Tatbestand:
Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses am 29. November 1966 als Arbeitsunfall.
Der 1943 geborene Kläger reichte bei der Beklagten am 11. November 2004 unter anderem aus dem Archiv der C folgende Unterlagen
ein:
- Bericht des Pathologischen Instituts vom 21. Dezember 1966 über eine am 09. Dezember 1966 eingegangene Gewebeprobe mit der
Diagnose Meniskus mit beginnender Verschleimung,
- Schreiben des Oberarztes Dr. E vom 20. Februar 1967 an das Rehabilitationszentrum K, wonach der Kläger als "Angehöriger
des Deutschen Fechtverbandes als Zustand nach Meniskotomie überwiesen" werde und Solotänzer an der Staatsoper sei,
- Bericht Dr. E über die stationäre Behandlung des Klägers vom 14. Dezember 1966 bis zum 10. Februar 1967, wonach es sich
um einen Vorderhornausriss des medialen Meniskus rechts handelte, welcher durch eine Entfernung des ganzen Meniskus am 16.
Dezember 1966 operativ behandelt worden sei, und der Kläger für die Nachbehandlung eine Verordnung über UWD und Kräftigungsübungen
der Quadricepsmuskulatur rechts erhielt;
- Schreiben Dr. E vom 23. Mai 1967, wonach beim Kläger immer noch eine erhebliche Atrophie der Oberschenkelmuskulatur rechts
besteht und am Knorpelbelag bereits Schliffspuren zu sehen waren,
- Arztbefund der Dres. A und W vom 04. April 1978 mit der Diagnose Zustand nach Meniskusektomie rechts medial 1966 mit intraoperativer
Feststellung eines Knorpelschadens am rechten medialen Femurcondylus, aktuelle Meniscusrecidivsymptomatik, Arthrose im Femoro-Patellagelenk
rechts, Dysplasie des medialen Anteils des rechten Kniegelenks,
- Anamnese Dr. E über den "23-jähr." Kläger, in welcher es unter anderem heißt: "1958/59 Kniebinnenschaden li", "Bereits 1962
beim Abfangen eines Sprungs mit dem re Knie nach innen weggeknickt", "am 29.11.1966 beim Aufkommen nach einem gedrehten Sprung
sofort heftige Schmerzen über re Knieinnenseite".
Unter dem 12. November 2004 präzisierte der Kläger in einem Unfallfragebogen der Beklagten, dass der Unfall sich am 29. November
1966 auf der Bühne der Staatsoper während des ersten Akts aus "Giselle" in der Rolle des "Hilarion" ereignet habe. Die Arbeitszeit
sei von 10.00 bis 22.15 Uhr gewesen. Der Unfall habe sich bei einem Sprung in die Luft mit doppelter Drehung ereignet, der
auf dem rechten Bein gelandet worden sei. Das ganze Ballettensemble, die Chefchoreografin L G, der Inspizient und die Bühnentechnik
seien neben dem Publikum zugegen gewesen. Die Inspizientin sei zuerst hinzugekommen, deren Namen er nicht mehr wisse. Er habe
damals starke Schmerzen im Knie festgestellt und sei zunächst im Polizeikrankenhaus B vom verstorbenen Prof. Dr. K behandelt
worden. Die Arbeit habe er erst nach zehn Monaten wieder aufgenommen.
