LSG Hamburg, Urteil vom 16.03.2011 - 2 R 140/09
Vorinstanzen: SG Hamburg 09.07.2009 S 11 R 2901/05
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung zur Zahlung von Säumniszuschlägen.
Der am XXXXX 1966 geborene U.L. - künftig bezeichnet als der Versicherte - war vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. März 1993 bei
der Klägerin versicherungsfrei im Beamtenverhältnis beschäftigt, zunächst als Finanzanwärter, sodann als Steuerinspektor z.
A. und schließlich als Steuerinspektor. Er schied aus dem Beamtenverhältnis aus, ohne eine Anwartschaft auf eine beamtenrechtliche
Versorgung erworben zu haben. Die Beschäftigungsbehörde, die Oberfinanzdirektion Hamburg (OFD), zeigte dies der bei der Klägerin
für die Durchführung der Nachversicherung zuständigen Dienststelle - dies war seinerzeit die Besoldungs- und Versorgungsstelle
im Personalamt, seit Januar 2004 das ebenfalls zum Personalamt gehörende Zentrum für Personaldienste (ZPD) - im Januar 2002
an. Diese führte im März 2003 die Nachversicherung des Versicherten bei der Beklagten durch und zahlte an diese mit Wertstellung
zum 1. April 2003 Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 17.913,02 EUR. Sie hatte diesen Betrag aus zu verbeitragenden Entgelten
in Höhe von 91.861,66 EUR und dem für 2003 maßgebenden Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung in Höhe von 19,5
v. H. errechnet.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 erhob die Beklagte von der Klägerin, ohne diese angehört zu haben, auf die gezahlten Nachversicherungsbeiträge
unter Hinweis auf § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - ( SGB IV) Säumniszuschläge für 100 Monate seit dem 1. Januar 1995 in Höhe von monatlich 1 v. H. der zum Stichtag 1. Januar 1995 nach
Abrundung auf 50 EUR mit 29.796,- EUR bezifferten Nachversicherungsschuld, insgesamt 15.200 EUR. Im März 2003 hatte sie die
Klägerin darauf hingewiesen, sie werde künftig unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsauffassung in allen Fällen der verspäteten
Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen Säumniszuschläge erheben. Frühester Zeitpunkt der Säumnis sei der 1. Januar 1995, weil
von diesem Datum an die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr im Ermessen der beitragseinnehmenden Stelle liege, sondern
von Gesetzes wegen zu erfolgen habe. Sie ersetzte den Bescheid vom 19. Mai 2003 durch den vom 7. Februar 2005, mit dem sie
die Zahl der säumniszuschlagspflichtigen Monate um einen und den insgesamt geforderten.
Die Klägerin hatte bereits am 20. Juni 2003 Klage erhoben. Sie hat ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei schon wegen unterbliebener
Ermessensausübung rechtswidrig. Da die Nachversicherungsbeiträge bereits beim unversorgten Ausscheiden des Versicherten im
Jahre 1993 fällig geworden seien, habe die Beklagte gemäß § 24 SGB IV in der seinerzeit noch bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung über die Erhebung von Säumniszuschlägen nur nach pflichtgemäßem
Ermessen entscheiden dürfen. Im Hinblick auf Art. 2 § 14 SGB IV gelte die am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Fassung des § 24 SGB IV, die die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr in das Ermessen des Rentenversicherungsträgers stelle, sondern zur Pflicht
mache, nur für die nach seinem Inkrafttreten fällig gewordenen Beitrags- und Erstattungsansprüche; im Übrigen seien die bisherigen
Regelungen weiterhin anzuwenden. Des Weiteren sei die Forderung der Beklagten verjährt. Für ihre Verjährung gelte die in §
25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV geregelte Verjährungsfrist von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, nicht, wie die
Beklagte meine, die in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV für vorsätzlich vorenthaltene Beiträge vorgesehene Frist von dreißig Jahren, denn sie - die Klägerin - habe der Beklagten
die Nachversicherungsbeiträge nicht vorsätzlich oder gar absichtlich vorenthalten. Die Nachversicherungsschuld sei 1993 fällig
geworden. Die Verjährungsfrist sei mit dem Ende des Jahres 1997 abgelaufen. Der angefochtene Bescheid sei ihr erst danach
- am 26. Mai 2003 - zugegangen. Zudem liege im Erlass des Säumiszuschlagbescheides eine unzulässige Rechtsausübung. Die Beklagte
verstoße mit der Erhebung von Säumniszuschlägen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil sie für mehr als acht Jahre
ihr Recht auf Erhebung von Säumniszuschlägen nicht ausgeübt habe. Abgesehen davon würden ihr - der Klägerin - mit der Verpflichtung
zur Zahlung von Säumniszuschlägen im vorliegenden Fall wie in allen anderen Fällen, in denen das Ausscheiden der Bediensteten
schon längere Zeit zurückliege, unzumutbare Nachteile entstehen. Sie habe nämlich keinerlei Möglichkeit gehabt, durch eigenes
Verhalten das Entstehen von Säumniszuschlägen zu verhindern, während sie zukunftsbezogene organisatorische Maßnahmen habe
treffen können, um das Entstehen von Säumniszuschlägen zu unterbinden. Zu den Gründen für die Verzögerung der Nachversicherung
hat sie ausgeführt, die OFD habe beim unversorgten Ausscheiden des Versicherten L. nicht entsprechend der bestehenden Dienstanweisung
gehandelt. Diese habe vorgesehen, dass in einem solchen Falle die für die Nachversicherung zuständige Stelle unverzüglich
informiert werden müsse. Dies habe die OFD unterlassen und stattdessen bis zum Jahre 2002 gegen den Versicherten die Rückforderung
eines Teils seiner Anwärterbezüge gemäß § 59 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) betrieben, da dieser nach dem Ende seiner Ausbildung nicht für mindestens fünf Jahre in ihrem Dienst verblieben sei, sondern
vor Ablauf der fünf Jahre ein Studium aufgenommen habe. Eine Entscheidung über einen Aufschub der Nachversicherung habe es
zu keinem Zeitpunkt gegeben. Das Rückforderungsverfahren habe erst im Jahre 2002 mit dem Erlass der Forderung geendet. Erst
dann habe die für die Nachversicherung zuständige Behördenstelle Kenntnis von dem Vorgang erhalten.
