Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren; fehlender Anordnungsgrund bei selbstbeschafttem Hilfsmittel
Gründe:
Die gemäß §§
172 Abs.
1,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abgelehnt.
1. Allerdings hält der Senat - ausgehend von dem ihm derzeit bekannten Sachverhalt - einen Anordnungsanspruch für nahe liegend.
Insoweit ist bezüglich der begehrten Versorgung mit einem Toilettenlifter als Hilfsmittel nach §
33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) zunächst nicht auf den Gang zur Toilette, sondern auf den Vorgang der Blasenentleerung abzustellen. Auch dürfte es für die
Erforderlichkeit des Toilettenlifters weniger auf die erheblich eingeschränkte Stehfähigkeit des Antragstellers als vielmehr
die nach Aktenlage wohl nicht mehr vorhandene Fähigkeit, sich aus eigener Kraft aus dem Sitzen aufzurichten, ankommen.
Die Einwände des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in dessen von der Antragsgegnerin veranlassten Stellungnahmen
erscheinen teilweise wenig überzeugend. Zum einen dürfte er teilweise von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, da der von
ihm genannte "Pumpenschalter" weder nach der vom Antragsteller eingereichten bildhaften Darstellung des künstlichen Blasenschließmuskels
noch nach den Angaben des Antragstellers vorhanden ist. Zum anderen geht er - ungeachtet des Umstands, dass die Bewertung
dieser Rechtsfrage nicht zu seinen Aufgaben nach §
275 ff
SGB V zählt - bei der Prüfung der mit dem Toilettenlifter zu erzielenden Verselbständigung von einem fehlerhaften Maßstab aus.
Aufgrund dieses Hilfsmittels ist der Antragsteller während der Blasenentleerung als solcher nicht mehr auf eine Hilfsperson
angewiesen. Allein dies stellt bereits eine rechtlich relevante Verselbständigung dar. Denn wegen der auch die Antragsgegnerin
treffenden Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde (Art.
1 Abs.
1 Grundgesetz -
GG) muss der Antragsteller die Möglichkeit haben, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre zu verrichten
(vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. November 2007, Az.: 2 BvR 939/07, veröffentlicht in Juris, m.w.N.; zur Bedeutung der Menschenwürdegarantie bei der Hilfsmittelversorgung siehe auch Juris
PraxisKommentar/Beck § 33 Rd. 46)).
Der Erforderlichkeit dieses Hilfsmittels dürfte ferner die vom Sozialgericht erwogene Alternative in Form eines Harnblasenkatheters
schon wegen des erheblich erhöhten Infektionsrisikos und der damit verbundenen gesundheitlichen Komplikationen nicht entgegenstehen.
2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung scheitert jedoch am fehlenden Anordnungsgrund.
Mit der Selbstbeschaffung des Toilettenlifters durch den Antragsteller ist die Eilbedürftigkeit im Hinblick auf dessen Sachleistungsanspruch
entfallen. Der nunmehr allenfalls noch bestehende Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.
3 SGB V kann grundsätzlich keine Eilbedürftigkeit rechtfertigen. Die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes kann in
solchen Fällen in der Regel nicht zum Tragen kommen. Diese Funktion besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4
GG darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen
- Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden,
zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht,
Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05; Senat, Beschluss vom 30. Januar 2008, Az.: L 9 B 600/07 KR ER, beide veröffentlicht in Juris).
Ob eine Ausnahme hiervon dann zuzulassen ist, wenn die Selbstbeschaffung unter Einsatz von Vermögenswerten vorgenommen und
hierdurch die finanzielle Existenzgrundlage erheblich gefährdet würde, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung. Denn der
Antragsteller hat den Toilettenlifter nach eigenen Angaben mittels eines von Freunden gewährten Kredits angeschafft, also
- soweit ersichtlich - ohne Einsatz eigener Vermögenswerte. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die
finanzielle Existenzgrundlage des Antragstellers durch diesen Kredit zusätzlich gefährdet würde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG analog und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Dieser Beschluss kann gemäß §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.