Die Beklagte forderte vom Bezirksamt von B - Abteilung Gesundheit und Soziales - Unterlagen aus der dort geführten Krankenakte
aus der Zeit ab 1978 an. Der Kläger entschied sich auf eine Anfrage der Beklagten für eine Begutachtung durch Prof. Dr. E
vom Unfallkrankenhaus Berlin (UKB). Dieser erstellte unter dem 01. März 2006 ein Gutachten, in welchem er ausführte, dass
sich der Kläger bei Verdrehtraumata des rechten Knies 1962 und am 29. November 1966 einen Innenmeniskusriss und eine Innenbandruptur
im rechten Knie zugezogen habe. Die hierauf beruhende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) belaufe sich auf 20 vom Hundert
(v.H.). Bereits vor dem 01. Juli 1990 müsse eine Rente in rentenberechtigendem Grade bestanden haben.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05. Juli 2006 eine Feststellung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Es sei mangels
damals erstellter Unfallanzeige oder Anerkennungseintragung im Sozialversicherungsausweis nicht erwiesen, dass der Kläger
während einer versicherten Tätigkeit Unfälle erlitten habe. Der Kläger erhob am 11. Juli 2006 Widerspruch und begründete ihn
unter dem 18. Juli 2006. Er verwies auf die dokumentierte Behandlung der Knieverletzung sowie darauf, dass er wegen der Kniebeschwerden
ausgemustert worden und frühzeitig Choreograph geworden sei, weil er nur noch mimisch anspruchslose Rollen habe tanzen können.
Die Beklagte zog Auszüge aus dem Sozialversicherungsausweis des Klägers mit Eintragungen vom 01. September 1957 bis zum 01.
Januar 1965, eine von der Staatsoper erstellte Bescheinigung über Arbeitsentgelte unter anderem mit Eintragungen für August
bis Dezember 1962 und 1966 und einen Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) bei. Die DRV bestätigte
auf Nachfrage der Beklagten, dass der Sozialversicherungsausweis keine Eintragungen nach 1965 enthalten habe und dem Kläger
wieder ausgehändigt worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006 mit im Wesentlichen
gleichbleibender Begründung zurück und verwies zudem darauf, dass erstmals 1976 in der von ihm erfragten Anamnese ein Unfallereignis
für die Jahre 1962 und 1966 erwähnt werde.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 19. Dezember 2006 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt, auf seinen an der P Schule D, Fachschule für Künstlerischen Tanz, nach einem fünfjährigen
Studium am 23. Juni 1962 erlangten Fachschulabschluss als Bühnentänzer verwiesen und behauptet, dass er am 29. November 1966
bei der Aufführung des Balletts "Giselle" an der Staatsoper in der Solo-Rolle des "Hilarion" aufgetreten sei. Gemäß der Choreographie
habe er einen Sprung ausgeführt, der in der so genannten Auswärtsstellung gelandet werde. Beim Aufkommen auf den Boden sei
es zum Einknicken des rechten Knies nach innen gekommen. Er habe die Vorstellung nicht zu Ende tanzen können. Die Zeuginnen
S und S, welche in der Vorstellung als Solotänzerinnen auf der Bühne gewesen seien, könnten dies bestätigen. Ein bei der Vorstellung
anwesender Arzt habe sogleich einen Meniskusriss mit Knorpelabriss diagnostiziert. Nachdem zunächst versucht worden sei, den
Schmerzen und Schwellungen mittels Kühlung entgegenzuwirken, sei er am 30. November 1966 stationär aufgenommen worden. Der
Kläger hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach er zu keiner Zeit und in keiner Form Mitglied eines Sportvereins
während seiner Zeit als Tänzer in der ehemaligen DDR war. Auch seine damalige Ehefrau, die Zeugin M, welche, als der Unfall
sich ereignet habe, als Balletttänzerin in L gearbeitet habe und nach dem Unfall zum Kläger zurückgekehrt sei, könne die Behauptung
des Klägers bestätigen.
Die Beklagte ist der Klage mit dem Vorbringen entgegengetreten, dass der Unfall erstmals 1976 dokumentiert sei. Davon abgesehen
lägen keine objektiven Funktionsbeeinträchtigungen vor, wobei unfallfremde Faktoren unberücksichtigt bleiben müssten. Das
SG hat eine schriftliche Befragung der vom Kläger benannten Zeuginnen durchgeführt. Die Zeugin S hat unter dem 17. Februar 2007
angegeben, sich bei der Vielzahl der miterlebten Ballettunfälle an einen vom Kläger erlittenen nicht genau erinnern zu können.
