Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung - fortgezahltes Arbeitsentgelt innerhalb der ersten vier Wochen
des Beschäftigungsverhältnisses - kein Anspruch auf Erstattung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Erstattungsansprüche von Arbeitgeberaufwendungen innerhalb der ersten vier Wochen des Beschäftigungsverhältnisses
bei tarifvertraglicher Bindung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und beschäftigte den Angestellten F.S. ab dem 29. Juli 2014 befristet bis zum 15. November 2014
mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Stunden. Der Arbeitnehmer war vom 30. Juli bis zum 31. Juli 2014 und vom 21. August
bis zum 29. August 2014 arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger leistete für diesen Zeitraum eine Entgeltfortzahlung an seinen
Angestellten.
Der Kläger stellte daraufhin am 24. Januar 2015 einen Antrag bei der Beklagten auf Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen,
der mit einem Bescheid vom 05. Februar 2015 für den Zeitraum vom 30. bis 31. Juli 2014 abgelehnt wurde. Die Beklagte begründete
die Ablehnung damit, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers erst nach einer vierwöchigen ununterbrochenen
Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bestehe. Da der Beginn der Beschäftigung der 29. Juli 2014 gewesen sei, lägen die Voraussetzungen
für die Erfüllung des Anspruches nicht vor. Bezogen auf den Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom 21. August 2014 bis zum
29. August 2014 teilte die Beklagte mit einem Schreiben vom 06. Februar 2015 mit, dass eine Erstattung erst ab dem 26. August
2014 erfolgen könne, da ab diesem Zeitraum eine ununterbrochene vierwöchige Beschäftigungsdauer bestanden habe.
Gegen den Bescheid vom 05. Februar 2015 legte der Kläger mit einem Schreiben vom 13. Februar 2015 einen Widerspruch ein. Er
sei als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft H. als Arbeitgeber an den Manteltarifvertrag für Rechtsanwaltsbüros in H. gebunden,
der in §
9 Abs.
2 die Regelung treffe, dass abweichend von dem
Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) in der ab dem 01. Oktober 1996 geltenden Fassung im Krankheitsfall gelte, dass im Falle einer Erkrankung des Beschäftigten
die Entgeltzahlung vom ersten Tag des Ereignisses erfolge. Die Höhe der Entgeltfortzahlung, die für einen Zeitraum von bis
zu sechs Wochen gelte, betrage 100 % der regelmäßigen Vergütung ohne Berücksichtigung von Sonderzahlungen, Mehrarbeitsstunden
und Zuschlägen nach § 5 des Tarifvertrages.
Aus dieser Folge heraus sei § 3 Abs. 3 EFZG nicht anzuwenden. Dies ergebe sich auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG), der nur auf den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum von sechs Wochen, nicht jedoch den Beginn der Entgeltfortzahlung, abstelle.
Die Beklagte erwiderte darauf mit einem Schreiben vom 23. Februar 2015, dass tarifvertragliche Vereinbarungen, die zu einer
Kürzung der Wartezeit des Arbeitnehmers führen würden, im Ausgleichsverfahren nach dem AAG nicht erstattungsfähig seien.
Mit einem weiteren Bescheid vom 06. März 2015 lehnte die Beklagte die Erstattung nach dem AAG für den Zeitraum vom 21. August 2014 bis zum 29. August 2014 ab.
Der Kläger hat am 06. April 2016 zum Aktenzeichen S 45 KR 653/16 eine Untätigkeitsklage erhoben, woraufhin die Beklagte am 21. November 2016 den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid zurückwies.
Sie begründete dies mit einem Hinweis auf das Rundschreiben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen zum AAG. Danach sei Arbeitsentgelt, das nicht für den in § 3 Abs. 1 und 2 EFZG bezeichneten Zeitraum fortgezahlt werde, nicht erstattungsfähig. Dazu gehöre auch Entgelt, dass entgegen der Bestimmung des
§ 3 Abs. 3 EFZG in den ersten vier Wochen eines Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werde. Zudem machte die Beklagte geltend, dass für Ansprüche
nach dem AAG für den Zeitraum vom 26. August bis zum 29. August 2014 ein neuer Antrag erforderlich sei.
Der Kläger hat am 21. Dezember 2016 Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben und hat begehrt, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05. Februar 2015 und des Bescheides vom 06.
März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2015, soweit diese entgegenstünden, verpflichtet werde,
dem Kläger für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit seines Angestellten vom 30. Juli 2014 bis zum 31. Juli 2014 einen Betrag in
Höhe von 139,20 € und vom 21. August 2014 bis zum 22. August 2014 einen Betrag in Höhe von 69,60 € für Arbeitgeberaufwendungen
nebst 4 % Zinsen seit dem 1. September 2015 zu erstatten. Weiterhin sei die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit
der Arbeitsunfähigkeit des Angestellten vom 26. August 2014 bin zum 29. August 2014 einen Betrag in Höhe von 208,80 € nebst
4 % Zinsen seit dem 01. August 2015 zu erstatten.
Der Klageantrag bezog sich nicht mehr auf den Zeitraum vom 23. bis zum 25. August, da der Arbeitnehmer grundsätzlich an den
Wochenenden und an den Montagen nicht tätig war.
Bei der Klagebegründung berief sich der Kläger auf seine Gründe aus dem Widerspruchsverfahren und trug ergänzend vor, dass
der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG auf den § 3 EFZG insgesamt hätte Bezug nehmen müssen, wenn er die Karenzzeit gewollt hätte.
Die Beklagte hat demgegenüber die Abweisung der Klage begehrt und sich auf ihre Gründe im Widerspruchsbescheid bezogen.
Nach einem Hinweis des SG hat die Beklagte den Anspruch auf Aufwendungsausgleich nach dem AAG für die Zeit vom 26. August bis zum 29. August 2014 nebst Zinsen anerkannt. Der Kläger hat den Rechtsstreit insoweit für
erledigt erklärt.
Mit dem Urteil vom 22. März 2018 hat das SG die Klage als zulässig, aber unbegründet für den Zeitraum vom 30. Juli bis zum 31. Juli 2014 und 21. August bis zum 22. August
2014 abgewiesen.
Nach einhelliger Meinung in der Literatur seien in das Ausgleichsverfahren nach § 1 AAG nur solche Entgeltfortzahlungen miteinzubeziehen, die ihren Rechtsgrund in dem EFZG selbst hätten (Hinweis auf Knorr/Kransey i. ders., EFZG-KG-MG, 06/16, EKM L 101 Rn. 45, Schmitt EFZG und AAG, 7. Aufl. 2012, § 1 AAG Rn. 23, Figge, DB 1985, 2560, Nolte KrV 1985, 176). Kollektivvertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer im Krankheitsfall über das
EFZG hinausgehende Entgeltersatzleistungen zu erbringen, würden nicht zu weitergehenden Ansprüchen aus dem AAG führen (Hinweis auf: Treber, § 1 AAG Rn. 12 m. w. N., Linck in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 16. Aufl. 2015, § 100 Rn. 8).
