Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Qualifizierung der Festsetzung von Mahngebühren als Verwaltungsakt
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Mahngebühren durch die Beklagte.
Die nach § 44b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) errichtete Arbeitsgemeinschaft L. (im Folgenden: ARGE) hob gegenüber
dem Kläger mit einem Bescheid vom 02.08.2007 frühere Leistungsbewilligungen nach dem SGB II (3.266,30 EUR Regelleistung und
2.619,95 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum September 2005 bis Januar 2007) auf und machte ihm gegenüber
eine Erstattungsforderung in Höhe von 5.886,25 EUR geltend. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.
Anschließend übergab die ARGE die Forderung der Regionaldirektion (RD) Sachsen der beklagten Bundesagentur für Arbeit zur
Einziehung.
Die Beklagte betreibt auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung den Einzug von Forderungen für die ARGE. Hierzu gehören
ausweislich § 1 der vorliegend maßgeblichen "Verwaltungsvereinbarung zur Erbringung von Dienstleistungen 2007" vom 02./03.
Januar 2007 i.V.m. dem dort in Bezug genommenen Dienstleistungskatalog sämtliche Aufgaben, die für die Durchführung des Einziehungsverfahrens
notwendig werden. In § 3 der Verwaltungsvereinbarung ist geregelt:
"Fakultative Dienstleistungen der BA für die Arbeitsgemeinschaft L.
Dienstleistungen, die nicht den Voraussetzungen des § 2 entsprechen, werden im Dienstleistungskatalog als fakultative Dienstleistungen
bezeichnet. Die Arbeitsgemeinschaft L. kann diese Dienstleistungen der BA in Anspruch nehmen. Die Dienstleistungen sind im
gewählten Umfang dieser Vereinbarung als Anlage beigefügt."
Ausweislich der vorgelegten Aufstellung nimmt die ARGE die Dienstleistung Forderungseinzug in Anspruch. Diese Dienstleistung
wird im Katalog beschrieben:
Mit Schreiben vom 03.08.2007 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung des von der ARGE geltend gemachten Erstattungsbetrages
auf. Mit einer weiteren, mit "Mahnung" überschriebenen Mitteilung vom 14.10.2007 teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes
mit: "Sie haben folgende Zahlungsverpflichtung/en:
Forderung: Mahngebühren 29,70 EUR Bescheid: 14.10.07 RD Sachsen
Forderung: Arbeitslosengeld II - Regelleistung 3.266,30 EUR Bescheid: 02.08.07 ARGE L., Stadt
Forderung: Leistungen für Unterkunft und Heizung 2.619,95 EUR Bescheid: 02.08.07 ARGE L., Stadt
Summe: (...) 5.915,95 EUR Fälligkeit der Forderung: sofort einschließlich Mahngebühren 5.915,95 EUR."
Gegen die Mahnung erhob der Kläger mit einem bei der Beklagten am 29.10.2007 eingegangenen Schreiben Widerspruch und teilte
mit, dass im Vertrauen auf den Bestand der Leistungen diese verbraucht worden seien. Der ihr zugesandte Widerspruch sei auch
den Bearbeitern der ARGE zugesandt worden.
Den Widerspruch verwarf die Widerspruchsstelle der beklagten Bundesagentur mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008, abgesandt
am 09.01.2008, mit der Begründung als unzulässig, dass die Mahnung kein Verwaltungsakt, sondern eine bloße Verwaltungsäußerung
sei. Die eigentliche Entscheidung, die Rechtswirkung nach außen entfalte, sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der
ARGE vom 02.08.2007. Hinsichtlich der Mahnung fehle es an der notwendigen Beschwer durch einen Verwaltungsakt.
Mit der am 12.02.2008 beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung von Mahngebühren. Die Festsetzung von Mahngebühren
sei jedenfalls dann als anfechtbarer Verwaltungsakt zu betrachten, wenn die festsetzende Behörde nicht gesetzlich ermächtigt
sei, die Vollstreckung der gegenständlichen Hauptforderung vorzunehmen. Dies sei vorliegend der Fall, da § 44b Abs. 3 Satz
1 SGB II der ARGE die Aufgaben der Agentur für Arbeit nach dem SGB II zuweise. Die in der Verwaltungsvereinbarung zu sehende
Redelegation sei von der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht gedeckt.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass keine Bedenken bestünden, dass im Wege der Arbeitsteilung
eine an der ARGE beteiligte juristische Person die Forderungsbeitreibung durchführe. Die Aufgabenwahrnehmung sei durch § 88 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gedeckt.
