Gründe:
I. Die Antragstellerin ist als Ärztin für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung in S zugelassen. Das Recht, die
Schwerpunktbezeichnung Kardiologie zu führen, verlieh ihr die Landesärztekammer Brandenburg mit Wirkung vom 2. April 2008.
Ihren bereits im Februar 2005 gestellten Antrag auf Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von schwerpunktspezifischen
internistischen Leistungen - Kardiologie - nach Abschnitt 13.3.5 des seit dem 1. April 2005 geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabs
(EBM) lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14. April 2005 und Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2005 ab. Über die
hiergegen zum Sozialgericht Potsdam erhobene Klage (S 1 KA 31/06) ist bisher nicht entschieden. In einem auf vorläufige Genehmigung gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren verglichen
sich die Beteiligten vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (L 7 B 89/06 KA ER) auf Grund eines Vorschlages des Berichterstatters vom 27. April 2006 und einer Abänderung der Antragsgegnerin vom
31. August 2006 wie folgt:
1. Die Antragsgegnerin zahlt der Antragstellerin für die Quartale II/2006 bis VI/2006 zusätzlich zu ihren Honoraren für diese
Quartale mit der Restzahlung Abschläge je Quartal in Höhe von 11.600,- € abzüglich Verwaltungskosten. Dieser Betrag ergibt
sich aus der Differenz des Honoraranspruchs der Antragstellerin für das Quartal I/2006 zu dem fiktiv berechneten Honoraranspruch
der Antragstellerin unter Zugrundelgung des Regelleistungsvolumens für Fachärzte für Innere Medizin mit SP Kardiologie und
wird zur Vermeidung von Verzögerungen in der Auszahlung des Betrages und einer ansansten erforderlichen quartalsweisen Neuberechnung
für alle o.g. Quartale angewandt.
2. Diese Abschläge werden vorbehaltlich einer Überprüfung der Honorarbescheide für die Quartale II/2006 bis IV/2006 in einem
Widerspruchs- bzw. Klageverfahren gezahlt. Die Antragstellerin ist im Falle eines bestands- bzw. rechtskräftigen Unterliegens
in einem solchen Verfahren verpflichtet, die gezahlten Abschläge in einem Zeitraum von maximal einem Jahr nach Bestands- bzw.
Rechtskraft einer solchen Entscheidung zurückzuzahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Dieses einstweilige Rechtsschutzverfahren mit dem Aktenzeichen L 7 B 89/06 KA ER ist damit insgesamt erledigt.
Die Auszahlung der unter Punkt 1. des Vergleichs vereinbarten zusätzlichen Abschläge erfolgte mit den Honorarbescheiden vom
26. Oktober 2006 für das Quartal II/2006, vom 25. Januar 2007 für das Quartal III/2006 und vom 26. April 2007 für das Quartal
IV/2006.
Über den gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/2006 erhobenen Widerspruch entschied die Antragsgegnerin mit Widerpruchsbescheid
vom 26. Juli 2007. Hierbei ergab sich eine Nachvergütung in Höhe von 2.266,22 €. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2007
entschied die Antragsgegnerin über den Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/2006; es ergab sich eine
Nachvergütung von 3.255,53 €. In beiden Widerspruchsbescheiden führte sie aus, eine Neuberechnung auf Grundlage der Parameter
der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Angiologie/Kardiologie habe nicht erfolgen können; der Widerspruch sei daher
zurückzuweisen gewesen. Die ermittelten Nachvergütungen für die Quartale II/2006 und III/2006 verrechnete sie mit den auf
Grund des Vergleichs gezahlten Abschlägen. Den gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/2006 erhobenen Widerspruch wies
die Antragsgegnerin am 29. April 2008 wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück. Gegen die drei Widerspruchsbescheide hat
die Antragstellerin keine Klage erhoben.
