Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes
nach §
115 Abs.
1a Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (
SGB XI).
Die Antragstellerin betreibt einen Pflegedienst. Im Juni 2010 erbrachte sie ambulante Pflegeleistungen für 45 Personen, hierunter
für 13 Pflegebedürftige ausschließlich nach dem
SGB XI sowie für 30 Pflegebedürftige nach dem
SGB XI und dem Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte bei der Antragstellerin am 7. Juni 2010 eine Qualitätsprüfung
durch. Es wurden dabei die Leistungen für 5 Pflegekunden überprüft. Am 24. Juni 2010 wurde der Antragstellerin im Auftrag
der Antragsgegner der auf Grundlage des Prüfberichts des MDK erstellte Transparenzbericht im Entwurf übermittelt. Dabei erhielt
die Antragstellerin folgende Bewertungen:
Qualitätsbereich 1:
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Pflegerische Leistungen
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Note 2,0 gut
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Qualitätsbereich 2:
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Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen
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Note 1,4 sehr gut
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Qualitätsbereich 3:
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Dienstleistung und Organisation
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Note 1,1 sehr gut
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Gesamtergebnis:
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Note 1,6 gut
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Befragung der Bewohner:
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Note 1,0 sehr gut.
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Mit dem an die Antragsgegner gerichteten Schreiben vom 22. Juli 2010 erhob die Antragstellerin gegen verschiedene Prüfungskriterien
Einwände und forderte die Antragsgegner auf, von der Veröffentlichung des Transparenzberichts bis zu dessen Korrektur auf
der Grundlage des abzuändernden Prüfberichts anzusehen. Dies lehnten die Antragsgegner unter dem 27. August 2010 mit der Begründung
ab, die Prüfung und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Sachverhaltsbewertung seien sachgemäß. Der Antragstellerin wurde
bis zum 6. September 2010 die Möglichkeit einer - zu veröffentlichenden - Kommentierung eingeräumt.
Am 7. September 2010 hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegner Klage mit dem Hauptantrag erhoben, die Bewertung der
Transparenzkriterien T 2, T 9, T 13, T 17 und T 19 auf die Note 1,0 zu ändern und dementsprechend die Zusammenfassung der
Qualitätsbereiche 1 und 2 zu korrigieren.
Gleichzeitig hat die Antragstellerin das Sozialgericht Berlin um vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Veröffentlichung
des Transparenzberichts und ihre Verpflichtung, ihn in ihrer Pflegeeinrichtung auszuhängen, ersucht. Das Sozialgericht hat
die Anträge durch Beschluss vom 1. November 2010 mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht
worden. Die Gesamtnote der Klägerin liege mit 1,6 deutlich über der für die Pflegeeinrichtungen im Land Berlin im Oktober
2010 ermittelten Durchschnittsnote von 2,3. Ein Wettbewerbsnachteil, der einer sofortigen Korrektur bedürfte, sei deshalb
nicht zu befürchten.
Mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung bringt die Antragstellerin vor, die von ihr angegriffenen schlechten Einzelnoten
der Transparenzkriterien, die für jedem im Internet einzusehen seien, seien sehr wohl geeignet, für die Auswahl einer Pflegeeinrichtung
entscheidend zu sein. Es könne deshalb nicht hingenommen werden, dass unrichtige Darstellungen ihrer Leistungen zur Veröffentlichung
kämen.
Nachdem der Transparenzbericht vom 7. Juni 2010 inzwischen unter www.pflegelotse.de veröffentlicht worden war, beantragt die
Antragstellerin wörtlich,
in Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2010
1. die Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache es zu unterlassen, die Ergebnisse der
Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 in der Einrichtung der Antragsteller, im Internet oder in sonstiger Weise zu veröffentlichen
oder veröffentlichen zu lassen,
2. festzustellen, dass sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, die Zusammenfassung
der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 in der Einrichtung auszuhängen,
3. die Antragsgegner zu verpflichten, die Veröffentlichung unter www.pflegelotse.de zur Einrichtung der Antragsteller insoweit
zu korrigieren, dass der Transparenzbericht der Prüfung vom 7. Juni 2010 weder einsehbar noch herunterzuladen ist.
