UKPS - OSAS - neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode - Hilfsmittel
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 1 164,80 Euro, welche er für die Ausstattung mit einer Unterkieferprotrusionsschiene
(UKPS) aufwenden musste.
Der 1967 geborene Kläger ist Versicherter der Beklagten.
Mit Faxschreiben vom 1. März 2012 reichte er durch den in behandelnden Zahnarzt Dr. A einen Heil- und Kostenplan über eine
UKPS ein. Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) ein und erhielt
von diesem den Hinweis, bei der UKPS handele es sich um eine "NUB", also eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2012 den Antrag auf Kostenübernahme ab. Der Kläger erhob hiergegen
unter dem 20. März 2012 Widerspruch und reichte eine Stellungnahme seines behandelnden Zahnarztes vom 14. März 2012 ein. Der
erneut eingeschaltete MDK gelangte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 13. April 2012 zu dem Ergebnis, nach den vorliegenden
Informationen bestehe bei dem Kläger ein leichtes obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) ohne typische Beschwerden. Ein Schlafpositionstraining
zur Vermeiden der Rückenlage sei zu empfehlen. Weitere polygraphische Kontrolluntersuchungen seien sinnvoll. Eine Hilfsmittelversorgung
sei zunächst nicht erkennbar begründet. Bei Progredienz des Befundes oder Auftreten typischer Apnoe-assoziierter Beschwerden
sei zunächst von einer Indikation zur CPAP-Therapie auszugehen (Continuous Positive Airway Pressure). Dazu angehört führte
der behandelnde Zahnarzt Dr. A aus, im Lebensalter des Klägers erscheine eine Therapie mit Überdruckmaske (CPAP) über das
Ziel hinausgeschossen. Sie sei teurer als eine Schienentherapie, habe eine deutlich schlechtere Compliance und sei die invasivere
Maßnahme.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2012 unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sich die Argumentation seines Zahnarztes zu Eigen gemacht. Im Übrigen sei zu berücksichtigen,
dass, sofern die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der
vertragsärztlichen Versorgung überhaupt eine abschließende Regelung zur Therapie des OSAS enthalte, jedenfalls nach Anlage
I, 3. Abschnitt, § 4 die dort verwandten Verfahren auch die UKPS umfassten. Die Schiene diene auch der Beatmungssicherheit
und sei damit ein verwandtes Verfahren. Auslegungsunsicherheiten könnten nicht zu Ungunsten des Klägers wirken. Der Richtlinie
sei hier gerade nicht zu entnehmen, dass die CPAP-Therapie die einzig zulässige sei. Hilfsweise sei die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes zu berücksichtigen. Eine OSAS könne tödlich verlaufen. Ein neuerer Schlaflaborbefund vom 28. Januar
2013 habe den Befund eines leichten OSAS ausgewiesen. Es gebe keine eindeutige CPAP-Indikation, jedoch die Indikation für
UKPS.
Der Kläger hat sich die UKPS im Frühjahr 2013 von seinem Zahnarzt anpassen lassen. Hierfür sind ihm 1 164,80 Euro in Rechnung
gestellt worden.
Die Beklagte hat vorgebracht, die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts seien hier nicht einschlägig. Zudem existiere eine
anerkannte Behandlungsmethode bei einer Verschlechterung des Zustandes, die CPAP. Die Richtlinie des GBA sei hinreichend konkret
und klar verständlich. Verwandte Verfahren seien ähnlich der CPAP, etwa der APAP. Bei der Auslegung von § 4 der Richtlinie
sei als Bezugspunkt auf die Überdrucktherapie abzustellen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30. September 2014 abgewiesen. Einzig mögliche Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung
sei §
13 Abs.
3 Satz 1, 2. Alternative Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V). Die Beklagte habe jedoch die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Ein Sachleistungsanspruch habe nicht bestanden, auch
wenn der Kläger nach seiner eigenen Einschätzung mittlerweile gut mit der UPKS versorgt sei und die ihn behandelnden Ärzte
eine medizinische Indikation gesehen hätten. Entscheidend sei, dass die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung nicht umfasst sei. Sie sei eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die in der
vertragsärztlichen Versorgung nach §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V nur dann von der Leistungspflicht umfasst werde, wenn der GBA in den Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe. Die Anforderungen
gelten auch, wenn - wie hier - ein Hilfsmittel zur Behandlung zum Einsatz kommen solle. Bei der Behandlung und Versorgung
mit einer UKPS zur Therapie des Schlafapnoe-Syndroms handele es sich um eine neue Behandlungsmethode. Der 3. Abschnitt in
der Anlage I der Richtlinie betreffe, wie die Überschrift ausweise, nicht nur Regelung zur Polysomnographie, sondern auch
zur Therapie von schlafbezogenen Atmungsstörungen. Dies ergebe sich aus dem gesamten Regelungskomplex des 3. Abschnittes.
