Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung nach Aufrechnung unter dem Gesichtspunkt fiktiven
wirtschaftlichen Alternativverhaltens.
Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses, in dem die am … 1935 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte
A.H. (im Folgenden: Versicherte) zunächst in der Zeit vom 5. bis 11. Mai 2011 (Klinik für Innere Medizin) und dann noch in
der Zeit vom 19. bis 31. Mai 2011 (Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie) behandelt wurde.
Die erste Aufnahme erfolgte bei seit vier Tagen auftretenden peranalen Blutabgängen zur Diagnostik und Therapie. Nachdem ein
Analkarzinom diagnostiziert worden war, wurde die Versicherte zunächst in die ambulante Weiterbehandlung entlassen. Das weitere
Vorgehen sollte in der interdisziplinären Tumorkonferenz des Krankenhauses am folgenden Tag, dem 12. Mai 2011, besprochen
werden. Am 17. Mai 2011 stellte die Klägerin der Beklagten für diese Behandlung einen Betrag von 1219,98 Euro in Rechnung
(Fallpauschale <Diagnosis Related Group <<DRG>> > G60B <Bösartige Neubildung der Verdauungsorgane, ein Belegungstag oder ohne
äußerst schwere CC>).
Dem Ergebnis der Besprechung in der Tumorkonferenz vom 12. Mai 2011 entsprechend wurde die Versicherte am 19. Mai 2011 zur
laparoskopischen Sigmoideostoma-Anlage und Adhäsiolyse sowie zur Implantation eines Ports erneut im Krankenhaus der Klägerin
aufgenommen. Außerdem wurde eine Sonographie der Leisten durchgeführt, die keinen Anhalt für eine Lymphknotenmetastasierung
erbrachte. Für die weitere Behandlung wurden Termine für die sich anschließende Strahlen- und Chemotherapie in einem anderen
Krankenhaus und in einer onkologischen Schwerpunktpraxis vereinbart. Für diesen zweiten Aufenthalt stellte die Klägerin der
Beklagten am 6. Juni 2011 einen Betrag von 7412,46 Euro in Rechnung (DRG G18B <Eingriffe am Dünn- und Dickdarm außer bei angeborener
Fehlbildung oder Alter > 1 Jahr, ohne hochkomplexen Eingriff, ohne komplizierende Diagnose, mit komplexem Eingriff).
Die Beklagte beglich zunächst beide Rechnungen, bat jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) um Prüfung,
ob es sich um ein unzulässiges sog. Fallsplitting gehandelt habe, was sie der Klägerin gegenüber mit Schreiben vom 10. Juni
2011 anzeigte.
Der Gutachter des MDK Dr. D. kam unter dem 3. November 2011 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin eine Zusammenfassung der Falldaten
zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine DRG vorzunehmen habe, weil die Erstbehandlung zum Zeitpunkt der Entlassung aus
medizinischer Sicht noch nicht abgeschlossen gewesen sei; es habe sich bei dem zweiten Aufenthalt also um eine Weiterbehandlung
und nicht um eine Wiederaufnahme gehandelt.
Die daraufhin von der Beklagten an die Klägerin ergangene Aufforderung, eine Fallzusammenführung vorzunehmen, wies Letztere
mit der Begründung zurück, dass keine der Wiederkehrerregeln der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2011 zutreffe. Die vorliegend
einschlägige DRG G60B sei nach § 2 Abs. 2 FPV 2011 gekennzeichnet, und da § 2 Abs. 3 FPV 2011 nicht einschlägig sei, verbleibe
es bei der Abrechnung von zwei Fallpauschalen.
Die Beklagte blieb bei ihrer Auffassung und wies ergänzend darauf hin, dass auch der Ministerialrat des Bundesministeriums
für Gesundheit Tuschen in einem Rundschreiben vom 22. April 2005 die Auffassung vertrete, dass die Unterbrechung einer Krankenhausbehandlung
vor Abschluss der Behandlung nicht als Entlassung, sondern als Beurlaubung zu werten sei. Am 16. April 2012 verrechnete die
Beklagte den Betrag der Rechnung vom 16. Mai 2011 für den ersten Aufenthalt der Versicherten in Höhe von 1219,98 Euro mit
einer anderen unstreitigen Forderung der Klägerin.
Am 9. April 2014 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen begehrt. Sie hat gemeint, die
Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung seien nicht gegeben.
Eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 1 FPV 2011 sei nicht vorzunehmen gewesen, da die beiden Aufenthalte in unterschiedliche
Basis-DRGs (einerseits G60, andererseits G18) einzuordnen gewesen seien.
Eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 2 FPV 2011 scheide ebenfalls aus. Zwar sei die erneute Aufnahme innerhalb von 30 Kalendertagen
erfolgt und innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die „medizinische Partition“
und die anschließende Fallpauschale in die „operative Partition“ einzugruppieren gewesen, sodass die Voraussetzungen des §
2 Abs. 2 S. 1 FPV 2011 erfüllt seien. Aber gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 FPV 2011 seien die Fälle von einer Zusammenfassung und Neueinstufung
ausdrücklich ausgenommen, in denen einer der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werde, die im Fallpauschalen-Katalog
bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 gekennzeichnet sei. Eine solche Ausnahme der Wiederaufnahme liege bei
der DRG G60B vor. Zusätzlich sei klarstellend in Spalte 13 unter der Fußnote 4 vermerkt, dass eine Zusammenfassung von Fällen
bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus nach § 2 Abs. 1 und 2 nicht erfolge. Danach hätten die Vertragsparteien, welche
die FPV vereinbart hätten, erkennbar den Willen gehabt, Fälle wie den hier vorliegenden von einer Zusammenfassung auszunehmen.
Die Auffassung der Beklagten, es habe sich um eine Beurlaubung gehandelt, sei nicht zutreffend, ein Rundschreiben des Ministerialrats
Tuschen aus dem Jahr 2005 entfalte keinerlei bindende Wirkung. Die Beurlaubung eines Patienten sei in dem Vertrag über die
Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach §
112 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) (im Folgenden: Vertrag nach §
112 SGB V) nur in engen Grenzen vorgesehen (Hinweis auf SG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2010 – S 35 KR 985/09). Nach dessen § 8 Abs. 1 könnten Kranke nur aus zwingenden persönlichen oder aus therapeutischen Gründen beurlaubt werden,
wobei als Beispiele in § 8 Abs. 2 familiäre oder sonstige wichtige persönliche Gründe genannt seien. Der Wunsch nach der Beurlaubung
gehe also von dem Patienten aus und werde von einem Arzt lediglich genehmigt. Mit einer somatischen Krankenhausbehandlung
sei eine Beurlaubung in der Regel nicht vereinbar (§
8 Abs.
3 des Vertrags nach §
112 SGB V).
Vorliegend habe die Versicherte ihre Behandlung nicht aus zwingenden persönlichen Gründen unterbrochen, sondern die stationäre
Behandlungsbedürftigkeit habe in der Zeit zwischen beiden Krankenhausaufenthalten nicht fortbestanden. Mit der Entlassung
am 11. Mai 2011 sei die Erstbehandlung zur Diagnose abgeschlossen gewesen. Mit der erneuten Aufnahme in das Krankenhaus sei
eine neue Behandlung begonnen worden. Solchen Behandlungskonzepten trage die Regelung im Fallpauschalen-Katalog, wonach die
DRG G60B in Spalte 13 von einer Fallzusammenfassung und Neueinstufung ausgenommen sei, Rechnung. Sollte für solche Fälle stets
eine Beurlaubung angenommen werden, widerspräche dies der restriktiven Regelung in §
8 des Vertrags nach §
112 SGB V, und die Ausnahmeregelung in §
2 Abs.
2 S. 2 FPV 2011, die besondere Behandlungskonzepte bei Krebserkrankungen von den Fallzusammenführungen ausnehme, würde umgangen
und damit obsolet.
Auch in Ansehung des § 1 Abs. 7 FPV 2011 habe keine Beurlaubung vorgelegen. Hiernach werde eine zeitlich befristete Unterbrechung
der noch nicht abgeschlossenen Krankenhausbehandlung durch den Patienten mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes
vorausgesetzt. Grund für die Entlassung der Versicherten im vorliegenden Fall sei allein das Behandlungskonzept, nicht jedoch
ein Wunsch der Versicherten gewesen. Da die weitere Behandlungsstrategie erst noch habe festgelegt werden müssen und bei Entlassung
noch nicht festgestanden habe, wann die Behandlung fortgesetzt werden würde, habe es ebenso an einer zeitlichen Befristung
gefehlt. Schließlich sei bei Entlassung der Versicherten die Behandlung zur Diagnose abgeschlossen gewesen, und mit der erneuten
Aufnahme sei eine neue Behandlung begonnen worden, die im Übrigen auch in einem anderen Krankenhaus hätte erfolgen können.
Dies hätte im Rahmen der Patientenautonomie insbesondere auf Wunsch der Versicherten geschehen können, die darüber hinaus
frei gewesen sei, eine Zweitmeinung einzuholen und sich ggf. für eine andere Form der Weiterbehandlung zu entscheiden.
Die Beklagte hat an ihrer vorgerichtlich geäußerten Auffassung festgehalten, wonach die Klägerin einen noch nicht abgeschlossenen
Behandlungsfall unzutreffend in zwei Abrechnungsfälle aufgeteilt habe (sog. Fallsplitting). Unstreitig habe bereits vor der
Entlassung der Versicherten am 11. Mai 2011 festgestanden, dass die medizinische Notwendigkeit zur weiteren stationären Behandlung
der Versicherten bestanden habe. Die Klägerin missachte das Grundprinzip des DRG-Systems, wonach ein Behandlungsfall insgesamt
mit allen seinen Aspekten mit einer Fallpauschale vergütet werden solle. Die Abrechnung zweier Fallpauschalen widerspreche
dem auch im Leistungserbringungsrecht geltenden, in §§ 12 Abs. 1 S. 2, 2 Abs.