Die Antragsgegner beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidung für zutreffend. Ein Anordnungsgrund sei schon deshalb nicht gegeben, weil mit der Veröffentlichung
der Transparenzberichte gerade die Reaktions- und Entscheidungsmöglichkeiten jetziger Kunden und künftiger Interessenten beeinflusst
werden sollten und hierdurch ein Wettbewerb zwischen den Pflegediensten ausgelöst werden sollte. Auch sei die Antragstellerin
auf die Möglichkeiten zu verweisen, eine Kommentierung veröffentlichen zu lassen bzw. einen Antrag auf kurzfristige Wiederholungsprüfung
zu stellen.
II. Die gemäß §
172 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2010 ist zulässig.
Angesichts des Umstands, dass die Antragsgegner nach Erlass des Beschlusses die Veröffentlichung des Transparenzberichts im
Internet veranlasst haben, durfte die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ihren ursprünglich gestellten Antrag, den Antragsgegnern
im Wege der Sicherungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG vorläufig zu untersagen, die Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 künftig veröffentlichen, zulässigerweise dahingehend
erweitern, dass die Antragsgegner im Wege der Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG verpflichtet werden, die bestehende Veröffentlichung wieder zu beseitigen.
1. Der auf vorläufige Beseitigung der Veröffentlichung des die Antragstellerin betreffenden Transparenzberichts vom 7. Juni
2010 im Internet unter www.pflegelotse.de gerichtete Antrag ist begründet.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG ist eine einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung
liegen vor.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da ihre Rechtsverfolgung in der Hauptsache erhebliche
Aussicht auf Erfolg verspricht.
Allgemein anerkannt ist der Anspruch des Bürgers gegen die Verwaltung, der sich auf die Abwehr einer Beeinträchtigung einer
geschützten Rechtsposition durch hoheitliches Handeln richtet, das der Betroffene nicht zu dulden braucht. Denn die Grundsätze
des materiellen Rechtsstaats, zu denen die Grundrechte und die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht gehören,
gebieten, dass eine rechtswidrige Beeinträchtigung einer grundrechtlich oder gesetzlich geschützten Rechtsposition beseitigt
und ihrer Wiederholung vorgebeugt wird. Es kann dahin stehen, ob dieser Beseitigungsanspruch aus einer Analogie zu §§
1004 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
2,
906 BGB, aus dem Rechtsstaatsprinzip oder aus den Freiheitsgrundrechten herzuleiten ist, da er gewohnheitsrechtlich anerkannt ist.
Vorliegend verletzt die Veröffentlichung des Transparenzberichts die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art.
12 Abs.
1 Satz 1
GG.
Der Schutzbereich dieses Grundrecht kann nicht nur berührt sein, wenn eine berufliche Tätigkeit unterbunden wird, sondern
auch dann, wenn der Markterfolg behindert wird, da in der bestehenden Wirtschaftsordnung das Freiheitsrecht des Art.
12 Abs.
1 GG das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs umschließt (vgl. Bundesverfassungsgericht
-BVerfG-, Beschluss vom 28. Juli 2004, 1 BvR 2566/95, NJW-RR 2004, 1710). Die Verbreitung von Informationen über einen Unternehmer ist, obwohl sie ihn nicht grundsätzlich daran hindert, seinen
Beruf auszuüben, geeignet, dessen Erfolg der Berufsausübung beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2004, aaO.).
Damit ist sie jedoch nicht per se ausgeschlossen. Denn eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt gerade voraus, dass die Markteilnehmer
über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen. Informationen, welche Markttransparenz
verbessern und den Marktteilnehmern eine an den eigenen Interessen orientierte Entscheidung über die Bedingungen der Marktteilhabe
ermöglichen, berühren den Schutzbereich der Berufsfreiheit auch dann nicht, wenn sie sich auf die Wettbewerbsposition eines
einzelnen Unternehmens nachteilig auswirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252). Da die inhaltliche Richtigkeit einer Information allerdings grundsätzlich Voraussetzung dafür ist, dass sie die Transparenz
am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert, schützt Art.
12 Abs.
1 GG Unternehmen in ihrer beruflichen Betätigung vor inhaltlich unzutreffenden Informationen oder vor Wertungen, die auf sachfremden
Erwägungen beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, aaO.).