Dies ergebe sich aus dem Normzweck der Vorschrift, der darin liege, kleine und mittlere Betriebe von den Kosten der Entgeltfortzahlung
durch einen überbetrieblichen Kostenausgleich zu entlasten. Ausgleichzahlungen würden demgemäß einheitlich und ausnahmslos
über die nach dem EFZG vorgesehenen Entgeltansprüche erfolgen. Das in Form einer Arbeitgeberversicherung gestaltete Ausgleichsverfahren solle nicht
durch höhere Kosten belastet werden, die durch freiwillige einzel- und kollektivvertragliche Regelungen entstünden. Andernfalls
führe dies zu einem Unterlaufen des sozialen Sinngehaltes der Vorschrift, wonach Arbeitgeber mit den Kosten der Entgeltfortzahlung
gleichmäßig zu be- und entlasten seien.
Aus der historischen Gesetzesentwicklung lasse sich die Auslegung des Klägers nicht herleiten. Die vierwöchige Wartezeit des
§ 3 Abs. 3 EFZG sei durch das Beschäftigungsbeförderungsgesetz von 1996 eingeführt worden (Hinweis auf Treber a.a.O., § 3 EFZG Rn. 3). Nach der Gesetzesbegründung diene die Einführung der Kostenentlastung der Arbeitgeber. Zudem erachte es der Gesetzgeber
als unbillig, den Arbeitgeber bei gerade begonnenen Arbeitsverhältnissen mit Entgeltfortzahlungsansprüchen zu belasten (BT-Drs.
13/4612 S. 11). Der erst im Jahr 2006 in Kraft getretene § 1 AAG in der Fassung vom 22.12.2005 habe die vorgenannte Änderung des Lohnfortzahlungsgesetzes, ebenso wie die im selben Gesetz geregelte Lohnfortzahlungsversicherung für Arbeitgeber, übernommen.
Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der vom Kläger ausgeführten systematischen Betrachtungsweise. Eine Bezugnahme des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG auf den § 3 Abs. 3 EFZG sei nicht erforderlich, da der Abs. 3 des § 3 EFZG wiederum auf den § 3 Abs. 1 EFZG verweise. Nach dessen Wortlaut entstehe der Anspruch nach Absatz 1 nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.
Insoweit sei die Bezugnahme des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG ausreichend.
Gegen dieses dem Kläger ab 19. April 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. Mai 2018 eingegangene Berufung des Klägers,
mit der er darauf verweist, dass nach den Informationen unter bkk-aag.de von der vierwöchigen Wartefrist abgesehen werden
könne, wenn anderslautende Vereinbarungen (z. B. im Tarifvertrag) vereinbart würden.
Weiter hat der Kläger ausgeführt, dass mit der Einführung der vierwöchigen Karenzzeit durch das arbeitsrechtliche Beschäftigungsbeförderungsgesetz
von 25. September 1996 (Hinweis auf BGBl. I 1476) mit Wirkung vom 01. Oktober 1996 eine Änderung der Regelung zum Ausgleich
der Arbeitgeberaufwendung nicht erfolgt sei.
Mit Inkrafttreten des EFZG (Hinweis auf Art. 54 PflegeVG vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) seien zwar die §§ 1-9 des vorher bestandenen Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) aufgehoben worden, die Regelungen über den Ausgleich von Arbeitsgeberaufwendungen hätten jedoch weiterhin bestanden und
seien erst durch die Einführung des AAG vom 22. Dezember 2005 (Hinweis auf BGBl. I S. 3686) geändert worden.
Der bis zur Einführung des AAG bestandene § 10 LFZG habe vorgesehen, dass den Arbeitgebern 80 % des für den in § 1 Abs. 1 und 2 und den in § 7 Abs. 1 LFZG bezeichneten Zeitraum an Arbeiter fortgezahlten Entgelts und der nach § 12 Abs. 1 Nr. 2b des Berufsbildungsgesetzes an Auszubildende fortgezahlten Vergütung erstattet werde. Der dort genannte „bezeichnete Zeitraum“ habe in den § 1 Abs. 1 und 2 und § 7 Abs. 1 LFZG keine allgemeine Karenzzeit, sondern nur die Dauer von sechs Wochen vorgesehen.
Eine Ausschlussregelung habe es lediglich in § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 LFZG gegeben, wonach die Absätze 1 und 2 nicht zu gelten hätten, wenn nach Nr. 1 ein Arbeitsverhältnis, ohne ein Probearbeitsverhältnis
zu sein, für nur höchstens vier Wochen begründet sei. Werde das Arbeitsverhältnis über die vier Wochen hinaus fortgesetzt,
so gelte der Absatz 1 ab dem Tag der Vereinbarung der Fortsetzung. Nach Nr. 2 ergebe sich ein Ausschluss für Arbeiter in einem
Arbeitsverhältnis, in dem die regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn Stunden oder monatlich fünfundvierzig Stunden nicht
übersteige.
Dies bedeute, dass für Arbeiter mit einer höheren Arbeitszeit, deren Arbeitsverhältnis nicht auf höchstens vier Wochen befristet
gewesen sei, der Anspruch auf Lohnfortzahlung auch in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses gelte, sodass für kleine
Arbeitgeber für die diesbezüglichen Aufwendungen auch ein Anspruch auf den Ausgleich nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LFZG bestanden habe.
Mit der Einführung des § 3 EFZG sei zum 01. Juni 1994 dieser Ausschluss der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für Arbeitsverhältnisse mit einer Höchstdauer
von vier Wochen und geringfügig Beschäftigten abgeschafft worden. Dadurch habe für kleine Arbeitgeber aus jedem Arbeitsverhältnis
ein Ausgleichsanspruch bestanden.
Daran habe die Einführung der allgemeinen Karenzzeit zum 01. Oktober 1996 und die Überführung der Regelungen zum Ausgleich
von Arbeitgeberaufwendungen in das AAG auch nichts geändert, da § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nur ausdrücklich auf die Absätze 1 und 2 des § 3 EFZG Bezug genommen habe, sodass gerade die in Absatz 3 beschriebene Karenzzeit von vier Wochen nicht vorgesehen worden sei.
Diese Entwicklung sei auch nur konsequent, da § 3 Abs. 3 EFZG gem. § 12 EFZG abbedungen werden könne. In diesem Bewusstsein habe der Gesetzgeber bei der Einführung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsbeförderungsgesetzes
mit Wirkung zum 01. Oktober 1996 bei der Einführung der Karenzzeit zur Begrenzung der Entgeltfortzahlung ausgeführt:
„Um die Arbeit von Kosten zu entlasten – ohne Eingriff in die Tarifautonomie – [sind] folgende Maßnahmen vorgesehen:
- Bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird eine Wartezeit von vier Wochen eingeführt. […]“
Es gebe zahlreiche Tarifverträge, die wie der für den Kläger maßgebliche Tarifvertrag, keine Karenzzeit für die ersten vier
Wochen des Arbeitsverhältnisses vorsehen würden (Hinweis auf z. B. § 22 TV-KAH, § 22 TV-L, § 22 TVöD, § 12 Nr. 1.1 Metallindustrie Hamburg und Umgebung, § 14 Nr. 1 MTV).
Der Gesetzgeber habe in Kenntnis des gesamten § 3 EFZG nur auf die Absätze 1 und 2 Bezug genommen, sodass es für den Ausgleichsanspruch nicht darauf ankomme, ob der Anspruch auf
Entgeltfortzahlung nach der abdingbaren gesetzlichen Regelung von § 3 Abs. 3 EFZG erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehe. Der Gesetzgeber habe den Umstand erfassen
wollen, dass zahlreiche Tarifverträge auch Arbeitgeber erfassen würden, die nicht mehr als 30 Personen beschäftigten und deswegen
nicht auf den gesamten § 3 EFZG Bezug genommen.