Die Zeugin S hat mit Posteingang vom 21. Februar 2007 bekundet, mit dem Kläger zusammen das Ballett "Giselle" am 29. November
1966 aufgeführt zu haben. Sie habe die Rolle der "Myrtha" gespielt, der Kläger den "Hilarion". Zum Hergang des Unfalls könne
sie nichts sagen, weil er während des ersten Aktes geschehen sei, wohingegen sie erst im zweiten Akt aufgetreten sei. Der
Kläger habe die Vorstellung nicht abgebrochen, weil der "Hilarion" im zweiten Akt nur einen sehr kurzen Auftritt habe. Über
die Art der Verletzung könne sie keine Auskunft geben. Sie wisse nur, dass der Kläger in der C operiert worden sei und nach
diesem Unfall die Tänzerlaufbahn habe aufgeben müssen. Die Zeugin M hat unter dem 29. Mai 2007 schriftlich bekundet, dass
der Kläger im ersten Jahr ihrer von 1966 bis 1976 währenden Ehe einen Bühnenunfall als Tänzer an der Staatoper gehabt habe.
Das SG hat die auf Anerkennung des Ereignisses vom 29. November 1966 als Arbeitsunfall und auf Gewährung von Entschädigungsleistungen
gerichtete Klage mit Urteil vom 25. Juni 2007 abgewiesen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Anerkennung als Arbeitsunfall voraussetze, dass die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis
und die Erkrankung mit Gewissheit bewiesen seien. Hiervon ausgehend fehle es vorliegend an der nötigen richterlichen Überzeugung.
Zwar bestünden nach den ärztlichen Unterlagen Anzeichen für den geschilderten Unfallhergang. Es sei aber auch nicht auszuschließen,
dass es bei einer nicht beruflich veranlassten und rein privaten Tätigkeit zu einem Aufkommen nach einem gedrehten Sprung
gekommen sein könne. Soweit sein Verdienst nach der Entgeltbescheinigung der Staatsoper von 1966 bis 1971 geringer gewesen
sei als 1964 und 1965, lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen, auf welchen Umständen die Einkommensschwankungen beruhten.
Die schriftlichen Zeugenaussagen gäben für den konkreten Unfallhergang nichts her. Ein Arbeitsunfall lasse sich auch nicht
durch Eintragungen im Sozialversicherungsausweis bestätigen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 19. Juli 2007 zugestellte Urteil am 15. August 2007 Berufung eingelegt und die Anerkennung
seiner im Rahmen einer Ballettvorführung am 29. November 1966 erlittenen Knie-Verletzung als Arbeitsunfall weiterverfolgt.
Er hat seine Behauptung dahingehend vertieft, beim Ballett "Giselle" als "Hilarion" Auftritte im ersten und zweiten Akt gehabt
zu haben. Beim zweiten Auftritt im ersten Akt habe er einen zweifach gedrehten Sprung zu absolvieren gehabt, bei dem er auf
dem rechten Bein beziehungsweise Fuß in Außenstellung habe aufkommen sollen. Beim tatsächlichen Sprung habe er jedoch nicht
genug Spannung bei der Landung im rechten Bein (im "Jungfrauenmuskel") gehabt und sei er deshalb nach innen mit dem Knie abgeknickt,
und zwar so weit, dass er mit dem Knie auf dem Boden aufgekommen sei, wobei große Schmerzen eingeschossen seien. Er habe eigentlich
im ersten Akt noch einen weiteren Auftritt gehabt, der unterblieben sei. Es sei ohne ihn weitergetanzt worden. Hinter der
Bühne und in der Pause sei sofort mit Eisbeuteln gekühlt worden. Mit dem vor Ort vorhandenen Arzt und den anderen Ballettmitgliedern
sei diskutiert worden, wie es jetzt weitergehe, da er ja noch als "Hilarion" Auftritte im zweiten Akt vor sich gehabt habe.