An diesen Maßstäben gemessen stellt die Veröffentlichung des Transparenzberichts vom 7. Juni 2010 durch die Antragsgegner
einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Antragstellerin dar. Denn die Vergabe der Noten, eine Wertentscheidung
des MDK, die sich die Antragsgegner mit deren Veröffentlichung zu Eigen gemacht haben, beruht auf einer unzureichend ermittelten
Tatsachengrundlage und damit auf sachfremden Erwägungen im genannten Sinne. Damit kann offen bleiben, ob dem MDK im Rahmen
der nach §
115 Abs.
1a SGB XI vorzunehmenden Bewertungen Beurteilungsspielräume eröffnet sind, da ein derartiger Fehler im Abwägungsvorgang auch in diesem
Fall gerichtlich vollständig überprüft werden darf und im Hinblick auf Art.
19 Abs.
4 GG überprüft werden muss.
Es begegnet bereits Zweifeln, ob die "Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant" (PTVA) vom 29. Januar 2009 den gesetzlichen
Vorgaben des §
115 Abs.
1a Satz 6
SGB XI gerecht wird, wonach neben den Kriterien der Veröffentlichung auch "die Bewertungssystematik" zu vereinbaren ist, und damit
als Normsetzungsvereinbarung überhaupt Bindungswirkung für die einzelne Pflegeeinrichtung entfalten kann. Derartige Zweifel
ergeben sich insbesondere deswegen, weil die Vertragsparteien im Vorwort der PTVA selbst einräumen, dass derzeit keine pflegewissenschaftlich
gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität vorliegen.
Der Träger der Staatsgewalt kann allerdings zur Verbreitung von Informationen unter besonderen Voraussetzungen auch dann berechtigt
sein, wenn ihre Richtigkeit noch nicht abschließend geklärt ist. In solchen Fällen hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen
Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung
verfügbarer Informationsquellen, gegebenenfalls auch unter Anhörung Betroffener, sowie in dem Bemühen um die nach den Umständen
erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden ist. Verbleiben dennoch Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, ist der Staat
an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt,
dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, etwa ein Verbraucherrisiko, aufgeklärt werden (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, aaO.). Vorliegend liegen diese besonderen Voraussetzungen jedoch nicht vor. Anders als
etwa bei der Veröffentlichung einer Liste diethylenglykolhaltiger Weine unter Nennung der betroffenen Abfüllbetriebe zielt
die Veröffentlichung der Transparenzlisten durch die Antragsgegner nicht darauf ab, auf eine aktuelle Krise schnell und sachgerecht
zu reagieren sowie den Bürgern durch rechtzeitige Informationen zu Orientierungen zu verhelfen. Vielmehr soll die Veröffentlichung
der Qualitätsprüfungen die Transparenz für die Verbraucher über die Leistungen und deren Qualität von ambulanten Pflegediensten
verbessern. Die Publikation von Benotungen, die auf Grundlage nicht valider Daten vorgenommen wurde, ist hierfür offensichtlich
nicht geeignet (a.A. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2010, L 10 P 76/10 B ER, bei Juris).
Rechtliche Bedenken bestehen daneben auch insoweit, als nach der PTVA die verschiedenen Bewertungskriterien unterschiedslos
gleich gewichtet werden und damit massive Verzerrungen der Bewertungsergebnisse, insbesondere im Hinblick auf die Ergebnisqualität,
zu befürchten sind. Vorliegend hat sich beispielsweise im Qualitätsbereich 1 (pflegerische Leistungen) die fehlende bzw. unzureichende
Dokumentation der individuellen Wünsche zum Essen und Trinken (Kriterium 2) in einer Bewertung mit der Note 4,1 niedergeschlagen,
ohne dass eine Aufklärung dahingehend ersichtlich ist, ob und inwieweit sich der Dokumentationsmangel auf die tatsächliche
Berücksichtigung der Patientenwünsche ausgewirkt hat. Im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, die tatsächliche Leistungserbringung
und deren Qualität zu veröffentlichen, erscheint es bedenklich, eine derart massive Schlechtbenotung vorrangig auf fehlende
oder unzureichende Dokumentation zu stützen.