Kommentierungen, die die Auffassung vertreten würden, dass kein Erstattungsanspruch bestehe, wenn der Arbeitgeber auf Grund
einer Tarifvereinbarung oder Betriebsvereinbarung oder sonstigen Gründen freiwillig das Arbeitsentgelt über die gesetzlichen
Vorgaben hinaus bezahlen würden, bezögen sich nur auf den Zeitraum von sechs Wochen. Das SG habe sich hier auf Fundstellen bezogen, die nichts dazu ausführen würden, dass der Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen
entfalle, wenn in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses eine Entgeltfortzahlung geleistet werde.
Es werde nur in § 3 Abs. 1 EFZG ein Zeitraum genannt, dies liege gesetzessystematisch daran, dass § 3 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 EFZG dem Abs. 1 gleichgestellt seien. Für die Einordnung der Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 EFZG könne § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AAG nicht beitragen, da es selbstverständlich sei, dass auch eine AAG-Erstattung von einzel- oder tarifvertraglich in den ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses geleisteter Entgeltfortzahlung
an die Krankenkassen zurückzuzahlen sei, wenn der Arbeitgeber wusste oder wissen musste, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch
nicht bestehe.
Der Kläger verweist zudem auf die Aufbringung der Mittel im Rahmen der Umlage gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 AAG, wonach das verknüpfende Wort „und“ gerade nicht aussage, dass alle Arbeitsentgelte in den ersten 4 Wochen des Arbeitsverhältnisses
von der Umlagepflicht ausgenommen seien, sondern nur diejenigen, bei denen ein Beschäftigungsverhältnis von nicht länger als
4 Wochen vorliege, wobei dies hier nicht der Fall sei. Demnach sei das Entgelt auch dann umlagepflichtig, wenn wegen der Art
des Beschäftigungsverhältnisses auf Grund des § 3 Abs. 3 EFZG kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bestehe.
Die Formulierung „wegen der Art des Beschäftigungsverhältnisses“ beziehe sich darauf, dass es auch Beschäftigungsverhältnisse
geben könne, bei denen § 3 Abs. 3 einzel- oder tarifvertraglich abbedungen sei.
Es sei die Konsequenz des Umlageverfahrens, dass alle Arbeitgeber ein Risiko einer Finanzierung, auch für tarifvertragliche
Vereinbarungen, von Anfang an trügen. Dieses Risiko dürfte im Verhältnis zu den Erstattungsbeiträgen mehr als kostendeckend
sein, da die Arbeitnehmer wegen der verkürzten Kündigungsfrist in den ersten sechs Monaten in der Regel nicht arbeitsunfähig
fehlen würden, um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu gefährden. Deswegen sei eine Erhöhung der Umlagesätze durch
diejenigen Arbeitgeber, die durch einzel- oder tarifvertragliche Vereinbarung in den ersten vier Wochen zur Entgeltfortzahlung
verpflichtet seien, nicht zu erwarten.
Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021 am Landessozialgericht,
das Urteil des Sozialgerichts vom 22. März 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05. Februar
2015 und 06. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2016 in der Fassung des Teilabhilfebescheids
vom 18. April 2017 zu verurteilen, an den Kläger für die Arbeitgeberaufwendungen für den Arbeitnehmer F.S. für die Zeit vom
30. bis 31. Juli 2014 und vom 21. bis 22. August 2014 208,80 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01. September 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragte,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für überzeugend. Die Beklagte führt aus, dass nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zum
AAG vom 21. Dezember 2005 und der Ergänzung vom 13. Februar 2006 das Arbeitsentgelt, das nicht für den in § 3 Abs. 1 und 2 und § 9 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum fortgezahlt werde, nicht erstattungsfähig sei. Dazu gehöre auch Arbeitsentgelt, dass entgegen der Bestimmung
des § 3 Abs. 3 EFZG in den ersten vier Wochen des Beschäftigungsverhältnisses ausgezahlt werde. Dies gehe auch aus dem aktuellen Rundschreiben
vom 15. Dezember 2017, welches das bisherige Rundschreiben ablöse, hervor.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergebe sich aus der Kommentierung, dass „Entgeltfortzahlungen über sechs Wochen hinaus
sowie sonstige Zahlungen, die nicht auf dem
Entgeltfortzahlungsgesetz, sondern auf darüberhinausgehenden tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Regelungen beruhen“ (Hinweis auf Schmitt,
§ 1 AAG, Rn. 23) nicht zu erstatten seien.
Der Wortlaut der Norm beziehe sich nicht ausdrücklich auf tarifvertragliche oder einzelvertragliche Regelungen über die Entgeltfortzahlung.
Das AAG nehme ausdrücklich einzig Bezug auf das EFZG.
Es sei zwar richtig, dass sich § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nicht auf den § 3 Abs. 3 EFZG beziehe, dies sei jedoch nicht notwendig, da der § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nur auf den Zeitraum des § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 EFZG verweise. Es werde lediglich auf die Vorschrift über die maximale Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs verwiesen, die gerade
nicht regele, dass der Anspruch bereits ab dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses entstehen solle. Der Gesetzgeber habe
den Beginn ausdrücklich in § 3 Abs. 3 EFZG konkretisiert. Aus dem Verweis auf die Höchstdauer lasse sich nicht schließen, dass der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs
keine Rolle spiele. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 9 Abs. 1 EFZG würden den Anspruch auf Entgeltfortzahlung dem Grunde nach regeln, die nähere Ausgestaltung geschehe durch die weiteren Vorschriften
des EFZG.
Weiterhin meint die Beklagte, dass die Argumentation des Klägers, wonach nur die in § 1 Abs. 1 AAG in Bezug genommenen Vorschriften relevant seien, dazu führen würde, dass kein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers bei einer
Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auf Grund einer Organspende gem. § 3a EFZG mehr bestünde, da durch das AAG nicht explizit darauf verwiesen werde. Wie § 3 Abs. 3 EFZG konkretisiere der § 3a EFZG die Grundnorm des § 3 Abs. 1 EFZG
In § 2 Abs. 2 S. 3 AAG sei geregelt, dass die Erstattung zu gewähren sei, sobald der Arbeitgeber Arbeitsentgelt nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 9 Abs. 1 EFZG gezahlt habe. Der Wortlaut erfasse dabei eindeutig keine Zahlungen auf Grund tarif- oder einzelvertraglicher Vereinbarungen.
Die Gesetzessystematik spreche zudem in § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AAG für eine Anwendung des § 3 Abs. 3 EFZG. Danach könne die Krankenkasse Erstattungsbeiträge zurückfordern, wenn der Arbeitgeber diese geltend gemacht habe, obwohl
er wusste oder wissen musste, dass ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 1 EFZG nicht bestünde. Ein Anspruch bestehe jedoch nicht innerhalb der ersten vier Wochen des Beschäftigungsverhältnisses. Dies
ergebe sich aus der Konkretisierung des § 3 Abs. 3 EFZG.