Das SG Leipzig hat mit Urteil vom 26.05.2009 den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 08.01.2008 aufgehoben, soweit Mahngebühren in Höhe von 29,70 EUR festgesetzt wurden. Insoweit enthalte das Mahnschreiben
der Beklagten vom 14.10.2007 einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X. Die Beklagte sei nicht zur Festsetzung von Mahngebühren gegenüber dem Kläger befugt gewesen.
Gegen das ihr am 18.06.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.07.2009 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) die
vom SG Leipzig zugelassene Berufung eingelegt.
Sie verweist darauf, dass das BSG die Rechtsauffassung vertreten habe, dass die Mahnung im Sinne des§ 3 Abs. 3
Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (
VwVG) eine unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung sei (BSG, Beschluss vom 05.08.1997 - 11 BAr 95/97 - und Beschluss vom 07.06.1999 - B 7 AL 264/98 B -). Deshalb müssten auch Mahngebühren als notwendiger Teil der Mahnung gewertet werden; dies habe auch das OVG Nordrhein-Westfalen
(Beschluss vom 13.03.2008 - 12 B 253/08 - Randnr. 5) entschieden. Damit in Übereinstimmung stehe, dass §
18 VwVG Rechsmittel nur gegen die Androhung eines Zwangsmittels oder seine Anwendung vorsehe. Hieraus und aus der systematischen
Stellung des §
19 VwVG ergebe sich, dass gegen die Mahnung und damit auch gegen die Erhebung einer Mahngebühr kein Rechtsbehelf zulässig sei. Dies
sehe auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof so (Beschluss vom 13.09.1999 - 23 ZB 99.2507 -). Die Beklagte meint, auf die
vom erstinstanzlichen Gericht aufgeworfenen Fragen des SGB X komme es deshalb nicht an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26.05.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger meint, der Rechtsauffassung, dass es sich bei Mahngebührenfestsetzungen nicht um Verwaltungsakte handele, könne
nicht gefolgt werden. Anderenfalls könne die Behörde die Gebühren nicht gegen den Bürger vollstrecken und die Bürger wären
in ihren Rechten aus Artikel 19 Abs. 4 Grundsgesetz verletzt. Unzweifelhaft sei, dass die Rechtsauffassung, nach der es sich
bei Mahngebührenerhebungen nicht um Verwaltungsakte handele, nur Gebührenerhebungen meine, die von der zuständigen Behörde
erhoben worden seien. Die Beklagte setzte weiterhin in einer Vielzahl von Fällen Mahngebühren fest.
Dem Senat liegen die Verfahrens beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten vor; diese waren Gegenstand der Beratung
und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG Leipzig den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008
aufgehoben, soweit die Beklagte darin eine Mahngebühr in Höhe von 29,70 EUR festgesetzt hat. Die Klage ist, wie das SG zutreffend entschieden hat, als Anfechtungsklage zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten beinhaltet ihr Schreiben
vom 14.10.2007 insoweit ein Verwaltungshandeln mittels Verwaltungsaktes, als sie gegenüber dem Kläger Mahngebühren in Höhe
von 29,70 EUR festgesetzt hat. Die Festsetzung von Mahngebühren beruht auf einer gesetzlichen Grundlage. Gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt für das SGB II das SGB X. Da der zu vollstreckende Verwaltungsakt vom 02.08.2007 von der ARGE L. erlassen wurde, richtet sich das bei der Zwangsvollstreckung
anzuwendende Verfahren nach dem SGB X. Gem. § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt für die Vollstreckung zugunsten der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts
das
Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (
VwVG). Für die Vollstreckung der übrigen Behörden gelten dagegen gem. § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Im Ergebnis kann offen bleiben,
ob Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Mahngebühr die Vorschrift - des §