Ferner bestehen aus der Sicht des Senats Zweifel an der in §
115 Abs.
1a Satz 1
SGB XI vorausgesetzten Vergleichbarkeit der zu veröffentlichenden Leistungen und deren Qualität. Denn ein sachgerechter Vergleich
setzt die hinreichende Aussagekraft der heranzuziehenden Daten voraus. Dementsprechend bestimmt § 2 PTVA zwar, dass die auszuwertende
Patientengruppe eine bestimmte Mindestgröße haben muss, doch enthält die gemäß § 3 Abs. 2 PTVA in Verbindung mit Ziffer 2.1.
der Anlage 2 anzuwendende Bewertungssystematik zugleich eine Bestimmung, wonach ein Kriterium, das für einen pflegebedürftigen
Menschen nicht zutrifft, nicht in die Bewertung und Mittelwertberechnung einzubeziehen sei. Dies ermöglicht eine Bewertung
von Kriterien auch bei Unterschreitung der in § 2 PTVA vorgesehenen Mindestanzahl auszuwertender Fälle und vergrößert so die
Wahrscheinlichkeit nicht repräsentativer Zufallsergebnisse. Die bereits bei abstrakter Betrachtung der Regelung bestehenden
Bedenken werden im konkreten Fall bestätigt. So hat der MDK von den 17 Kriterien des Qualitätsbereichs 1 nur ein einziges
unter Heranziehung aller fünf ausgewählten Patientenfälle bewerten können. Bei vier Kriterien basiert die Bewertung hingegen
auf nur jeweils einem Fall.
Diese Fragen können im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Die Entscheidung
über die Gültigkeit der PTVA muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Auch die konkrete Anwendung der PTVA begegnet - neben den eben genannten Fällen - vorliegend Bedenken, soweit im Qualitätsbereich
1 das Kriterium 17 mit 5,0 bewertet wurde, demzufolge in dem (allein herangezogenen - und schon deshalb problematischen) Fall
eines Pflegebedürftigen bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen die notwendige Einwilligung oder Genehmigung nicht vorgelegen
haben soll. Die qualifizierten Einwände der Antragstellerin mit dem Sachvortrag, das Abschließen der Wohnungstür der Wohngemeinschaft
diene allein dem Schutz von außen, da die Bewohner auf Nachfrage bei dem ständig anwesenden Pflegepersonal jederzeit den Wohnbereich
verlassen könnten, haben die Antragsgegner nicht hinreichend gewürdigt, indem sie im Schreiben vom 27. August 2010 nur auf
die allgemeine Rechtslage verwiesen haben.
Mit der Feststellung der Beeinträchtigung des Schutzbereichs steht in solchen Fällen auch die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung
fest (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, aaO.), weshalb sie von der Antragstellerin nicht zu dulden ist. Eine Rechtfertigung
der Weiterverbreitung unrichtiger Informationen bzw. - wie hier - von Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen, ist
ausgeschlossen. Es ist daher für die Zulässigkeit öffentlicher Bewertungen nicht ausreichend, dass keine groben Fehler oder
Bewertungsmängel bzw. keine schwerwiegenden Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben vorliegen (a.A. Landessozialgericht Sachsen,
Beschluss vom 24. Februar 2010, L 1 P 1/10 B ER, und Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2010, L 10 P 76/10 B ER, jeweils bei Juris; vgl. auch zur "Pflege-Transparenzvereinbarung stationär": Hessisches Landessozialgericht, Beschluss
vom 28. Oktober 2010, L 8 P 29/10 B ER, bei Juris). Zum Einen hat die Öffentlichkeit grundsätzlich Anspruch auf zutreffende Information. Dies gilt auch wegen
des öffentlichen Interesses an einer fairen Marktsituation. Zum Anderen verlangt der Schutz des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit,
dass die veröffentlichten Daten und Bewertungen auf zutreffender Tatsachengrundlage zustande kommen.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eilbedürftigkeit ist hier zu bejahen, da durch die Veröffentlichung
des Transparenzberichts eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit bereits eingetreten ist und durch die weiter bestehende Einsichtsmöglichkeit
perpetuiert wird. Der Umstand, dass das Gesamtergebnis der Bewertung 1,6 (gut) lautet, kann auch im Rahmen des vorläufigen
Rechtsschutzes nicht dazu führen, dass sie diesen Eingriff bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinzunehmen hätte.