Weiterhin führt die Beklagte aus, dass sich die Rechtsauffassung des Klägers nicht vor dem historischen Hintergrund der Gesetzesentwicklung
bestätigen lasse.
Historisch betrachtet sei stets zum Ausdruck gebracht worden, dass Erstattungsansprüche ausschließlich nach dem zunächst bestandenen
LFZG und dann dem EFZG und nicht auf Grund tarif- oder einzelvertraglicher Vereinbarung zu erbringen seien. So sei in § 10 Abs. 4 LFZG bis zu einem Außerkrafttreten durch die Einführung des AAG zum 01. Juni 2006 unverändert die Regelung enthalten gewesen, dass die Erstattung zu gewähren sei, sobald der Arbeitgeber
das Arbeitsentgelt nach § 1 Abs. 1 und 2 oder § 7 Abs. 1 LFZG gezahlt habe. Der Gesetzgeber habe dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er unter der Erstattungsregelung ausschließlich das
nach dem LFZG bzw. EFZG gezahlte Entgelt, und nicht freiwillig und weitergehend gezahltes Entgelt auf Grund tariflicher oder einzelvertraglicher
Regelungen, erfassen wolle.
Aus den Gesetzesmaterialien des neu eingeführten AAG ergebe sich ebenso, dass keine Erstattungen von Entgeltfortzahlungen über das EFZG hinaus vorgesehen seien.
Zuletzt sei es der Sinn und Zweck, der für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 EFZG spreche. Die früheren Regelungen in den §§ 10 ff. LFZG und dem nachfolgenden AAG seien zum Zwecke der Entlastung der Arbeitgeber mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmern im Hinblick auf die mit der Entgeltzahlung
im Krankheitsfall verbundenen wirtschaftlichen Risiken geschaffen worden.
Stünde dem Arbeitgeber mit einzel- oder tarifvertraglicher Vereinbarung bereits ab dem 1. Tag ein Ausgleichsanspruch zu, so
würde er die gesetzlichen Regelungen des Umlageverfahrens gem. § 7 Abs. 2 S. 2 AAG umgehen. Dies führe dazu, dass sämtliche Arbeitgeber belastet würden, auch diejenigen, die auf die einzel- oder tarifvertraglichen
Vereinbarungen anderer Arbeitgeber keinen Einfluss hätten.
Der Kläger hat hinsichtlich des Beklagtenvortrages erklärt, dass der mangelnde Verweis auf § 3a EFZG für die Auslegung nicht ergiebig sei, da dieser einen ganz eigenen Anspruch des Arbeitgebers im Rahmen des EFZG darstelle und für die Aufwendungsansprüche innerhalb des AAG unbeachtlich sei.
Auf Nachfrage des Gerichtes vom 08. Juli 2020 hat der Kläger angegeben, auch für die ersten vier Wochen der Beschäftigung
eine Umlage U 1 abgeführt zu haben. Die Beklagte hat angegeben, dass dies der dem Gesetz entsprechenden Praxis entspreche.
Am 25. Februar 2021 hat der Senat über die Berufung mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift,
die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§
151 SGG), Berufung ist unbegründet. Das SG hat die erhobene Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Arbeitgeberaufwendungen für den Arbeitnehmer
F.S. für die Zeit vom 30. bis 31. Juli 2014 und vom 21. bis 22. August 2014 in Höhe von 208,80 € nebst 4 % Zinsen seit dem
01. September 2015.
I. Aus dem Erstattungsanspruch des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG ist kein Aufwendungsausgleichsanspruch des Klägers entstanden.
Ein Erstattungsanspruch gegenüber den Krankenkassen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG besteht, wenn Arbeitgeber, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, für den in §
3 Abs.
1 und
2 und den in §
9 Abs.
1 des
Entgeltfortzahlungsgesetzes bezeichneten Zeitraum Entgelt an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortzahlen.
Die festgelegte Karenzzeit des § 3 Abs. 3 EFZG, wonach der Anspruch aus § 3 Abs. 1 EFZG erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht, entfaltet seine Wirkung auch innerhalb des
Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers gegenüber den Krankenkassen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich dies aus einer Gesamtbewertung durch die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nach Wortlaut, Historie, Systematik und insbesondere Telos.
1. Entgegen der Ansicht des Klägers enthält der Wortlaut keinen eindeutigen Hinweis darüber, dass die Karenzzeit in den Erstattungsanspruch
bei einzel- oder tarifvertraglicher Vereinbarung mit einzubeziehen ist. Im Rahmen einer weiteren grammatikalischen Auslegung
des § 3 EFZG ist der Abs. 3 als Tatbestandsvoraussetzung in den Zeitraum des Abs. 1 mit einzubeziehen.
Aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG ergeben sich für den Senat zunächst zwei Anhaltspunkte. Zum einen lässt sich diesem entnehmen, dass explizit die Absätze
1 und 2 des § 3 EFZG hervorgehoben werden. Dies ist dahingehend beachtlich, da § 3 EFZG in drei Absätze gegliedert ist und der dritte durch den Gesetzgeber bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nicht aufgeführt wurde.
Zum anderen bezieht sich § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nicht auf die Normen des § 3 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 1 EFZG als Ganzes, sondern nur auf den dort bezeichneten Zeitraum.
Es ist auffällig, dass lediglich in § 3 Abs. 1 EFZG, nicht jedoch in § 3 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 EFZG, von einem Zeitraum gesprochen wird, sodass eine genaue Wortlautauslegung nicht möglich ist und interpretiert werden muss.
In § 3 Abs. 1 EFZG ist geregelt, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit
der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen hat. Dieser Zeitraum gilt somit für den Aufwendungsausgleichsanspruch
des Arbeitsgebers aus § 1 AAG.
§ 3 Abs. 2 EFZG spricht nicht von einem Zeitraum, sondern davon, wann eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 vorliegt.
Auch aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 EFZG lässt sich ebenso kein bezeichneter Zeitraum entnehmen. Diese Norm regelt die Fälle einer Arbeitsverhinderung infolge einer
Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, wobei die §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 entsprechend geltend sollen. Hervorzuheben ist hierbei, dass § 9 Abs. 1 EFZG den § 3 EFZG im Ganzen zitiert und nicht zwischen den Abschnitten unterscheidet. Damit wird die in § 3 Abs. 3 beschriebene Karenzzeit
von vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses mit einbezogen.
Aus der Wortlautauslegung ergibt sich, dass explizit nur bestimmte Voraussetzungen von Normen aus dem EFZG in den Wortlaut mit einbezogen werden sollen. Damit ist insbesondere nicht das EFZG als Ganzes gemeint. Die grammatikalische Auslegung kann keine Anhaltspunkte dafür bieten, dass tarif- oder einzelvertragliche
Vereinbarungen, über den Ausgleich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG hinaus, Teil des Anspruchs werden können.
Eine weitere grammatikalische Auslegung des § 3 EFZG führt den Senat zu der Annahme des Einbezugs der Karenzzeit des Abs. 3 innerhalb des Abs. 1.
