Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung in Höhe von 2.323,20 Euro.
Die 1986 geborene Klägerin ist auf beiden Ohren hochgradig schwerhörig. Am linken Ohr ist sie mit einem Hörgerät versorgt,
am rechten Ohr mit einem Cochlea-Implantat. Zusätzlich versorgte die Beklagte sie im Jahre 2001 mit einer drahtlosen Übertragungsanlage,
die aus einem beispielsweise in der Schule vom Lehrer getragenen Sendermikrophon und einem vom Hörgeschädigten getragenen
Empfangsgerät besteht. Bis zum Abschluss der zehnten Klasse am Evangelischen Gymnasium F ermöglichte dies der Klägerin ein
problemfreies Hören während des Unterrichts. In die Klasse der Klägerin ging eine weitere schwerhörige Schülerin, die ebenfalls
eine drahtlose Übertragungsanlage nutzte. Der Lehrer trug in dieser Situation nur ein Mikrophon und erreichte so die Empfangsgeräte
beider Schülerinnen, die dieselben Signale problemlos auf derselben Frequenz empfingen. Mit Beginn des Besuchs der Oberstufe
entstanden jedoch erhebliche Empfangsstörungen, da die beiden schwerhörigen Schülerinnen nun nicht mehr denselben Klassenraum
nutzten, so dass verschiedene Lehrer gleichzeitig in verschiedenen Räumen die Sendemikrophone trugen und die Signale sich
gegenseitig störten.
Zur Ausschaltung dieser Störungen, die es der Klägerin erschwerten, am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen, ließ sie sich im
Februar 2005 bei der Firma KIND Hörgeräte eine andere, störungsfrei funktionierende drahtlose Übertragungsanlage der Marke
Phonak nebst Zubehör anpassen. Hierüber fertigte der Hörgeräteakustiker für die Beklagte am 8. Februar 2005 eine "Aufstellung
der Festbeträge" mit genauer Produktbezeichnung und Preisen in Höhe von insgesamt 2.323,20 Euro. Am selben Tag erhielt die
Klägerin das Gerät ausgehändigt und nutzte es fortan. Am 1. März 2005 stellten die HNO-Ärzte Dr. V B / Dr. H S der Klägerin
eine vertragsärztliche Verordnung aus, in der es hieß "erbitte Phonak Smartlink SX für Hörgeräte".
Diese Verordnung und die "Aufstellung der Festbeträge" seitens des Hörgeräteakustikers wurden der beklagten Krankenkasse zugeleitet.
Mit Bescheid vom 8. März 2005 lehnte diese eine Kostenübernahme ab. Die beantragte Mikroportanlage sei nur für hörgeschädigte
Kinder, die eine normale Schule besuchen können, nicht aber für Erwachsene zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) verordnungsfähig.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Hörsituation in der Schule werde durch das neue Gerät
entscheidend verbessert, was insbesondere für die Ablegung des Abiturs von Bedeutung sei.
Der von der Beklagten um eine Beurteilung ersuchte Medizinische Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg (MDK) hielt die
verordnete Anlage nicht für erforderlich und empfahl eine Antragstellung beim Integrationsamt (Dr. S vom 24. März 2005).
Am 6. Juni 2005 stellte die Firma KIND Hörgeräte der Klägerin die seit Februar 2005 genutzte drahtlose Übertragungsanlage
mit 2.323,20 Euro abschließend und verbindlich in Rechnung; für den Fall der Nichtzahlung wurde die Anlage zurückgefordert.
Der Betrag wurde daraufhin vom Vater der Klägerin beglichen.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Besuch der gymnasialen Oberstufe stelle kein
allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens dar; die Sicherung der Schulfähigkeit falle daher nicht in den Aufgabenbereich
der GKV.
Im Januar 2006 haben die Klägerin und ihre Eltern hiergegen Klage erhoben. Die Mutter der Klägerin, ursprünglich Klägerin
zu 3), hat die Klage im Laufe des Klageverfahrens, der Vater der Klägerin, ursprünglich Kläger zu 2), im Berufungsverfahren
zurückgenommen.