Selbst ein "nicht sonderlich negatives" Ergebnis lässt einen Wettbewerbsnachteil befürchten, der einer umgehenden Korrektur
bedarf. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass mit der zunehmenden Zahl der geprüften Pflegeeinrichtungen die Durchschnittsnote
in Berlin sich von 2,3 im Oktober 2010 auf 1,9 im März 2011 erhöht hat, so dass nicht mehr die Rede davon sein kann, die Benotung
der Antragstellerin liege deutlich höher als der Landesdurchschnitt. Zudem ist hinsichtlich der Wettbewerbssituation nicht
allein auf das gesamte Bundesland abzustellen, sondern entsprechend den Suchkriterien auf www.pflegelotse.de auf das unmittelbare
Gebiet, in welchem die Pflegeeinrichtung tätig wird. Bei Eingabe der Postleitzahl 12053 werden im Bereich unter 1 km neben
der Antragstellerin sechs Anbieter genannt, von denen zwei noch nicht geprüft wurden. Ein Anbieter hat die Gesamtnote 3,6
erhalten, die drei anderen die Noten 1,1 und 1,2 sowie 1,3. Sucht ein in diesem Gebiet ansässiger Pflegebedürftiger eine Pflegeeinrichtung
im Nahbereich seiner Wohnung, liegt deshalb ein Wettbewerbsnachteil der Antragstellerin mit Rücksicht auf ihre Benotung von
1,6 gegen ihren Konkurrenten auf der Hand. Wesentliche Nachteile würden ihr auch dann drohen, wenn ihre Kommentare zu der
Bewertung durch die Antragsgegner in die Veröffentlichung aufgenommen würden, weil solche gegen die hoheitliche Bewertung
nur begrenzt Marktwirksamkeit erlangen können.
2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat insoweit Erfolg, als sie die vorläufige Unerlassung
der weiteren Veröffentlichung des betreffenden Transparenzberichts vom 7. Juni 2010 begehrt.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG ist eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand zu treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung
des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Ihre Rechtsverfolgung in der Hauptsache hat erhebliche Erfolgsaussicht: Die Voraussetzungen des gewohnheitsrechtlich anerkannten
Unterlassungsanspruch (entsprechend dem in §
1004 Abs.
1 Satz 2 und Abs.
2,
906 BGB verkörperten Rechtsgedanken), der sich auf die Abwehr einer drohenden Beeinträchtigung einer geschützten Rechtsposition durch
hoheitliches Handeln richtet, das der Betroffene nicht zu dulden braucht, sind nach dem eben Ausgeführten erfüllt. Die weitere
Veröffentlichung des Transparenzberichts stellte einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin
dar, den sie nicht zu dulden hätte. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes berücksichtigt der Senat insbesondere die schwer zu
korrigierenden Folgen einer Veröffentlichung der fehlerhaften Bewertungen für die Berufsausübung der Antragstellerin im Rahmen
des Wettbewerbs der Pflegeeinrichtungen.
3. Soweit die Antragstellerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung begehrt, sie sei bis zu der Entscheidung
in der Hauptsache nicht verpflichtet, die Zusammenfassung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 in ihrer Einrichtung
auszuhängen, hat ihre Beschwerde keinen Erfolg. Zwar dürfte die Klägerin tatsächlich nicht nach §
115 Abs.
1a Satz 5
SGB XI verpflichtet sein, eine Zusammenfassung der Prüfergebnisse an gut sichtbarer Stelle in der Pflegeeinrichtung auszuhängen,
da diese Verpflichtung die Rechtmäßigkeit des Transparenzberichts voraussetzt, an der vorliegend erhebliche Zweifel bestehen.
Einen Anordnungsgrund für die - grundsätzlich auch im Rahmen einer einstweiligen Anordnung mögliche - vorläufige Feststellung
hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegner
in Konkretisierung der gesetzlichen Verpflichtung des §
115 Abs.
1a Satz 5
SGB XI die Antragstellerin aufgefordert haben, die Prüfergebnisse auszuhängen.
Bei der für die Anordnungen auf Beseitigung bzw. auf Unterlassung der Veröffentlichung festzusetzenden Frist geht der Senat
davon aus, dass das Hauptsacheverfahren besonders zügig zu entscheiden ist und auch entschieden werden kann. Sollte das Verfahren
in der Hauptsache bis zu dem hier gesetzten Termin noch nicht abgeschlossen sein, wäre ggf. auf entsprechenden Antrag durch
das dann zuständige Gericht der Hauptsache über die weitere Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
197a SGG in Verbindung mit §
155 Abs.
1 VwGO. Sie berücksichtigt den jeweiligen Erfolg der Rechtsverfolgung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197a
SGG, 63, 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 2 GKG. Sie berücksichtigt den ausdrücklichen Verweis des § 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG für das sozialgerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf § 52 Abs. 2 GKG, weshalb eine Reduzierung des Auffangstreitwertes für derartige Verfahren ausgeschlossen erscheint.
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§
177 SGG).