Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; hinreichende Erfolgsaussicht in Verfahren über die Verfassungsmäßigkeit
der Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche beim Anspruch auf Arbeitslosengeld II
Gründe:
I. Die Kläger wenden sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für
das inzwischen abgeschlossene Klageverfahren.
Den vier Klägern, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2011 in der Fassung
des Änderungsbescheides vom 26. März 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 14. März 2011 bis zum 31. Juli 2011. Hierbei berücksichtigte er beim Kläger zu 2 Leistungen, die dieser
nach dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz - AFBG) erhielt, darunter auch den Darlehensanteil in Höhe von 669,00 EUR monatlich. Den hiergegen gerichteten Überprüfungsantrag
lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2012 ab.
Die Kläger haben am 29. Mai 2012 Klage erhoben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Sozialgericht
hat die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die vom Beklagten zur Anrechnung
der Einkünfte nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (sog. Meister-BAföG) vertretene Rechtsansicht durch die Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 16. Februar 2012 (Az. B 4 AS 94/11 R) bestätigt worden sei. Die von den Klägern gerügte Höhe der Regelleistungen seien nicht evident zu niedrig. Diesbezüglich
hat sich das Sozialgericht auf die das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 12. Juli 2012 (Az. B 14 AS 153/11 R) und den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 20. November 2012 (Az. 1 BvR 2203/12) bezogen. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2013 unter
Verweis auf seine Ausführungen im Urteil vom selben Tag abgelehnt.
Die Kläger haben gegen den ihnen am 15. Februar 2012 zugestellten Beschluss am 18. Februar 2013 Beschwerde eingelegt. Die
angekündigte Begründung der Beschwerde ist bislang ebenso wenig eingegangen wie die der Berufung, die gegen das Urteil vom
11. Januar 2013 eingelegt worden ist (Az. L 3 AS 390/13).
Die Kläger beantragen:
Der Beschluss des Sozialgerichtes Chemnitz vom 11. Januar 2013 wird aufge-hoben und den Klägern wird antragsgemäß Prozesskostenhilfe
für die erste Instanz bewilligt und Herr Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
Die Staatskasse und der Beklagte hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die Akte des
Landessozialgerichtes Chemnitz zum Verfahren Az. L 3 AS 390/13 Bezug genommen.
II. 1. Über die Beschwerde kann auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Klageverfahrens, entschieden werden
(vgl. zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Beschwerdeentscheidung nach rechtskräftigem Abschluss des vorausgegangenen Haupt-sacheverfahrens:
Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - L 3 AS 570/09 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 10. Januar 2013 - L 3 AS 44/11 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 20, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], §
73a Rdnr. 12c; vgl. auch LSG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Mai 1995 - L 8 S (Vs) 52/95 - Breithaupt 1995, 735). Denn die Frage,
ob die Kläger alles Erforderliche getan haben, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens eine Entscheidung
über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken, und die Frage, ob der Bevollmächtigte beigeordnet werden konnte mit der Folge,
dass der Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Auslagen und Gebühren gemäß §§ 45 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsan-wältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) entstehen konnte, betrifft nicht die Zulässigkeit der Beschwerde, sondern deren Begründetheit.
2. Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. Januar 2013 ist zulässig, jedoch nicht
begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
Gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) i. V. m. §
114 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaft-lichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
119 Abs.
1 Satz 1
ZPO).
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Gericht im Prozesskostenhilfever-fahren die Prüfung der Sach- und Rechtslage
nur summarisch vorzunehmen hat und aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten insbesondere bei von Fachgerichten
zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten keine allzu überspannten Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom
7. April 2002 - 1 BvR 81/00 - NJW 2000, 1936 ff.). Damit muss der Erfolg des Rechtsbegehrens nicht gewiss sein. Erfolgsaussichten sind nur dann zu verneinen, wenn diese
nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen sind (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 13. März 2013 - L 3 AS 538/12 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 10, m. w. N.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs besaß die Klage bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg im Sinne von §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