Abs. 1 legt die Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall des Arbeitnehmers gegenüber
dem Arbeitgeber fest. Eine Voraussetzung ist das fehlende Verschulden des Arbeitnehmers an der Arbeitsunfähigkeit. Abs. 2
konkretisiert die unverschuldete Arbeitsunfähigkeit dadurch, dass diese auch gilt, wenn eine Arbeitsverhinderung infolge einer
nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs einer Schwangerschaft eintritt und wird somit
Teil des Tatbestandes aus Abs. 1, auf den sich die Frist der Dauer der sechs Wochen bezieht. Dies bietet auch eine Erklärung
dafür, dass in § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG der § 3 Abs. 2 EFZG mit einbezogen wurde.
Abs. 3 wiederum konkretisiert nicht ein Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1 EFZG, sondern setzt die Voraussetzung für die gänzliche Entstehung des Anspruchs aus § 1 Abs. 1 EFZG fest. Daraus lässt sich schließen, dass die Verwirklichung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung unabdingbar an die Karenzzeit
des Abs. 3 geknüpft ist und somit fest mit Abs. 1 EFZG verbunden ist; die Beschreibung des bezeichneten Zeitraums durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG also immer gleichzeitig den Entstehungszeitpunkt des § 3 Abs. 3 EFZG automatisch mit einbezieht, sodass es keines Zitats des Abs. 3 in § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG bedarf.
2. Die vierwöchige Karenzzeit war bis zur Einführung des Aufwendungsausgleichsgesetz vom 22. Mai 2005 durch entsprechende Anwendung entgegen der Ansicht des Klägers innerhalb des Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers
anwendbar. Die mangelnde Überführung des § 3 Abs. 3 AAG in den Erstattungsanspruch des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG stellt bei historischer Auslegung ein Redaktionsversehen dar.
Im Rahmen der historischen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG hat der Senat die Entwicklung des Aufwendungsausgleichsanspruchs des Arbeitgebers beurteilt.
a. Mit dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über die Änderung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.07.1969 wurde zum 01.01.1970 das Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) (BGBl. I 1969, S. 946 ff.) eingeführt.
Gemäß § 1 Abs. 1 LFZG galt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit nach Beginn der Beschäftigung für die Dauer von
insgesamt sechs Wochen. Abs. 2 (in der letzten Fassung des Lohnfortzahlungsgesetzes war dieser Ausschluss in Abs. 3 geregelt) bildete davon eine Ausnahme, wonach der Anspruch nicht galt, wenn ein Arbeitsverhältnis
nur für höchstens vier Wochen begründet war (Nr. 1), die regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn Stunden oder monatlich fünfzig
Stunden nicht überstieg (Nr. 2) oder für den Zeitraum ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld bestand (Nr. 3).
Die Höhe des fortzuzahlenden Entgeltes richtete sich nach § 2 LFZG, wonach Anhaltspunkt für die Länge der Entgeltfortzahlung der in § 1 Abs. 1 LFZG bezeichnete Zeitraum war; von diesem jedoch gem. § 2 Abs. 3 LFZG durch Tarifvertrag abgewichen werden konnte.
Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers auf Grund der Entgeltfortzahlung nach Arbeitsunfähigkeit richtete sich nach § 10 LFZG. Danach wurden 80 % des für den in § 1 Abs. 1 und § 7 (Kuren) LFZG bezeichneten Zeitraum an Arbeiter fortgezahlten Entgelts erstattet.
Die Norm des § 1 LFZG ist die Vorgängernorm des § 3 EFZG, § 2 LFZG die des § 4 EFZG, § 7 LFZG die des § 9 EFZG und § 10 LFZG die des § 1 AAG.
Eine Besonderheit in der Unterscheidung ergibt sich vor allem daraus, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Entgeltfortzahlung
bei der Arbeitsunfähigkeit schon ab Tag eins des Beschäftigungsverhältnisses galt. Dieser Anspruch war dem Arbeitgeber durch
die jeweiligen Krankenkassen oder die Bundesknappschaft zu erstatten. Die Länge der Entgeltfortzahlung konnte gemäß § 2 Abs. 3 LFZG abbedungen werden. Eine vergleichbare Regelung gibt es nun in § 4 Abs. 4 EFZG i. V. m. § 12 EFZG, wonach durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1a und 3 abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts
festgelegt werden kann.
b. Mit dem Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz-PflegeVG) wurde am 26.05.1994 das
Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) (BGBl. I 1994, 1014, 1065 ff.) eingeführt.
Das damals eingeführte EFZG ist das Grundgerüst des heute bestehenden EFZG. So galten damals in § 3 EFZG schon die Abs. 1 und 2, wie sie in der heutigen Fassung stehen. Eine Karenzzeit von vier Wochen Beschäftigungsdauer, wonach erst nach diesem Zeitraum
ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit besteht, war kein Bestandteil des ursprünglichen EFZG.
Durch die Einführung des EFZG wurden die §§ 1-9 des Lohnfortzahlungsgesetzes gestrichen und durch das EFZG ersetzt. Die Bestimmungen über den Anspruch des Arbeitgebers auf Aufwendungsersatz im Sinne der § 10 ff. LFZG blieben weiter bestehen.
Durch die gesetzlichen Änderungen gab es im Rahmen der Ausgleichsansprüche auf Seiten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine
prägnante Änderung.
Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers aus § 10 LFZG bezog sich weiterhin bis zur endgültigen Abschaffung des Lohnfortzahlungsgesetzes gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 LFZG auf den in „§ 1 Abs. 1 und 2 und den § 7 Abs. 1 bezeichneten Zeitraum“. Dies wurde jedoch mit einer Fußnote versehen, wonach gemäß Art. 60 i. V. m. Art. 67 und 68 PflegeVG vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) die §§ 1-9 LFZG ab dem 01.06.1994 nicht mehr anzuwenden seien und nunmehr das EFZG vom 26.05.1994 gelte.
Damit wurde auch der Ausschluss der Entgeltfortzahlung für Arbeitsverhältnisse, die nicht länger als vier Wochen gehen und
für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 LFZG gestrichen. Dies hatte zur Folge, dass auch zuvor ausgeschlossene „Arbeiter“ nunmehr einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung
bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ab Tag eins ihres Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des neu eingeführten § 3 EFZG hatten, woraus folgte, dass auch deren Arbeitgeber von Anfang an einen Ausgleichsauszahlungsanspruch im Sinne des § 10 LFZG gegenüber den Krankenkassen besaßen.
c. Durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsbeförderungsgesetz) vom 25.09.1996 (BGBl. I 1996, 1476, 1477) wurde innerhalb des § 3 EFZG der Abs. 3 hinzugefügt, wonach ab Einführung des Gesetzes ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach vierwöchiger ununterbrochener
Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht.
Die Einführung der Karenzzeit führte zu dessen Einbezug in den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 LFZG.
Das Anfügen des neuen Abs. 3 in den § 3 EFZG entsprach den alten Vorgaben des § 1 Abs. 2 LFZG aus dem Jahr 1969 und wiederholte den historischen gesetzgeberischen Willen. Wie in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LFZG soll in § 3 Abs. 3 EFZG nur derjenige keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben, der sich in einem Beschäftigungsverhältnis befindet, dass nicht
länger als vier Wochen geht.
Eine gesetzliche Änderung der §§ 10 ff. LFZG unter Einbezug des neuen § 3 Abs. 3 EFZG hätte zur Folge gehabt, dass das gesamte Gesetz hätte geändert werden müssen.