Die Beklagte hat am angefochtenen Bescheid festgehalten. Die von der Klägerin für ihren Standpunkt herangezogene Regelung
des § 24 SGB IV in der vor dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung (a. F.) gelte, was vor dem 1. Januar 1995 fällig gewordene Beitragsansprüche
angehe, lediglich für Zeiträume der Säumnis bis zum 31. Dezember 1994; für die nachfolgenden Zeiträume ab Januar 1995 gelte
§ 24 SGB IV in der aktuellen Fassung (n. F.). Für die ermessensfehlerfreie Anwendung des § 24 SGB IV in der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung ab dem 1. Januar 1995 komme es mithin darauf an, dass der Beitragsschuldner
am 1. Januar 1995 noch säumig gewesen sei. Die Forderung sei auch weder verwirkt noch verjährt. Für eine Verwirkung fehle
das erforderliche Umstandsmoment und die Verjährungsfrist habe gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV dreißig Jahre betragen, weil die Klägerin die Beiträge bedingt vorsätzlich vorenthalten habe.
Das Sozialgericht Hamburg hat die Klage durch das Urteil vom 9. Juli 2009 abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte sei
zur Erhebung der Säumniszuschläge gemäß § 24 SGB IV n. F. verpflichtet gewesen. Die durch § 24 SGB IV a.F. eingeräumte Befugnis, über die Erhebung von Säumniszuschlägen nach billigem Ermessen zu entscheiden, habe nach dem Inkrafttreten
des neuen Rechts am 1. Januar 1995 für vorher fällig gewordene Nachversicherungsbeiträge nur für die vor dem 1. Januar 1995
liegenden Zeiten der Säumnis gegolten; die Erhebung von Säumniszuschlägen für Zeiten der Säumnis ab diesem Datum, wie sie
hier erfolgt sei, richte sich nach neuem Recht. Auf § 24 Abs. 2 SGB IV könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie nicht glaubhaft gemacht hat, unverschuldet keine Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht
gehabt zu haben. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei der Anspruch auf Säumniszuschläge bei Zugang des entsprechenden Bescheides
noch nicht verjährt gewesen. Es habe insofern die Verjährungsfrist von 30 Jahren gegolten, die seinerzeit noch nicht abgelaufen
sei, denn die Klägerin habe ihr - der Beklagten - die für den Versicherten L. abzuführenden Nachversicherungsbeiträge mit
bedingtem Vorsatz vorenthalten. Die den Dienstanweisungen widersprechende Behandlung der Nachversicherungsanzeigen stelle
ein bedingt vorsätzliches Verhalten durch bewusste Inkaufnahme einer Verzögerung der Durchführung der Nachversicherung dar.
Dieses fehlerhafte Verhalten der Beschäftigungsbehörde müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die Ansprüche seien auch
nicht verwirkt. Gegen dieses ihr am 17. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. August Berufung eingelegt. Sie
wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen - abgesehen von den Ausführungen zur Verwirkung - und beanstandet
nunmehr auch die Höhe der Forderung der Beklagten. Sie hält daran fest, dass der angefochtene Bescheid schon deswegen rechtswidrig
sei, weil die Beklagte bei der Erhebung der Säumniszuschläge kein Ermessen ausgeübt habe, wie es nach § 24 SGB IV in der zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge am 1. April 1993 geltenden und hier noch anzuwendenden
Fassung geboten gewesen sei. Insofern sei die Überleitungsvorschrift zur Einführung des § 24 SGB IV (Artikel II § 14 SGB IV) entsprechend anzuwenden. § 24 SGB IV n. F. sei erstmals auf Beiträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1994 fällig geworden seien. Für vorher fällig gewordene
Beiträge blieben über dieses Datum hinaus die bis dahin geltenden Regelungen maßgebend. Die Klägerin bekräftigt, dass die
von der Beklagten erhobene Säumniszuschlagsforderung seit Ende 1997 wegen des Ablaufs der in § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für die Verjährung von Beitragsansprüchen geregelten Frist von vier Jahren seit dem Ablauf des Jahres der Fälligkeit der
Beiträge, die auch für die Verjährung von Säumniszuschlägen gelte, verjährt sei. Zu Unrecht habe das Sozialgericht die den
einschlägigen Dienstanweisungen widersprechende Behandlung der Nachversicherungsanzeige durch die OFD als zumindest bedingt
vorsätzliches Verhalten im Sinne eines Vorenthaltens der Nachversicherungsbeiträge bewertet und deshalb die dreißigjährige
Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV für maßgebend gehalten. Wenn die OFD den Nachversicherungsvorgang der Besoldungs- und Versorgungsstelle erst im Jahre 2002,
also nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist, zugeleitet habe, so habe dem kein auch nur bedingt vorsätzliches Verhalten
im Sinne eines Vorenthaltens der Nachversicherungsbeiträge zu Grunde gelegen. Insbesondere habe die OFD nicht zögerlich gehandelt;
vielmehr sei die Personalie weiterhin in ihrem Geschäftsgang gewesen, weil sie seit April 1993 die Rückforderung der Anwärterbezüge
ihres früheren Bediensteten L. nach § 59 BBesG geprüft und dann eingeleitet habe. In dem darüber erteilten Bescheid sei unter II. der Hinweis gegeben worden, dass auf die
Rückforderung unter bestimmten Bedingungen, die im Falle des Nachversicherten erfüllbar gewesen seien, verzichtet werden könne.