1 S. 1, 4 Abs. 4 sowie 70 Abs. 1
SGB V zum Ausdruck kommenden Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Klägerin habe die Möglichkeit zu einem wirtschaftlichen Alternativerhalten
im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehabt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R).
Das SG hat über die Klage am 10. September 2019 mündlich verhandelt, ihr mit Urteil vom selben Tag stattgegeben und die Beklagte
verurteilt, an die Klägerin 1219,98 Euro nebst 5% Zinsen seit dem 17. April 2012 zu zahlen.
Die Aufrechnung der Beklagten sei zu Unrecht erfolgt. Die Klägerin habe zu Recht zwei jeweils erforderliche Krankenhausbehandlungen
abgerechnet.
Die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nach § 2 FPV 2011 seien nicht erfüllt. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 FPV 2011 habe
das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen,
wenn (1.) ein Patient oder eine Patientin innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage
ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Krankenhausaufenthalts, wieder aufgenommen
werde und (2.) für die Wiederaufnahme eine Einstufung in dieselbe Basis-DRG vorgenommen werde. Dies sei vorliegend nicht der
Fall gewesen.
Nach § 2 Abs. 2 S. 1 FPV 2011 sei eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale
auch dann vorzunehmen, wenn ein Patient innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des ersten Krankenhausaufenthalts
wieder aufgenommen werde (Nr.1) und innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die
„medizinische Partition“ (M) oder die „andere Partition“ (A) und die anschließende Fallpauschale in die „operative Partition“
(O) einzugruppieren sei (Nr. 2). Nach § 2 Abs. 2 S. 2 FPV 2011 erfolge eine Fallzusammenführung nach Satz 1 nicht, wenn einer
der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werden könne, die bei Versorgung in einer Hauptabteilung in
Spalte 13 oder belegärztlicher Versorgung in Spalte 15 des Fallpauschalen-Katalogs gekennzeichnet sei. Hier lägen zwar die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 1 FPV 2011 vor, da die Versicherte innerhalb von 30 Kalendertagen wieder aufgenommen worden
und die zuvor abgerechnete Fallpauschale G60B im Fallpauschalen-Katalog in die „medizinische Partition“ eingruppiert sei und
die anschließende Fallpauschale G18B in die „operative Partition“. Zugunsten der Klägerin greife jedoch die Ausnahmeregelung
in § 2 Abs. 2 S. 2 FPV 2011, da die Fallpauschale G60B in der mit „Ausnahme von Wiederaufnahme“ überschriebenen Spalte 13
des Fallpauschalen-Katalogs gekennzeichnet sei. Zusätzlich zu der Regelung des § 2 Abs. 2 S. 2 FPV 2011 sei die Spalte 13
im Fallpauschalen-Katalog mit der folgenden Fußnote versehen: „Eine Zusammenfassung von Fällen bei Wiederaufnahme in dasselbe
Krankenhaus nach § 2 Abs. 1 und 2 erfolgt nicht“.
Eine Fallzusammenführung sei schließlich nicht nach § 2 Abs. 3 S. 1 FPV 2011 vorzunehmen. Die Vorschrift setzte voraus, dass
ein Patient wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer,
bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten Aufenthalts, wieder aufgenommen werde. Die erneute
Aufnahme der Versicherten habe jedoch nicht auf einer Komplikation beruht, sondern sei bereits im Rahmen des ersten Aufenthalts
bei Entlassung geplant worden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die beiden Krankenhausaufenthalte auch nicht im Rahmen der von ihr veranlassten Auffälligkeitsprüfung
über das Wirtschaftlichkeitsgebot zusammenzuführen und als ein Krankenhausaufenthalt abzurechnen gewesen.
Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§
12 Abs.
1 SGB V) folge, dass ein Krankenhaus nur Anspruch auf die Vergütung einer wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung habe. Die Beachtung
des Wirtschaftlichkeitsgebots verlange, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten
die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher seien (Hinweis auf Bundessozialgericht
<BSG>, Urteil vom 28. März 2017 – B 1 KR 29/16 R, juris-Rn. 21; Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 23/15 R, juris-Rn. 13; Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 6/15 R, juris-Rn. 12; Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 2/15 R, juris-Rn. 20; Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 62/12 R, juris-Rn. 24). Wähle das Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, könne es allenfalls die Vergütung beanspruchen,
die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre (Hinweis auf BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 62/12 R, juris-Rn. 17 ff.; Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 2/15 R, juris-Rn. 14 ff.; Urteil vom 28. März 2017 – B 1 KR 29/16 R, juris-Rn. 21 ff.). Bei zwei aufeinanderfolgenden Krankenhausaufenthalten könne dies nach der Rechtsprechung des BSG dazu führen, dass die Gesamtbehandlung in der Abrechnung wie ein einziger Krankenhausaufenthalt zu vergüten sei (Hinweis
auf BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 62/12 R, juris-Rn. 25; Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R, juris-Rn. 28).
