Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungsausschluss für Auszubildende
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) während des Studiums des Antragstellers an einer privaten Hochschule.
Der Antragsteller begann am 01.10.2008 ein Studium der angewandten Medienwirtschaft für die Studienrichtung Medien-, Sport-
und Eventmanagement an der Management Akademie R GmbH (MARie). Nach dem Studienvertrag vom 11.07.2008 ist Ziel dieses Studiums
der Abschluss des Bakkalaureus im Studiengang der angewandten Medienwirtschaft für die Studienrichtung Medien-, Sport- und
Eventmanagement. Gegenstand dieses Vertrages ist die Ausbildung in den Semestern 1 bis 4 an der MARie nach den jeweils gültigen
Studien- und Prüfungsordnung der Hochschule M (FH). Die Semester 5 und 6 werden an der FH absolviert. Die Gesamtkosten der
Ausbildung an der MARie betragen 16.900,00 EUR.
Am 15.09.2008 beantragte der Antragsteller und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsteller) für die Zeit ab 01.10.2008 Leistungen
nach dem SGB II bei dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsgegner) (früher ARGE, jetzt Jobcenter). Dieser
Antrag wurde mit Bescheid vom 22.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2008 abgelehnt. Die dagegen erhobene
Klage vom 11.11.2008 ist unter dem Aktenzeichen S 10 AS 5648/08 beim Sozialgericht Dresden (SG) anhängig.
Auf den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 10.02.2009 hat das SG mit Beschluss vom 10.03.2009 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig
Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 555,00 EUR vom 10.02.2009 bis längstens 31.08.2010 zu gewähren. Zur Begründung
hat das SG ausgeführt, der Antragsteller sei nicht gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil die von ihm durchgeführte Ausbildung schon dem Grunde nach
nicht förderfähig nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (
BAföG) sei. Auf die Frage, ob der Antragsteller eine ähnliche Ausbildung durchführen könnte, die nach dem
BAföG gefördert werden könnte, komme es in diesem Zusammenhang nicht an, denn damit würde der Wortlaut der Vorschrift überschritten.
Für eine erweiternde Auslegung der Vorschrift bestehe in diesem Zusammenhang auch kein Anlass.
Gegen den ihm am 16.03.2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 08.04.2009 Beschwerde eingelegt. Der Anspruchsausschluss
greife vorliegend durch, obwohl der Antragsteller für das Studium an der MARie keine
BAföG-Leistungen erhalten könne. Die Akademie gehöre nicht zu den förderungsfähigen Ausbildungsstätten. Die Ausbildung im Bereich
des Managements sei im Rahmen der universitären Ausbildung förderungsfähig. Der Antragsteller habe dabei keinen Anspruch,
die einzelnen Ausbildungsbereiche zusammenhängend als ein Studium zu absolvieren. Zumutbar sei ebenfalls, zunächst ein Grundstudium
in einem Fachbereich zu absolvieren und anschließend durch Spezialisierungen und Weiterbildungen oder Aufbaustudiengänge den
gewünschten Abschluss zu erlangen. Beispielsweise biete die Berufsakademie Sachsen in R den Studienbereich Sportmanagement
und Eventmarketing und in B direkt Eventmarketing an. Die Berufsakademie sei durch den Freistaat staatlich anerkannt und damit
Ausbildungsstätte im Sinne des
BAföG. An der FH M werde außerdem der Studiengang Medienmanagement als förderfähiger, nicht kostenpflichtiger Studiengang angeboten.