19 Abs.
2 Satz 1
VwVG darstellt, nach der für die Mahnung nach §
3 Abs.
3 VwVG eine Mahngebühr erhoben wird, die gemäß §
19 Abs.
2 Satz 2
VwVG eins v.H. des Mahnbetrages bis 100 DM einschließlich, ein halbes vom Hundert von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 1,50 DM
und höchstens 100 DM beträgt, oder - die entsprechende Vorschrift des § 4 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für den Freistaat Sachsen (SächsVwVG) i.V.m. §§ 1, 6 Verwaltungskostengesetz des Freistaates Sachsen (SächsVwKG). Angesichts der (unzulässigen, vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007
- 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 -) Mischverwaltung im Bereich der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II ließe sich sowohl an die Anwendbarkeit von bundes-
wie auch landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsvorschriften denken. So hat auch das Bundesverfassungsgericht im Urteil
vom 20.12.2007 (aaO., Rn. 194) die Unsicherheiten über die Zuordnung von Zuständigkeiten bei der Verwaltungsvollstreckung
angesprochen und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass bei der Rückforderung einer Gesamtleistung, bei der - wie hier
- teilweise Leistungen in der Trägerschaft der Bundesagentur und teilweise solche in kommunaler Trägerschaft berührt sind,
dies sogar Anlass für unterschiedliche Vollstreckungsverfahren bieten könnte. Ein Verwaltungsakt ist in § 31 Satz 1 SGB X als hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Rechtswirkung
nach außen definiert. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass eine Mahnung lediglich eine unselbstständige Vorbereitungshandlung
zur Vollstreckungsanordnung oder zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen darstellt und damit nicht anfechtbar ist (so
z.B. BSG, Beschluss vom 07.06.1999 - B 7 AL 264/98 B -). Anders als die Mahnung selbst stellt jedoch die Festsetzung von Mahngebühren in bestimmter Höhe auf gesetzlicher Grundlage
ein hoheitliches Handeln mit Außenwirkung zur Regelung eines Einzelfalls dar (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 05.11.2008 - 6 A 713/08 - zitiert nach Juris Randnr. 54; App, in: Engelhardt/App,
VwVG und VwZG, 8. Aufl. 2008, §
3 Randnr. 8 und §
19 Randnr. 7
VwVG), da hierdurch Zahlungspflichten des Bürgers durch einseitige behördliche Anordnung in einer genau bestimmten Höhe begründet
werden sollen und wegen dieser auch die Zwangsvollstreckung erfolgen soll. Im Übrigen hat die Beklagte selbst in dem Mahnschreiben
vom 14.10.2007 als Erläuterung für die "Forderung: Mahngebühren" den Bezug "Bescheid: 14.10.07 RD Sachsen" angegeben. Die
Bezeichnung "Bescheid" wird regelmäßig als Synonym für einen Verwaltungsakt verwendet. Diese Bemerkung kann daher von einem
objektiven Empfänger des Mahnschreibens nur so verstanden werden, dass die Beklage durch Bescheid, d.h. durch Verwaltungsakt
handeln wollte. An diesem förmlichen Vorgehen muss sie sich festhalten lassen. Aus der Systematik des
VwVG lassen sich nicht die von der Beklagten genannten Schlussfolgerungen ziehen. Da die Androhung eines Zwangsmittels kein Verwaltungsakt
ist, sondern nur eine Vorbereitungshandlung, also schlichtes Verwaltungshandeln, bedarf die Zulassung von Rechtsmitteln einer
expliziten Regelung, hier in §
18 Abs.
1 Satz 1
VwVG. Da die Festsetzung von Mahngebühren nach der hier vertretenen Rechtsauffassung Verwaltungsaktqualität hat, ist eine gesonderte
gesetzliche Regelung dagegen zulässiger Rechtsbehelfe überflüssig. Die Vorschrift des §
19 VwVG regelt dagegen nicht die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen und schließt solche auch nicht aus; Regelungsgegenstand des §
19 VwVG sind, wie die Überschrift eindeutig erkennen lässt, ausschließlich "Kosten". Der auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes gerichtete
Widerspruch war daher zulässig.
Der Bescheid vom 14.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger
in seinen Rechten. Die Beklagte war nicht zur Festsetzung von Mahngebühren gegenüber dem Kläger befugt.
Eine originäre vollstreckungsrechtliche Befugnis der Beklagten zur Festsetzung von Mahngebühren gegenüber dem Kläger besteht
nicht; Inhaber der Erstattungsforderung war und ist die ARGE L ... Auch insoweit kann dahinstehen, ob Rechtsgrundlage für
die Vollstreckung das
VwVG des Bundes oder das SächsVwVG darstellt: - Nach der bundesrechtlichen Regelung des §
3 Abs.
3 VwVG soll vor Anordnung der Vollstreckung der Schuldner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden.
Zuständig für die Vollstreckungsanordnung ist nach §
3 Abs.
4 VwVG die Behörde, die den Anspruch geltend machen darf. Mangels expliziter anderweitiger Zuständigkeitszuweisungen muss davon
ausgegangen werden, dass die für die Vollstreckungsanordnung zuständige Behörde auch für die vorgelagerte Mahnung und die
Festsetzung der Mahngebühr nach §
19 Abs.
2 VwVG zuständig ist. Vorliegend ergibt sich hieraus eine Zuständigkeit der ARGE L. als der den Anspruch geltend machenden Behörde.