114 ZPO.
a) Soweit sich die Kläger dagegen wandten, dass der Beklagte bei der Leistungsberechnung auch den dem Kläger zu 2 darlehensweise
gewährten Anteil des sogenannten Meister-BAföG als Einkommen berücksichtigte, wird auf das bereits vor der Klageer-hebung am 29. Mai 2012 ergangene Urteil des Bundessozialgericht
vom 16. Februar 2012 (Az. B 4 AS 94/11 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 48) verwiesen. Soweit der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 11. Januar 2013 die Auffassung
vertrat, das Bundessozialgericht habe die vom ihm vorgenommene Qualifizierung des Darlehens als Einkommen "nicht ansatzweise
begründet", ergibt sich diese Begründung gerade aus den vom Klägerbevollmächtigten zitierten Randnummern 18 ff. des Urteils
vom 16. Februar 2012. Im Übrigen ist in Bezug auf diese Rechtsfrage auch auf die Ausführungen des erkennenden Senates im Urteil
vom 31. März 2011, das der Revisionsentscheidung zugrunde lag, zu verweisen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 31. März 2011- L
3 AS 140/09 - JURIS-Dokument Rdnr. 34 ff.).
b) Soweit die Kläger geltend machen, die seit 1. Januar 2011 geltenden Regelungen über die Höhen der Regelbedarfe seien mit
dem
Grundgesetz nicht vereinbar, konnte der Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilferechtlichen Verfahren nicht abgesprochen
werden. Zwar vertrat das Bundessozialgericht im Urteil vom 12. Juli 2012 die Auffassung, dass die Höhe des Regelbedarfes für
Alleinstehende nach dem SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden sei (vgl. BSG, Urteilt vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 153/11 R - SozR 4-4200 § 20 Nr. 17 = ZFSH/SGB 2013, 37 ff. = NZS 2013, 108 ff.). Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 20. November 2012 - 1 BvR 2203/12 - [n. v.]). Allerdings liegt noch keine höchstricherliche Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsregelungen
für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vor. Auch das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
mit dem Az. 1 BvL 10/12, das auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichtes Berlin vom 25. April 2012 (Az. S 55 AS 9238/12, ZFSH/SGB 2012, 345 ff.) zurückgeht, ist noch anhängig. Diese Rechtsfrage ist aber für die in den Jahren 2005 und 2010 geborenen
Kläger zu 3 und 4 und damit im Ergebnis für die Leistungsberechnung sämtlicher vier Kläger von Bedeutung.
Obwohl danach die Klage hinreichende Erfolgsaussicht besaß, fehlte den Klägern gleichwohl das Rechtsschutzbedürfnis für die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes kann
ein Rechtsschutzsuchender darauf verwiesen werden, den Ausgang eines bereits anhängigen, sogenannten unechten Musterverfahrens,
das heißt eines anderen Verfahrens mit derselben Rechtsfrage, abzuwarten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 2009 - 1 BvR 2455/08 - NJW 2010, 988 = JURIS-Dokument Rdnr. 10 f.). Bis zum Abschluss des sogenannten unechten Musterverfahrens ist die Beiordnung eines Rechtsanwaltes
nicht erforderlich im Sinne von §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
121 Abs.
2 ZPO. Für eine das Klagever-fahren betreffende rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Beiordnung eines Rechtsanwaltes
besteht in einem gerichtskostenfreien Verfahren aber kein Rechtsschutzinteresse. Denn neben der Freistellung des Klägers von
den Vergütungsansprüchen eines Rechtsanwaltes bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
122 Abs.
1 Nr.
1 und
2 ZPO, dass die Gerichtskosten grundsätzlich nicht mehr gegenüber dem Kläger geltend gemacht werden können, und dass die Partei
von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist. Für keine dieser Varianten sind hier die
Voraussetzungen gegeben. Das Klageverfahren war für die Kläger als Leistungsempfänger gemäß §
183 Satz 1
SGG gerichtskostenfrei. Die Auf-wendungen des beklagten Jobcenters sind gemäß §
193 Abs.
4 SGG i. V. m. §
184 Abs.
1 SGG nicht erstattungsfähig. Eine Verpflichtung der Kläger zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten bestand nicht (vgl. Sächs.
LSG, Beschluss vom 10. Januar 2013 - L 3 AS 44/11 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 27). Auch können sogenannte Allgemeinkosten der Prozessführung wie Porto, Telefonkosten und
Schreibauslagen, die einem hilfebedürftigen Beteiligten entstandene sind, im Falle der Prozesskostenhilfebewilligung nicht
als "Gerichtskosten" übernommen werden (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 10. Januar 2013, aaO., Rdnr. 28, m. w. N.).
3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. §
183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. §
202 SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. §
177 SGG).