Unter anderem sei erforderlich gewesen, dass nach Abschluss des Studiums und gegebenenfalls eines anschließenden Vorbereitungsdienstes
ein erneuter Eintritt in den öffentlichen Dienst erfolge. Deshalb habe die OFD das Absolvieren des zweiten juristischen Staatsexamens
und das Ergebnis seiner Bewerbungen für die Laufbahn des höheren Dienstes abgewartet. Mit Verfügung vom 3. Januar 2002 sei
auf die Rückforderung endgültig verzichtet worden. Nach Abschluss der Angelegenheit habe die OFD unverzüglich die Nachversicherungsanzeige
vom 8. Januar 2002 gefertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei der subjektive Tatbestand des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV bezogen auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und den betreffenden Beitragsschuldner individuell zu ermitteln. Angesichts
dessen sei nicht ersichtlich, dass dem Sachbearbeiter in der OFD die Rechtswidrigkeit seines Handelns bewusst gewesen sei
oder dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, mit der Bearbeitung der Rückforderungsangelegenheit gegen die Pflicht
des Beitragsschuldners zur unverzüglichen Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge zu verstoßen. Mit Rücksicht auf die Besonderheiten
des Einzelfalles und die Option einer Rückkehr des Nachzuversichernden in den öffentlichen Dienst stehe nicht fest, dass der
Sachbearbeiter Kenntnis von der Beitragspflicht gehabt habe. Dies gelte umso mehr für die Sachbearbeitung in der für die Nachversicherung
zuständigen Stelle der Klägerin. Dort sei der Nachversicherungsfall erst nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist, nämlich
im Jahre 2002 bekannt geworden. Der subjektive Tatbestand sei nicht nachgewiesen mit der Folge, dass sich die Beklagte nach
dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast nicht mit Erfolg auf das Bestehen
einer dreißigjährigen Verjährungsfrist berufen könne. Selbst wenn der Personalsachbearbeiter in der OFD Kenntnis von der Verpflichtung
zur Nachversicherung ihres früheren Bediensteten L. gehabt hätte, so wäre diese doch nicht dem zuständigen Amtswalter in der
Besoldungs- und Versorgungsstelle (Zentrum für Personaldienste) zuzurechnen. Insbesondere könne keine Kenntniszurechnung wegen
Organisationsverschuldens stattfinden. Eine Wissenszurechnung zwischen verschiedenen Behörden sei nur ausnahmsweise möglich,
wenn der Klägerin ein konkreter Organisationsangel vorzuwerfen wäre. Eine pauschale Zurechnung derart, dass die Klägerin aufgrund
ihrer Organisationsmacht schlechterdings für die unverzügliche und ordnungsgemäße Umsetzung jedes Nachversicherungsfalles
sorgen müsse, sei unzulässig. Die vom Landesozialgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 28. April 2010 (Az L 8 R 140/09 - juris) formulierten Mindeststandards für die Organisation des Nachversicherungsverfahrens, nämlich
- Sicherstellung der Übersendung der die Nachversicherung betreffenden Vorgänge durch die Organisationseinheit an die Nachversicherungsstelle,
- Gewährleistung der Kontrolle des Zugangs der Vorgänge bei dieser Dienststelle,
- Kontrolle der tatsächlichen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger,
seien erfüllt. Sie - die Klägerin - habe alle erforderlichen organisatorischen Maßnahmen getroffen, um einen zutreffenden
und vollständigen Informationsaustausch zwischen den Personalstellen der Dienstbehörden und der Nachversicherungsstelle sicherzustellen.
