Eilverfahren
Unterlassung von Äußerungen
Fehlende Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren
Ehrschutzklagen
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt, dem Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, Äußerungen gegenüber
Pflegebedürftigen, welche von ihr gepflegt werden und vom Antragsgegner Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten, zu unterlassen.
Die Antragstellerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und ist durch Versorgungsvertrag gemäß §
72 SGB XI zugelassene Leistungserbringerin im Bereich der ambulanten Pflege. Sie ist Vertragspartnerin des Antragsgegners aus dem Rahmenvertrag
gemäß §
75 Abs.
1 und
2 SGB XI vom 28. Januar 2015.
Gegen die Geschäftsführer der Antragstellerin wird staatsanwaltschaftlich u.a. im Verfahren 243 Js wegen Abrechnungsbetruges
ermittelt. Nach dem Schlussbericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 30. Oktober 2015 (LKA 213) geht dieser davon aus,
dass eine Vielzahl von Patienten der Antragstellerin Leistungen bestätigt haben, die die Antragstellerin gar nicht oder in
erheblich geringerem Umfang erbracht habe. Dafür sollen die Patienten der Antragstellerin so genannte "Kickback- Zahlungen"
erhalten haben, deren Höhe vom Aufwand für den Pflegedienst und der entsprechenden Pflegestufe der Patienten abhänge. Aus
Sicht des Polizeipräsidenten in Berlin gelte der Betrug für die - aus Gründen der Materialfülle ausschließlich überprüften
- Monate November 2013 und August 2014 als erwiesen. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Antragstellerin hat ferner in einer
Strafanzeige vom 3. Januar 2013 unter anderem ausgeführt: "Es werden Geldzahlungen an Klienten dafür geleistet, dass sie Pflege
durch Ihre Unterschrift bestätigen, die nicht stattgefunden hat" (Gerichtsakte - GA - Bl. 243 ff., 245).
Mit Schreiben vom 5. Juni 2015 wurde die Antragstellerin im Rahmen eines Anhörungsverfahrens, das der Antragsgegner vertreten
durch das Bezirksamt Mitte von Berlin im Auftrag aller Berliner Bezirksämter durchgeführt hat, zum Verdacht des Leistungsmissbrauchs
angehört.
Mit Bescheid vom 1. September 2015 gegenüber der Leistungsempfängerin Frau M N nahm der Antragsgegner den dieser erteilten
Bewilligungsbescheid über die Hilfe zur Pflege vom 21. November 2014 gemäß § 45 SGB X teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurück soweit die Erbringung ambulanter Hilfen durch den Pflegedienst der Antragstellerin
bewilligt worden war und teilte mit, dass für Leistungen dieses Pflegedienstes keine Kosten (mehr) übernommen würden (GA Bl.
74). Zur Begründung heißt es in dem Bescheid u.a. "nach §
17 Abs.
1 Nr.
1 SGB I habe ich die gesetzliche Gewährleistungspflicht, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen
tatsächlich in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass der von Ihnen ausgewählte
Pflegedienst in einer Vielzahl von anderen Fällen schwere Verstöße gegen seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem
Sozialhilfeträger begangen hat, die auch dem Schutz der Pflegebedürftigen dienen. Diese Vertragsverstöße lagen auch schon
zum Zeitpunkt des Erlasses meines Bewilligungsbescheides vor. Bei Kenntnis der Vertragsverstöße und der Unzuverlässigkeit
des Pflegedienstes wäre eine Bestimmung des Pflegedienstes als Leistungserbringer schon zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides
nicht vorgenommen worden, denn in solchen Fällen muss im Interesse des Hilfeempfängers selbst das Wunsch- und Wahlrecht zurücktreten.
Es kann angesichts der festgestellten Vertragsverstöße nicht gewährleistet werden, dass der Pflegedienst seine Leistungen
auch in Ihrem Fall ordnungsgemäß erbringt." Der Antragsgegner ordnete ferner die sofortige Vollziehung des Rücknahmebescheides
im öffentlichen Interesse an, weil die Gefahr von Vertragsverstöße und Verletzungen sozialrechtlicher Vorschriften durch den
Pflegedienst auch im Rahmen des aufzuhebenden und zu ändernden Bewilligungsbescheides bestehe. Die Dringlichkeit ergebe sich
ebenso daraus, dass es sich bei der Gesundheit von Pflegebedürftigen um ein hohes Schutzgut handele. Dieses sei durch die
unvollständige, unsachgemäße nicht vertragsgemäße Versorgung unmittelbar gefährdet. Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung
über die Zulässigkeit eines Widerspruchs versehen.