Vorliegend verbiete sich jedoch eine Fallzusammenführung der beiden Krankenhausaufenthalte über das Wirtschaftlichkeitsgebot.
Denn in dem hier einschlägigen § 2 Abs. 2 S. 2 FPV 2011 hätten die Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 S. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) eine Ausschlussregelung für die Fallzusammenführung getroffen, die auf Wirtschaftlichkeitserwägungen beruhe und damit das
Wirtschaftlichkeitsgebot mit normativer Wirkung konkretisiere. Die Regelung in § 2 FPV 2011 sei Bestandteil des durchgängigen,
leistungsorientierten und pauschalierenden Vergütungssystems im Sinne von § 17b Abs. 1 S. 1 KHG, das nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft
in Normenverträgen zu vereinbaren, weiterzuentwickeln und anzupassen hätten. Vorgaben für die Ausgestaltung dieses Vergütungssystems
habe der Gesetzgeber den Vertragsparteien in § 17b KHG und §§ 8, 9 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) gemacht. Danach seien Gegenstand der normenvertraglichen Regelung nicht nur die Fallpauschalen selbst (§ 9 Abs.
1 Nr. 1 KHEntgG), die den Kern des Vergütungssystems ausmachten, sondern auch die Abrechnungsbestimmungen für die Entgelte
(§ 9 Abs. 1 Nr. 3 KHEntgG). Zu den Abrechnungsbestimmungen gehörten Regelungen über die Fallzusammenführung (Hinweis auf Quaas
in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Aufl., § 26 Rn. 371), die das Gesetz in § 8 Abs. 5 KHEntgG für Wiederaufnahmen wegen
Komplikationen verlange und den Vertragsparteien dabei ausdrücklich die Möglichkeit einräume, Abweichendes vorzusehen. Hinter
dieser Ausnahme von dem Grundsatz, dass für jeden Krankenhausaufenthalt eine Fallpauschale abrechenbar sei, stünden Erwägungen
des Wirtschaftlichkeitsgebotes: Ziel sei es, den Krankenhäusern keine finanziellen Anreize zu geben, Patienten zu früh zu
entlassen (Hinweis auf BT-Drs. 15/994, S. 22). Derartige Erwägungen seien auch sonst dem Krankenhausentgeltrecht nicht fremd.
Denn nach § 17b Abs. 2 S. 2 KHG hätten sich die Vertragsparteien bei der normenvertraglichen Ausgestaltung des Vergütungssystems unter Wahrung der Qualität
der Leistungserbringung an wirtschaftlichen Versorgungsstrukturen und Verfahrensweisen zu orientieren. Wirtschaftlicher Verfahrensweise
im Sinne von § 17b Abs. 2 S. 2 KHG wie auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 Abs.
1 SGB V entspreche es, unter mehreren gleichwertigen Behandlungswegen denjenigen zu beschreiten, der geringere Kosten verursache.
Wie jedem untergesetzlichen Normgeber komme auch den Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG ein Gestaltungsspielraum zu, den die Gerichte zu respektieren hätten (zum Gemeinsamen Bundesausschuss Hinweis auf: BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R, juris-Rn. 35; Urteil vom 15. Dezember 2015 – B 1 KR 30/15 R, juris-Rn. 25; Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R, juris-Rn. 25; zum Bewertungsausschuss: BSG, Urteil vom 25. Januar 2017 – B 6 KA 6/16 R, juris-Rn. 23; Urteil vom 17. Februar 2010 – B 6 KA 41/08 R, juris-Rn. 14; Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, juris-Rn. 99; zu den Vertragsparteien nach §
112 SGB V: BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 – B 1 KR 26/17 R, juris- Rn. 28; Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 27/11 R, juris-Rn. 27; zu den Vertragsparteien nach §
115b SGB V: BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 16/13 R, juris-Rn. 26). Wie weit dieser Gestaltungsspielraum sei, unterscheide sich je nach Ermächtigungsgrundlage und Regelungsauftrag.
Dabei sperre sich das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht gegen untergesetzliche Normgebung; vielmehr könne der Gestaltungsspielraum
untergesetzlicher Normgeber auch normative Konkretisierungen des Wirtschaftlichkeitsgebots umfassen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 31. Mai 2006 – B 6 KA 13/05 R, juris-Rn. 68). Das Krankenhausentgeltrecht mache den Vertragsparteien gemäß § 17b Abs. 2 S. 1 KHG bisweilen weitgehende Vorgaben – so in § 8 Abs. 5 KHEntgG hinsichtlich der Fallzusammenführung bei Komplikationen. Zugleich ermächtige es die Vertragsparteien in § 17b Abs. 1 S. 1 KHG umfassend zu Pauschalierungen und zwar nicht nur dazu, die einzelnen Leistungen einer Krankenhausbehandlung in Pauschalen
zusammenzufassen, sondern auch dazu, das leistungsorientierte Vergütungssystem im Übrigen pauschalierend auszugestalten, weshalb
– wie § 17b Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 KHG eigens betone – dessen Differenzierungsgrad praktikabel sein solle. Diese gesetzliche Ermächtigung vermittele den Vertragsparteien
den auch sonst Normgebern bei der Ordnung von Massengeschäften zugebilligten Spielraum, zur notwendigen Praktikabilität und
Einfachheit des Rechts Verallgemeinerungen in Form von Generalisierungen, Pauschalierungen oder Standardisierungen vorzunehmen;
Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt seien, dürften dabei generalisierend vernachlässigt werden, auch wenn
dies naturgemäß zu Lasten der Einzelfallgerechtigkeit gehe (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 19. Dezember
2017 – 1 BvL 3/14, juris-Rn. 187).