Im zweiten Akt werde "Hilarion" durch "Myrtha" dann in die Unterwelt verbannt. Man habe dies in der tänzerischen Darstellung
dann abgewandelt, und zwar so, dass er sich nur noch in einer Pose am Rand der Bühne habe aufstellen müssen, damit die "Myrtha"
einen Anspielpunkt gehabt habe. Vor der Wiederauferstehung der "Giselle" werde normalerweise "Hilarion" von "Myrtha" verdammt.
Diese Position sei ihm dadurch erleichtert worden, dass er quasi auf die entsprechende Gestik der "Myrtha" hin nur zwei Schritte
nach hinten habe machen müssen und sozusagen von der Bühne verschwunden gewesen sei. Originalunterlagen könnten nicht mehr
vorgelegt werden, weil ein Teil davon im Rahmen der Ernennung des Klägers zum ordentlichen Professor auf Verlangen des damaligen
Ministeriums für Kultur der DDR nach dort weggegeben worden sei, welches die lückenlose Vorlage verlangt habe. Ein Teil sei
bei einer Überschwemmung seines Kellers vernichtet worden. Der Kläger ist der Auffassung, dass das SG die Beweise unzutreffend gewürdigt habe. Insbesondere aus den Aussagen der Zeuginnen S und M ergebe sich, dass er am 29.
November 1966 den Bühnenunfall erlitten habe und dessentwegen im unmittelbaren zeitlichen Anschluss operativ behandelt worden
sei, was aus der Anamnese der Dres. und S folge. Dass er ausweislich der vorliegenden Gehaltsbescheinigung der Staatsoper
im Anschluss an den Unfall beinahe das gleiche Gehalt bezogen habe wie vor dem Unfall, erkläre sich aus der Lohnfortzahlung.
Die finanziellen Abstriche beruhten allein darauf, dass er nicht mehr eine Prämie von 30,00 Mark pro Solotänzer und Auftritt
habe einstreichen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Juli 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 29. November 1966 ein Arbeitsunfall
war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie ist der Auffassung, dass die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis
und die Primärschädigung mit Gewissheit bewiesen werden müssten.
Der Senat hat im Ergebnis erfolglos versucht, Originalunterlagen bei der DRV, beim Bezirksamt von B - Abt. Gesundheit/LuV
Gesundheit, Interne Dienste - und beim Deutschen Fechterbund zu beschaffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die beigezogene
Verwaltungsakten der Beklagten und die Rentenakten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger, welcher einen
Anspruch auf Feststellung hat, dass das Ereignis am 29. November 1966 ein Arbeitsunfall war.
Der vom Kläger erhobene Anspruch beurteilt sich nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB VII) geltenden Vorschriften der Reichversicherungsordnung (
RVO).
Ein Rückgriff auf die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des
SGB VII scheidet gemäß §
212 SGB VII aus, weil der geltend gemachte Unfall bereits vor dem Inkrafttreten des
SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten war. Stattdessen bemisst sich der vorliegende Fall gemäß §
215 Abs.
1 S. 1
SGB VII in Verbindung mit § 1150 Abs. 2
RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung, weil es um die Übernahme eines vor dem 01. Januar 1992 in der ehemaligen
DDR eingetretenen Unfalls als Arbeitsunfall geht. Nach § 1150 Abs. 2 S. 1
RVO gelten wiederum Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet
geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
im Sinne des Dritten Buches der
RVO. Dies gilt nach § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
RVO allerdings nicht für Unfälle, die einem ab dem 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung
erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach der
RVO nicht zu entschädigen wären.
Hieran gemessen bestimmt sich das Vorliegen eine Arbeitsunfalls allein nach den aus §§ 539 ff.
RVO folgenden Maßstäben. Denn der vom Kläger behauptete Bühnenunfall ist zwar vor dem 01. Januar 1992 eingetreten, jedoch der
Beklagten als einem ab dem 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Jahre 2004
bekannt geworden.
Nach § 547
RVO werden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vom Träger gewährt, wenn ein Arbeitsunfall vorliegt. Arbeitsunfall
im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 1
RVO ist ein Unfall, welchen ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540, 543 bis 545
RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist es erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall
ereignet, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeiführt.
Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für
besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche
Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität
im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich
der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen
Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als
Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis
und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen
(BSG, aaO., Rn. 10; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 21 f.). Die vorgenannten
Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an
Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die tatbestandlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle
Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen
der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine
versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (etwa BSG, Urteil vom 04. Juni 2001 - B 2 U 24/01 R -, zitiert nach juris Rn. 13). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R -, zitiert nach juris Rn. 15).
Dies zugrunde gelegt steht ausgehend von den Angaben des Klägers, seiner ehemaligen Ehefrau, der Zeugin M, der Zeugin S und
der Entgeltbescheinigung der Staatsoper im §
128 Abs.
1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) genügenden Maße zunächst vollbeweislich fest, dass der Kläger sich im Zeitpunkt des behaupteten Bühnenunfalls als Balletttänzer
in einer versicherten Tätigkeit eines aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigten im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 1
RVO befand, als er am 29. November 1966 bei einer Aufführung des Balletts "Giselle", eines romantischen Balletts in zwei Akten
nach einem Libretto von Theophile Gautier und der Musik unter anderem von Adolphe Adam (rech. nach wikipedia) den "Hilarion"
gab.
Hiervon ausgehend steht vollbeweislich zur Überzeugung des Senats fest, dass der Unfall so, wie ihn der Kläger behauptet,
sich während der versicherten Tätigkeit ereignete. Hierfür ist maßgeblich auf die schriftliche Aussage der Zeugin S zu verweisen,
welche in der Aufführung erst ab dem zweiten Akt die Rolle der "Myrtha" spielte, nämlich der in der Tat erst im zweiten Akt
auftretenden Königin der so genannten Wilis, welche in der Handlung des Balletts junge Frauen sind, die vor ihrer Hochzeit
gestorben sind (rech. nach wikipedia). Zwar sah die Zeugin den vom Kläger behaupteten Sturz eigenen Angaben zufolge nicht
mit an, weil sie erst noch auf Ihren Auftritt wartete. Jedoch hat sie, ohne sich Angaben zum genauen Unfallhergang anzumaßen,
glaubhaft bekundet, dass der Kläger noch im zweiten Akt einen kurzen Auftritt hatte und dann in der C operiert und behandelt
wurde. Dass sie sich eben hieran noch zu erinnern vermocht hat, erklärt sich aus den Besonderheiten der damaligen Aufführung,
welche der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal eindringlich dargestellt hat. Seinen bildhaften
und plausiblen Angaben zufolge knickte der Kläger im ersten Akt nach der Landung des Sprungs nach innen mit dem Knie ab, und
zwar so weit, dass er mit dem Knie auf den Boden aufkam und hierbei große Schmerzen einschossen, so dass er den Tanz im ersten
Akt abbrechen musste. Es folgte seinen glaubhaften Angaben zufolge in der Pause zwischen dem ersten und zweiten Akt mit den
anderen Ballettmitgliedern eine Diskussion, wie die Aufführung weitergestaltet werden sollte, weil er ja noch im zweiten Akt
als "Hilarion" aufzutreten hatte, welcher nach der Dramaturgie noch von "Myrtha" in die Unterwelt verbannt werden sollte.
Um die Aufführung dann noch zu Ende zu bringen, entschied man sich, den Kläger am Rand der Bühne so Aufstellung nehmen zu
lassen, dass er für die "Myrtha" einen so genannten Anspielpunkt vermittelte, um danach mit lediglich zwei Schritten wieder
von der Bühne abtreten zu können. Diesen einmaligen Geschehensablauf vor Augen erscheint es nachvollziehbar, dass sich die
Zeugin S auch noch nach dem eingetretenen Zeitablauf erinnern konnte.
Die Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis unterliegt mithin keinen Zweifeln.