Unter Berufung auf eine eingetretene Bestandskraft der Honorarbescheide bat die Antragsgegnerin um Vorschläge, in welcher
Weise die Antragstellerin die auf Grund des Vergleichs gezahlten zusätzlichen Abschläge zurückzahlen wolle. Da diese eine
Rückzahlung vor einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Potsdam (S 1 KA 31/06) ablehnte, kündigte die Antragsgegnerin unter dem 12. Januar 2009 die Verrechnung von noch bestehenden "Schulden" in Höhe
von 22.848,72 € in zwei Teilbeträgen zu je 11.424,36 € mit den Honorarbescheiden III/2008 und IV/2008 an. Dieser Betrag ergab
sich aus der Summe der durch Vergleich vereinbarten Abschläge (3 x 11.600,- €) abzüglich der bereits durchgeführten Verrechnung
mit den Nachvergütungen (2.266,22 € und 3.255,53 €) sowie unter Berücksichtigung weiterer Honorarberichtigungen (eine Nachzahlung
für das I. und III. Quartal 2007 in Höhe von insgesamt 10.008,23 € sowie eine zwischen den Beteiligten unter dem 13. Februar
2008 vereinbarte Honorarrückforderung von insgesamt 5.435,85 € für die Quartale II/2006 bis IV/2006 unter gleichzeitiger Berücksichtigung
einer Umbuchung des RF-Betrages von 1.857,15 €.).
Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 12. Januar 2009 teilte die Antragstellerin unter dem 20. Januar 2009 mit, der beabsichtigten
Verrechnung stehe der geschlossene Vergleich entgegen, da der Rechtsstreit in der Hauptsache noch nicht entschieden sei. Mit
Honorarbescheid vom 22. Januar 2009 für das Quartal III/2008 und mit Honorarbescheid vom 23. April 2009 für das Quartal IV/2008
führte die Antragsgegnerin die Verrechnung in Höhe von jeweils 11.424,36 € durch.
Mit einem Schreiben vom 27. Januar 2009 legte die Antragstellerin - ohne jegliche Bezugnahme auf den Honorarbescheid vom 22.
Januar 2009 - nochmals ihre Auffassung dar und stellte vorsorglich einen Antrag auf Überprüfung der Honorarbescheide für die
Quartale II/2006 bis IV/2006 nach § 44 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X).
Am 31. März 2009 beantragte sie beim Sozialgericht Potsdam, "die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
es zu unterlassen, die Abschlagszahlungen, die auf Grund des gerichtlich geschlossenen Vergleichs im einstweiligen Anordnungsverfahren
beim LSG Potsdam gezahlt worden sind, bis zur rechtskräftigen Hauptsachenentscheidung beim SG Potsdam S 1 KA 31/06 mit den aktuellen Honoraransprüchen zu verrechnen." Über die Honoraransprüche sei nicht rechtskräftig entschieden, da die
Honorarbescheide nach § 44 SGB X zu korrigieren seien, wenn das Sozialgericht in dem Rechtsstreit wegen Genehmigung der Erbringung und Abrechnung schwerpunktspezifischer
Leistungen zu ihren Gunsten entscheide. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass ihre derzeitige Praxiskalkulation auf
der Annahme beruhe, sie könne die Abschläge behalten. Mit der Verrechnung des Betrages werde dieser Kalkulation die Grundlage
entzogen, obwohl eine Hauptsachenentscheidung noch nicht vorliege.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 15. Juni 2009 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig, aber unbegründet, da die Verrechnung rechtmäßig erfolgt sei. In dem Vergleich
habe sich die Antragstellerin verpflichtet, bei Bestandskraft der Honorarbescheide die Abschlagszahlungen innerhalb eines
Jahres zurückzuzahlen. Die Bestandskraft sei, da gegen die Widerspruchsbescheide keine Klage erhoben worden sei, eingetreten.
Die Möglichkeit der Überprüfung der Honorarbescheide nach § 44 SGB X ändere daran nichts. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) auch bei Obsiegen in dem Rechtsstreit S 1 KA 31/06 keinen Anspruch auf rückwirkende Vergütung der nach Ziffer 13.3.5 EBM erbrachten Leistungen habe. Ein Anordnungsgrund sei
nicht gegeben, da nicht davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin in eine Notlage geraten sei.