Auf dieser Grundlage hätten die Vertragsparteien in § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 FPV 2011 vereinbart, wann
mehrere Krankenhausaufenthalte als ein Fall abzurechnen seien. Ohne ihren Gestaltungsspielraum zu überschreiten, hätten sie
die Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall, die § 8 Abs. 5 KHEntgG für Wiederaufnahmen wegen Komplikationen vorgebe,
auf andere Wiederaufnahmen ausgedehnt, bei denen die Vertragsparteien in typisierender Betrachtungsweise ebenfalls von einem
medizinisch nicht gerechtfertigten Fallsplitting ausgegangen seien. Die Fallzusammenführung erfolge dabei unabhängig davon,
ob die Unterbrechung zwischen den beiden Aufenthalten im konkreten Einzelfall medizinisch gerechtfertigt sei. Das Krankenhaus
könne bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 FPV 2011 gegen die Fallzusammenführung
im Abrechnungsstreit nicht einwenden, dass zwei Aufenthalte medizinisch gerechtfertigt gewesen seien und entsprechende Mehrkosten
verursacht hätten. In einem zweiten Schritt hätten die Vertragsparteien in § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 2 FPV
2011 Fallgruppen gebildet, in denen trotz Vorliegens der Voraussetzungen der § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1
FPV 2011 keine Fallzusammenfassung erfolge. Dabei hätten sie in pauschalierender Betrachtungsweise Fallpauschalen benannt,
bei denen sie davon ausgingen, dass typischerweise zwei oder mehrere Krankenhausaufenthalte statt eines einzigen Aufenthalts
medizinisch und wirtschaftlich gerechtfertigt seien – nämlich in Bezug auf Komplikationen bei bestimmten onkologischen Behandlungen
(§ 2 Abs. 3 S. 2 FPV 2011) und im Übrigen bei Kennzeichnung entsprechender Fallpauschalen in Spalte 13 bzw. 15 des Fallpauschalen-Katalogs.
Dabei sei – wie zwischen den Beteiligten unstreitig sei – die Kennzeichnung spezieller Fallpauschalen in Spalte 13 bzw. 15
vor dem Hintergrund erfolgt, dass es sich hierbei um Behandlungsfälle handele, die der Art der Erkrankung und der Behandlung
nach in mehreren Intervallen erfolge. Werde in der FPV eine ausdrückliche, auf allgemeinen wirtschaftlichen und medizinischen
Erwägungen beruhende Regelung für eine bestimmte Fallgestaltung getroffen, so könne sich die Krankenkasse im Rahmen der Auffälligkeitsprüfung
nicht darauf berufen, dass die Anwendung dieser Regelung im konkreten Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoße.
Eine andere Sichtweise würde die gesetzlich vorgesehene und gewünschte Pauschalierung der Abrechnungsbestimmungen konterkarieren.
Es gehe nicht an, auf der einen Seite eine pauschalierende Vorschrift zu Lasten der Krankenhäuser auch dann anzuwenden, wenn
zwei Aufenthalte medizinisch erforderlich gewesen seien, auf der anderen Seite aber zugunsten der Krankenkassen gegen die
gleiche pauschalierende Vorschrift eine Berufung auf die Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall zuzulassen (Hinweis auf Sächsisches
Landessozialgericht <LSG>, Urteil vom 13. Februar 2019 – L 1 KR 315/14, juris-Rn. 30).