Einen irgendwie gearteten Organisationsmangel habe die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 29. April 2010 nicht dargelegt. Die
Anforderungen an ein Organisationsverschulden seien auch nicht erfüllt. Die Organisationsverfügungen des Personalamtes - es
handelt sich dabei um sechs Verfügungen aus der Zeit von 1958 bis 1992 - hätten die unverzügliche und vollständige Abwicklung
der Nachversicherungsfälle sichergestellt. Schließlich macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe den Säumniszuschlag zu
hoch festgesetzt, weil sie von einer zu hohen Nachversicherungsschuld ausgegangen sei. Diese belaufe sich nicht, wie die Beklagte
meine, auf 29.796,00 DM sondern auf 14.010,87 EUR. Die Beklagte habe die Beitragsforderung zu Unrecht auf der Grundlage der
zum Zeitpunkt des Beginns der Säumnis am 1. Januar 1995 maßgebenden Rechengrößen (Dynamisierungsfaktor, Beitragssatz) bemessen.
Maßgebend seien jedoch die im Zeitpunkt der Fälligkeit - d. h. hier am 1. April 1993 geltenden Berechnungsfaktoren, denn der
Nachversicherungsanspruch des Rentenversicherungsträgers entstehe mit Eintritt des Nachversicherungsfalles und werde in der
Regel sogleich fällig. § 184 Abs. 1 S. 3 2. Halbsatz Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung ( SGB VI) stehe dem nicht entgegen. Zwar habe die genannte Norm die Berechnung dahin geregelt, dass bei Beiträgen, die vor dem 1.
Oktober 1994 fällig geworden seien, für die Berechnung des rückständigen Beitrags die zum Zeitpunkt 1. Januar 1995 geltenden
Rechengrößen anzuwenden seien. Diese gesetzliche Regelung sei jedoch erst zum 1. Januar 2008 Kraft getreten und nicht Grundlage
des angefochtenen Bescheides. Eine Rückwirkung sehe das Gesetz nicht vor.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juli 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar
2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zu der von der Klägerin geltend gemachten Verjährung ihres Anspruchs auf
Säumniszuschläge trägt sie ergänzend vor, die Klägerin verkenne die Rechtsprechung des BSG, wenn sie vortrage, sie - die Beklagte
- müsse zur Rechtfertigung des von ihr verfolgten Anspruchs den bedingten Vorsatz für das Vorenthalten der Nachversicherungsbeiträge
nachweisen. Vielmehr habe zunächst der Nachversicherungsschuldner glaubhaft zu machen, dass er im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Gelinge ihm diese Glaubhaftmachung nicht, sei im Regelfall
auch von der 30 Jahre umfassenden Verjährungsfrist auszugehen. Soweit sie sich gegen die Forderung der Höhe nach wende, verkenne
die Klägerin § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wonach der Säumniszuschlag auf den rückständigen Beitrag zu zahlen sei. und andererseits die Besonderheit des Nachversicherungsrechts,
dass nach § 181 Abs. 1 SGB VI für die Höhe des Beitrags die Rechengrößen zum Zeitpunkt der Zahlung für maßgebend erklärt werden. Ohne Beachtung der am
1. Januar 2008 an § 181 Abs. 1 Satz 1 angefügten Sätze 2 und 3 hätte bei dem Monat für Monat entstehenden Anspruch auf Säumniszuschlag
der rückständige Beitrag i. S. d. § 24 SGB Abs. 1 Satz 1 SGB IV bei jeder Änderung der Rechengrößen neu berechnet werden müssen. Der Einfachheit halber und zugunsten der Nachversicherungsschuldner
hätten die Rentenversicherungsträger beschlossen, für die Berechnung des Säumniszuschlags die Rechengrößen zum Zeitpunkt des
Beginns der Säumnis anzuwenden, bei Fälligkeit der Beiträge vor 1995 die am 1. Januar 1995 geltenden Rechengrößen. Entsprechend
sei auch § 184 Abs. 1 SGB VI zum 1. Januar 2008 ergänzt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen
auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Da die Klägerin in
der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2008 auf ihre entsprechenden Rechte verzichtet hat, ist unerheblich, dass die Beklagte
sie vor Erlass des angefochtenen Bescheides nicht angehört hat (BSG, Urteil vom 29. 11. 2007 - B 13 R 48/06 R, SozR 4-2600 § 186 Nr. 1 m. w. N.). Gesetzliche Grundlage des angefochtenen Bescheides ist § 24 Abs. 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat,
für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des rückständigen, auf 50,- EUR nach unten abgerundeten Betrags
zu zahlen. Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist die Klägerin als ehemaliger Dienstherr des Versicherten
L ... Die Nachversicherungsbeiträge sind gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI zu zahlen ("fällig"), wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind. Dies ist regelmäßig mit dem unversorgten
Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (hier: Beamtenverhältnis) der Fall, § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Da der Versicherte am 31. März 1993 aus dem Beamtenverhältnis zur Klägerin ausgeschieden war, ohne eine Versorgungsanwartschaft