Mit Schreiben vom 9. September 2015 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, die oben wiedergegebenen Behauptungen
aus dem Bescheid vom 1. September 2015 gegenüber Klienten der Antragstellerin zu unterlassen und hierüber eine entsprechende
Erklärung abzugeben.
Mit bei Gericht am 2. November 2015 eingegangenem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin
beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens
in der Hauptsache zu untersagen, gegenüber den Pflegekunden der Antragstellerin wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, a. es
habe sich herausgestellt, dass der Pflegedienst M H & S GmbH in einer Vielzahl von Fällen schwere Verstöße gegen seine vertraglichen
Verpflichtungen gegenüber dem Sozialhilfeträger begangen habe, die auch dem Schutz der Pflegebedürftigen dienen; b. der Pflegedienst
M H & S GmbH sei unzuverlässig; c. die Gesundheit der Pflegebedürftigen sei durch die unvollständige, unsachgemäße und nicht
vertragsgemäße Versorgung des Pflegdienstes M H & S GmbH unmittelbar gefährdet.
Sie hat ferner den Antrag gestellt, 2. dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache zu untersagen, die Antragstellerin dadurch in ihrer unternehmerischen Tätigkeit
zu behindern, dass er das Wahlrecht der Hilfeempfänger aus § 9 SGB XII für den Fall einer Beauftragung der Antragstellerin einschränkt sowie 3. dem Antragsgegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung
gegen die vorstehenden Regelungen ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000,- EUR, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden
kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten mit der Maßgabe anzudrohen, dass die Haft an Bezirksstadtrat S D zu vollziehen ist.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsgegner sei nach §§
1004,
839 BGB i.V.m. Art.
34 GG i.V.m. den vertraglichen Vereinbarungen zur Unterlassung der genannten Äußerungen verpflichtet. Da der Sachverhalt bei laufendem
Anhörungsverfahren noch nicht abschließend geklärt sei, sei es unzulässig, den Sachverhalt gegenüber den Pflegekunden der
Antragstellerin bereits so darzustellen, als sei die Antragstellerin bezüglich der schweren Vertragsverstöße überführt worden.
Der Antragsgegner habe die Antragstellerin als zugelassene Pflegeeinrichtungen bei einem Verdacht des Verstoßes gegen Pflichten
aus dem Rahmenvertrag zunächst schriftlich anzuhören. Erst bei nachgewiesenen und von den Vertragspartnern festgestellten
Vertragsverstößen sei über geeignete Maßnahmen zu entscheiden. Der Antragsgegner könne nicht Fakten dadurch schaffen, dass
er in bestehende Kundenbeziehungen der Leistungserbringer eingreife. Dieser Eingriff berühre die Grundrechte der Antragstellerin
aus Art.
12 und
14 GG. Es bestehe eine besondere Eilbedürftigkeit wegen Wiederholungsgefahr, da der Antragsgegner keine Erklärung abgegeben habe,
nach der er zukünftig auf derartige Schreiben an Pflegekunden der Antragstellerin verzichten werde. Die Behauptungen des Antragsgegners
und die Schlussberichte des LKA träfen nicht zu, die ehemalige Mitarbeiterin habe ihre Strafanzeige zurückgezogen. Insoweit
wird wegen der Einzelheiten auf den Schriftsatz vom 4. Dezember 2015 (GA Blatt 397 ff.) Bezug genommen. Ein Anordnungsgrund
bestehe, weil die Aufkündigung der Schuldübernahme bei den Hilfebedürftigen zwangsläufig dazu führe, dass diese Leistungen
nicht mehr von der Antragstellerin in Anspruch nehmen und die Pflegeverträge kündigen würden. Von den insgesamt 250 Klienten,
die die Antragstellerin noch im März 2015 versorgt habe, hätten mittlerweile 80 die Pflegeverträge gekündigt. Ob und inwieweit
die Behauptungen und Vorwürfe des Antragsgegners zutreffend und haltbar seien, werde sich erst in einem Hauptsacheverfahren
klären lassen. Im vorliegenden Verfahren könne insoweit lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung abgeschätzt werden, welche
Folgen schwerer wiegen bzw. irreparabel seien.
Die Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners haben den geltend gemachten Anspruch bereits für nicht statthaft gehalten,
weil er eine durch Art.