Die Kammer weiche damit auch nicht von der Rechtsprechung des BSG zum Fallsplitting ab. In den von dem BSG entschiedenen Fällen (Hinweis auf Urteile vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 62/12 R –, vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R – sowie vom 28. März 2017 – B 1 KR 29/16 R) sei die Fallzusammenführung in der FPV weder ausdrücklich angeordnet noch ausdrücklich ausgeschlossen gewesen. Nur zu Fallgestaltungen,
in denen die Regelungen der FPV über die Fallzusammenführung nicht anwendbar gewesen seien, habe das BSG entschieden, dass eine Fallzusammenführung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots zu prüfen sei. Um eine solche Fallgestaltung
gehe es hier aber nicht. Vorliegend sei mit § 2 Abs. 2 FPV 2011 in Verbindung mit Spalte 13 des Fallpauschalen-Katalogs eine
ausdrückliche Regelung über die Fallzusammenführung und deren Ausnahmen einschlägig, die zwar auf Wirtschaftlichkeitserwägungen
beruhe, bei der aber – wie dargestellt – nicht im Einzelfall die Wirtschaftlichkeit der Vorgehensweise zu prüfen sei. Soweit
das BSG in den vorgenannten Entscheidungen betone, dass auch das Vertragsrecht dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen müsse (Hinweis
auf Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 62/12 R, juris-Rn. 22; Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R, juris-Rn. 25), führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch das erkennende Gericht gehe davon aus, dass das Vertragsrecht
dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen müsse – und zwar über § 17b Abs. 2 S. 2 KHG selbst dasjenige der FPV. Hieraus folge aber nicht, dass in der Anwendung der FPV bei jedem abzurechnenden stationären Aufenthalt,
der von der Fallzusammenführung vertraglich ausgeschlossen sei, zusätzlich geprüft werden müsse, ob im Einzelfall eine wirtschaftliche
Behandlung vorgelegen habe. Vielmehr sei es Sache der Vertragsparteien, nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG in den Regelungen der FPV das Wirtschaftlichkeitsgebot zu konkretisieren. Soweit sie dies – wie hier in § 2 Abs. 2 FPV 2011
für die Fallzusammenführung bei Folgebehandlung in „operativer Partition“ – getan hätten, ohne dabei ihren Gestaltungsspielraum
zu überschreiten, dürften die Gerichte ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Normgeber getroffenen Wertungen
setzen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R, juris-Rn. 35).
Der Zinsanspruch sei unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Nach dem Hamburger Vertrag nach §
112 SGB V seien Rechnungen innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Nachdem die Beklagte die geforderte Summe zunächst
voll bezahlt gehabt habe, habe sie am 16. April 2012 den vollen Betrag mit einer anderen, unstreitigen Forderung verrechnet.
Da die Beklagte die Zahlung endgültig abgelehnt gehabt habe, sei das Zinsbegehren sowohl nach seinem geltend gemachten Beginn
(vgl. §
286 Abs.
1, Abs.
2 und §
291 S. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs <BGB>) als auch der Höhe nach begründet.
Gegen dieses ihr am 17. September 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. September 2019 eingelegte Berufung der Beklagten.
Sie meint, die Argumentation des SG mit dem vertraglichen Ausschluss (Spalte 13) gehe fehl, jedenfalls könne diese nur im Rahmen der FPV Anwendung finden. Vorliegend
gehe es allerdings nicht um eine Fallzusammenlegung nach der FPV, sondern um eine Abrechnung nach dem wirtschaftlichen Alternativverhalten,
die bereits aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot folge. Die FPV zu Fallzusammenführungen stelle lediglich eine technische Regelung
dar, die für eine Vielzahl von Fällen gedacht sei, um Fallsplitting zu verhindern. Von ihrem Beginn an im Jahr 2004 habe sie
zusätzliches, ökonomisches bedingtes Fallsplitting technisch zu verhindern bezweckt. Sie habe aber darüber hinaus nicht eine
Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall verhindern sollen. Ein unwirtschaftliches Verhalten des Krankenhauses im Einzelfall
werde von den technischen Fallzusammenführungsregeln nicht legalisiert. Zur Stützung dieser Auffassung beruft die Beklagte
sich auf eine in einem Klageverfahren vor dem SG Düsseldorf abgegebene Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands vom 23. August
2019.
Darüber hinaus hätte vorliegend eine Beurlaubung schon deshalb in Betracht gezogen werden müssen, weil die Aufenthalte eng
beieinander gelegen hätten und die Notwendigkeit der stationären Behandlung angesichts der festgestellten Krebserkrankung
offenkundig gewesen sei. Zum Begriff der Beurlaubung verweist die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 19. November 2019 – B 1 KR 6/19 R.
Es könne nicht sein, dass eine Krebsbehandlung in Diagnostik und Therapie künstlich aufgespalten werde, weil eine in der Organisationshoheit
der Klägerin liegende Tumorkonferenz erst nach Entlassung der Versicherten erfolgt sei. Diese habe noch zur ersten stationären
Behandlung gehört und hätte auch früher erfolgen können. Die erneute Vorstellung der Versicherten zur Besprechung der Ergebnisse
der Konferenz, zur Wiedervorstellung und zur erneuten stationären Aufnahme zur Fortsetzung der Behandlung seien zum Zeitpunkt
der Entlassung bereits konkret geplant gewesen. Hierzu nimmt die Beklagte Bezug auf ein weiteres eingeholtes Gutachten des
MDK (Frau Dr. P.) vom 2. September 2020. Die FPV unterstelle eine abgeschlossene Behandlung, die in einem solchen Fall wie
hier gerade nicht vorliege. Die Ausnahmeregelungen in § 2 Abs. 2 FPV seien dennoch nicht obsolet. Die Fälle zu Spalte 13 des
Fallpauschalen-Katalogs setzten einen abgeschlossenen Behandlungsfall und sodann eine Wiederaufnahme bei Krankheiten, die
nach der Art der Behandlung Intervalle erforderten (z.B. eine sich anschließende Chemotherapie), voraus.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für überzeugend. Wenn die Beklagte meine, der vertragliche Ausschluss von Spalte 13 gelte nur im Rahmen der FPV, das Wirtschaftlichkeitsgebot
sei aber gleichsam übergeordnet, so irre sie. Sie verkenne, dass vielmehr die FPV schon eine konkrete Ausgestaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes
mit normativer Wirkung darstelle. Würde man der Argumentation der Beklagten entsprechend das Wirtschaftlichkeitsgebot hier
erneut und in ihrem Sinne anwenden, so würde man die Konkretisierung der Vertragsparteien ad absurdum führen und den ihnen
vom Gesetzgeber zugestanden Gestaltungsspielraum umgehen. Dies sei nicht gewollt. Solchen Umgehungen habe der Gesetzgeber
daher inzwischen auch versucht, Einhalt zu gebieten, indem er mit dem – mit Wirkung ab 1. Januar 2019 – neu eingefügten §
8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG, wonach in anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen eine Fallzusammenführung insbesondere
aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht zulässig sei, klargestellt habe, in welchem Rahmen das Wirtschaftlichkeitsgebot
angewendet werden solle.