erworben zu haben, war die Nachversicherungsschuld am 1. April 1993 entstanden. Aufschubtatbestände im Sinne des § 184 Abs. 2 SGB VI sind nicht ersichtlich geworden und werden im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Zu Unrecht meint die Klägerin, wegen des Eintritts der Fälligkeit der Nachversicherungsschuld im Jahre 1993 noch unter der
Geltung des § 24 SGB IV a. F., der die Erhebung von Säumniszuschlägen in das Ermessen der Rentenversicherungsträger stellte, hätte auch die Beklagte
über ihre - der Klägerin - Heranziehung zu Säumniszuschlägen nach billigem Ermessen entscheiden müssen, mit der Folge, dass
der angefochtene Bescheid schon wegen der unterbliebenen Ausübung von Ermessen fehlerhaft und deshalb aufzuheben sei. Der
Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts bzw. des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG - Urteil vom 14.11.07 - L
13 R 552/06 - juris), dass der Eintritt der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge im Jahre 1993 - d. h. zur Zeit der Geltung des §
24 SGB IV a. F., die Anwendung der ab dem 1. Januar 1995 in Kraft getretenen neuen Fassung auf die daran anschließenden Zeiten der
Säumnis nicht ausschließt. Die von der Klägerin für ihre entgegengesetzte Auffassung ins Feld geführten Stimmen der Literatur
beschränken sich auf die bloße Behauptung einer bestimmten Rechtslage, ohne diese zu begründen. Der Senat zieht die vom BayLSG
und - ihm folgend - vom Sozialgericht vertretene Auffassung vor, weil er es für sachgerecht hält, bei der Sanktionierung von
Säumnis auf die im Zeitpunkt der konkreten Säumnis geltende Rechtslage abzustellen, statt auf die bei Eintritt der Fälligkeit
bestehende. Anderenfalls kann es zu dem nicht zu rechtfertigenden Ergebnis kommen, dass eine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
des § 24 SGB IV n. F. bereits andauernde Säumigkeit in Bezug auf Sanktionen besser behandelt wird als die zu diesem Zeitpunkt erstmalig eintretende.
Dabei verdiente eine derart lang anhaltende Säumnis eher weniger Nachsicht.
Der Erhebung des Säumniszuschlages steht auch keine unverschuldete Unkenntnis der Klägerin von der Verpflichtung zur Zahlung
der Nachversicherungsbeiträge (§ 24 Abs. 2 SGB IV) entgegen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt
wird, ein hierauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet
keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift ist entsprechend in den Fällen anzuwenden, in denen die Beitragsschuld
vom Beitragsschuldner selbst ermittelt und durch die Zahlung dokumentiert wird. Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung,
dass Beitragsforderungen zwar regelmäßig bereits mit Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes entstehen und auf Grund gesetzlicher
Regelungen fällig werden, dem Beitragsschuldner aber unter Umständen die Unkenntnis der Beitragspflicht nicht vorgeworfen
werden kann. Eine solche Situation kann gerade bei der Nachversicherung eintreten, weil zwar objektiv der Nachversicherungsfall
und die Fälligkeit der Beiträge bereits mit dem unversorgten Ausscheiden vorliegen, der Versorgungsträger aber unter Umständen
noch nicht feststellen kann, ob etwaige Aufschubgründe gegeben sind, weil etwa der Nachzuversichernde noch keine hinreichend
sicheren Angaben über seine weitere Beschäftigung machen kann.
Die Klägerin hat aber nicht im Sinne dieser Vorschrift glaubhaft gemacht, dass sie unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht
hatte.
Eine Körperschaft öffentlichen Rechts kann genauso wenig selbst "Kenntnis" bestimmter Umstände haben wie eine juristische
Person des Privatrechts. Stellte man auf die Kenntnis des zuständigen Amtswalters ab (so für den Verjährungsbeginn bei § 852 BGB z. B. BGH vom 4.2.1997, BGHZ 134, 343, 346; BGH vom 9.3.2000 - III ZR 198/99, NJW 2000, 1411 = SGb 2001, 39 mit kritischer Anm Eichenhofer aaO., 41;), so wäre dies zu verneinen. Die für die Nachversicherung zuständigen Bediensteten
der Klägerin in der Besoldungs- und Versorgungsstelle bzw. im Zentrum für Personaldienste (ZPD) hatten jedenfalls vor Ablauf
der kurzen Verjährungsfrist von vier Jahren seit Eintritt der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge keine positive Kenntnis
vom unversorgten Ausscheiden des Versicherten und von der Verpflichtung, ihn nachzuversichern. Dies war erst mit dem Zugang
der Nachversicherungsanzeige im Januar 2002 der Fall.
Ihnen ist jedoch die Kenntnis der Personalsachbearbeiter der OFD bzw. eine bei diesen bestehende verschuldete Unkenntnis zuzurechnen.
Diesen war schon aus der alltäglichen beruflichen Praxis und nicht zuletzt auch im Hinblick auf die von der Klägerin erwähnten
diesbezüglich ergangenen Dienstanweisungen bekannt, dass mit dem unversorgten Ausscheiden des Bediensteten L. aus dem Beamtenverhältnis
dessen Nachversicherung einzuleiten bzw. die für ihre Durchführung zuständige Dienststelle unverzüglich zu informieren war.