Diese gesamte Gesetzesänderung wurde, wie auch schon bei der Einführung des EFZG 26.05.1994 dadurch umgangen, dass sich die §§ 10 ff. LFZG weiterhin auf die gestrichenen §§ 1-9 LFZG bezogen, die wiederum nun entsprechend dem EFZG angewendet werden sollten.
Entgegen der Ansicht des Klägers führten die Vorgaben der entsprechenden Anwendung des EFZG dazu, dass ab der Einführung der Karenzzeit von vier Wochen im Rahmen des § 10 LFZG auch kein Ausgleichsauszahlungsanspruch des Arbeitgebers mehr gegenüber den jeweiligen Krankenkassen oder der Deutschen Rentenversicherung
Knappschaft-Bahn-See ab Tag eins des Beschäftigungsverhältnisses bestehen sollte.
d. Mit dem Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22.12.2005 wurde das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) (BGBl. I 2005, S. 3686 ff.) eingeführt. Dieses ersetzte die bis dato bestehenden §§ 10 ff. LFZG und erfüllte die Vorgaben aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.11.2003, 1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64.
Der Erstattungsanspruch des § 10 LFZG wurde angepasst und in den §§ 1 bis 3 AAG normiert. Wie durch den Kläger dargelegt, verwies der neu gestaltete § 1 AAG bei der Bezugnahme auf das EFZG in Abs. 1 Nr. 1 nur auf den § 3 Abs. 1 und 2.
Dies lässt aus Sicht des Senats nur zwei Interpretationen zu. Einerseits könnte der Ausschluss durch den Gesetzgeber beabsichtigt
worden sein, sodass beim Erstattungsanspruch des Arbeitgebers beim Auswendungsausgleichsverfahren die Karenzzeit der vierwöchigen
Beschäftigung nicht gelten sollte. Dies hätte zur Folge, dass der Arbeitgeber, die Karenzzeit des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung
frei im Sinne des § 4 Abs. 4 EFZG abbedingen könnte und dennoch einen Ausgleichsanspruch im Sinne des AAG hätte.
Auf der anderen Seite sprechen gewichtige und für den Senat überzeugendere Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers.
Der § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG stellt bezogen auf den Wortsinn eine Abbildung des vorherigen § 10 Abs. 1 Nr. 1 LFZG dar. Da das diesbezügliche Ausgleichsverfahren nicht modifiziert werden sollte, wurde der Wortlaut des „Abs. 1 und 2“ übernommen.
Das AAG sollte nun direkt gelten, wobei es keine entsprechende Anwendung mehr des EFZG über die §§ 10 ff. LFZG gab.
Es erscheint es überzeugend, dass durch den Gesetzgeber übersehen wurde, dass durch die Gesetzesänderung der Abs. 3 des § 3 EFZG nicht mehr in den Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG mit einbezogen worden ist.
3. Aus der systematischen Auslegung ergeben sich schlüssige Argumente trotz des mangelnden Wortlautes innerhalb des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG für den Einbezug des § 3 Abs. 3 EFZG. Die Betrachtung der Gesetze des AAG und des EFZG als Ganzes zeigt die Bedeutung der Eingliederung des § 3 Abs. 3 EFZG.
a. Bei der systematischen Auslegung innerhalb des AAG ergibt sich der Anschein, dass der Abs. 3 des § 3 EFZG bei dem Aufwendungsausgleichanspruch aus dem AAG keine Rolle spielt, da innerhalb des AAG bei der Bezugnahme auf den § 3 EFZG bei der Frage des Erstattungsanspruch stets der Abs. 1 und Abs. 2 genannt und der Abs. 3 ausgelassen wird.
Diese Bezugnahme besteht bei dem Erstattungsanspruch aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG, ebenfalls bei § 2 Abs. 2 S. 2 AAG, wonach eine Erstattung nur auf Antrag zu gewähren ist, und bei § 4 Abs. 2 Nr. 2 AAG bei der Rückforderung des Erstattungsbeitrages, wenn der Arbeitgeber wusste oder wissen musste, dass er keinen Anspruch hat.
Bei näherer Betrachtung innerhalb der systematischen Auslegung ergibt sich jedoch, dass die zunächst beachtliche Stringenz
der Verweisungen der Normen nicht schlüssig ist.
Der Senat hält den Beklagtenvortrag für überzeugend, wonach diesem Anschein dadurch widersprochen wird, dass im Rahmen des
§ 4 Abs. 2 Nr. 2 EFZG der genaue Wortlaut von einem „Anspruch nach § 3 Abs. 1 und 2“ spricht. Betrachtet man den Wortlaut des § 3 EFZG so ergibt sich nach dessen Vorgaben gem. § 3 Abs. 3 EFZG erst ein Anspruch nach Absatz 1 nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Daraus lässt sich schließen, dass der § 3 Abs. 3 EFZG mit einzubeziehen ist.
Weiterhin ist es aus systematischer Sicht wertungswidersprüchlich, dass innerhalb des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nicht nur der § 3 Abs. 1 und 2 EFZG bezüglich des Zeitraumes zitiert wird, sondern auch der § 9 Abs. 1. Aus dem § 9 Abs. 1 EFZG lässt sich kein Zeitraum entnehmen, dieser weist jedoch auf die entsprechende Anwendung des § 3 bis 4a und 6 bis 8 EFZG. Im Gegensatz zu den Verweisungen im AAG wird hier auf den § 3 EFZG als Ganzes hingewiesen.
Dies wirkt widersprüchlich, da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, warum bei einem Aufwendungserstattungsanspruch im Zusammenhang
mit dem § 3 EFZG die Karenzzeit des Abs. 3 EFZG nicht gelten soll, bei dem Aufwendungserstattungsanspruch im Zusammenhang mit § 9 EFZG aber schon.
b. Im Rahmen der systematischen Auslegung innerhalb des EFZG als Anhaltspunkt für den Einbezug der Karenzzeit ist zunächst festzustellen, dass der Gesetzgeber selbst innerhalb des EFZG auf die direkte Bezugnahme auf den Abs. 3 des § 3 EFZG verzichtet und dieser dadurch als anspruchsbegründend vorausgesetzt wird. Im Rahmen des § 4 Abs. 1 EFZG bei der Frage des Zeitraums für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei der Höhe des fortzuzahlenden Entgelts wird nur
auf den § 3 Abs. 1 und den § 3a Abs. 1 verwiesen.
Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei dem Bezug innerhalb desselben Gesetzes davon ausgegangen
ist, dass die deutlichen Vorgaben des § 3 Abs. 3 EFZG nicht auch für die Höhe gelten. Eine andere Annahme erscheint durch den direkten Zusammenhang der Normen auch abwegig.
Die systematische Auslegung innerhalb des EFZG ist aus Sicht des Senats für die Fragestellung relevant, da, wie es die Klägerseite auch vorträgt, § 4 Abs. 4 EFZG i. V. m. § 12 EFZG vorgibt, dass der § 3 durch einen Tarifvertrag abbedungen werden kann. Dies könnte zur Folge haben, dass aus der Systematik dieser Vorgabe heraus
bei anderer tarifvertraglicher Vereinbarung des § 3 Abs. 3 EFZG dieser auch nicht mehr für den Anspruch aus dem AAG gelten würde. Dies hält der Senat jedoch deshalb nicht für überzeugend, da dies den gesetzlichen Vorgaben des § 3 TVG (Tarifvertragsgesetz) widersprechen würde, wonach gem. Abs. 1 tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist, sind.