- Nach der landesrechtlichen Regelung des § 13 Abs. 2 SächsVwVG ist vor der Beitreibung der Schuldner von der Behörde, die
den Verwaltungsakt erlassen hat, durch verschlossenes Schreiben zu mahnen. Die Befugnis zur Festsetzung von Mahngebühren folgt
sodann aus § 4 Satz 2 SächsVwVG i.V.m. §§ 1, 6 SächsVwKG und Nr. 1 Tarifstelle 8.1 der Anlage 1 zu § 1 des - vorliegend in
zeitlicher Hinsicht maßgeblichen - 7. Sächsischen Kostenverzeichnisses vom 24.05.2006 (SächsGVBl. S. 189) und ist damit vorliegend
ebenfalls der ARGE L. als den Bescheid erlassenden Behörde zugewiesen.
Übereinstimmend mit dem SG Leipzig ist der Senat der Auffassung, dass die Beklagte nicht bereits aufgrund der rechtlichen
Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II zur Wahrnehmung der diesen zugewiesenen Aufgaben befugt ist. Die
ARGE L. ist wie alle Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II eine gemeinschaftliche Verwaltungseinrichtung der beklagten Bundesagentur
für Arbeit und der kommunalen Träger zum Vollzug der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BVerfG, aaO., Rn. 165). Bei den Arbeitsgemeinschaften
handelt es sich nicht lediglich um eine räumliche Zusammenfassung verschiedener Behörden; denn die beiden Träger der Grundsicherung
für Arbeitsuchende übertragen die Aufgabenwahrnehmung nach § 44b Abs. 3 SGB II auf die Arbeitsgemeinschaften, die sich mithin
nicht auf eine bloße Zusammenfassung selbstständiger Einheiten beschränken, sondern die gesamten operativen Aufgaben einer
hoheitlichen Leistungsverwaltung wahrnehmen (aaO., Rn. 163). Die durch § 44b Abs. 3 Satz 3 SGB II zugewiesene Befugnis zum
Erlass von Verwaltungsakten und Widerspruchsbescheiden beinhaltet die Ermächtigung, als Ausgangsbehörde mit Wirkung für den
Leistungsträger, dessen Aufgabenzuständigkeit wahrgenommen wird, Einzelfallregelungen zu treffen (aaO., Rn. 217). Vor diesem
Hintergrund ist die Auffassung der Beklagten unzutreffend, sie nehme als (Mit-) Trägerin der Grundsicherung bei der Vollstreckung
von durch die Arbeitsgemeinschaft erhobenen Forderungen, insbesondere der Erhebung von Mahngebühren, ein eigenes Geschäft
wahr. Diese Sichtweise ignoriert die gesetzliche Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaft als eigenständige Verwaltungseinrichtung.
Im Übrigen könnte die von der Beklagten für sich in Anspruch genommene Ausübung eigener Aufgaben im konkreten Fall allenfalls
die Beitreibung des Teils der Erstattungsforderung betreffen, der auf zu Unrecht erbrachte eigene Leistungen entfällt, würde
aber nicht auch die Beitreibung zu Unrecht erbrachter Leistungen des kommunalen Trägers umfassen. Ausweislich des Mahnschreibens
der Beklagten vom 14.10.2007 werden jedoch auch die in der Gesamterstattungsforderung enthaltenen Leistungen für Unterkunft
und Heizung gegenüber dem Kläger geltend gemacht. Jedenfalls insoweit ist offenkundig, dass die Beklagte keine eigene Aufgabe
wahrnimmt.
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang auch, ob die 2007 getroffene Verwaltungsvereinbarung i.V.m. §§ 88 ff. SGB X eine zulässige Übertragung von an sich der ARGE L. zugewiesenen Aufgaben auf die Beklagte darstellt; zumindest hätte die
Beklagte im Namen der ARGE auftreten müssen und sie hätte nicht selbst über den Widerspruch des Klägers entscheiden dürfen.
Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann ein Leistungsträger (Auftraggeber) ihm obliegende Aufgaben durch einen anderen Leistungsträger oder seinen Verband (Beauftragter)
mit dessen Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn dies wegen des sachlichen Zusammenhangs der Aufgaben vom Auftraggeber und Beauftragten,
zur Durchführung der Aufgaben und im wohl verstandenen Interesse der Betroffenen zweckmäßig ist. Entgegen der Auffassung des
Gerichts erster Instanz dürfte § 44b Abs. 3 SGB II insoweit keine spezialgesetzliche Zuständigkeitsregelung, darstellen, die
eine (Re-)Delegation ausschließt, sondern sie stellt vielmehr eine Regelung des anzuwendenden Verfahrensrechts dar. Der Sinn
und Zweck des SGB II, die Leistungen der Grundsicherung trotz geteilter Leistungsträgerschaft "aus einer Hand" zu gewähren,
wird durch die Beauftragung der Beklagten mit der Verwaltungsvollstreckung nicht unterlaufen. Allerdings hat die ARGE die
Beklagte mit dem Dienstleistungskatalog lediglich - wie ein Inkassobüro - mit der Einziehung der Forderung beauftragt. Genannt
ist die Erstellung von Zahlungsaufforderungen und Mahnungen, nicht aber die Festsetzung von Mahngebühren. Selbst bei Annahme
einer wirksamen Beauftragung mit der Vollstreckung nach § 88 SGB X erweist sich das Verwaltungshandeln der Beklagten jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil sie zum Einen hinsichtlich der
Festsetzung von Mahngebühren das Tätigwerden im fremden Auftrag nicht deutlich gemacht hat und zum Anderen als Beauftragte
nicht über den Widerspruch des Klägers entscheiden durfte. Verwaltungsakte, die eine beauftragte Behörde erlässt, haben gem.
§ 89 Abs. 1 SGB X im Namen des Auftraggebers zu ergehen. Die Beklagte hätte die Mahngebühren im Bescheid vom 14.10.2007 folglich ausdrücklich
im Namen der sie beauftragenden ARGE festsetzen müssen. Indem die Beklagte in dem Mahnschreiben als Rechtsgrund für die Position
Mahngebühren "Bescheid: 14.10.2007 RD Sachsen" angegeben hat, hat sie den Verwaltungsakt auch Sicht eines objektiven Empfängers
im eigenen Namen erlassen. Rechtsfolge des Handelns im eigenen Namen entgegen § 89 Abs. 1 SGB X ist die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (Engelmann, aaO., § 89 Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.03.2009 - L 8 B 208/07 - zitiert nach Juris Randnr. 20). Erhebt der Beteiligte gegen eine Entscheidung des Beauftragten Widerspruch und hilft der
Beauftragte diesem nicht ab, erlässt den Widerspruchsbescheid gem. § 90 Satz 2 SGB X die für den Auftraggeber zuständige Widerspruchsstelle. Den Widerspruch des Klägers hätte die Beklagte demnach der ARGE L.
zur Entscheidung vorlegen müssen und deren Widerspruchsstelle hätte über den Widerspruch entscheiden müssen und nicht die
Beklagte selbst.
Nach alledem hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.
II. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 Abs.
1 SGG; sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
III. Die Revision wird gem. §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen. Die Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen im Rahmen der Vollstreckung im Auftrag von Leistungsträgern nach
dem SGB II Mahngebühren im eigenen Namen erhoben. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt dagegen
nicht vor; denn in den vom BSG entschiedenen Fällen zu Mahnungen im Sinne des §
3 Abs.
3 VwVG (Beschlüsse vom 07.06.1999 - B 7 AL 264/98 B- und vom 05.08.1997 - 11 BAr 95/97 -) wurden mit den Zahlungsaufforderungen jeweils keine Mahngebühren geltend gemacht. Auch kann entgegen der Auffassung der
Beklagten aus dem Beschluss des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13.03.2008 - 12 B 253/08 - nicht geschlussfolgert werden, dass das OVG Mahngebühren als notwendigen Teil der Mahnung - ohne Verwaltungsaktsqualität
- gewertet hat. In der von der Beklagen zitierten Randnr. 5 des Beschlusses sieht das OVG in der "Auflistung der Kindergartenbeiträge,
Säumniszuschläge und Mahngebühren" keine Vollstreckungsmaßnahme. Dem ist zuzustimmen, eine "Auflistung" aller geltend gemachten
Forderungen stellt lediglich eine Zusammenfassung des Sachverhalts dar. Über den Rechtscharakter einer (erstmaligen) Festsetzung
von Mahngebühren hat das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 13.03.2008 bei genauer Betrachtung der
Wortwahl gerade nicht entschieden.