19 Abs.
4 GG nicht gebotene und nach der Systematik des
Sozialgerichtsgesetzes nicht vorgesehene abstrakte objektive Rechtskontrolle des Verwaltungshandelns einer Körperschaft einführen würde. Die streitgegenständlichen
Äußerungen seien nicht öffentlich, sondern in einem Bescheid erfolgt, in dem der Antragsgegner in Wahrnehmung berechtigter
Interessen Ausführungen zur Sach- und Rechtslage gemacht habe. Das Vorbringen einer Partei in schwebenden gerichtlichen oder
behördlichen Verfahren könne im Interesse eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege nicht mit zivil- oder sozialrechtlichen
Unterlassungsansprüchen bekämpft werden. Anderenfalls wäre der Antragsgegner in Auseinandersetzungen mit Hilfeempfängern,
die auf Veranlassung der Antragstellerin Widerspruch und gegebenenfalls Klage gegen die Einschränkung ihres Wunsch- und Wahlrechts
erheben würden, gehindert ein Fehlverhalten der Antragstellerin zur Begründung seiner Rechtsposition geltend zu machen. Dies
würde eine unzumutbare Einschränkung ordnungsgemäßer Verwaltung und Rechtspflege bedeuten.
Aus diesem Grund bestehe auch kein Anordnungsanspruch. Darüber hinaus fehle es auch an einem Anordnungsgrund. Der Antragstellerin
sei zuzumuten, den Ausgang etwaiger Rechtsbehelfe/Rechtsmittel von Hilfeempfängern gegen die Einschränkung des Wunsch- und
Wahlrechts abzuwarten. Soweit die Antragstellerin ausführen lasse, dass derartige Schreiben an Pflegekunden die Gefahr der
sofortigen Kündigung von Pflegeverträgen mit sich brächten, fehle es hier zum einen an einer entsprechenden Glaubhaftmachung.
Zum anderen müsse diese Gefahr als zumutbar hingenommen werden.
Ferner sei die Behauptung, die laufenden Anhörungsverfahren seien vor Erlass des Bescheides vom 1. September 2015 nicht abgeschlossen
gewesen, unzutreffend und seien sämtliche der Antragstellerin zur Last gelegten schweren Vertragsverletzungen gegeben. Insoweit
wird wegen der Einzelheiten auf die Schriftsätze vom 16. November 2015 und 1. Dezember 2015 nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der
Antrag sei zulässig, aber nicht begründet. Da zum jetzigen Zeitpunkt ohne weitere Ermittlungen das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs
nicht abschließend zu beurteilen sei, sei im Rahmen einer Folgenabwägung unter umfassender Abwägung der Interessen aller an
dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis Beteiligten, dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten und der Antragstellerin
als Leistungserbringer, zu entscheiden. Diese Folgenabwägung gehe zu Lasten der Antragstellerin aus. Der im Falle einer Stattgabe
des Antrags auf einstweilige Anordnung nicht auszuschließende Gefährdung von Leib und Leben der Pflegebedürftigen stünden
allein finanzielle Interessen der Antragstellerin gegenüber.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 14. Dezember 2015 zugestellten Beschluss am 16. Dezember 2015 Beschwerde erhoben,
mit der sie ihr Begehren aus den erstinstanzlichen Anträgen unter Ziff. 1. und 2. weiterverfolgt. Die vorgenommene Folgenabwägung
zu Ihren Lasten sei nicht zutreffend. Wenn es dem Antragsgegner um die Beendigung der weiteren Zusammenarbeit mit ihr gehe,
müsse er den Versorgungsvertrag mit der Antragstellerin kündigen, könne aber nicht solange der Vertrag bestehe den pflegebedürftigen
Klienten untersagen, sich von der Antragstellerin versorgen zu lassen. Es lägen keine belastbaren Nachweise dafür vor, dass
eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Klienten bestehe, sondern nur Mutmaßungen und Schlussfolgerungen. Die Folgenabwägung
zu Lasten der Antragstellerin schaffe irreversible Fakten, obwohl die Versorgungsverträge hierfür ein geregeltes Verfahren
vorsähen, dass auch bereits betrieben werde. Es sei kein Grund ersichtlich, warum nicht der Ausgang des vertraglichen Verfahrens
bzw. des Hauptsacheverfahrens abgewartet werden könne. Für Gesundheitsgefahren lägen keine konkreten Anhaltspunkte vor. Sollten
Leistungen zu Unrecht abgerechnet worden sein, könne der Antragsgegner die hierfür aufgewendete Vergütung zurückverlangen.
