Tatbestand:
Die Klägerin, die bis zum 30. Juni 2013 bei der Beklagten krankenversichert war, begehrt Kostenerstattung in Höhe von 7.567,19
Euro für 93 Therapiestunden bei einer nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Behandlerin.
Die im Jahre 1979 geborene Klägerin erlitt im Dezember 2009 einen Arbeitsunfall; sie war als Verkäuferin bei S tätig und wurde
bei einem Raubüberfall mit einer Waffe bedroht. In der Folgezeit litt die Klägerin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution anerkannte diesen Vorfall als Arbeitsunfall und finanzierte zunächst
eine Traumatherapie bei der nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Diplompsychologin A K. Nachdem
die unfallbedingt notwendige Traumatherapie bei dieser Therapeutin abgeschlossen war, beendete die Berufsgenossenschaft die
Kostenübernahme; in der Folgezeit übernahm die Beklagte weitere Therapiestunden bei der Psychotherapeutin K, weil die Psychotherapie
nicht nur aufgrund unfallabhängiger Beschwerden als erforderlich angesehen wurde. Mit Bescheid vom 23. September 2010 bewilligte
die Beklagte der Klägerin die Übernahme von Kosten für eine privatärztliche Psychotherapie im Rahmen der Kostenerstattung
bei der Therapeutin K für 20 Therapiestunden zu einem Erstattungsbetrag von 81,03 Euro pro Therapiestunde; der Bescheid enthielt
folgenden Zusatz: "Diese Entscheidung erfolgt ausnahmsweise im Rahmen einer Einzelfallentscheidung, ohne präjudizierende Wirkung
für die Zukunft."
Die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärztin Dr. E. S-M beantragte am 26. April 2011 bei der Beklagten die
Übernahme von zehn Reststunden der Klägerin bei der Psychologin K. Die Klägerin sei zu einer abschließenden Behandlung bei
ihr sehr motiviert. Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 bewilligte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die privat-ärztliche
Psychotherapie im Rahmen der Kostenerstattung bei Frau Dr. S-M für die restlichen zehn Therapiestunden. Auch dieser Bescheid
enthielt den Zusatz: "Diese Entscheidung erfolgt ausnahmsweise im Rahmen einer Einzelfallentscheidung, ohne präjudizierende
Wirkung für die Zukunft."
Mit Schreiben vom 28. August 2011 beantragte die Ärztin Dr. S-M bei der Beklagten für die Klägerin die Bewilligung einer ambulanten
analytisch orientierten Psychotherapie im Erstattungsverfahren mit einem Stundenkontingent von 160 Stunden und einer Frequenz
von zwei bis drei Stunden pro Woche.
Bereits am 2. August 2011 hatte die Klägerin die tiefenpsychologisch fundierten psychotherapeutischen Behandlungen bei Frau
Dr. S-M aufgenommen. In der Zeit vom 2. August 2011 bis zum 26. Juni 2013 fanden insgesamt 93 Therapiestunden statt (davon
neun bis einschließlich 12. Oktober 2011), für die die Ärztin der Klägerin mit Rechnungen vom 2. Januar 2012, 2. Juli 2012,
3. Januar 2013 und 8. Juli 2013 insgesamt 7.567,19 Euro in Rechnung stellte.
Zur Begründung des Kostenübernahmeantrages führte die Klägerin in einem Schreiben an die Beklagte vom 29. September 2011 aus,
eine psychiatrische Behandlung habe bisher nicht stattgefunden, weil sie nach dem Überfall während ihrer Tätigkeit eine von
der Berufsgenossenschaft empfohlene Therapeutin zwecks Traumabewältigung aufgesucht habe. Im Anschluss daran habe sie einen
knapp zwölfwöchigen stationären Aufenthalt in der Wklinik der DRK-Kliniken hinter sich gebracht. Dort sei ihr Frau Dr. S-M
als Behandlerin zugeteilt worden, mit der sie weiter an ihren Traumata gearbeitet habe. Nun wolle sie eine ambulante Psychotherapie
bei dieser Ärztin fortführen. Sie habe bereits schweren Herzens versucht, einen Therapieplatz bei einem kassenzugelassenen
Psychotherapeuten zu finden, es sei jedoch unmöglich gewesen, zum jetzigen Zeitpunkt einen Therapeuten zu finden. Zumindest
müsse sie unzählige Monate Wartezeit in Kauf nehmen. Sie stecke bereits so intensiv in der Therapie, dass Wartezeit, ein neues
Kennenlernen, das Schöpfen von Vertrauen etc. einen Therapierückschritt darstellten. Zu Frau Dr. S-M bestehe ein Vertrauensverhältnis,
das seinesgleichen suche.
Der von der Beklagten mit dem Vorgang befasste Medizinische Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) führte
in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20. Oktober 2011 aus, anhand der vorliegenden Unterlagen sei feststellbar,
dass eine Therapiebedürftigkeit auch weiterhin bestehe, diese Therapie aber auch bei einem seitens der Beigeladenen zugelassenen
Psychotherapeuten möglich bzw. zumutbar sei. Zwischenzeitlich sei eine ambulante psychiatrische Behandlung ausreichend.
Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für die Behandlung bei Frau Dr. S-M mit Bescheid vom 26. Oktober
2011 ab. Um eine Kostenübernahme für die Psychotherapie bei entsprechenden zugelassenen Therapeuten schnellstmöglich aussprechen
zu können, solle sich die Klägerin an die Beigeladene wenden.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, aus psychischen Gründen sei es für
sie sehr schwer, sich an eine neue Therapeutin zu gewöhnen. Frau Dr. S-M kenne ihre Situation schon in- und auswendig und
sie vertraue ihr sehr. Die Zusammenarbeit mit einer neuen Therapeutin bedeutete für sie einen sehr großen Rückschritt. Die
bereits angelaufene Therapie habe gut angeschlagen und sei weit fortgeschritten. Das Finden eines neuen Therapeuten sei mit
erheblichen Wartezeiten verbunden. Mit einem Schreiben an die Beklagte vom 12. November 2011 unterstützte die Ärztin Sch-M
den Widerspruch der Klägerin. Sie habe die Klägerin in der Wklinik kennengelernt und dort bereits ein Vertrauensverhältnis
aufgebaut. Sie sei dann von der Klägerin gebeten worden, die ambulante Nachbetreuung und Behandlung zu übernehmen. Die von
der Beklagten übernommene Kurzzeittherapie habe die vertrauensvolle therapeutische Beziehung weiter gestärkt. Der Wunsch der
Klägerin, den Therapeuten nicht noch einmal wechseln zu müssen, sei nachvollziehbar und aus ärztlicher Sicht berücksichtigungswürdig.
Der Beklagten entstünden bei Bewilligung der beantragten Behandlung im Vergleich zu einer Behandlung bei einem Vertragsarzt
keine zusätzlichen Kosten. Sie selbst rechne damit, im Laufe der nächsten Monate eine vertragsärztliche Zulassung zu erlangen.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen
aus: Es bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung für eine Psychotherapie bei einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassenen Psychotherapeuten. Frau Dr. S-M sei keine in Berlin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Therapeutin.
Sie stelle ihre Leistungen nur im Rahmen privatärztlicher Behandlung zur Verfügung. Nach den gesetzlichen Vorschriften sei
eine Kostenerstattung grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig
erbringen könne oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Eine solche Situation liege hier nicht vor. Vielmehr sei die
Beklagte schon in der Vergangenheit und auch jetzt bereit, erforderliche Untersuchungen und Therapien im Rahmen vertragsärztlicher
Psychotherapie zur Verfügung zu stellen. In Berlin betrage der Versorgungsgrad mit 1.641 Psychotherapeuten 158 Prozent.
Mit der am 2. Februar 2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Ein zugleich bei dem Sozialgericht Berlin gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte keinen Erfolg;
mit Beschluss vom 29. Februar 2012 lehnte das Gericht den Eilantrag ab, weil ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Weder sei
die Therapeutin Dr. Sch-M zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen, noch liege ein Notfall vor.
Im Laufe des Klageverfahrens hat die Klägerin die vier genannten Rechnungen der Ärztin Dr. S-M in Höhe von insgesamt 7.567,19
Euro für 93 Behandlungsstunden vom 2. August 2011 bis zum 26. Juni 2013 vorgelegt. Mit Wirkung vom 1. Juli 2013 hat die Klägerin
die Krankenkasse gewechselt.
Zur Begründung ihres Kostenerstattungsbegehrens trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das Vorgehen der Beklagten sei fragwürdig.
Sie habe ein Vertrauensverhältnis zu Frau Dr. S-M aufgebaut. Die Beklagte selbst sehe die Notwendigkeit einer Psychotherapie.
Das Auffinden einer geeigneten anderen Therapeutin sei mühselig, wenn nicht sogar unmöglich. Es gebe nicht genügend Traumatherapeuten
mit geeigneter Qualifikation und Kassenzulassung. Die Bedarfszahlen der Krankenkassen seien einer dringenden Prüfung zu unterziehen.
Bei vielen auch von der Beigeladenen empfohlenen Therapeuten sei eine Therapie erst in Jahresfrist zu erhalten. Mit der angefangenen
Therapie stehe ihre Existenz auf dem Spiel. Die Beklagte selbst habe den Eindruck erweckt, dass eine Therapie bei Frau Dr.
S-M ohne weiteres möglich sei. Während des Klageverfahrens habe sie sich eingehend um Kontakt zu 25 in Berlin ansässigen Therapeutinnen
bemüht, habe damit jedoch keinen Erfolg gehabt.