Mit der am 20. Juli 2009 eingelegten Beschwerde gegen den der Antragstellerin am 25. Juni 2009 zugestellten Beschluss trägt
sie ergänzend vor, der Vergleich sei im Zusammenhang mit dem Hauptsacheverfahren S 1 KA 31/06 geschlossen worden und habe nur mittelbar mit den von der Antragsgegnerin erlassenen Bescheiden zu tun. Wenn nunmehr der
Bestand des Vergleichs von den Honorarbescheiden abhängig gemacht werden sollte, stelle dies eine Störung der Geschäftsgrundlage
dar, so dass der Vergleich nach den Regeln über die Anpassung des Vertragsinhaltes ergänzt werden müsse.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §
172 Abs.
1, §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
1.) Statthafte Verfahrensart des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach
§
86 b Abs.
2 SGG. Allerdings ist der auf Unterlassung der Verrechnung gerichtete Antrag unzulässig und daher entsprechend des Begehrens der
Antragstellerin in einen zulässigen Antrag des Inhaltes auszulegen, dass sie im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung
der Antragsgegnerin begehrt, die Honoraransprüche für die Quartale III/2008 und IV/2008 ohne Verrechnung mit Rückforderungsansprüchen,
die sich aus dem im Verfahren L 7 B 89/06 KA ER geschlossenen Vergleich ergeben, auszuzahlen.
Ein auf (vorbeugende) Unterlassung gerichtetes Rechtschutzbegehren setzt sowohl in einem Hauptsache- als auch in einem einstweiligen
Rechtschutzverfahren ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis voraus (BSGE 25, 116). Es muss ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse vorliegen, das
regelmäßig nicht gegeben ist, solange auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann; nur dann, wenn trotz der Möglichkeit
der Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes ein erneutes, als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Gegenseite ernstlich
zu befürchten ist, ist eine Unterlasssungsklage zulässig (BSG, Urteil vom 15. November 1995, 6 Rka 17/95, zitiert nach juris,
Rn. 15). Die Antragsgegnerin hat die Verrechnung bereits mit den Honorarbescheiden vom 22. Januar 2009 und 23. April 2009
durchgeführt, so dass hiergegen - nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens - die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
im Sinne des §
54 Abs.
1 Satz 1 in Verbindung mit Abs.
4 SGG hätte erhoben werden müssen (vgl. zur richtigen Klageart bei der Aufrechnung in Honorarbescheiden: BSG, Urteil vom 7. Februar
2007, 6 KA 6/06 R, zitiert nach juris, Rn. 13 = BSGE 98, 89). Daher muss ein zulässiger einstweiliger Rechtsschutzantrag auch auf die Auszahlung eines höheren Honorars ohne Verrechnung
gerichtet sein. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für einen Unterlassungsantrag ergibt sich auch nicht daraus, dass
die Antragsgegnerin selbst in dem Fall, dass sie im nachträglichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren unterliegt, in der
Zukunft erneut Verrechnungen durchführen wird. Denn es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass sie eine getroffene gerichtliche
Entscheidung bei zukünftigen Honorarabrechnungen nicht beachten werde.