Die Antragstellerin hat eidesstattliche Versicherungen zweier ihrer Klientinnen zur Akte gereicht, wegen deren Inhalt auf
Blatt 448 und 449 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten und hat erneut umfangreiche Ausführungen zum Vorliegen von Ermittlungsergebnissen
gemacht, die das gerügte Fehlverhalten belegen würden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 12. Januar 2016
nebst Anlagen Bezug genommen. Im Rahmen des Vertragskündigungsverfahrens laufe derzeit noch das Beteiligungsverfahren unter
den Pflegekassen im Benehmen mit der Senatsverwaltung, aktuell werde die Stellungnahme der Antragstellerin im Anhörungsverfahren
ausgewertet.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Dezember 2015 ist zulässig, aber unbegründet.
Bei den im Beschwerdeverfahren noch anhängigen Anträgen der Antragstellerin handelt es sich um ein einheitliches Begehren,
das lediglich auf zwei Anträge aufgespaltet wurde; nämlich es dem Antragsgegner zu untersagen, das Wunsch- und Wahlrecht der
Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), die von der Antragstellerin erbracht wird, bezüglich ihres Leistungserbringers mit den unter der Ziffer 1 des Antrags gerügten
Begründungen einzuschränken und daher dem Antragsgegner die unter der Ziffer 1 des Antrags genannten Aussagen zu untersagen.
Dieses Begehren hat das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz -
SGG - kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Antragsteller müssen glaubhaft machen
(§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO), dass sie einen Anspruch auf die geltend gemachte Leistung haben (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen
Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für sie mit schweren und unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der Antrag der Antragstellerin ist bereits unzulässig. Voraussetzung eines zulässigen Antrags auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gemäß §
86 b Abs.
2 SGG ist das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
86b Rn. 26). Hierzu gehört auch die Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren, die fehlt, wenn dem Antragsteller das geltend gemachte
Recht unter keinem Gesichtspunkt zustehen kann (Keller a.a.O. Rn 26c).
Bei der Unterlassungsklage handelt es sich um einen Unterfall der echten Leistungsklage gemäß §
54 Abs.
5 SGG, bei der regelmäßig als ausreichend anzusehen ist, dass der Klagende behauptet, er habe einen Rechtsanspruch, dessen drohende
Verletzung zu besorgen sei (vgl. BSG, Urteil vom 15. November 1995 - 6 RKa 17/95 -, Rn. 15, juris). Die Klagebefugnis fehlt jedoch dann, wenn das geltend gemachte subjektive Recht des Antragstellers offensichtlich
und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; Urteil vom 10. Juli 2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier. Ein subjektives Recht der Antragstellerin auf Unterlassung bestimmter
Tatsachenbehauptungen und Werturteile durch den Antragsgegner (Sozialhilfeträger) als Begründungselemente bescheidförmiger
Verwaltungsentscheidungen (Verwaltungsakte, § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X) ist offensichtlich ausgeschlossen.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist wiederholt mit der rechtlichen Beurteilung von Informationen und Warnungen der Öffentlichkeit
durch Regierungs- und Verwaltungsbehörden befasst gewesen (BVerwGE 71, 183 Arzneimittel-Transparenzliste - ; BVerwGE 87, 37 - Liste diethylenglykolhaltiger Weine - ; BVerwGE 82, 76 - Warnung vor Jugendsekten -, dazu BVerfG NJW 1989, 3269; BVerfGE 105, 252 - Presseerklärung; BSG, Urteil vom 15. November 1995 - 6 RKa 17/95 -,juris, Rundschreiben einer Kassenzahnärztliche Vereinigung). In diesen Fällen wurde grundsätzlich eine - vorbeugende -
Unterlassungsklage für zulässig gehalten. Als Rechtsgrundlage für Unterlassungsansprüche kommen insoweit die Grundrechte der
Kläger - hier aus Art.
12 Abs.
1 (Berufsfreiheit) und aus Art.
14 Abs.
1 GG (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb) - in Betracht. Wenn geltend gemacht wird, dass eine derartige Rechtsverletzung
droht, kann der Betroffene in diesen Fällen gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen (BVerwG, Urteil
vom 23. Mai 1989 - 7 C 2/87 -, BVerwGE 82, 76-97, Rn. 48; BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, BVerfGE 105, 252 ff.). Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich hier jedoch nicht.