Anhaltspunkte in Bezug auf den § 3a EFZG innerhalb der systematischen Auslegung, wie es die Beklagtenseite vorträgt, ergeben sich nicht. Der § 3a EFZG stellt in Abs. 2 einen von dem AAG unabhängigen Erstattungsanspruch dar (vgl. dazu BeckOK ArbR/ Riecken , 58. Ed. 1.12.2020, EFZG § 3a Rn. 12 ff.) und kann damit für die Rechtsfrage des Einbezugs des § 3 Abs. 3 EFZG innerhalb des Erstattungsanspruchs des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG nicht herangezogen werden.
4. Für den Senat ist für den Einbezug der Karenzzeit des Abs. 3 in den Anspruch aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG insbesondere die teleologische Auslegung überzeugend.
Anhaltspunkte für den Sinn und Zweck der Einführung ergeben sich aus der Gesetzesbegründung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsbeförderungsgesetzes
von 1996 (BT-Drs. 13/4612).
Daraus ergibt sich zunächst (S. 2):
„2. Begrenzung der Entgeltfortzahlung
Um die Arbeit von Kosten zu entlasten sind – ohne Eingriff in die Tarifautonomie – folgende Maßnahmen vorgesehen:
- Bei der Entgeltzahlung im Krankheitsfall wird eine Wartezeit von vier Wochen eingeführt.
- […]“
Spezifiziert wird dieses Vorhaben auf S. 11:
„Zudem erfordert die hohe Belastung der Arbeitgeber mit Kosten der Entgeltfortzahlung ein verstärktes Bemühen, missbräuchliches
Ausnutzen der Entgeltfortzahlung zu bekämpfen.“
Und weiter heißt es auf S. 12:
„Durch eine Ergänzung des
Entgeltfortzahlungsgesetzes wird eine Wartezeit von vier Wochen bei neu begründeten Arbeitsverhältnissen eingeführt. Auch hierdurch wird eine Kostenentlastung
der Arbeitgeber erreicht. Zudem wird das Prinzip von Leistung und Gegenleistung stärker betont; denn es erscheint unbillig,
dem Arbeitgeber die Kosten der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufzubürden, wenn ein gerade erst eingestellter Arbeitnehmer
krankheitsbedingt ausfällt. Während der Wartezeit erhält der erkrankte Arbeitnehmer Krankengeld.“
Innerhalb der Gesetzesbegründung für das AAG lassen sich keine weiteren Angaben zur Frage des Verhältnisses von § 1 AAG zu § 3 EFZG finden.
a. Aus Sicht des Senats kann die von der Kläger- und Beklagtenseite vorgebrachte Gesetzesbegründung zu der Einführung des
§ 3 Abs. 3 EFZG lediglich Anhaltspunkte, jedoch keine Lösung zur Frage der Einbeziehung der Karenzzeit in den Anspruch aus § 1 Abs. 1 AAG bieten. Dies liegt daran, dass es bei der Gesetzesbegründung des EFZG nur um die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geht und dies nicht direkt auf das Verhältnis zum dritten Beteiligten,
den jeweiligen Krankenkassen oder der Deutschen Rentenversicherung, übertragbar ist (näher dazu Henssler/Willemsen/Kalb/ Vogelsang , Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 37 ff.).
Nach dem Telos des § 3 Abs. 3 EFZG soll die Karenzzeit einen weiteren Schutz für den Arbeitgeber bieten. Dass dadurch nicht in die Tarifautonomie eingegriffen
werden soll, gebietet zum einen der § 4 Abs. 4 EFZG i. V. m. § 12 EFZG. Zum anderen wäre die Schutzvorschrift zu weit gegriffen, wenn der Arbeitgeber im Interesse des Arbeitnehmers darüber hinaus
nicht handeln dürfte. Ob im Rahmen einer einzel- oder tarifvertraglichen Vereinbarung zu Gunsten der Arbeitnehmer gehandelt
wird, ist Sache der Privatautonomie.
Ein missbräuchliches Ausnutzen der Entgeltfortzahlung kann nur dadurch verhindert und eine Geringhaltung der Belastung für
Arbeitgeber nur dadurch geschaffen werden, dass privatautonome Entscheidungen nicht dazu führen, dass in Form der Arbeitgeberversicherung
gestaltete Ausgleichsverfahren mit höheren Kosten belastet werden.
Gäbe es auf der einen Seite Ausgleichszahlungen für Arbeitgeber, die über die Vorgaben des § 3 EFZG hinaus Entgelt zahlen, und auf der anderen Seite diese Zahlungen für Arbeitgeber ohne außerordentliche vertragliche Regelungen
nicht, so würde dies zu einem Ungleichgewicht innerhalb des Umlageverfahrens führen.
Der Senat hält den diesbezüglichen Beklagtenvortrag für überzeugend, wonach dieses Ungleichgewicht gerade gegen die Kostenentlastung
für denjenigen Arbeitgeber spricht, der sich dafür entscheidet, außerhalb der gesetzlichen Vorgaben, eine Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall zu leisten.
Dies wird in der Literatur durch Schmitt (
Entgeltfortzahlungsgesetz, 8. Aufl. 2018, AAG § 1 Rn. 23) bestätigt, wonach „die Entgeltfortzahlung über sechs Wochen hinaus sowie sonstige Zahlungen, die nicht auf dem
Entgeltfortzahlungsgesetz, sondern auf darüber hinausgehen den tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen beruhen […], vom Arbeitgeber zu tragen“
seien. Nach Feichtinger/Malkmus (Entgeltfortzahlungsrecht, 2. Aufl. 2010, AAG § 1 Rn. 21) bestehe kein Erstattungsanspruch gem. § 1 AAG, wenn der Arbeitgeber auf Grund eines Tarifvertrages oder sonstigen Gründen freiwillig das Entgelt über den Zeitraum von
sechs Wochen im Sinne des § 3 Abs. 1 AAG zahle. Diese Ansicht kann, entgegen der Ansicht des Klägers, analog auf die freiwillige Zahlung des Entgeltes im Krankheitsfall
innerhalb der ersten vier Wochen übertragen werden, da das gleiche Interesse besteht. Es macht wirtschaftlich keinen Unterschied,
ob ein Arbeitgeber wegen einer tarifvertraglichen Regelung über die grundsätzlich bestimmten sechs Wochen hinaus oder bereits
innerhalb der ersten vier Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit das Entgelt im Krankenfall zahlt. Beide Situationen entsprechen
nicht den Zielbestimmungen des § 3 EFZG.