Die Klägerin hat im Klageverfahren geltend gemacht, die Beklagte sei einstandspflichtig für die drahtlose Übertragungsanlage,
da der weiterführende Schulbesuch alters- und bildungskonform sei. Das Hilfsmittel diene dem unmittelbaren Behinderungsausgleich.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des die Klägerin zu 1) behandelnden Hörgeschädigtenpädagogen K. B (Cochlear Implant
Centrum Berlin Brandenburg) vom 21. August 2006 eingeholt, auf den Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 5. Juni 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Zu Recht habe die Beklagte Kostenübernahme bzw. -erstattung abgelehnt. Es fehle schon am notwendigen Kausalzusammenhang zwischen
der Inanspruchnahme der Leistung und der Ablehnung durch die Krankenkasse. Die Kammer habe nämlich nach den Bekundungen der
Klägerin und ihres Vaters im Rahmen der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel daran, dass ein Kaufvertrag über die drahtlose
Übertragungsanlage schon im Februar 2005 und damit vor Ablehnung des Antrags durch die Beklagte zustande gekommen sei; der
Kaufpreis sei lediglich gestundet gewesen. Eine für den Fall der Kostenübernahme durch die Beklagte bedingte Abgabe der Geräte
durch den Leistungserbringer sei nicht erfolgt, da der Vater der Klägerin ausdrücklich versichert habe, die Kosten zu tragen,
falls die Beklagte nicht leiste. Im Übrigen habe aber auch kein Sachleistungsanspruch bestanden. Der Besuch eines Gymnasiums
zähle nämlich nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, so dass die Beklagte nicht leistungspflichtig gewesen sei.
Zudem sei die Klägerin bereits mit einer drahtlosen Übertragungsanlage versorgt gewesen; sie habe also nur eine Alternativversorgung
besserer Qualität erstrebt.
Gegen das ihr am 14. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Juli 2007 Berufung eingelegt. Ein Sachleistungsanspruch
bestehe. Die Berücksichtigung nur der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens sei unvereinbar mit der Verpflichtung der Beklagten
zum Behinderungsausgleich. Ende Mai habe die Firma Hörgeräte KIND sie vor die Wahl gestellt, die Übertragungsanlage zu kaufen
oder zurückzugeben. Erst aufgrund dieser Nachricht habe ihr Vater sich entschlossen, die Anlage zu kaufen. Auch nach dem 8.
Februar 2005 hätte noch die Möglichkeit bestanden, das Gerät zurückzugeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kosten in Höhe von 2.323,20 Euro
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung in Höhe von 2.323,20
Euro.
1. Zu Recht hat das Sozialgericht allerdings entschieden, dass die Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sich nicht
aus krankenversicherungsrechtlichem Zusammenhang ergibt.
Nach §
13 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) ist die Erstattung von Kosten (Aufwendungen) für eine selbst beschaffte Leistung in einem Fall wie dem vorliegenden davon
abhängig, dass der zur Leistung verpflichtete Träger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. An Letzterem mangelt es.
Die Klägerin hat nämlich keinen krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf Kostenübernahme für die drahtlose Übertragungsanlage.
Nach dem insoweit als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn
sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach §
34 Abs.
4 SGB V aus Versorgung der GKV ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung
zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und nicht nach §
34 Abs.
4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen,
soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§
12 Abs.
1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind. Unzweifelhaft stellt etwa das von der
Klägerin getragene Cochlea-Implantat ein Körperersatzstück in diesem Sinne dar. Zum unmittelbaren Behinderungsausgleich bestand
insoweit - unstreitig - ein Leistungsanspruch gegenüber der GKV.
Allerdings stand der Klägerin nach Erfüllung der Schulpflicht - also mit Eintritt in die gymnasiale Oberstufe - kein Sachleistungsanspruch
auf Versorgung mit einer drahtlosen Übertragungsanlage mit dem Ziel des Behinderungsausgleichs aus §
33 Abs.
1 Satz 1, 3. Alt
SGB V zu. Denn Aufgabe der GKV bei der Hilfsmittelversorgung ist allein die an Gesundheit, Organfunktion und Behandlungserfolg
orientierte medizinische Rehabilitation (vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 5/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13; Urteil vom 3. November 1999, B 3 KR 3/99 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12). Darüber hinausgehende soziale oder berufliche Rehabilitationsleistungen könnten allenfalls
von anderen Sozialleistungsträgern erbracht werden. Bei GKV-Hilfsmitteln, die - wie hier - nicht unmittelbar eine körperliche
Funktion ersetzen, sondern lediglich die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen ("mittelbarer Behinderungsausgleich"),
kann von medizinischer Rehabilitation aber nur dann die Rede sein, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes der Befriedigung
körperlicher Grundfunktionen und in diesem Sinne einem Grundbedürfnis dient. Dies ist der Fall, wenn das Hilfsmittel die Auswirkungen
einer Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert: Dann ist ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen.
