Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld für den Zeitraum vom 20. Dezember 2004 bis 31. Januar 2005.
Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger arbeitete seit Februar 2004 als Stahlbauer bei der Firma D. GmbH. Wegen einer
Großzehgrundgelenksarthrose wurde er im April 2004 ärztlich behandelt und unterzog sich am 21. Juli 2004 einer Operation,
bei der das Gelenk versteift wurde. Aufgrund des Eingriffs war der Kläger arbeitsunfähig und wurde von dem Orthopäden Dr.
W. fortlaufend krankgeschrieben. Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung der Arbeitgeberin gewährte die Beklagte dem Kläger
Krankengeld in Höhe von 33,81 EUR täglich. Seit Anfang Juli 2004 war er zusätzlich wegen Beschwerden im linken Ellenbogen
bei dem Chirurgen Dr. D1 in ärztlicher Behandlung. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) mit
Gutachten vom 14. Dezember 2004 zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Kläger ab dem 20. Dezember 2004 wieder arbeitsfähig
sei, wurde der Kläger ab diesem Tag wegen der Ellenbogenbeschwerden von Dr. D1 krankgeschrieben. Der MDK gelangte in einem
weiteren Gutachten (vom 12. Januar 2005) zu dem Ergebnis, dass aufgrund einer neuen Erkrankung weiter Arbeitsunfähigkeit bestünde.
Daraufhin teilte die Beklagte der Firma D. mit Schreiben vom 27. Januar 2005 mit, dass ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung
entstanden sei. Der Kläger erhielt am selben Tag eine Abschrift dieses Schreibens zur Kenntnis. Die Beklagte zahlte dem Kläger
erst wieder ab dem 1. Februar 2005 Krankengeld.
Der Kläger, der zunächst von seiner Arbeitgeberin keine Entgeltfortzahlung erhielt, erhob am 16. Februar 2005 Klage vor dem
Arbeitsgericht Neumünster (Aktenzeichen 4 Ca 288 c/05). Neben der Entgeltfortzahlung ab dem 20. Dezember 2004 beanspruchte
er die Vergütung von Überstunden für die Monate Juni und Juli 2004. Am 21. Februar 2005 erhielt er von der Firma D. das Entgelt
für die Zeit vom 20. Dezember 2004 bis 31. Januar 2005 in Höhe von 4160 EUR. Am 3. März schlossen die Parteien des arbeitsgerichtlichen
Verfahrens im Gütetermin einen Vergleich, der unter anderem folgende Regelungen enthielt:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass sämtliche wechselseitigen Forderungen ausgeglichen sind. Dies bezieht sich
auf die Forderungen aus der Klagschrift sowie die Forderungen der Beklagtenseite auf Rückzahlung von Vergütung für den Zeitraum
Dezember 2004 bis Februar 2005.
2. Damit ist der Rechtsstreit erledigt ... 5. Der Vergleich umfasst einerseits möglicherweise noch ausstehende Zahlungen von
Überstunden in einer Größenordnung von Euro 1248,00 und auf der anderen Seite mögliche Rückzahlungen des Klägers an die Beklagte
wegen Zahlung von Entgeltfortzahlung für Dezember 2004 bis Februar 2005 ohne Rechtsgrund."
Am 14. März 2005 erhob der Kläger Widerspruch gegen das Schreiben der Beklagten vom 27. Januar 2005 und begehrte auch für
die Zeit vom 20. Dezember 2005 bis 31. Januar 2005 Krankengeld. Wegen des Grundsatzes der Einheit des Verhinderungsfalls sei
die Arbeitgeberin nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26. und 31. April
2005 mit, dass es sich bei der Erkrankung, die ab dem 20. Dezember 2004 der Grund der Arbeitsunfähigkeit war, nicht um eine
hinzugetretene Erkrankung handele und deshalb kein Krankengeldanspruch bestünde. Mit weiterem Schreiben vom 21. Juni 2005,
welches mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, führte die Beklagte aus, dass es bei der ablehnenden Entscheidung verbleibe.
Am 7. Juli 2005 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Arbeitsunfähigkeit
ab dem 20. Dezember 2004 auf einer neuen Erkrankung beruhe und kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestanden habe. Die Beklagte
hat mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2005 den Widerspruch des Klägers mit der Begründung als unbegründet zurückgewiesen,
dass der Krankengeldanspruch wegen der Entgeltfortzahlung gemäß §
49 Abs.
1 Nr.
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) ruhe. Das Sozialgericht Lübeck hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2005 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht
Hamburg verwiesen.