Nach alldem sind schließlich vernünftige Zweifel ausgeschlossen, dass sich der Kläger gerade bei der Ballettaufführung vom
29. November 1966 den - wie vorstehend dokumentierten - Vorderhornausriss des medialen Meniskus rechts als Gesundheitserstschaden
zuzog, zumal nach dem einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum gerade ein wie vom Kläger behauptetes Aufkommen nach einem
gedrehten Sprung geeignet ist, einen Meniskusriss herbeizuführen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit,
8. Auflage 2010, Nr. 8.10.5.3.2.2, S. 618 f.). Hierfür ist auf die Behandlungsdokumentation der C über eine im Dezember 1966,
also unmittelbar zeitlich anknüpfende stationäre Meniskusbehandlung zu verweisen. So wird zeitnah zum behaupteten Ereignis
vom Pathologischen Institut der C unter dem 21. Dezember 1966 von einem am 09. Dezember 1966 eingegangenen Gewebsstück (Meniskus
n.A.) berichtet. Die Dres. E und S berichteten unter dem 19. Februar 1969 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom
14. Dezember 1966 bis zum 10. Februar 1967 und eine operative Entfernung des Meniscus in toto am 16. Dezember 1966. Schließlich
ergibt sich aus der undatierten Anamnese ("Am 29.11.1966 beim Aufkommen nach einem gedrehten Sprung sofort heftige Schmerzen
über re Knieinnenseite") über einen "23-jähr. leptosomen Pat." der Dres. E und S eine zeitnahe Bestätigung des vom Kläger
geschilderten Unfallhergangs. Entgegen der Wertung der Beklagten handelt es sich bei dieser Anamnese auch nicht um eine viel
später erstellte, sondern um eine, welche, wenn dort von einem 23-jährigen Patienten die Rede ist, ausgehend vom Geburtsdatum
des Klägers im Jahr 1943 im Jahr 1966 oder 1967 erstellt wurde. Letztlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat nochmals bestätigt, zunächst von Prof. Dr. K behandelt worden zu sein, was auch der der Operation vorausgegangenen
Anamnese zu entnehmen ist. Die schriftliche Dokumentation der nur noch teilweise vorhandenen beziehungsweise nur zum Teil
mikroverfilmten Patientenunterlagen der C lassen keinen anderen Schluss zu. Unmittelbar an die handschriftlich verfasste Anamnese
schließt sich auf dem gleichen Blatt (Rückseite) der mit Schreibmaschine unter dem "16.12.1966" verfasste Operationsbericht
an. Zudem ist die Seite mit einem (später) durchgestrichenen Aktenzeichen aus dem Jahr 1966 ("4686/66") versehen, welches
sich auch noch (nicht durchgestrichen) auf Seiten findet, welche die weitere Behandlung im Jahre 1967 betreffen. Dass der
Kläger sich offensichtlich nicht mehr an den genauen Behandlungsablauf erinnern konnte, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht
und ist nach dem eingetretenen Zeitablauf verständlich.
Hiernach steht im Übrigen auch die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden fest.
Gerade vor dem Hintergrund der eingehenden Krankenhausdokumentation kann dahinstehen, warum der Kläger nicht mehr in der Lage
ist, Originalunterlagen, insbesondere seinen Sozialversicherungsausweis für die Zeit ab 1966 und gegebenenfalls auch eine
Unfallmeldung vorzulegen, gleichfalls, ob grundsätzlich nur Leistungssportler in der Rehabilitationseinrichtung in K aufgenommen
wurden. Echte Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch Leistungsfechter war, liegen ohnehin nicht vor. Abgesehen davon, dass
der Kläger selbst in seiner eidesstattlichen Versicherung und auch mit seinem sonstigen Vorbringen bestritten hat, jemals
Fechter gewesen zu sein, ist auch eine Anfrage des Senats beim Deutschen Fechterbund ergebnislos geblieben und erscheint das
Vorbringen des Klägers plausibel, wonach ihm allein die formelle Zuordnung zu einem Sportverband der DDR den Zugang zur Rehabilitationseinrichtung
K verschaffte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen jedenfalls nicht vor.