2.) Der so verstandene Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung
setzt nach §
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §§
920 Abs.
2,
294 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) grundsätzlich die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig
begehrte Leistung) und eines Anordnungsgrundes (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) voraus. Sie sind glaubhaft
gemacht, wenn das Vorliegen der insoweit beweisbedürftigen Tatsachen überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. Zöller,
Zivilprozessordnung, 25. Auflage, §
920 Rdnr. 1 und 6).
a.) Hier fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch, da die Honorarbescheide vom 22. Januar 2009 und 23. April 2009, mit
denen die Verrechnungen durchgeführt wurden, insoweit rechtmäßig sind. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob ein Anspruch auf
ein ungeschmälertes Honorar bereits deshalb nicht besteht, weil die Honorarbescheide für die Quartale III/2008 und IV/2008
bestandskräftig geworden sein könnten. Hierfür spricht einiges, da die Antragstellerin sich zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich
gegen die erteilten Honorarbescheide gewandt hat. Diese umfassten dabei in ihren Verfügungssätzen jeweils auch die Verrechnung
mit den Rückzahlungsansprüchen der Antragsgegnerin, die sich aus Punkt 2 des vor dem LSG Berlin-Brandenburg (L 7 B 89/06 KA ER) geschlossenen Vergleich ergeben, so dass auch sie an der Bindungswirkung des Bescheides nach §
77 SGG teilnehmen. Ob die Einwendungen der Antragstellerin gegen eine Verrechnung, die sie mit den Schreiben vom 20. Januar und
27. Januar 2009 sowie mit der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 31. März 2009 geltend machte,
als Widerspruch gegen die Honorarbescheide auszulegen wären, kann dahingestellt bleiben. Denn ungeachtet einer möglichen Bestandskraft
der Honorarbescheide hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf ungeschmälerte Auszahlung der Honorare für die Quartale III/2008
und IV/2008, da durch die Verrechnungen, die sich rechtstechnisch als Aufrechung im Sinne der §§
387 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) darstellen, die Honoraransprüche entsprechend §
389 BGB insoweit erloschen sind.
aa) Da für eine Aufrechnung mit Honorarforderungen die Vorschriften der §§
51,
52 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch (
SGB I) nicht anwendbar sind, weil vertragsärztliche Honoraransprüche keine Sozialleistungen darstellen, die dem Vertragsarzt zur
Verwirklichung seiner sozialen Rechte zukommen sollen, sind für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des Vertragsarztrechts
die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts über die Aufrechnung in den §§
387 ff
BGB anwendbar (BSG, Urteil vom 7. Februar 2007, 6 KA 6/06 R, zitiert nach juris, Rn. 16, 17; BSG, SozR 3-2500 §
75 Nr. 11, S. 55 f). Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung entsprechend §
387 BGB, dass sich zwei gegenseitige, gleichartige und fällige Forderungen gegenüberstehen, sind erfüllt. Insbesondere ist die Gegenforderung,
der Rückzahlungsanspruch der Antragsgegnerin, fällig.
bb) Gemäß Punkt 2 des Vergleichs wurden die zusätzlichen Abschläge vorbehaltlich der Überprüfung der Honorarbescheide für
die Quartale II/2006 bis IV/2006 in einem Widerspruchs- bzw. Klageverfahren gezahlt. Für den Fall des bestandskräftigen Unterliegens
in einem solchen Verfahren verpflichtete sich die Antragstellerin, die Abschläge in einem Zeitraum von maximal einem Jahr
zurückzuzahlen. Damit wurde die Rückzahlungsverpflichtung ausdrücklich von der Bestandskraft der entsprechenden Honorarbescheide
abhängig gemacht, nicht aber von dem Ausgang des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Potsdam (S 1 KA 31/06). Zwar mag zwischen diesem Verfahren und der Frage, in welcher Höhe der Antragstellerin Honoraransprüche für die Quartale
II/2006 bis IV/2006 letztendlich zustehen, ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen. Dieser hat aber nur mittelbar in den Vergleich
Eingang gefunden, indem als formaler Anknüpfungspunkt für eine Rückzahlungsverpflichtung die Bestandskraft der Honorarbescheide
gewählt wurde und die Antragstellerin durch Einlegung entsprechender Rechtsbehelfe und Rechtsmittel bis zum Ausgang des Rechtsstreits
S 1 KA 31/06 den Eintritt der Bestandskraft verhindern konnte. Die Annahme der Antragstellerin, die Rückzahlungsverpflichtung entstehe
unabhängig von der Bestandskraft der Honorarbescheide erst, wenn zu ihren Ungunsten der Rechtsstreit S 1 KA 31/06 entschieden ist, entbehrt nach dem eindeutigen Wortlaut des geschlossenen Vergleichs der Grundlage.