Bereits in § 3 Abs. 6 und Abs. 9 der Richtlinie werde deutlich, dass die einzig zugelassene Therapie die Überdrucktherapie
sei. Hingegen werde die begehrte UKPS im 3. Abschnitt nicht ausdrücklich genannt. Sie unterfalle nicht den in § 4 genannten
"verwandten Verfahren". Die Methoden hätten keinen gleichartigen gemeinsamen, sondern einen völlig verschiedenen Behandlungsansatz.
Es lägen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die Beklagte ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Leistung verpflichtet
sei. Es liege weder eine lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. Die diagnostizierte leichte
OSAS sei keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung.
Gegen dieses am 23. Oktober 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 4. November 2014.Zur Berufungsbegründung
trägt er vor, die vom SG vorgenommene Tatsachenfeststellung und rechtliche Würdigung seien fehlerhaft. Beim Kläger liege keine Indikation für eine
CPAP-Therapie vor, hingegen seien die schlafbezogenen Atmungsstörungen und das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom des Klägers
am besten mit der UKPS zu behandeln. Diese sei besser und erheblich kostengünstiger. Diese falle auch unter die NUB-Richtlinie
des GBA. § 3 regele nur die Diagnose. Hingegen erlaube § 4 Ziffer 3 bei einer gesicherten Indikation zur Überdrucktherapie
mit CPAP oder verwandten Verfahren, u. a. der Behandlung mit einer UKPS. In § 4 sei nämlich geregelt, wie zu verfahren sei,
wenn die CPAP-Therapie angezeigt und angewandt werde. Wenn die GBA-Richtlinie auch Therapien regele, müsse der Begriff der
verwandten Verfahren großzügig ausgelegt werden. Verwandte Verfahren seien solche, die auf die Atmung einwirkten. Die einschlägige
Leitlinie S3 nenne überdies die Behandlung mit einer UKPS.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des
Bescheides vom 8. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2012 dem Kläger die Kosten für die Unterkieferprotrusionsschiene
in Höhe von 1 164,80 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und zusätzlich angemerkt, dass eine CPAP-Therapie keineswegs
immer teurer sei als die Kosten einer Behandlung mit einer UKPS.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im Beschlusswege nach §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entschieden werden. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, mit Verfügung vom 10. März 2016 -vom Berichterstatter alleine- hingewiesen
worden.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen
gemäß §
153 Abs.
1 SGG verwiesen wird. Zu ergänzen ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich Folgendes:
Nach §
13 Abs.
3 SGB V sind Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare
Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§
13 Abs.
3 Satz 1 Alternative 1
SGB V) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte (§
13 Abs.
3 Satz 1 Alternative 2
SGB V).
§
13 Abs.
3 Satz 1 Alternative 1
SGB V scheidet hier von vornherein aus.
Die Voraussetzungen des §
13 Abs.
3 Satz 1 Alternative 2
SGB V liegen ebenfalls nicht vor. Die Beklagte hat mit ihrem Bescheid nicht eine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Der Kostenerstattungsanspruch
aus §
13 Abs.
3 Satz 1 Alternative 2
SGB V geht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Nur wenn die selbstbeschaffte Behandlung zu denjenigen Leistungen
gehört, welche von den Krankenkassen grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen gewesen wären, kann ein Kostenerstattungsanspruch
bestehen (vergleiche BSG vom 27. März 2007 - B 1 KR 17/06 R - juris-Rdnr. 12). Die UKPS gehört aber nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Sachleistungen.
Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 und
3 SGB V die ärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln. Als Hilfsmittel nach §
33 SGB V sind die Gegenstände anzusehen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder
einer Behinderung vorzubeugen oder sie auszugleichen, soweit sie nicht als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen
sind. Eine UKPS wird zwar zu medizinischen Zwecken eingesetzt und ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Die Voraussetzungen
des Sachleistungsanspruchs bestimmen sich aber nicht allein nach §
33 SGB V. Denn der Kläger hat sich vorliegend nicht nur ein Hilfsmittel selbst beschafft, sondern hierzu auch Leistungen der zahnärztlichen
Behandlung in Anspruch genommen. Die Verwendung einer UKPS erschöpft sich nämlich nicht in der Überlassung eines Hilfsmittels.