Der Gesetzgeber hat diese ständige Rechtsprechung des BSG zur Hilfsmittelversorgung durch die Regelung in §
31 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX ausdrücklich gesetzlich bestätigt.
Die drahtlose Übertragungsanlage kann hierunter nicht fallen, denn sie beseitigt für die Klägerin nicht die Auswirkungen der
Behinderung im gesamten täglichen Leben, sondern ganz vorwiegend in der spezifischen Situation des schulischen Oberstufenunterrichts
und - heute - des universitären Unterrichts. Zur Begründung einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung reicht
dies nicht aus. Wird eine Organfunktion wie das Hören durch ein Hilfsmittel nicht für alle Lebensbereiche gleichermaßen, sondern
nur für bestimmte Lebensbereiche ausgeglichen, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung nur dann zu einer weiteren Leistungsverpflichtung
der Krankenversicherung, wenn es sich um Lebensbereiche handelt, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählen. Eine Verbesserung
des Behinderungsausgleichs auf beruflicher oder gesellschaftlicher Ebene sowie im Freizeitbereich reicht dazu nicht aus (vgl.
Bundessozialgericht, Urteil vom 3. November 1999, B 3 KR 3/99 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13).
2. Allerdings - und im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts - ergibt sich der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin
in ihrem speziellen Einzelfall aus den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (
SGB IX) in Verbindung mit denen des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (Sozialhilfe, SGB XII). Die Anspruchsgrundlage für die begehrte
Kostenerstattung liegt insoweit in §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX. Danach besteht Erstattungspflicht in Bezug auf selbst beschaffte Leistungen, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung
zu Unrecht abgelehnt hat.
a) Den hier ebenso wie im Rahmen von §
13 Abs.
3 SGB V notwendigen Beschaffungsweg hat die Klägerin nach Auffassung des Senats eingehalten. Indem das Gesetz die Erstattung von
Kosten (Aufwendungen) für eine selbst beschaffte Leistung in einem Fall wie dem vorliegenden davon abhängig macht, dass der
zur Leistung verpflichtete Träger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, setzt es insbesondere voraus, dass die Beschaffung
der Leistung kausal zurück geht auf eine Ablehnung der Leistungserbringung durch den Leistungsträger. "Selbst beschafft" ist
eine Hilfsmittel-Leistung dabei grundsätzlich nicht schon mit deren Auswahl (vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht,
Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12). Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet
deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd
ist vielmehr erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer. Unschädlich
sind danach Auswahlentscheidungen, die - wie hier - den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung
für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht
kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Überlassung der angepassten Geräte. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte
bereits vor der Entscheidung der Krankenkasse eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer
demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die Krankenkasse die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels
verlangen kann.
Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts sprechen hier die überwiegenden Anzeichen dafür, dass die Klägerin die drahtlose
Übertragungsanlage noch nicht verbindlich und abschließend beschafft hatte, als sie bei der Beklagten den Antrag auf Kostenübernahme
stellte. Die Bekundungen der Klägerin und ihres Vaters im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat lassen das Vorbringen
plausibel erscheinen, wonach eine Rückgabe der Anlage an den Hörgeräteakustiker auch noch im Mai 2005 möglich gewesen wäre.
b) Die Leistungsablehnung durch die angefochtenen Bescheide erfolgte auch zu Unrecht. Die Klägerin konnte nämlich eine Versorgung
mit der störungsfrei funktionierenden drahtlosen Übertragungsanlage nach den Vorschriften des SGB XII als Maßnahme der Eingliederungshilfe
beanspruchen.
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne
von §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung,
Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gemäß §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist. Die auf § 60 SGB XII beruhende Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) grenzt u.a. in ihrem § 1 ("körperlich wesentlich behinderte Menschen") den insoweit leistungsberechtigten Personenkreis näher ein. Diesen Eingangsvoraussetzungen
wird die Klägerin gerecht. Denn durch ihre erhebliche Hörminderung, die ihr eine sprachliche Verständigung über das Gehör
nur mit Hörhilfen ermöglicht (§ 1 Nr. 5 EinglHV), ist ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft offenkundig beeinträchtigt.