Die Klägerin betont erneut, dass die Voraussetzungen für eine Beurlaubung, die in der Regel mit einer somatischen Krankenhausbehandlung
nicht vereinbar sei und nur aus zwingenden persönlichen oder therapeutischen Gründen auf Wunsch des Patienten mit Genehmigung
des Arztes erfolgen könne, im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen seien. Würde man in Fällen wie dem vorliegenden eine
Beurlaubung annehmen, würde die Ausnahmeregelung § 2 Abs. 2 S. 2 FPV umgangen und damit obsolet.
Die Argumentation der Beklagten, wonach § 2 Abs. 2 S. 2 FPV einen abgeschlossenen Behandlungsfall voraussetze, mache keinen
Sinn. Wäre es so, dass es sich bei den darin in Bezug genommenen Fällen um abgeschlossene Behandlungsfälle handelte, bräuchte
nicht geregelt zu werden, dass die Fälle nicht zusammenzuführen seien. Die Anwendung des § 2 Abs. 2 S. 2 FPV habe im Übrigen bei der Entscheidung des BSG vom 19. November 2019 – B1 KR 6/19 – keine Rolle gespielt.
Schließlich weist die Klägerin darauf hin, dass interdisziplinäre Tumorkonferenzen einmal wöchentlich oder alle zwei Wochen
stattfänden, sodass eine Verzögerung der Behandlung der Versicherten nicht etwa durch die Terminierung der Tumorkonferenz
auf Seiten des Krankenhauses zustande gekommen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten
und der von der Klägerin vorgelegten Krankenunterlagen Bezug genommen.
Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren geben keinen Anlass zu einer anderen rechtlichen Bewertung.
Insbesondere vermag die Beklagte nicht das Argument zu erschüttern, dass die Regelungen in der FPV 2011 und hier insbesondere
in § 2 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit der Kennzeichnung der DRG G60B im Fallpauschalen-Katalog 2011 einschließlich der dortigen
Fußnote 4, wonach eine Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus in einer Konstellation nach § 2 Abs.
2 S. 1 FPV 2011, wie sie auch im hier zu entscheidenden Fall vorliegt, nicht erfolge, Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebotes
in Gestalt pauschalierender, von den Vertragsparteien in Umsetzung des ausdrücklichen gesetzgeberischen Willens geschaffener
untergesetzlicher Normen sind (so auch Sächsisches LSG, Urteil vom 13. Februar 2019 – L 1 KR 315/14, KHE 2019/29).
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der vorliegenden Konstellation auch um eine solche, die typischerweise
auftritt und von den Vertragsparteien (bzw. in früheren und späteren Jahren vom Verordnungsgeber) mit der Regelung in § 2
Abs. 2 S. 2 FPV in den Blick genommen wurde, wie sich auch aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme
des GKV-Spitzenverband von 23. August 2019 ergibt, in der auf Seite 2 die Begründung zu der erstmals für das Jahr 2004 geschaffenen
Regelung zitiert wird, wonach gerade die Krankenkassen im Hinblick auf eine Verkürzung der Verweildauer in den letzten Jahren
verstärkt darauf gedrängt hätten, dass insbesondere Krebspatientinnen und -patienten zwischenzeitlich entlassen werden, wenn
z.B. eine Therapie nicht unmittelbar im Anschluss an eine Diagnostik durchgeführt werden könne. Eine derartige Fallgestaltung
ist vorliegend gegeben. Nach der diagnostischen Behandlung der Versicherten in der Klinik für Innere Medizin des Krankenhauses
der Klägerin stand zwar fest, dass diese weiterbehandelt werden musste. Das konkrete Konzept war jedoch noch zu erarbeiten,
und die Auswahl der Behandler (hier neben der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses der Klägerin auch noch ein anderes
Krankenhaus sowie eine ambulante Praxis) zu treffen, wobei es der Versicherten unbenommen blieb, auf Vorschläge der erst nach
ihrer Entlassung stattfindenden Tumorkonferenz nicht einzugehen und sich z.B. eine Zweitmeinung einzuholen oder in einem anderen
Krankenhaus weiterbehandeln zu lassen. Die Klägerin weist im Übrigen zu Recht darauf hin, dass die Regelung in § 2 Abs. 2
S. 2 FPV 2011 leerliefe, wenn man der Ansicht der Beklagten folgte, wonach stets abgeschlossene Behandlungen vorliegen müssten,
die in Intervallen aufeinander folgten wie z.B. eine Chemotherapie. Zum einen dürften auch nach dem Verständnis der Beklagten
in diesen Fällen stets keine abgeschlossenen Behandlungen vorliegen, weil die Notwendigkeit der Fortsetzung stationärer Behandlung
zum Zeitpunkt der Entlassung ja jeweils feststeht. Zum anderen dürften in Konstellationen, in denen gleichartige Behandlungen
in Intervallen aufeinanderfolgen, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FPV 2011 nicht vorliegen, weil diese jeweils
in der gleichen Partition zu kodieren sein dürften.