Die Beklagte hat auf die Klage erklärt, dass nach Recherche bei der Gesellschaft für Psychotraumatologie, Traumatherapie und
Gewaltforschung mehrere Traumatherapeuten in Berlin vorhanden seien, die in überschaubarer Wartezeit die Behandlung der Klägerin
durchführen könnten. Eine Liste der in Frage kommenden Therapeuten hat die Beklagte zu den Akten gereicht. Die Klägerin habe
selbst angeführt, dass sie bei zwei geeigneten Therapeutinnen in Kürze einen Termin hätte bekommen können; warum sie dies
nicht unternommen habe, sei nicht verständlich. Ihrer Pflicht, in ausreichender Anzahl geeignete Therapeuten zu benennen,
sei die Beklagte nachgekommen. Sie dann auszuwählen, sei Sache des Versicherten. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, warum
sich die Klägerin nicht bereits nach Erhalt der unter Vorbehalt stehenden Bewilligungsbescheide vom 23. September 2010 und
11. Mai 2011 um einen Therapieplatz bemüht habe. Sie hätte bereits damals erkennen müssen, dass diese Bescheide nur im Rahmen
einer Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung für die Zukunft erteilt worden seien. Daher habe genug Gelegenheit
bestanden, einen zugelassenen Leistungserbringer aufzusuchen und einen Behandlungstermin zu vereinbaren, auch wenn dieser
weit in der Zukunft hätte liegen müssen.
Die Beigeladene hat erklärt, dass der Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen für den Bereich der Psychotherapeuten in
Berlin einen Versorgungsgrad von 159,7 Prozent festgestellt habe. Ob im Planungsbereich noch freie Therapieplätze zur Verfügung
stünden, könne nicht beantwortet werden; es gebe jedoch keine Erkenntnisse darüber, dass in dem Planungsbereich Berlin die
Aufnahmekapazitäten der Psychotherapeuten ausgeschöpft seien.
Mit Urteil vom 8. August 2014 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf die Behandlung bei
der nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Behandlerin Frau Dr. S-M gehabt habe. Nicht zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassenen Behandler dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Dass ein solcher in Berlin jemals
bestanden habe, sei nicht ersichtlich.
Gegen das ihr am 20. August 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. September 2014. Zu deren
Begründung vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht
habe sie sich nicht fair behandelt gefühlt. Zu Unrecht meine das Sozialgericht, dass in ihrem Fall keine Notfallsituation
bestanden habe. Nur eine Handvoll weiblicher Therapeutinnen sei überhaupt in Betracht gekommen, sodass sie die Behandlerin
nicht habe wechseln wollen. Die Suchmaske der Beigeladenen im Internet habe ihr nicht geholfen. Anders als die Beklagte habe
die Techniker Krankenkasse, bei der sie seit dem 1. Juli 2013 Mitglied sei, eine Therapie bei Dr. S-M ohne weiteres genehmigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. August 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2011 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Kosten in Höhe von 7.567,19
Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Eine Notsituation, die geeignet gewesen wäre, die Inanspruchnahme
eines nicht zugelassenen Therapeuten zu rechtfertigen, sei nicht glaubhaft gemacht. Ohnehin hätte ein Therapeut in diesem
Fall seinen Vergütungsanspruch nur gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung geltend machen können. Die Klägerin
habe ihre Therapeutenwahl von Anfang an nach derart eingeschränkten Kriterien vorgenommen, dass sich ihre Auswahl auf einen
sehr engen Kreis potentieller Anbieter reduziert habe (weibliche Therapeuten, die als zusätzliche Qualifikation eine sogenannte
Traumatherapie anbieten). Indem die Klägerin sich nicht frühzeitig auf eine Warteliste habe setzen lassen, habe sie wertvolle
Zeit verloren.
Die Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte zum Eilverfahren
S 166 KR 193/12 ER sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung
war.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen.
Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung besteht nicht.
Das Vorbringen der Klägerin, anderen selbst gesuchten bzw. von der Beigeladenen benannten Therapeutinnen und Therapeuten seinerzeit
nicht das notwendige Vertrauen entgegen gebracht haben zu können, ist rechtlich unerheblich. So war sie nach dem so empfundenen
Erfolg der zehn Sitzungen bei Frau Dr. S-M zu Beginn des Jahres 2011 auf der Grundlage des Bescheides der Beklagten vom 11.
Mai 2011 offensichtlich ausschließlich auf diese Therapeutin als gewünschte Behandlerin festgelegt, obwohl der Bescheid der
Beklagten einen ausdrücklichen Zusatz dahin gehend enthielt, dass die Entscheidung ausnahmsweise im Rahmen einer Einzelfallentscheidung
und ohne präjudizierende Wirkung für die Zukunft erfolge. Zudem war hierin nur der Abschluss der von der Diplompsychologin
K begonnenen Behandlung zu sehen. Die Klägerin durfte daher nicht darauf vertrauen, eine reguläre Psychotherapie bei Frau
Dr. S-M auf Kosten der Beklagten beginnen zu dürfen.
Anspruch auf eine positive Entscheidung im Kulanzwege - wie offensichtlich seitens der Techniker Krankenkasse nunmehr erfolgt
- hatte die Klägerin nicht.