Eine Leistung der Eingliederungshilfe besteht nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII auch in der Hilfe zu einer angemessenen
Schulbildung. § 12 Nr. 3 der Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV) stellt insoweit klar, dass sich dies auf den Besuch eines Gymnasiums erstreckt. Es liegt auf der Hand, dass diese Vorschrift
dem Begehren der Klägerin, die die drahtlose Übertragungsanlage gerade in schulischem und universitärem Zusammenhang nutzt,
weitaus eher Rechnung trägt als §
33 SGB V mit seiner oben dargestellten Begrenzung auf Hilfsmittel, die für alle Lebensbereiche gleichermaßen einsetzbar sind. Die
streitgegenständliche drahtlose Übertragungsanlage zählt als Hörgerät i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 8 EinglHV auch zu den sog. anderen Hilfsmitteln nach § 9 Abs. 1 und 3 EinglHV i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, da es dazu bestimmt und geeignet ist, die gravierend eingeschränkten Möglichkeiten der Klägerin, über das
Gehör an der sprachlichen Verständigung teilzunehmen, auszugleichen. Diese Anlage, die die Klägerin offensichtlich bedienen
kann, ist ferner erforderlich, da Anhaltspunkte für einen kostengünstigeren Behinderungsausgleich weder vorgebracht noch anderweitig
ersichtlich sind.
Unerheblich ist ferner, dass es mit der Beschaffung der drahtlosen Übertragungsanlage aufgrund der im Tatbestand geschilderten
Problematik der Frequenzstörungen zu einer Doppelausstattung kam; diese erklärt § 10 Abs. 2 EinglHV für hinnehmbar, soweit sie im Einzelfall erforderlich ist. An der Erforderlichkeit in diesem Sinne hat der Senat keinen Zweifel,
denn die Klägerin war mit der ursprünglichen Übertragungsanlage nicht mehr in der Lage, dem Unterricht sachgerecht zu folgen.
Leistungsberechtigung besteht insoweit nach § 19 Abs. 3 SGB XII, soweit die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen
nach den Vorschriften der §§ 82 bis 96 SGB XII nicht zumutbar ist. Für die von der Klägerin begehrte Leistung, die unzweifelhaft
dem Erwerb einer angemessenen Schulbildung diente, sieht speziell § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB XII die Nichtanrechenbarkeit
von Vermögen vor; dies hat das Sozialgericht übersehen, indem es die Klägerin auf die Einsetzbarkeit der Mittel aus ihrem
Bausparvertrag verwies.
c) Schließlich ist die Beklagte für den dargestellten Anspruch auf Eingliederungshilfe auch gesetzlich zuständiger "Rehabilitationsträger"
im Sinne von §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX. Dies ergibt sich aus §
14 SGB IX. Dort heißt es:
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des
Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen
umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er
für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger
zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz
1 nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die
Ursache erbringt. (...)
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muss
für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen
nach Antragseingang. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag
weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger.
Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen
nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Kann der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für
die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung
zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach den Sätzen 2 und
4 entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
Hiernach war die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin im Verhältnis zur Klägerin zur Prüfung auch der weiter
in Betracht zu ziehenden, über das
SGB V hinaus gehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen verpflichtet. Der materiell-rechtlich eigentlich zuständige
Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für
eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beklagte Krankenkasse) eine i.S. von
§
14 Abs.
1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen
Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Diese Zuständigkeit nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen,
die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25.
Juni 2009, B 3 KR 4/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22). Zuständig ist also derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher
erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist, hier die beklagte
Krankenkasse. Ohne Belang ist hierbei, dass die drahtlose Übertragungsanlage im Bereich der GKV der medizinischen Rehabilitation,
im Bereich der Sozialhilfe hingegen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuzuordnen ist (vgl. BSG aaO. Rd. 23). Denn
die Leistungszwecke - allein auf diese und nicht auf die Leistungsgegenstände ist abzustellen - des
SGB V bzw. der medizinischen und der sozialen Rehabilitation können sich überschneiden (BSG, Urteil vom 29. September 2009, B 8
SO 19/08 R, zitiert nach juris, dort Rd. 21).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.