Dass die vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fälle einer Fallzusammenführung abschließend sind und insbesondere aus Gründen
des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht erweitert werden dürfen, hat der Gesetzgeber mit dem mit Wirkung ab 1. Januar 2019 geschaffenen
§ 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG klargestellt (BT-Drs. 19/5593, S. 125), galt mithin auch aus Sicht des Gesetzgebers aus den vom SG genannten guten Gründen auch schon für Zeiträume davor (a.A.: BSG, Urteile vom 19. November 2019 – B 1 KR 6/19 R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 81, und – ausweislich des Terminberichts Nr. 40/20 – vom 27. Oktober 2020 – B 1 KR 9/20 R, bislang nicht im Volltext veröffentlicht).
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass schon der Ansatz der Beklagten, dass die Frage, ob ein Behandlungsfall vorliege
oder mehrere, nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen sei, fehlgeht. Im allgemeinen gilt, dass ein Behandlungsfall
im Rechtssinne vorliegt, wenn die zugrunde liegenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen diesen als abzurechnende
Einheit ansehen, die auch mehrere, zeitlich durch Aufnahme, Entlassung und Wiederaufnahme voneinander getrennte Behandlungsabschnitte
umfassen kann (BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 15/11 R, KHE 2012/46). So hat das BSG abweichend von den nicht überzeugenden Urteilen des Thüringer LSG vom 28. August 2012 – L 6 KR 295/11 – und zuletzt des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 23. August 2018 – L 5 KR 88/15 – (KHE 2018/107) mit Urteil vom 28.Oktober 2020 – B 1 KR 8/20 R – (s. Terminbericht des BSG Nr. 40/20 Nr. 1) entschieden, dass eine Verlegung im Sinne des § 1 Abs. 1 FPV neben dem ausschließlich maßgeblichen Zeitmoment (innerhalb von 24 Stunden) nicht voraussetze, dass im Zeitpunkt
der Entlassung aus dem Krankenhaus die erforderliche medizinische Behandlung für den Versicherten noch nicht abgeschlossen
sei. Dies entspricht dem in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz, dass bei der Anwendung von Abrechnungsbestimmungen
die Auslegung eng am Wortlaut orientiert zu erfolgen hat und lediglich durch systematische Erwägungen unterstützt werden kann
(s. nur BSG, Urteile vom 6. März 2012 – B 1 KR 15/11 R – und vom 17. Juli 2020 – B 1 KR 22/19 R, jeweils juris). Soweit das BSG in den Urteilen vom 17. September 2013 – B 1 KR 2/12 R – und vom 19. April 2016 – B 1 KR 23/15 R – einen einheitlichen Behandlungsfall im Sinne eines zusammenhängend behandelten Krankheitsfalls versteht, wird diese Definition
in den genannten Entscheidungen jeweils mit Blick auf die Frage angewandt, ob eine vor- bzw. nachstationäre Behandlung gesondert
vergütet werden kann, wenn die vollstationäre Behandlung den Anspruch auf eine Fallpauschale begründet. Hierauf kommt es wegen
der Regelungen in § 8 Abs. 2 KHEntgG an; in anderen Konstellationen – so auch in der vorliegenden – bestimmt sich der Behandlungsfall
jedoch allein nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen mit der Folge, dass die beiden stationären Behandlungen
der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin als zwei Behandlungsfälle mit zwei Fallpauschalen abzurechnen sind. Dieses Ergebnis
ist auch vor dem Hintergrund stimmig, dass unter Zugrundelegung der jüngsten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27. Oktober 2020 – B 1 KR 8/20 R, a.a.O.) im Falle der chirurgischen Weiterbehandlung der Versicherten in einem anderen Krankenhaus als dem der Klägerin kein
Fall der Verlegung im Sinne des § 1 Abs. 1 FPV vorläge, sodass auch dann zwei Fallpauschalen abzurechnen wären.