Mit Urteil vom 20. April 2009, welches dem Kläger am 6. Mai 2009 zugestellt worden ist, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Ein Anspruch auf Krankengeld sei aufgrund der Entgeltzahlung des Arbeitgebers gemäß §
49 Abs.
1 Nr.
1 SGB V ausgeschlossen. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Kläger seien zum Zeitpunkt der Zahlung von einer Entgeltfortzahlung ausgegangen.
Ob ein Anspruch hierauf bestanden habe, sei unerheblich. Im arbeitsgerichtlichen Vergleich habe der Kläger aus freien Stücken
über seine Lohnansprüche wegen geleisteter Überstunden verfügt, um das Verfahren unstreitig zu beenden.
Gegen das am 6. Mai 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juni 2009 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe den
vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich falsch ausgelegt. Aus Ziffer 1 des Vergleichs ergebe sich eindeutig, dass die
Parteien von einer wechselseitigen Erfüllung ihrer Forderungen ausgegangen seien und nicht von einem Verzicht. Es habe tatsächlich
auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung bestanden, weil von überlappenden Arbeitsunfähigkeitszeiten auszugehen sei. Das Sozialgericht
hätte ermitteln müssen, wann tatsächlich Arbeitsunfähigkeit wegen der hinzugetretenen Erkrankung eingetreten sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. April 2009 aufzuheben und die Bescheide vom 27. Januar 2005, 26. April 2005
und 21. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
dem Kläger für die Zeit vom 20. Dezember 2004 bis 31. Januar 2005 Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Arbeitsgerichts Neumünster (4 Ca 288 c/05) beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§
143,
151 SGG) ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Der grundsätzlich bestehende Anspruch auf Krankengeld kann für die Zeit vom 20. Dezember 2004 bis 31. Januar 2005 gemäß §
49 Abs.
1 Nr.
1 SGB V nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange Versicherte
beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten. Bei der am 21. Februar 2005 angewiesenen Zahlung der Firma
D. handelt es sich um beitragspflichtiges Entgelt im Sinne von §
49 Abs.
1 Nr.
1 SGB V. Denn die Entgeltfortzahlung nach dem
Entgeltfortzahlungsgesetz ist eine laufende Einnahme aus einer nichtselbständigen Beschäftigung gemäß §
14 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (
SGB IV) Arbeitsentgelt. Dabei kommt es auf den tatsächlichen Zufluss an und nicht auf das Bestehen eines Anspruchs (Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, §
49 Rn. 44 mit weiteren Nachweisen). Deshalb ist es nicht von Bedeutung, ob eine Zahlung berechtigt, also aufgrund eines Leistungsanspruchs,
erfolgt ist.
Die Zahlung vom 21. Februar 2005 erfolgte, um den vom Kläger geltend gemachten Entgeltfortzahlungsanspruch zu befriedigen.
Denn die ehemalige Arbeitgeberin hat ihr Leistungsbestimmungsrecht nach §
362 Bürgerliches Gesetzbuch entsprechend ausgeübt. Das ergibt sich aus den näheren Umständen der Zahlung. Die beklagte Krankenkasse forderte die Firma
D. mit Schreiben vom 27. Januar 2005 zur Entgeltfortzahlung auf. Die Zahlung erfolgte dann nach Erhebung der Klage vor dem
Arbeitsgericht Neumünster, bei der unter anderem der Entgeltfortzahlungsanspruch streitbefangen war, und noch vor dem Gütetermin
am 3. März 2005. Der Zahlbetrag entsprach der Höhe nach dem Lohnanspruch des Klägers.
Die vom Schuldner getroffene Leistungsbestimmung ist durch den Vergleich vom 3. März 2005 nicht nachträglich geändert worden.
Der Kläger hat auch nicht einen möglichen Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers anerkannt und befriedigt. Da vorliegend
bereits eine Zahlung mit einer Leistungsbestimmung erfolgt ist, kann nur eine nachträgliche Änderung der ursprünglich einseitig
getroffenen Bestimmung den Zufluss von Entgelt rechtswirksam beseitigen. Das ist nur durch eine übereinstimmende Regelung
von Gläubiger und Schuldner des Anspruchs möglich (Grüneberg in Palandt, Kommentar zum
BGB, 68. Auflage, §
366 Rn. 8 und 9).
Ein solcher übereinstimmender Wille ist dem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich nicht zu entnehmen. Es handelt
sich vielmehr um eine Regelung auf der Basis des status quo mit einer Abgeltungsklausel hinsichtlich der streitgegenständlichen
Forderungen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Ziffer 1 des Vergleiches, wonach Einigkeit besteht, dass sämtliche wechselseitigen
Forderungen ausgeglichen sind, ist so zu verstehen, dass nach der Zahlung keine weiteren Ansprüche mehr geltend gemacht werden
können. Eine Regelung, dass die vorgenommene Zahlung keine Entgeltfortzahlung sein soll, ergibt sich aus dem Vergleich nicht.