Denn die von der Antragstellerin gerügten sie betreffenden Aussagen des Antragsgegners sind nicht öffentlich, sondern im Rahmen
von konkreten rechtsförmlichen Verwaltungsverfahren gegenüber einzelnen Leistungsempfängern des Antragsgegners ergangen, nämlich
in Rücknahmebescheiden nach § 45 SGB X zur Begründung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides aus Sicht des
Antragsgegners. Derartige Begründungselemente einer im Einzelfall ergangenen Verwaltungsentscheidung sind Angriffen durch
zivil- oder wie hier sozialhilferechtlichen Unterlassungsansprüchen von vornherein entzogen. Dass der Antragsgegner abwertende
Äußerungen außerhalb rechtsförmlicher Verwaltungsverfahren gegenüber der Öffentlichkeit vorgenommen hätte, wird nicht geltend
gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
Äußerungen, die in engem und unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gesetzlich
geregelten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren stehen, können in aller Regel (mit vorliegend ersichtlich nicht einschlägigen
Ausnahmen) nicht mit Unterlassungsklagen - sog. Ehrschutzklagen - abgewehrt werden (BSG, Beschluss vom 08. April 2005 - B 6 KA 60/04 B -, juris; ständige Rechtsprechung BGH, vgl. z.B. Urteil vom 23.2.1999 - VI ZR 140/98 = NJW 1999, 2736). Dies gilt ebenso für einzelne Begründungselemente der in einem rechtsförmlichen Verfahren ergangenen behördlichen Entscheidung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der das BSG insoweit ausdrücklich folgt (BSG a.a.O.), sollen gesetzlich geregelte Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit
der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen die Beteiligten dort alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung
ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird, ohne befürchten zu müssen,
mit einer Widerrufs- oder Unterlassungsklage überzogen zu werden (vgl. dazu BGH, Urteile vom 18. Oktober 1994 - VI ZR 74/94 - NJW 1995, 397; vom 17. Dezember 1991 - VI ZR 169/91 - NJW 1992, 1314, 1315; vom 13. Oktober 1987 - VI ZR 83/87 - NJW 1988, 1016; vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85 - NJW 1986, 2502, 2503; vom 13. Juli 1965 - VI ZR 70/64 - NJW 1965, 1803; BGH, Urteil vom 9. April 1987 - I ZR 44/85 - NJW 1987, 3138, 3139; vom 23. Februar 1999 - VI ZR 140/98 -, Rn. 8, juris, m.w.N.).
Der BGH hat insoweit ausgeführt, dass eine sog. Ehrschutzklage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen
ist, solange das Ausgangsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Falle sei die Richtigkeit des Parteivorbringens
allein in dem Ausgangsverfahren zu prüfen; mit den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege sei es unvereinbar, wenn diese
Kompetenzregelung durch die Möglichkeit einer gesonderten Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem separaten Prozess unterlaufen
werden könne. Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses solle verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der
Begründetheitsprüfung gelangten, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürften (vgl. nur BGH
a.a.O. NJW 1988, 1016).
So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin ist in etwaigen Klageverfahren oder Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
der betroffenen Leistungsempfänger gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung, soweit die Leistungserbringung
durch die Antragstellerin betroffen ist, nach §
75 Abs.
2 1. Alt
SGG notwendig beizuladen (vgl. BSG, Urteil vom 02. Februar 2010 - B 8 SO 20/08 R -, Rn. 10, juris; vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 8 SO 23/13 R -, SozR 4-3500 § 75 Nr. 6, juris). In diesen Verfahren kann sie ihre Rechte
ausreichend wahrnehmen und versuchen, die Begründungselemente des Antragsgegners in den angegriffenen Rücknahmebescheiden
zu widerlegen.
Zu Recht verweist der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners insoweit darauf, dass der Antragsgegner in Auseinandersetzungen
mit Hilfeempfängern, die auf Veranlassung der Antragstellerin Widerspruch und gegebenenfalls Klage gegen die Einschränkung
ihres Wunsch- und Wahlrechts erheben, anderenfalls gehindert wäre, ein von ihm angenommenes Fehlverhalten der Antragsgegnerin
zur Begründung seiner Rechtsposition geltend zu machen. Es wäre dem Antragsgegner damit von vornherein unmöglich, in anderen
Fällen eine Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechts hinsichtlich der Antragstellerin vorzunehmen. Der Antragsgegner müsste
jedenfalls bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Antragstellerin eine von ihm als rechtswidrig eingeschätzte
Bescheidlage hinnehmen. Dies ist ihm im Sinne einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht zuzumuten.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet und die Beteiligten
sich auf die Aufforderung des Sozialgerichts, zur Höhe des Streitwerts Stellung zu nehmen, nicht geäußert haben, ist für jede
Instanz ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Der Senat konnte die im erstinstanzlichen Verfahren unterbliebene Streitwertfestsetzung nachholen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.