cc) Die Honorarbescheide für die Quartale II/2006 bis IV/2006 sind im Sinne des §
77 SGG bestandskräftig geworden, da die Antragstellerin nach Erlass der Widerspruchsbescheide keine Klage erhoben hat. Soweit sie
sich darauf bezieht, sie habe einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X gestellt, so durchbricht der gestellte Überprüfungsantrag, über den noch nicht entschieden ist, nicht die Bestandskraft der
Honorarbescheide. Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht eingelegt, so wird er gemäß §
77 SGG für die Beteiligten bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung, auf Grund derer die
Bestandskraft durchbrochen werden kann, ist zwar die Vorschrift des § 44 Abs. 2 SGB X, die auf Honorarbescheide Anwendung findet (vgl. BSG, SozR 3-1300 § 44 Nr. 23). Nach Satz 1 der Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann gemäß § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Bindungswirkung wird aber nicht durch das abstrakte Bestehen eines
Rücknahmeanspruchs oder durch die Stellung eines Antrages auf Überprüfung, sondern allein durch die Rücknahme des überprüften
Verwaltungsaktes bewirkt. Solange die Verwaltung den einmal bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt nicht zurücknimmt, bleibt
er weiterhin bestandskräftig.
dd) Die Antragstellerin kann auch nicht geltend machen, der Vergleich müsse deshalb angepasst werden, weil eine Störung der
Geschäftsgrundlage eingetreten sei. Eine solche setzt in entsprechender Anwendung des §
313 Abs.
1 BGB voraus, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert
haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen
hätten. Einer Veränderung der Umstände steht es entsprechend
§
313 Abs.
2 BGB gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. Hier haben
sich aber weder tatsächliche Umstände, die Grundlage des Vergleichs wurden, geändert, noch haben sich Vorstellungen über solche
Umstände als falsch herausgestellt. Vielmehr hat die Antragstellerin sich allein über den konkreten Inhalt des geschlossenen
Vergleichs geirrt, indem sie annahm, nicht die Bestandkraft der Honorarbescheide, sondern der rechtskräftige Abschluss des
Rechtsstreits S 1 KA 31/06 sei für das Entstehen einer Rückzahlungsverpflichtung entscheidend. Sie hätte es in der Hand gehabt, die vermeintliche Geschäftsgrundlage
- keine Rückzahlungsverpflichtung vor rechtskräftiger Entscheidung in dem Rechtsstreit S 1 KA 31/06 - dadurch zu erreichen, dass sie Klage gegen die Honorarbescheide erhoben hätte.
Der Rückzahlungsanspruch der Antragsgegnerin war auch gleichartig, einredefrei und stand dem Honoraranspruch der Antragstellerin
gegenüber. Die Antraggegnerin hat die Aufrechnung entsprechend §
388 BGB erklärt.
b) Letztendlich steht der Antragstellerin auch kein Anordnungsgrund zur Seite. Denn an das Vorliegen eines solchen werden
im Vertragsarztrecht strenge Anforderungen gestellt. Er kann regelmäßig nur beim Drohen erheblicher irreparabler Rechtsnachteile
angenommen werden, die bei honorarrelevanten Maßnahmen insbesondere dann zu bejahen sind, wenn ohne Maßnahmen des einstweiligen
Rechtsschutzes der notwendige Lebensunterhalt oder die Existenz der Praxis gefährdet wäre (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen,
Beschluss vom 21. Oktober 2003, L 3 KA 447/03 R, zitiert nach juris). Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, die Verrechnung entziehe dem Praxisbetrieb die kalkulatorischen
Grundlagen. Jedoch hat sie hierzu nichts Näheres vorgetragen, aus dem sich ein irreparabler Rechtsnachteil ergeben würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
197 a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
1 VwGO.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §
197 a SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).