Bereits 1958 hatte die Klägerin u. a. angeordnet: "Für zukünftig aus der versicherungsfreien Beschäftigung ohne lebenslängliche
Versorgung ausscheidende Bedienstete ist der Sozialversicherungsstelle des Personalamtes jeweils sofort eine Nachversicherungsanzeige
zu übersenden" Dieser Verpflichtung war sich der jeweilige Personalsachbearbeiter der OFD auch bewusst. Er hat nach dem eigenen
Vortrag der Klägerin die Übersendung der Nachversicherungsanzeige gleichwohl unterlassen und "abgewartet", ob es zu einer
Erstattung von Anwärterbezügen durch den ausscheidenden Bediensteten kommen werde, und erst nach Klärung dieser Frage die
Nachversicherungsanzeige erstellt. Maßgebend für die verspätete Erstattung der Nachversicherungsanzeige war mithin nicht die
Einschätzung, dass Tatbestände vorliegen, die einen Aufschub der Nachversicherung gebieten, was im Übrigen auch nicht von
ihm zu beurteilen war, sondern allein von der Nachversicherungsstelle. Zudem wird ihm bekannt gewesen sein, dass ein Aufschub
der Nachversicherung nicht schon durch das Vorliegen eines entsprechenden Tatbestandes bewirkt wird, sondern erst durch eine
zeitnah zu treffende (Aufschub-)Entscheidung. Eine solche ist nach dem eigenen Bekunden der Klägerin jedoch nicht ergangen.
Abgesehen davon gilt, dass die Verfolgung des Erstattungsanspruchs, so sehr sie nicht nur verständlich sondern auch geboten
war, der nicht minder gebotenen Unterrichtung der Nachversicherungsstelle über das unversorgte Ausscheiden des Bediensteten
L. nicht entgegenstand; erforderlichenfalls hätten für beide Verfahren in gleicher Weise erforderliche Verwaltungsvorgänge
kopiert werden können.
Es ist ebenso gerechtfertigt wie geboten, diese Kenntnis der Personalsachbearbeiter der OFD den für die Durchführung der Nachversicherung
zuständigen Sachbearbeitern der Besoldungs- und Versorgungsstelle zuzurechnen, denn deren Unkenntnis beruhte auf dem Fehlen
ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog. Organisationsverschulden). Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation
hat sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern
zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im
Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich
an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Dazu
kann ein Informationsfluss von unten nach oben, aber auch ein horizontaler Austausch erforderlich sein. Die Notwendigkeit
eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen
Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter - auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt
sind - zurechnen lassen (Bundessozialgericht 13. Senat, Urteil vom 01.07.2010 - Az. B 13 R 67/09 R juris m. w. Nw., Urteil vom 17. April 2008, B 13 R 123/07 R - BSGE 100, 215-220 mit weiteren Nachweisen; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 28. April 2010, Az. L 8 R 140/09 - juris). Daran hat es hier ersichtlich gefehlt.
Schon die gerichtsbekannte große Anzahl der Fälle - im dreistelligen Bereich -, in denen die Klägerin von der Beklagten und
auch von anderen Rentenversicherungsträgern wegen der verspäteten Durchführung der Nachversicherung zur Zahlung von Säumniszuschlägen
herangezogen worden ist, deutet auf seinerzeit vorhandene Mängel des Nachversicherungsverfahrens und damit zusammenhängende
Informationsdefizite hin. Insbesondere hat die Klägerin selbst diese Mängel und auch ihre Verantwortlichkeit bzw. den sich
aus ihnen ergebenden Handlungsbedarf zumindest indirekt eingeräumt. Sie hat nämlich - im Zusammenhang mit ihren Ausführungen
zur Verwirkung der Säumniszuschlagsforderung - ausgeführt, sie habe im Jahre 2003 zukunftsbezogene organisatorische Maßnahmen
treffen können, um das Entstehen von Säumniszuschlägen zu unterbinden. Es ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin diese
Maßnahmen, die nach eigenem Bekunden dazu geführt haben, dass die Nachversicherungen seither unverzüglich - ohne Säumnis -
durchgeführt wurden, nicht schon früher hätte durchführen und damit die Mängel des Nachversicherungsverfahrens früher, auch
schon 1993, hätte abstellen können. Die Ausführungen der Klägerin erwecken den Eindruck, als sei sie erst durch die Belastung
mit Säumniszuschlägen veranlasst worden, für die gesetzlich gebotene fristgerechte Durchführung der Nachversicherung zu sorgen.
Die dazu erforderlichen und 2003 ergriffenen Maßnahmen hätte sie in erster Linie durchführen müssen, um im Interesse der ausgeschiedenen
Bediensteten und des zuständigen Rentenversicherungsträgers ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen - "ungesäumten" - Durchführung
der Nachversicherung nachzukommen, weniger, um die Belastung mit Säumniszuschlägen zu vermeiden. Die Klägerin war sich dieser
Verpflichtung, wie die von ihr vorgelegten, in der Vergangenheit herausgegebenen Dienstanweisungen zeigen, durchaus bewusst.
Aufgrund des teilweise erheblich verspäteten Eingangs dieser Anzeigen in ihrem Hause - wie gerade im vorliegenden Fall - war
ihr bekannt, dass ihre Anweisungen von anderen Dienststellen nicht umgesetzt wurden. Die bereits erhebliche Anzahl vergleichbarer
Fälle belegt, dass es sich dabei nicht um einige wenige, zu vernachlässigende Einzelfälle handelte, die das Eingreifen der
Klägerin nicht erforderten. Die erkennbaren Mängel bzw. fehlerhaften Bearbeitungen hätten sie schon lange vor der Änderung
der Praxis der Beklagten im Frühjahr 2003 zum Umgang mit Säumniszuschlägen bei verzögerter Durchführung der Nachversicherung
veranlassen müssen, in Erfüllung ihrer Verpflichtung, für eine unverzügliche Durchführung der Nachversicherung zu sorgen,
das Nachversicherungsverfahren - ob durch personelle Verstärkungen oder andere administrative Maßnahmen - zu verbessern. Insbesondere
hätte sie sich nicht mit dem Erlass von Dienstanweisungen begnügen dürfen, sondern hätte ihre Einhaltung überprüfen müssen.