Der grundsätzliche Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt beruhe darauf, dass Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen,
die die Kosten der Ausbildung und den Lebensunterhalt umfassten, sondergesetzlich abschließend geregelt sei. Das Sozialhilferecht
solle nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderfähigen
Ausbildung zu ermöglichen. Nichts anderes solle nach dem Willen des Gesetzgebers für die den Vorschriften der Sozialhilfe
nachgebildeten Parallelvorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II gelten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 10.03.2009 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Bei seinem Studium handele es sich um eine moderne Form des Studiums. Es würde Praxis-Know-how der Medienwirtschaft mit den
Lerninhalten eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums kombiniert. Es würden neue Studiengänge angeboten, um später wettbewerbsfähiger
auf dem nationalen und internationalen Arbeitsmarkt zu sein. Da Hochschulen noch nicht in der Lage seien, dies zu leisten,
würden Kooperationspartner in privater Trägerschaft in Anspruch genommen; der Abschluss erfolge an einer staatlichen Hochschule.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegte Leistungsakte
des Antragsgegners genommen.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG können die Gerichte auf Antrag, der gemäß §
86b Abs.
3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß
§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch
der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden
soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend
grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Ast. nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er im Hauptsacheverfahren
erreichen kann. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
86b RdNr. 16c; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - L 9 B 192/08 KR ER), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in Hk-
SGG, 2. Aufl., §
86b RdNr. 42). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare,
anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden
können und wenn sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren will, die Sach- und
Rechtslage abschließend geprüft werden muss. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich, ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Letzteres bestätigend hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 weiter ausgeführt, dass das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition umso
weniger zurückgestellt werden darf, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes verbunden sind. Art
19 Abs.
4 Grundgesetz verlange auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders
nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in
der Lage wäre.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage
des Antragstellers unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar
betroffener Dritter unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren
zu verweisen (Finkelnburg u.a., Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, RdNr. 108 m.w.N.; ähnlich:
Krodel, NZS 2002, 234 ff). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile
oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen
vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne
einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, aaO., § 86b RdNr. 27a).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sie sich in einer Wechselbeziehung
zueinander, in welcher die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden
Nachteils (des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich
aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (HessLSG, Beschluss vom 29.09.2005 - L 7 AS 1/05 ER; Keller, aaO., § 86b RdNrn. 27 und 29 m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet,
so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes
Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen
an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem
Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes nicht möglich ist, hat das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten
der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist.
Gemessen hieran hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zwar unterfällt er als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger
grundsätzlich dem nach dem SGB II anspruchsberechtigten Personenkreis, hat jedoch gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II keinen Anspruch
auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil er Auszubildender ist, dessen Ausbildung im Rahmen des
BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist.
Der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II liegt die Erwägung zugrunde, dass bereits die Ausbildungsförderung nach
dem
BAföG oder eine Förderung gemäß §§
60 bis
62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und die Grundsicherung nach dem SGB II nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung
des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen.
Die Ausschlussregelung im SGB II soll die nachrangige Grundsicherung (vgl. § 3 Abs. 3 SGB II) mithin davon befreien, eine
- versteckte - Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen. Allein die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde
nach zieht die Rechtsfolge des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nach sich. Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger
der Förderungsleistung eingetreten sind, bleiben dem gegenüber außer Betracht (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 19.08.2010
- B 14 AS 24/09 R, RdNr. 15 m.w.N.).
Zu § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II hat das BSG im Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b 28/06 R grundsätzlich folgendes ausgeführt (RdNr.
25 ff.):
"§ 7 Abs 5 Satz 1 SGB II entspricht dem früheren § 26 BSHG und dem neuen §
22 SGB XII, die ebenfalls Leistungsausschlüsse für Auszubildende enthalten, deren Ausbildung nach dem
BAföG oder dem
SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist. Als maßgeblich wurde und wird auch dort die Förderungsfähigkeit der Ausbildung unabhängig
von einer tatsächlichen Förderung angesehen (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 26 RdNr. 21 ff; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII
Asylbewerberleistungsgesetz, Stand April 2007 § 22 SGB XII RdNr. 15 ff; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 22 RdNr. 3). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat den
Zweck des in Gestalt des § 22 SGB XII unverändert in das neue SGB XII übernommenen § 26 BSHG darin gesehen, die Sozialhilfe davon zu befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf einer "zweiten Ebene" zu sein
(BVerwGE 94, 224 (227)). Der grundsätzliche Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt beruhe darauf, dass Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen,
die die Kosten der Ausbildung und den Lebensunterhalt umfassen, sondergesetzlich abschließend geregelt sei (BVerwGE 61, 352 (356)). Das Sozialhilferecht solle nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhaltes das Betreiben
einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Nichts anderes soll nach dem Willen des Gesetzgebers für
die den Vorschriften der Sozialhilfe nachgebildete Parallelvorschrift des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II gelten (vgl. BT-Drucks.