Denn der Wortlaut des Vergleichs enthält keine Formulierung, die sich auf die bereits ausgeübte Leistungsbestimmung bezieht
und diese abweichend regelt.
Auch im Wege der Auslegung kann dem Vergleich nicht der übereinstimmende Willen entnommen werden, dass die Zahlung vom 21.
Februar 2005 anders zugeordnet werden sollte. Das setzt nämlich voraus, dass die Parteien vom Bestehen der jeweiligen Ansprüche
ausgegangen wären und im Ergebnis eine Rückabwicklung der Zahlung vereinbart (und ausgeführt) hätten. Die Regelung unter Ziffer
5 des Vergleiches zeigt, dass dies gerade nicht der Fall war. Denn die wechselseitigen Forderungen wurden zwar konkretisiert,
jedoch ausdrücklich als "mögliche Rückzahlungen" bzw. "möglicherweise noch ausstehende Zahlungen" bezeichnet. Demnach bestand
zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin gerade keine Einigkeit über das Bestehen der Forderungen, was gegen
eine Änderung der ursprünglichen Leistungsbestimmung spricht. Sofern sich die Parteien des arbeitsgerichtlichen Verfahrens
noch nicht einmal einig waren, dass ein Rückforderungsanspruch der Arbeitgeberin tatsächlich besteht, fehlt die Grundlage
für eine nachträgliche Änderung der Leistungsbestimmung. Der Rechtsgrund für die Zahlung wurde nicht beseitigt. Auch sonst
wird ein Änderungswille der Parteien, die Zahlung abweichend zu regeln, nicht deutlich. Es erschließt sich nach dem Vergleich
nicht, auf welche andere Forderung sich die Zahlung nach den Vorstellungen der Parteien beziehen soll. Auch wenn die Formulierung
"ausgeglichen" vom Wortlaut her auf eine Erfüllung der nachfolgend bezeichneten Forderungen hindeutet, kann eine Erfüllung
des Rückforderungsanspruchs der Arbeitgeberin nicht angenommen werden. Dies ist denklogisch nicht möglich. Denn die Parteien
haben unter Ziffer 1 des Vergleichs ausgeführt, dass sich der "Ausgleich" der Forderung auf die Forderungen aus der Klagschrift
des arbeitsgerichtlichen Verfahrens sowie die Forderungen der beklagten Arbeitgeberin auf Rückzahlung der Vergütung für den
Zeitraum Dezember 2004 bis Februar 2005 bezieht. Durch die Zahlung des Entgelts können aber nicht der mit der Klage geforderte
Entgeltfortzahlungsanspruch, die Überstundenvergütung und gleichzeitig der Rückforderungsanspruch erfüllt worden sein. Die
Zahlung in Höhe von 4160 EUR kann sich auch nicht auf die Überstundenvergütung beziehen, da hier nach dem Vergleich lediglich
1248 EUR beansprucht wurden. Eine Abfindung in dieser Höhe kommt nicht in Betracht. Denn der Kläger führte kein Kündigungsschutzverfahren
und der Streitgegenstand wurde im Vergleich genau bezeichnet. Auch diese Unklarheiten sprechen für eine Abgeltungsklausel
auf der Basis der getroffenen Entgeltzahlung und gegen ihre Rückabwicklung der. In welcher Höhe auf welche Schuld gezahlt
werden sollte, wird nicht deutlich.
Der so verstandene Vergleich ist zudem für den Kläger vorteilhaft. Indem er das geleistete Entgelt behalten konnte, hat er
sich selbst für den Fall, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht bestand und stattdessen Krankengeld hätte gewährt werden
müssen, finanziell wesentlich besser gestellt. Denn der Krankengeldanspruch wäre mit kalendertäglich 33,81 EUR deutlich niedriger
gewesen als das von der Arbeitgeberin gewährte Entgelt. Das gilt auch dann, wenn der angebliche Vergütungsanspruch für die
Überstunden in Höhe von 1248 EUR hinzugerechnet wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.