Bezeichnenderweise hatte schon die Verfügung vom 13. April 1960 bestimmt, dem Personalamt seien die Nachversicherungsanzeigen
für alle bisher nicht gemeldeten Ausscheidensfälle zu erstatten. Auch in den weiteren Verfügungen des Personalamts der Klägerin
vom 6. August 1961 und vom 8. Januar 1962 wurde darauf hingewiesen, dass Personalakten erst dann zu vernichten oder als abgeschlossen
anzusehen seien, wenn die Durchführung der ggf. erforderlichen Nachversicherung durch das Personalamt geklärt war. Hierdurch
ist belegt, dass auch schon damals nicht alles weisungskonform lief. Gleichwohl sind den Beschäftigungsdienststellen der Klägerin
vergleichbare Hinweise auf die Notwendigkeit einer unverzüglichen Durchführung der Nachversicherung und die hierauf abzustimmende
Führung der Personalakten in der Folgezeit nur mit größeren zeitlichen Abständen am 1. Juni 1971, am 30. September 1975 und
am 21. Januar 1992, danach überhaupt nicht mehr erteilt worden. Dies hätte aber angesichts der bekannten Missstände häufiger
erfolgen und mit Umsetzungsabfragen verbunden werden müssen, um Verzögerungen, wie sie hier erfolgt sind, zu vermeiden.
Dieses Ausmaß an Verantwortlichkeit der Klägerin - d. h. ihrer für die Durchführung der Nachversicherung verantwortlichen
Dienststelle - für Kommunikationsdefizite zwischen den am Nachversicherungsverfahren beteiligten Dienststellen rechtfertigt
und gebietet es, ihr die Kenntnis der Personalsachbearbeiter der in diesem Sinne beteiligten Beschäftigungsbehörden und damit
auch hier der OFD über die Behördengrenzen hinweg zuzurechnen. Zwar hat der 13. Senat des BSG (Urteil vom 17. April 2008 -
B 13 R 123/07 R - Juris) die Auffassung vertreten, eine Wissenszurechnung zwischen verschiedenen Behörden (dort zwischen dem Bayrischen
Justizministerium und der Bezirksfinanzdirektion München) sei nicht möglich. Zur Begründung hat es allerdings lediglich auf
Rechtsprechung aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen, ohne eigene Überlegungen wiederzugeben. Jedoch ist die von
ihm zitierte Rechtsprechung nicht einschlägig bzw. nicht überzeugend begründet. So heißt es in der zitierten Entscheidung
des Bundesgerichtshofs (1. Zivilsenat, Beschluss vom 29.06.2006 - Az. IX ZR 167/04 - Juris) lapidar, Kenntnisse der Bediensteten von Steuerbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen könnten der beklagten Stadt
(deshalb) nicht zugerechnet werden; dies ist angesichts der Tatsache, dass es sich um verschiedene juristische Personen bzw.
Körperschaften handelt, ohne weiteres nachvollziehbar, trifft aber nicht den hier zu bewertenden Sachverhalt, in dem es um
Behörden einer juristischen Person geht. Gehalt und Grenzen des vom BSG formulierten Grundsatzes werden deutlich an der von
ihm zitierten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Beschluss vom 3. August 2006 - 5 V 69/06 - juris) mit den folgenden Leitsätzen:
1. Mangels Pflicht zum ämterübergreifenden Informationsaustausch ist eine Wissenszurechnung im Rahmen des § 130 InsO zwischen zwei demselben Ministerium nachgeordneten Ämtern nicht gerechtfertigt.
2. Es kann von einem Finanzamt nicht verlangt werden, jede - größere - Nichtzahlung eines Steuerpflichtigen bei Fälligkeit,
jeden späteren Zahlungseingang, jeden Stundungsantrag und Vollstreckungsaufschub und jede Vollstreckungsmaßnahme nebst Ergebnis
sowie weitere Kenntnisse über die Liquiditätslage eine Steuerpflichtigen im Hinblick auf § 140 InsO einzeln und zeitnah einem anderen Finanzamt mitzuteilen, zumal die Kenntnis der einzelnen Umstände bei verschiedenen Dienststellen
entsteht.
Das Finanzgericht hat seine Auffassung darauf gestützt, dass es - in dem konkreten Fall - eine Pflicht zum ämterübergreifenden
Informationsaustausch nicht gab. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem hier zu beurteilenden Sachverhalt, denn
eine solche Verpflichtung hat hier gerade auch den oben zitierten eigenen Einlassungen der Klägerin zufolge bestanden: Zwar
war innerhalb der Organisationsstruktur der Klägerin nicht die Personalstelle der jeweiligen Beschäftigungsbehörde, sondern
die Besoldungs- und Versorgungsstelle bzw. das ZPD als zentrale Nachversicherungsstelle der Klägerin für die Durchführung
der Nachversicherung zuständig. Indessen regelten die genannten Organisationsverfügungen ihres Personalamtes (früher: Senatsamt
für den Verwaltungsdienst) das Nachversicherungsverfahren und verpflichteten die Personalstellen der Beschäftigungsbehörden,
bei unversorgtem Ausscheiden eines Beamten dessen Nachversicherung durch Abgabe des Vorganges an das Personalamt bzw. die
Besoldungs- und Versorgungsstelle einzuleiten. Die behördlichen Personalstellen waren deshalb in das von der Besoldungs- und
Versorgungsstelle / vom ZPD der Klägerin gestaltete und verantwortete Nachversicherungsverfahren einbezogen; sie bediente
sich ihrer gleichsam zur Erfüllung ihrer Verpflichtung.
Hat die Klägerin mithin die Unkenntnis der für die Durchführung der Nachversicherung zu- ständigen Dienststelle von der im
konkreten Fall eingetretenen Nachversicherungspflicht wegen der aufgezeigten Organisationsdefizite zu verantworten, so kann
ihr nicht gestattet werden, sich unter Hinweis auf Behördengrenzen auf diese Unkenntnis zu berufen und sich so gleichsam der
Verantwortung für die Organisations- und Kommunikationsdefizite zu entziehen. Es wäre im hohem Maße widersprüchlich, würde
man der Klägerin die Belastung mit Säumniszuschlägen ersparen, die sie erstmals - wie ihrem Vorbringen zu entnehmen ist -
zu behördenübergreifenden organisatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung der Erfüllung ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen,
"ungesäumten" Durchführung der Nachversicherung veranlasst hat.
Der Berufung bleibt der Erfolg auch insofern versagt, als die Klägerin beanstandet, die Beklagte habe die Höhe der Säumniszuschläge
zu hoch festgesetzt, indem sie die ihre Grundlage bildende rückständige Beitragsforderung auf der Grundlage der zum Zeitpunkt
des Beginns der Säumnis am 1. Januar 1995, nicht der der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge, d. h.
hier am 1. April 1993 maßgebenden Rechengrößen (Dynamisierungsfaktor, Beitragssatz) bemessen hat. Zutreffend weist die Klägerin
darauf hin, dass die Beklagte die Berechnung des rückständigen Betrags faktisch in derselben Weise vorgenommen habe, wie es
in § 184 Abs. 1 Satz 3 SGB VI erst mit Wirkung vom 1. Januar 2008 ausdrücklich geregelt sei und dass diese Bestimmung in Ermangelung entsprechender Übergangsvorschriften
als gesetzliche Grundlage für den angefochtenen Bescheid nicht in Frage komme, dieser Bescheid insofern quasi zu früh erteilt
worden sei. Gleichwohl kommt eine auf diesen Umstand gestützte teilweise Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Bescheides
nicht in Betracht. Die Klägerin kann sie - unabhängig von der materiellen Rechtslage - schon deswegen nicht beanspruchen,
weil dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde, demzufolge nichts beansprucht bzw. verlangt werden kann,
was umgehend wieder rückgängig gemacht bzw. zurückgefordert werden kann. So verhält es sich hier: Die Beklagte wäre bzw. ist
nicht gehindert - weder durch Verjährung der Forderung oder durch den Ablauf anderer Fristen, noch wegen einer Notwendigkeit,
Ermessen auszuüben oder durch eine vorzunehmende Anhörung der Klägerin -, den angefochtenen Bescheid auf der Grundlage des
§ 184 Abs. 1 Satz 3 SGB VI durch einen Bescheid mit demselben Inhalt zu ersetzen bzw. neu zu erlassen. Was die Anhörung nach § 24 Sozialgesetzbuch -
Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGBX) anbetrifft, ist zu bedenken, dass mit ihr dem Adressaten
des beabsichtigten Verwaltungsaktes Gelegenheit gegeben werden soll, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen
zu äußern. Die für die Erteilung eines inhaltsgleichen neuen Bescheides maßgebenden Tatsachen wären dieselben wie die, die
für die Erteilung des hier angefochtenen Bescheides maßgebend waren. Nicht der für die Entscheidung erhebliche Sachverhalt
hat sich geändert, ebenso wenig ihr Inhalt, sondern ihre gesetzliche Grundlage. Dies bedeutet, dass der in der mündlichen
Verhandlung am 16. März 2011 von der Klägerin erklärte Verzicht auf die Anhörung zum angefochtenen Bescheid wegen der Identität
der entscheidungserheblichen Tatsachen auch die für einen evtl. neuen Bescheid maßgebenden Tatsachen erfasst und eine erneute
Anhörung nicht erforderlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO). Als erfolglose Rechtsmittelführerin hat die Klägerin, die nach § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist, dem Grunde nach auch die Kosten des Berufungsverfahrens, d. h. nach § 162 VwGO auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren notwendigen Aufwendungen der Beklagten zu tragen,
da weder diese noch sie zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.
Der Senat hat die Revision schon wegen der Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur behördenübergreifenden
Kenntniszurechnung zugelassen.
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