15/1749 S. 31). Die im
BAföG und im
SGB III vorgesehenen Ausbildungsförderungsmöglichkeiten sind nach der gesetzgeberischen Konzeption des Sozialleistungssystems abschließend.
Auch das Arbeitslosengeld II (Alg II) soll nicht dazu dienen, subsidiär die Ausbildung in solchen Fällen zu fördern, in denen
die Leistungsvoraussetzungen nach dem
BAföG nicht vorliegen (vgl. Entscheidung des erkennenden Senats vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2006 - L 5 B 447/06 AS ER - RdNr. 10).
Dies steht im Einklang mit der Systematik des Gesetzes und seiner Zielrichtung. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll
nach § 1 Abs 1 SGB II dazu beitragen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung
aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können (Satz 1). Hilfebedürftige sollen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer
Erwerbstätigkeit unterstützt und ihr Lebensunterhalt gesichert werden, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können
(Satz 2). Der Katalog des § 1 Abs 1 Satz 4 SGB II macht deutlich, dass Ziel des Gesetzes die Förderung der Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit ist, die den Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen sichert (vgl. Spellbrink, aaO. § 1 RdNr. 13). Grundlegender
Ausgangsgedanke ist, dass der Sozialleistungsempfänger aktiv dabei unterstützt werden soll, vom passiven Objekt staatlicher
Hilfe zum aktiven Subjekt und Gesellschaftsmitglied zu werden (vgl. Spellbrink, aaO. § 1 RdNr. 1), woraus sich das Gebot ergibt,
den Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern.
Dass der Abschluss einer Berufsausbildung sich regelmäßig auf die Chancen im Erwerbsleben positiv auswirken dürfte, mag eine
Förderung grundsätzlich wünschenswert erscheinen lassen, führt aber nicht notwendig zur Inpflichtnahme des SGB II-Leistungsträgers.
Für die Ausbildungsförderung hat der Gesetzgeber ein spezialgesetzliches Leistungssystem etabliert. Die vom SGB II angestrebte
Integration in den Arbeitsmarkt setzt, wie nicht zuletzt die von der Klägerin stundenweise ausgeübte Erwerbstätigkeit zeigt,
eine abgeschlossene Ausbildung nicht notwendig voraus. Das ergibt sich auch aus § 3 Abs. 2 SGB II. Satz 1 dieser Vorschrift
verpflichtet den Grundsicherungsträger, erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
unverzüglich nach Antragstellung in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln. § 3 Abs. 2 Satz
2 SGB II zeigt zwar, dass Hilfebedürftige ohne Berufsabschluss vorrangig in eine Ausbildung vermittelt werden sollen, ein
Anspruch auf Förderung einer bestimmten Ausbildung folgt daraus aber nicht (vgl. Spellbrink, aaO. § 3 RdNr. 13). Schließlich
besteht auch kein Wertungswiderspruch zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II, wonach die Regelleistung abgesenkt wird, wenn der
erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit
aufzunehmen oder fortzuführen. Dass der SGB II-Leistungsträger im Rahmen von §
16 Abs.
1 Satz 1 SGB II iVm §
35 Abs.
1 Satz 1
SGB III auch Ausbildungsvermittlung betreibt, bedingt keine Einstandspflicht für die Förderung der Ausbildung.
Leistungen nach dem SGB II kommen neben dem System der Ausbildungsförderung nur in Betracht, wenn entweder eine besondere,
nicht ausbildungsbedingte Bedarfslage entstanden ist (vgl hierzu Entscheidung des erkennenden Senats vom 06.09.2007 - B 14/7b
AS 36/06 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; BVerwGE 94, 224 ff; vgl auch Fachliche Hinweise der BA Stand 31. Mai 2007, § 7 SGB II RdNr. 7.90), z.B. durch Mehrbedarfe, für die Leistungen
nach § 21 Abs. 2, 3 und 5 SGB II zu gewähren sind oder wenn Leistungen außerhalb des Abschnitts 2 des 3. Kapitels des SGB
II beansprucht werden können, also Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach Abschnitt 1 des 3. Kapitels des SGB II. Dieses
folgt zum einen aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, der den Leistungsausschluss auf Leistungen der Hilfe zur Sicherung
des Lebensunterhalts begrenzt. Zum anderen hat der Gesetzgeber in Ansehung des identischen Wortlauts der Vorschriften und
der Jahrzehnte langen Rechtsprechung des BVerwG zu dieser Differenzierung zwischen ausbildungsbedingtem und sonstigem Bedarf
(vgl. BVerwGE 94, 224 ff; 91, 254 ff; 71, 12 ff), es offensichtlich in Kauf genommen, den Ausschluss insoweit zu begrenzen. Ausgeschlossen sind danach gemäß
§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. [ ]
Der Leistungsausschluss begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar führt der Ausschluss sowohl im SGB II als auch
im SGB XII dazu, dass im Einzelfall für Ausbildungszeiten überhaupt keine staatliche Sozialleistung zur Verfügung gestellt
wird (vgl. Spellbrink, aaO. § 7 RdNr. 40). Der Gesetzgeber stellt aber grundsätzlich ein besonderes System der Ausbildungsförderung
zur Verfügung, mit dem er den Lebensunterhalt während einer Ausbildung sichert. Er ist verfassungsrechtlich nicht gehalten,
darüber hinaus Ausbildungszeiten auch außerhalb dieses Systems zu fördern. Soweit jemand eine Ausbildung betreiben möchte,
obwohl er die Anspruchsvoraussetzungen des zur Förderung einer Ausbildung vorgesehenen Sozialleistungssystems nicht erfüllt,
handelt es sich um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung. Sie kann zumindest nicht die Konsequenz
haben, den Gesetzgeber zu verpflichten, auch während dieser Ausbildung Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach einem
System (SGB II) zu gewähren, das der Existenzsicherung von Personen dient, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Einkommen
erzielen wollen und nur wegen des Fehlens einer Erwerbsmöglichkeit (vorübergehend) der Unterstützung bedürfen. Wegen der Ausbildung
wäre die Klägerin nämlich kaum in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch eine von der Bundesagentur für Arbeit vermittelte
Erwerbstätigkeit selbst zu sichern. Etwaige Härten werden dabei durch § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II abgefedert. Angesichts der insgesamt
pauschalierten Höhe der Leistungen nach dem
BAföG würde die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, jedenfalls in der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 22 Abs 7 SGB II zum
01.01.2007 (BGBl. I S. (1706) auch zu einer nicht zu rechtfertigenden Privilegierung von Personen führen, die eine förderungsfähige
Ausbildung absolvieren, aber die besonderen Voraussetzungen einer Ausbildungsförderung nach den spezialgesetzlichen Vorschriften
nicht erfüllen."
Der Anspruchsausschluss greift hier durch, auch wenn der Antragsteller für das Studium an der MARie keine Ausbildungsförderung
nach dem
BAföG erhalten kann, weil die MARie schon nicht zu den förderungsfähigen Ausbildungsstätten im Sinne des §