5. Der Einbezug der Karenzzeit gem. § 3 Abs. 3 EFZG führt zwar, wie durch den Kläger dargelegt, zu einem Ungleichgewicht innerhalb des Umlageverfahrens, dies ist jedoch vor
dem Hintergrund des Schutzzweckes der Norm gerechtfertigt und führt nicht zu einem Ausschluss des § 3 Abs. 3. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 AAG auch kein Einbezug von einzel- oder tarifvertraglichen Vereinbarungen über das EFZG hinaus.
a. Historisch betrachtet regelte das ursprüngliche Umlageverfahren in § 14 Abs. 2 S. 4 LFZG, dass von Entgelten der unter § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 fallenden Arbeitern Umlagebeiträge nicht zu erheben sind. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 LFZG schlossen, in der Erstfassung des Gesetzes von 1969 noch Abs. 2 Nr. 1 und 2, Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall für Beschäftigungsverhältnisse,
die für höchstens vier Wochen begründet waren, aus. Der Ausschluss galt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die vier Wochen
hinaus fortgesetzt wurde, sodass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und damit die darauffolgende Umlagepflicht
des Arbeitgebers „vom Tage der Vereinbarung der Fortsetzung“ galt. Nach Nr. 2 galt der Ausschluss für geringfügig Beschäftigte.
§ 7 Abs. 2 S. 2 AAG legt nun fest, dass bei der Berechnung der Umlage für Aufwendungen nach § 1 Abs. 1 Entgelte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, deren Beschäftigungsverhältnis bei einem Arbeitgeber nicht länger
als vier Wochen besteht und bei denen wegen der Art des Beschäftigungsverhältnisses auf Grund des §
3 Abs.
3 des
Entgeltfortzahlungsgesetzes kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entstehen kann, sowie einmalig gezahlte Arbeitsentgelte nach §
23a des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen sind.
Dies bedeutet, dass zwei Bedingungen kumulativ für die Befreiung des Arbeitgebers von der Umlagepflicht vorliegen müssen.
Die erste Bedingung entspricht der ursprünglichen Fassung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 LFZG, wonach Beschäftigungsverhältnisse, die nicht länger als vier Wochen dauern sollen, nicht zu berücksichtigen sind. Die zweite
Bedingung spricht davon, dass wegen der „Art der Beschäftigung“ auf Grund des § 3 Abs. 3 EFZG kein Anspruch besteht. Dies ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und somit auszulegen.
Der Gesetzgeber hat bei seiner Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs.16/39, S. 13) dargelegt, dass
„ in Absatz 2 Satz 2 [des § 7 AAG] […] der Gegenstand der obsolet gewordenen Norm des § 14 Abs. 2 Satz 4 LFZG neu geregelt und festgelegt [wird], […] wonach für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Beschäftigungsdauer von weniger als 4 Wochen bei einem Arbeitgeber
keine Umlage „U1“ zu entrichten ist, da bei den entsprechenden Personen auch keine Arbeitgeberaufwendungen in Betracht kommen,
denn ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist nach § 3 Abs. 3 EFZG ausgeschlossen “.
Das Merkmal der „Art des Beschäftigungsverhältnisses“ wird nicht näher erläutert, wobei das Telos der Norm jedoch, entgegen
der Ansicht des Klägers, nicht anders gelesen werden kann, als dass durch den Wortlaut jede mögliche Form eines Beschäftigungsverhältnisses
unter vier Wochen ausgenommen werden soll ( Schmitt ,
Entgeltfortzahlungsgesetz, 8. Aufl. 2018, §
7 Rn. 17 spricht davon, dass damit Arbeitsverhältnisse gemeint sind, die nicht länger als vier Wochen dauern sollten und auch tatsächlich nicht länger gedauert haben).
Aus dem Wortlaut der Gesetzesänderung und dem Telos lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Gesetzgeber mit
der „Art des Beschäftigungsverhältnisses“ Hinweise auf einzel- oder tarifvertragliche Besonderheiten geben wollte, die zu
einer Änderung der Zahlung einer Umlage führen.
b. Jedes Ausgleichsverfahren führt einerseits zu einem gewissen Ungleichgewicht, soll jedoch andererseits im Sinne der Einzahlenden
so wenig wie möglich belastet werden. Dies gilt gerade im Lichte des Telos der „ Entlastung von Unternehmen von beschäftigungsfeindlich hohen Lohnzusatzkosten “ (BT-Drs. 13/4612, S. 8).
Dabei ist durch den Kläger überzeugend dargelegt, dass das Aufbringen der Mittel für das Umlageverfahren innerhalb der Aufwendungsausgleichsansprüche
der Arbeitgeber gem. § 7 AAG durch die Bedeutung des § 3 Abs. 3 EFZG zu einem Ungleichgewicht führt. Das arbeitsrechtliche Vertragsverhältnis über eine Zeit von vier Wochen hinaus hat zur Folge,
dass der Arbeitgeber von Anfang an gesonderte Umlagen für das U1- und U2-Verfahren zahlen muss. Bezieht man die Vorgaben der
Karenzzeit des § 3 Abs. 3 EFZG in den Ausgleichsanspruch des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG mit ein, so führt dies dazu, dass der Arbeitgeber zwar erst ab Vollendung der vier Wochen einen Ausgleich über den § 1 AAG erhalten kann, aber im Sinne des § 7 AAG von Anfang an Umlagen aufbringen musste.
Entgegen der Ansicht des Klägers, ist dieses Ungleichgewicht jedoch gerechtfertigt und führt nicht zu einem Ausschluss der
Karenzzeit bei dessen Aufwendungsausgleichsanspruch. Es betrifft alle Arbeitgeber gleichermaßen durch die Festlegung des Beschäftigungsverhältnisses
und fördert dadurch eine gerechte Verteilung.
Ein missbräuchliches Ausnutzen der Entgeltfortzahlung kann nur verhindert und eine Geringhaltung der Belastung für Arbeitgeber
dadurch geschaffen werden, dass privatautonome Entscheidungen nicht dazu führen, dass in Form der Arbeitgeberversicherung
gestaltete Ausgleichsverfahren mit höheren Kosten belastet werden. Das ergibt aus dem Grundsatz, wonach tarifvertragliche
Regelungen nur inter partes gelten.
Gäbe es auf der einen Seite Ausgleichszahlungen für Arbeitgeber, die über die Vorgaben des § 3 EFZG hinaus Entgelt zahlen, und auf der anderen Seite diese Zahlungen für Arbeitgeber ohne außerordentliche vertragliche Regelungen
nicht, so würde dies zu einem Ungleichgewicht innerhalb des Umlageverfahrens führen.
Sinn und Zweck eines Umlageverfahrens ist es nicht, dass jeder Arbeitgeber den Zeitpunkt durch einzelvertragliche Vereinbarung
selber bestimmen kann, sondern im Sinne der Gerechtigkeit für alle Beteiligten die gleichen Anforderungen bietet.
Ähnlich ist dies für das Aufbringen des U2-Verfahrens, dem finanziellen Ausgleich für den Mutterschutz, zu bewerten. Diese
Umlage muss durch die Arbeitgeber aufgebracht werden, ganz gleich inwieweit der Anteil der Beschäftigten weiblich ist.
Die Bedingungen sind bei der Einbeziehung des § 3 Abs. 3 EFZG in den Erstattungsanspruch des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AAG für alle Beteiligten gleich, nicht von autonomen Entscheidungen, wie tarifvertraglichen Vereinbarungen, abhängig und demnach
im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung zu begrüßen.
Dies führt auch zu einer Rechtssicherheit und nach den Vorgaben des Gesetzgebers zu der gerechtesten Kostenentlastung für
die Arbeitgeber.
II. Die Kostenentscheidung beruhen auf §
183 und §
193 SGG.
III. Der Senat lässt die Revision gem. §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zu, da diese Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde.