Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten zur teilweisen Rückzahlung von Nachversicherungsbeiträgen.
Der am XX.XXXXXXXXX 1966 geborene Beigeladene war vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. März 1993 bei der Klägerin im Beamtenverhältnis
versicherungsfrei beschäftigt. Im März 2003 führte die Klägerin im Hinblick auf sein unversorgtes Ausscheiden aus dem Dienst
seine Nachversicherung bei der Beklagten durch und entrichtete Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 17.913,02 EUR auf der
Grundlage zu verbeitragender Entgelte in Höhe von 179.665,77 DM (91.861,66 EUR) und des für 2003 maßgebenden Beitragssatzes
in der gesetzliche Rentenversicherung in Höhe von 19,5 v. H.
Am 18. Oktober 2006 beantragte die Klägerin unter Berufung auf §
26 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften (
SGB IV) die teilweise Erstattung der Nachversicherungsbeiträge in Höhe eines Betrages von 3902,15 EUR. Sie machte geltend, im Jahre
2003 die Nachversicherungsschuld fehlerhaft auf der Grundlage der seinerzeit - d. h. im Jahr der Beitragszahlung - geltenden
Berechnungsfaktoren ermittelt zu haben. Nach dem richtigen, vom 4. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 20.
Dezember 2001 zum Aktenzeichen B 4 RA 38/01 R formulierten Verständnis des insofern einschlägigen §
181 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) in der bis zum 31. Juli 2004 geltenden (alten) Fassung des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 (a. F.) seien bei der Berechnung der Nachversicherungsbeiträge entgegen der herrschenden Meinung nicht die im Zeitpunkt
ihrer Zahlung - der Wertstellung - geltenden Rechengrößen zu verwenden, sondern die im Zeitpunkt der Fälligkeit maßgebenden.
Der in §
181 Abs.
1 SGB VI a. F. bei der Bezeichnung des maßgeblichen Zeitpunktes verwendete Begriff der Zahlung (der Nachversicherungsbeiträge) sei
normativ, nicht faktisch zu verstehen. Der systematische Zusammenhang zu den §§
184 Abs.
1 und
185 Abs.
2 S. 1
SGB VI sowie Sinn und Zweck der Nachversicherung geböten, dass nicht auf irgendeinen beliebigen Zahlungszeitpunkt abgestellt werde,
sondern ausschließlich auf den der Fälligkeit des Beitragsanspruchs, also auf den Tag, an dem der Rentenversicherungsträger
die sofortige Zahlung der Beiträge von Schuldner verlangen könne.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Dezember 2006 ab. Sie führte aus, die Klägerin habe die Nachversicherungsbeiträge
im Jahre 2003 in korrekter Höhe auf der Grundlage der für jenes Jahr maßgebenden Rechengrößen berechnet, denn nach §
181 Abs.
1 Satz 1
SGB VI habe die Berechnung der Nachversicherungsbeiträge nach den Vorschiften zu erfolgen, die im Zeitpunkt der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge
maßgeblich seien. Die Klägerin berufe sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts. Diese
entspreche nicht dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Die Rentenversicherungsträger folgten nicht ihr, sondern der rechtskräftigen
Entscheidung des Bayrischen Landessozialgerichts vom 12. Juni 1997 (Az. L 14 An 31/96 - DAngVers 1998, 431), welche die herrschende
Meinung bestätige.
In dem daraufhin vor dem Sozialgericht Hamburg anhängig gemachten Klageverfahren hat die Klägerin ihr Begehren mit im Wesentlichen
unveränderter Begründung unter Bezugnahme auf die Argumentation des Bundessozialgerichts bekräftigt. Es gebe in den Gesetzgebungsmaterialien
keinen Hinweis darauf, dass der in §
181 Abs.
1 SGB VI a. F. verwendete Begriff der Zahlung eine andere rechtliche Bedeutung habe als in der Fälligkeitsbestimmung des §
184 Abs.
1 SGB VI. Es sei nicht erkennbar, dass es dem Nachversicherungsschuldner habe überlassen werden sollen, durch Wahl des Zeitpunkts
der Zahlung die Höhe der Beitragsschuld mitzubestimmen. Folge man der herrschenden Meinung, so könne dieser durch vorzeitige
Zahlung oder durch verzögerte Zahlung jeweils die vor der tatsächlichen Zahlung der Höhe nach nicht feststehenden Beiträge
manipulieren, je nachdem, ob die Rechengrößen in dem einen oder anderen Jahr für ihn günstiger sind. Mit der Einfügung des
Satzes 2 in §
181 Abs.
1 SGB VI mit Wirkung zum 1. August 2004, die der Gesetzesbegründung zufolge entsprechend der bisherigen Praxis habe klarstellen sollen,
welcher Zeitpunkt für die Berechnung maßgebend sei, habe der Gesetzgeber eine Entscheidung gegen den normativen und für den
faktischen Zahlungsbegriff getroffen. Dies habe er jedoch nicht rückwirkend tun können.
Das Sozialgericht hat die Beklagte durch das ihr am 20. Juli 2009 zugestellte Urteil vom 9. Juli 2009 antragsgemäß unter Aufhebung
des angefochtenen Bescheides zur Erstattung des von der Klägerin bezifferten Betrages verurteilt. Es ist bei der Auslegung
des §
181 Abs.
1 SGB VI a. F. der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts gefolgt. Die vom Sozialgericht nicht zugelassene Berufung
ist auf die am 4. August 2009 eingelegte Beschwerde der Beklagten durch den seinerzeit zuständigen 1. Senat des Landessozialgerichts
mit Beschluss vom 18. November 2010 zugelassen worden.
Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Begründung der Beschwerde hat die Beklagte bekräftigt, dass die Nachversicherungsbeiträge
nach ihrem Verständnis des §
181 Abs.
1 SGB VI a. F. unter Verwendung der im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung der Beiträge im Sinne der Wertstellung des Betrages auf
ihrem Konto geltenden Rechengrößen zu berechnen seien. Bei isolierter Betrachtung des §
181 Abs.
1 SGB VI a. F. sei unbestritten, dass für die Berechnung von Nachversicherungsbeiträgen die Gegebenheiten maßgeblich seien, die am
Tag der Wertstellung der Überweisung seitens des Nachversicherungsschuldners Gültigkeit hatten. In dem in der Norm verwendeten
Begriff der Zahlung etwas anderes zu sehen als die tatsächliche Verschiebung von Geldern von einer Stelle zu einer anderen,
sei nicht denkbar. Dieses Ergebnis werde bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des §
181 Abs.
1 SGB VI RRG 92: Während die Vorgängernormen (z. B. § 124 Abs. 2 S. 1 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG) noch auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung abgestellt hätten, sei es dem Gesetzgeber
des RRG 1992 ausweislich der Begründung einer Ergänzung des damaligen §
176 SGB VI E (Bundestagsdrucksache 11/5490, Seite 52) ein Anliegen gewesen, sicherzustellen, dass bei der Berechnung der Beiträge generell
der aktuelle, d. h. der am Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge gültige Beitragssatz zu Grunde gelegt wird. Andererseits sei
in diesem Zusammenhang die Fälligkeitsbestimmung des §
184 Abs.
1 S. 1
SGB VI in der der Fassung vor dem 1. August 2004 beachtlich. In der Zusammenschau dieser Bestimmungen sei die vom 4. Senat des Bundessozialgerichts
am 20. Dezember 2001 vorgenommene Auslegung, über die Brücke des §
184 Abs.
1 SGB VI als Zeitpunkt der Zahlung nach §
181 Abs.
1 SGB VI den Zeitpunkt zugrundezulegen, in denen die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten seien, zwar nicht von vornherein
abwegig. Jedoch könne sie - die Beklagte - sich dieser Auslegung nicht anschließen. Vor dem Urteil des 4. Senats des BSG vom
20. Dezember 2001 habe weder eine Verwaltungsbehörde noch ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit die Sichtweise vertreten,
unter dem Zeitpunkt der Zahlung sei etwas anderes zu verstehen als der Zeitpunkt der tatsächlichen Verschiebung von Geld.
Schließlich hält die Beklagte die Anwendbarkeit der Neufassung des §
181 Abs.
1 SGB VI auf Nachversicherungsfälle vor dem 1. August 2004 für denkbar. In der Begründung dieser mit dem Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz
geänderten Bestimmung (Bundestagsdrucksache (BTDrs.) 15/2149) heiße es, die Änderung stelle entsprechend der bisherigen Praxis
klar, welcher Zeitpunkt als Zeitpunkt der Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen gelte und maßgeblich für die Frage sei, welche
Berechnungsfaktoren für ihre Berechnung zu Grunde zu legen seien. Klarstellungen dienten dazu festzulegen, was nicht nur für
die Zukunft gelten solle, sondern auch was für die Vergangenheit gegolten haben sollte; sie stellen Bekräftigungen des ohnehin
vom Gesetzgeber intendierten Bedeutungsgehalts dar. Dieses werde ganz besonders deutlich dann, wenn der bisherige Normtext
- wie hier - durch einen erklärenden, klarstellenden bzw. bekräftigenden weiteren Text ergänzt werde, ohne selbst eine Änderung
erfahren zu haben.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juli 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beantwortung der von der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfrage, nach welchen
Gegebenheiten sich die Höhe der Nachversicherungsbeiträge bemesse, ergebe sich - bezogen auf die Rechtslage bis zum 31. Juli
2004 - bereits aus dem Gesetz. Die Höhe des Beitragsanspruchs bestimme sich nach der im Zeitpunkt seiner Fälligkeit maßgeblichen
Rechtslage. Soweit die Beklagte der Ansicht sei, aus §
181 Abs.
1 SGB VI a. F. ergebe sich, dass auf den Zeitpunkt der Zahlung abzustellen sei, und hierzu auf die Entstehungsgeschichte der Norm
Bezug nehme, missachte sie die Regelung des §
184 Abs.
1 SGB VI in seiner vor dem 1. August 2004 maßgeblichen Fassung. Diese Rechtslage habe das Bundessozialgericht treffend und prägnant
wie folgt zusammengefasst: Wann zu zahlen sei, ergebe sich aus §
184 Abs.
1 SGB VI, was in diesem Zeitpunkt zu zahlen sei, aus §
181 Abs.
1 SGB VI. Diese Rechtsprechung sei durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. September 2003 (Aktenzeichen B 4 RA 9/03 R - juris Rdnr 23 aE) ausdrücklich bestätigt worden.
Aus der Ergänzung des Abs.
1 des §
181 SGB VI durch die eingefügte Regelung des Satzes 2 mit Wirkung vom 1. August 2004 lasse sich nichts ableiten. Die Gesetzesbegründung
stelle lediglich darauf ab, dass die Änderung die bisherige Praxis klarstelle. Ein Hinweis auf die bisherige Rechtslage ergebe
sich daraus jedoch nicht. Der diesbezüglichen Argumentation der Beklagten sei auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
zur authentischen Interpretation entgegenzustellen, der zufolge es dem Gesetzgeber nicht zukomme, ein Gesetz rückwirkend authentisch
zu interpretieren (Beschluss des 13. Senats vom 29. August 2006. - B 13 RJ 47/04 R Juris Rdnr 67). Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften obliege ausschließlich den Gerichten (Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) Beschluss vom 17. Juni 2004 - Az 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54, 107). Die Behauptung, nichts Neues regeln, sondern durch eine Änderung des Wortlauts (lediglich) "klarstellen" zu wollen,
wie die frühere Gesetzesfassung von Anfang an zu verstehen gewesen sei, entbinde den Gesetzgeber nicht von der Beachtung des
Verbots der echten Rückwirkung.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift
aufgeführten Akten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung ist zulässig und auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter
Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Erstattung eines Teiles der für den Beigeladenen entrichteten Nachversicherungsbeiträge
verurteilt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine solche Erstattung, denn sie hat diese Beiträge im Jahre 2003 unter Verwendung
der für dieses Jahr geltenden Rechengrößen - Beitragssatz und Dynamisierungsfaktoren - in der richtigen Höhe errechnet.
Wie der 4. Senat des Bundessozialgerichts in der o.g. Entscheidung (Juris Rdnr. 32) und ihm insofern folgend die Klägerin
unter Hinweis auf die einhellige Meinung der Literatur einräumen, legt jedenfalls der Wortlaut der Norm nahe, als Zeitpunkt
der Beitragszahlung den Tag der Wertstellung der Nachversicherungsbeiträge anzusehen, und damit den Begriff der Zahlung rein
faktisch zu verstehen. Der Ablehnung eines solchen Verständnisses und der Bevorzugung eines normativen, d. h. wertenden Zahlungsbegriffs
liegen denn auch Erwägungen zur Zweckmäßigkeit und Systematik der Bestimmungen zugrunde. Die vom 4. Senat des Bundessozialgerichts
insofern formulierten Bedenken mögen vor dem Hintergrund der Grundsätze des Beitragsrechts in der Sozialversicherung durchaus
nachvollziehbar sein. Sie müssen jedoch zurückstehen, da die zu ihrer Berücksichtigung befürwortete Auslegung des §
181 Abs.
1 SGB VI dem sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ablesbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht. Es trifft nicht zu, dass - wie
der 4. Senat des Bundessozialgerichts im o. g. Urteil ausführt - in den Gesetzgebungsmaterialien jeglicher Hinweis dafür fehlt,
dass der Ausdruck "Zahlung" in §
181 Abs.
1 SGB VI eine andere rechtliche Bedeutung haben könnte und sollte als in der Fälligkeitsbestimmung des §
184 Abs.
1 SGB VI. Das Gegenteil ist der Fall.
§ 124 Abs. 1 AVG / § 1402 Abs. 1
RVO "In den Fällen des § 9 / § 1232 hat der Arbeitgeber die Beiträge nach den Vorschriften zu entrichten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien
Beschäftigung für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte maßgebend sind". Diese Bestimmung wollte
der Gesetzgeber ursprünglich nahezu unverändert in das
SGB VI übernehmen; dementsprechend hatte §
176 Abs.
1 SGB VI in der Fassung des Entwurfs der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP (BTDrs. 11/4124 S. 55) und der Bundesregierung (BRDrs.
11/4452) den folgenden Wortlaut: "Die Berechnung der Beiträge erfolgt nach den Vorschriften, die im Zeitpunkt des Ein-tritts
der Voraussetzungen für die Nachversicherung für versicherungspflichtige Beschäftigte gelten". Diese Bestimmung ist, dem Formulierungsvorschlag
des 11. Ausschusses folgend, wie folgt geändert worden (Drs. 5490, S.113): "Die Berechnung der Beiträge erfolgt nach den Vorschriften,
die im Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte gelten". Diese Änderung sollte "sicherstellen,
dass der Berechnung der Beiträge generell der aktuelle, d. h. im Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge, gültige Beitragssatz
zugrunde zu legen ist" (BTDrs. 11/5530 S. 52).