2 BAföG gehört. Denn nach §
7 Abs.
5 Satz 1 SGB II ist eine Förderfähigkeit "dem Grunde nach" ausreichend. Diese abstrakte Betrachtungsweise ist nicht nur für
die Förderfähigkeit im Hinblick auf individuelle Versagensgründe maßgeblich, sondern auch für die Förderungsfähigkeit der
Ausbildung an sich. Soweit die Ausbildung an irgendeiner durch das
BAföG geförderten Ausbildungsstätte absolviert werden kann, greift der Ausschluss durch (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 26.05.2008 - L 14 B 571/08 AS-ER, RdNr. 6; SG Berlin, Urteil vom 31.10.2006 - S 94 AS 12047/05-06, RdNr. 27ff.). Die abstrakte Betrachtungsweise entspricht auch dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Ausschlusses. Ausbildungsförderung
neben dem
BAföG oder dem
SGB III soll nach dem SGB II grundsätzlich nicht gewährt werden. Es erschiene insoweit auch systemwidrig, wenn Studenten einer öffentlichen
Hochschule, die keinen Anspruch auf derartige Leistungen haben, nur im Falle des Vorliegens eines besonderen Härtefalls und
nur darlehensweise Leistungen erhalten, Studenten einer privaten, nicht förderfähigen Ausbildungsstätte hingegen im Bedarfsfall
Arbeitslosengeld II als Zuschussleistung erhielten (SG Berlin, aaO.). Die vom Antragsteller betriebene Ausbildung kann an
der Berufsakademie in R sowie in B oder an der Fachhochschule M als regulärer Studiengang durchgeführt werden, weshalb es
beim Antragsteller beim Ausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II bleibt (vgl. auch SG Dresden, Urteil vom 07.01.2009 - S 34 AS 1024/07, RdNr. 19 ff); in diesem Fall war ebenfalls eine Ausbildung an der MARie streitgegenständlich).
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form eines Darlehens nach § 7
Abs. 5 Satz 2 SGB II. Danach können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, allerdings nur
als Darlehen und nicht als Beihilfe oder Zuschuss gewährt werden. Liegt ein besonderer Härtefall vor, hat die Verwaltung in
Ausübung pflichtgemäßen Ermessens Art und Umfang der Leistungsgewährung zu prüfen. Im Hinblick auf das "Ob" der Leistungsgewährung
wird alsdann im Regelfall von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen sein (vgl. Valgoglio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand
Februar 2007, § 7 RdNr. 93; so wohl auch Brühl/Schoch in Münder, SGB II,3. Auflage 2009, § 7 RdNr. 122).
Bei dem Begriff des "besonderen Härtefalls" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem
Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (vgl. zum Vorliegen einer besonderen Härte im Rahmen von §
9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 KfzHV auch BSG, Urteil vom 08.02.2007 - B 7a AL 34/06 R). Die Verwaltung hat keinen Beurteilungsspielraum; ihr steht auch keine
Einschätzungsprärogative zu (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 30.10.2001 - B 3 P 2/01 R BSGE 89, 44). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 28.06.2010 - L 7 AS 337/10 B ER, Beschluss vom 29.06.2010 - L 7 AS 756/09 B ER, Beschluss vom 16.11.2010 - L 7 AS 53/10 B ER, Beschluss vom 09.03.2011 - L 7 AS 4/11 B ER) kann von einem besonderen Härtefall ausgegangen werden, wenn der Lebensunterhalt während der Ausbildung durch Förderung
auf Grund von BAföG/SGB III-Leistungen oder anderen finanziellen Mitteln - sei es Elternunterhalt oder Einkommen aus eigener
Erwerbstätigkeit - gesichert war, die nun kurz vor Abschluss der Ausbildung entfallen. Gleiches gilt für den Fall der Unterbrechung
der bereits weit fortgeschrittenen und bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls
wegen einer Behinderung oder Erkrankung. Denkbar ist auch, dass die nicht mehr nach den Vorschriften des
BAföG oder der §§
60 bis
62 SGB III geförderte Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007
- B 14/11b AS 36/06 R RdNrn. 21 bis 24, BSG - Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 28/06 R).
Die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalls sind vorliegend weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Ausbildung
des Antragstellers war im leistungsgegenständlichen Zeitraum nicht weit fortgeschritten, sondern er hatte sie gerade erst
begonnen. Es ist auch durch nichts belegt, dass die derzeit betriebene Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit
zum Arbeitsmarkt darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.