungen zu medizinischen Rehabilitation
und zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß §
11 SGB VI haben hier bei V. auch nach Auffassung der Klägerin vorgelegen. Eine Reha-Maßnahme schied hier auch nicht nach §
12 Abs.
1 SGB VI aus. Der Ausschlussgrund des §
12 Abs.
1 Nr.
4a SGB VI hat nicht vorgelegen. Danach werden Leistungen zur Teilhabe nicht für Versicherte erbracht, die "eine Leistung beziehen,
die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird". V. hat weder zum Zeitpunkt der Bewilligung der medizinischen
Rehabilitation durch den Bescheid vom 31. August 2004 noch zum Zeitpunkt der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahmen eine
solche Leistung erhalten.
Denn V. hat weder eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Drittel der Vollrente beantragt, geschweige denn bezogen (§
12 Abs.
1 Nr.
2 SGB VI) noch hat der weitere - von der Klägerin angenommene, sich nicht direkt aus §
12 SGB VI ergebende - etwaig denkbare Leistungsausschlussgrund des sicheren Ausscheidens aus dem Erwerbsleben in wenigen Monaten vorgelegen.
Alleine aus dem Bezug von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des §
428 SGB III folgt dies nicht. Der V. hat bei seiner ordnungemäßen Anzeige dieser Leistung betont, noch nicht in den Ruhestand zu gehen.
Ein Versicherter, der Leistungen gem. §
428 SGB III bezieht, ist damit noch nicht endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Vielmehr wird bei ihm lediglich eine der Tatbestandsvoraussetzungen
für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht mehr überprüft, ohne dass er rechtlich irgendwie gehindert wäre, wieder eine in der
Rentenversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Dass dies in der Praxis selten der Fall sein dürfte,
ändert daran nichts.
Der Klage muss auch aus einem weiteren Grund der Erfolg versagt bleiben, selbst wenn §
12 SGB VI einschlägig wäre.
§
14 Abs.
4 SGB IX schließt zwar Erstattungsansprüche der Klägerin im vorliegenden Falle nach § 102 ff. SGB X nicht aus. § 105 SGB X wäre einschlägig. Die Beklagte schuldet jedoch auch deshalb keine Erstattung, weil sie dem V gegenüber nicht gemäß §
40 Abs.
1, Abs.
2 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (
SGB V) verpflichtet gewesen wäre, medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zu erbringen:
§
14 Abs.
4 SGG IX lässt die Erstattungsregelungen des § 102 ff SGB X grundsätzlich unberührt. Die Vorschrift verdrängt sie nur teilweise und begründet im Zusammenspiel mit §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX eine nachrangige Zuständigkeit (so zutreffend BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R -, Randnummer 10; dem folgend BSG, Urteil vom 28. November 2007 - B 11 a AL 29/06 R -). Mit §
14 SGB IX soll nur im Außenverhältnis (behinderter Mensch gegenüber Rehabilitationsträger) die Leistungspflicht rasch festgestellt
werden. Bliebe es auch im (Innen-)Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander bei der Zuständigkeitsverteilung nach
§
14 Abs.
1 und
2 SGB IX, würden die Zuständigkeitsnormen außerhalb des
SGB IX im Wesentlichen obsolet. Die damit einhergehende Lastenverschiebung ohne Ausgleich würde die Grundlagen des gegliederten
Sozialsystems in Frage stellen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, Randnummer 12 ff. 14). Auch die Erstattungsansprüche müssen
dem Primärzweck des §
14 SGB IX dienen, der schnellen Zuständigkeitsklärung im Außenverhältnis. Es darf kein Anreiz geschaffen werden, zur Wahrung potentieller
Erstattungsansprüche Rehabilitationsanträge - mit der Folge einer vermeidbaren Verzögerung - an einen anderen Träger weiterzuleiten,
der sich als zweitangegangener Rehabilitationsträger gegen seine Zuständigkeit im Außenverhältnis nicht wehren kann. §
14 Abs.
4 Satz 1 und
2 SGB IX trägt deshalb speziell der Sondersituation des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers Rechnung und begründet lediglich
für diesen einen speziellen Erstattungsanspruch (so zutreffend BSG, aaO. Rdnr. 15 ff.). Das normale System der Erstattungsansprüche
nach § 102 ff. SGB X privilegiert den vorläufig leistenden Leistungsträger nach § 102 SGB X in der Rechtsfolge (Erstattungsumfang und Rangfolge gegenüber dem Leistungsträger), dessen Leistungsverpflichtung nachträglich
entfallen ist (§ 103 SGB X), gegenüber dem nachrangig verpflichteten Leistungsträger (§ 104 SGB X) und dem unzuständigen Leistungsträger (§ 105 SGB X). §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX verschafft dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger Ansprüche wie einem vorläufig leistenden Leistungsträger. Hingegen
steht dem erstangegangenen Rehabilitationsträger der privilegierte Erstattungsanspruch aus §
14 Abs.
4 Satz 1 und
2 SGB IX grundsätzlich nicht zu (vgl. BSG, aaO. Randnummer 21). Er ist nämlich nicht in gleicher Weise schutzwürdig, weil er nicht
einer aufgedrängten Zuständigkeit aus §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX ausgesetzt ist. Prüft ein erstangegangener Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nicht und missachtet das Weiterleitungsgebot
des §
14 Abs.
1 Satz 2
SGB IX bestätigt §
14 Abs.
4 Satz 3
SGB IX den Ausschluss jeglicher Erstattung (BSG, aaO. Randnummer 25).
Eine solche Konstellation hat hier jedoch nicht vorgelegen. Die Klägerin hat ihre Zuständigkeit im maßgeblichen Zeitraum vierzehn
Tage ab Antragseingang geprüft und zutreffend bejaht.
Ein Erstattungsanspruch aus § 105 SGB X richtet sich jedoch in seinem Umfang gemäß § 105 Abs. 2 SGB X "nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften". Der letztendlich verpflichtete Leistungsträger
muss dem unzuständigen Leistungsträger nicht mehr Aufwand erstatten, als er selbst bei sofortiger zutreffender Feststellung
des Anspruches an den Leistungsberechtigten hätte leisten müssen. Die Beklagte ist als gesetzliche Krankenkasse zu Leistungen
zur medizinischen Rehabilitation nur verpflichtet, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht,
um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder ihre Folgen zu mindern (§
40 Abs.
1 Satz 1
SGB V i.V.m. §
11 Abs.
2 SGB V). Zu stationärer medizinischer Rehabilitation ist sie noch weitergehend nur verpflichtet, wenn ambulante Rehabilitationsleistungen
nicht ausreichen (§
40 Abs.
2 SGB V).
Hier steht zur Überzeugung des Senats auch ohne weitere Aufklärung bzw. Beweiserhebung fest, dass jedenfalls eine stationäre
Rehabilitationsmaßnahme nicht erforderlich gewesen ist. Darüber hinaus hätten die in der Kurklinik in Anspruch genommenen
Therapien (Massagen, Bäder, Gymnastik, Moorpackungen, Entspannungstraining u. a.) alle im Rahmen einer ambulanten Krankenbehandlung
durchgeführt werden können (vgl. ebenso bereits Urteile des Senats vom 11. April 2008 - L 1 KR 502/06 sowie vom 7. November 2008 - L 1 KR 215/07 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197 a SGG in Verbindung mit 154 Abs. 2
VwGO; der Beschluss über den Streitwert aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.