Deren Verordnung und Anpassung ist vielmehr untrennbar mit ärztlichen Behandlungsleistungen verbunden (vgl. zur Behandlung
mit einer Kopforthese Urteil des Senats vom 12. Juni 2015 - L 1 KR 261/13- mit weiteren Nachweisen der Entscheidungen anderer LSG; so bereits auch Urt. v. 19. Oktober 2012 - L 1 KR 140/12 - juris Rdnr.-25). Während der Therapie muss regelmäßig eine Kontrolle des Kiefers erfolgen (vgl. zu den Nebenwirkungen sogleich).
Insoweit lag kein isolierter Einsatz eines Hilfsmittels vor.
Da die Anpassung der UKPS damit Teil eines ärztlichen Behandlungsplans und -verfahrens ist, müssen auch in Bezug auf die ärztliche
Behandlung die Voraussetzungen einer Leistungspflicht der Beklagten gegeben sein, damit das Hilfsmittel übernommen werden
kann. Es fehlt aber an einer Leistungspflicht für die der Anpassung zugrunde liegende zahnärztliche Behandlung. Die Behandlung
der OSAS durch eine UKPS ist eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des §
135 SGB V, für die es keine Anwendungsempfehlung des GBA gibt. Die einschlägige "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des
Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden
vertragsärztliche Versorgung)" (in der Fassung vom 17. Januar 2006 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 48 [S. 1 523]
in Kraft getreten am 1. April 2006, soweit hier maßgeblich zuletzt geändert zuletzt geändert am 17. Januar 2013, veröffentlicht
im Bundesanzeiger [BAnz AT 08.04.2013 B7 und B8]in Kraft getreten am 9. April 2013) sehen die UKPS zur Behandlung der Schlafapnoe
nicht vor. Hierzu kann auf das Urteil des SG verwiesen werden.
Die Schiene kann deswegen nach §
135 Abs.
1 Satz 3
SGB V von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden kann.
Ist ein Hilfsmittel Teil einer (neuen) Behandlungsmethode im Rahmen einer Krankenbehandlung, kann es nur zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung verordnet werden, wenn die ärztliche Behandlungsmethode in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
positiv gelistet ist.
Die UKPSist Teil eines Therapiekonzepts zur Behandlung der Schlafapnoe. Neu im Sinne des §
135 SGB V ist sie, weil sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als eine vertragszahnärztlich abrechenbare Leistung im Einheitlichen
Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) aufgeführt war und ist (vgl. für ärztliche Leistungen im EBM-Ä: BSG v. 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - juris Rdnr. 17). Die bei der Behandlung als Hilfsmittel eingesetzte Schiene ist von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept
und den dafür geltenden Anforderungen nicht zu trennen. Die Sperrwirkung des §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V erfasst -wie bereits ausgeführt- auch das im Rahmen der Behandlung eingesetzte Hilfsmittel selbst (vgl. ergänzend LSG Baden-Württemberg
v. 24. Februar 2015 - L 11 KR 329/14 - juris-Rdnr. 24; Sächsisches LSG v. 11. Oktober 2013 - L 1 KR 132/11 - juris-Rdnr. 56/57; LSG Berlin-Brandenburg v. 19. Oktober 2012 - L 1 KR 140//12 - juris-Rdnr. 25).
Ob und inwieweit zivilrechtlich für die Behandlung eine Gebührenposition nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) besteht, ist hier ohne Belang. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Behandler Dr. A dem Kläger insoweit nur Analogberechnungen
der Gebührenziffer 7010 und 7040 der GOZ in Rechnung gestellt hat, weil eine ausdrückliche Ziffer auch in der GOZ nicht enthalten ist.
Dass die Behandlung mit einer UKPS ferner der ärztlichen Kunst entspricht, ist nicht entscheidungserheblich.
Der Kläger kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass sie als Therapiealternative in der einschlägigen S3-Leitlinie "Nicht
erholsamer Schlaf/Schlafstörungen" der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin 2009 auf Seite 65 erwähnt
wird.
Ohne dass das für die Entscheidung erheblich ist, ist aber darauf hinzuweisen, dass auch ausweislich dieser Richtlinie die
UKPS nur als eine "mögliche Therapieoption" bezeichnet wird. Allerdings träten bei 6 bis 86 % der therapierten Patienten Nebenwirkungen
auf, u. a. geringe Änderungen der Kieferstellung. Eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle des Zahn- und Kieferbefundes sei
daher notwendig.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe zur Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.