Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung weiterer Unfallfolgen, die Zahlung von Verletztengeld und die Gewährung einer
Psychotherapie.
Der am xxxxx 1967 geborene Kläger, der als selbständiger Gastwirt tätig ist, rutschte am 19. Dezember 2013 beim Abwärtsgehen
einer steilen Kellertreppe mit Flaschen in der Hand aus und fiel mehrere Stufen hinunter. Im Durchgangsarztbericht des AK H. vom gleichen Tag wurde eine Prellung diagnostiziert. Im Röntgenbefund der Halswirbelsäule (HWS) fand sich dabei kein Hinweis
auf eine Fraktur. Am 20. Dezember 2013 stellte sich der Kläger beim Durchgangsarzt Dr. G. vor, der eine Rückenprellung, eine
HWS-Distorsion und eine Prellung sowie eine Schürfung des linken Unterarms diagnostizierte. Eine erneute Vorstellung beim
Durchgangsarzt erfolgte am 23. Dezember 2013 mit anhaltenden Schmerzen im Bereich der HWS sowie Kribbelparästhesien mit Ausstrahlung
bis in die Langfinger beider Hände. Das daraufhin veranlasste MRT am 27. Dezember 2013 ergab lediglich eine Steilstellung
der HWS, keinen Diskusprolaps, keinen Anhalt für stattgehabte knöcherne Verletzungsmuster.
Bei dem Neurologen Dr. B. beklagte der Kläger am 9. Januar 2014 noch Hinterkopf- und Ohrenschmerzen. Ein MRT des Neurocraniums
vom 23. Januar 2014 ergab keinen Nachweis einer intracerebralen Raumforderung, eines Infarktes und keinen Hinweis auf einen
entzündlichen cerebralen Focus. Es habe lediglich eine diskrete cerebrale Mikroangiopathie vorgelegen. Laut Arztbrief der
HNO-Praxisgemeinschaft Dr. H1/Dr. B3 vom 30. Januar 2014 habe sich in der HNO-Spiegeluntersuchung eine rechtsseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit
bei unauffälligem Ohrbefund gezeigt. Dies hätten sie als traumabedingt aufgefasst und eine Prednisolon-Therapie eingeleitet.
Das AK-H. berichtete am 3. Februar 2014 über eine Vorstellung des Klägers aufgrund eines Tinnitus aurium. Der Tinnitus habe bei
500 Hz und 25 dB gelegen.
Dr. G. führte im Bericht vom 10. Februar 2014 aus, dass im Hinblick auf die neurologischen und HWS-Symptome bei bereits am
27. Dezember 2013 erhobenem völlig unauffälligem Kernspinbefund der HWS aus seiner Sicht erhebliche Bedenken am Unfallzusammenhang
bestünden. Es passe auch nicht, dass diese Symptome erst Anfang Januar, also knapp zwei Wochen nach dem erlittenen Trauma
angegeben würden.
Laut Entlassungsbericht des AK H. befand sich der Kläger dort vom 11. Februar bis zum 15. Februar 2014 in stationärer Behandlung. Bei dem Kläger liege ein
dekompensierter Tinnitus rechts, eine leichte pantonale sensorineurale Schwerhörigkeit rechts und ein Zustand nach Prellung
der Hals- und Brustwirbelsäule nach Treppensturz am 19. Dezember 2013 vor.
Das B1-Klinikum H2 berichtete am 9. April 2014 über die Vorstellung des Klägers wegen der Schädelprellung mit HWS-Distorsion.
In einem neurologischen Befundbericht des B1-Klinikum vom 16. April 2014 wurden eine HWS-Distorsion, ein Tinnitus, Kopfschmerzen
und eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode festgestellt. Die leicht- bis mittelgradige depressive Episode sei unfallunabhängig.
Es hätten sich Hinweise auf eine psychische Belastung bzw. Somatisierungstendenz gefunden. Das Unfallereignis sei primär nicht
zur Auslösung psychischer Unfallfolgen geeignet. Im psychologischen Befundbericht vom 27. April 2014 wurde eine unfallunabhängige
leichte bis mittelgradige depressive Episode diagnostiziert.
Der HNO-Arzt Dr. W. gab im Befundbericht vom 2. Mai 2014 an, dass bei dem Kläger rechts eine Innenohrschwerhörigkeit bei 20
dB und links ein normales Hörvermögen vorgelegen hätten. Seit drei Wochen bestehe ein Tinnitus rechts.
Das U. erstellte am 17. Mai 2014 ein Zusammenhangsgutachten. Vom Kläger seien Beschwerden in folgenden Bereichen geschildert
worden: Ohrgeräusch rechts, Kopfschmerzen linksbetont, Konzentrationsschwierigkeiten, Hypästhesien. Es ergebe sich eine deutliche
Diskrepanz zwischen den beklagten Beschwerden und objektiven Befunden. Auf orthopädisch/unfallchirurgischem Fachgebiet seien
keine Folgen des Unfalls festzustellen. Aufgrund der initialen HWS-Prellung sei eine Arbeitsunfähigkeit für etwa eine Woche
nach dem Sturzereignis zu rechtfertigen.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Antrag auf Psychotherapie nicht genehmigt werden
könne. Unfallbedingte psychische Erkrankungen lägen nicht vor. Eine posttraumatische Belastungsstörung sowie ein phobisches
Störungsbild hätten ausgeschlossen werden können. Der Unfallhergang sei seiner Art nach nicht geeignet, eine psychische Erkrankung
auszulösen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 11. Juni 2014 Widerspruch ein.
Dr. K. erstattete ein hno-ärztliches Zusatzgutachten vom 17. Juli 2014. Hörstörungen wie Hörverlust und/oder Tinnitus könnten
im Rahmen von Verkehrsunfällen ohne stumpfes Schädeltraumata auch ohne ohrnahe Fraktur auftreten. Die vom Kläger angegebenen
Beschwerden würden zu dem Unfallgeschehen passen. Auf dem HNO-ärztlichen Gebiet könnten nach derartigen Traumata Innenohrschwerhörigkeiten
mit und ohne Recruitment auftreten. Gewöhnlicherweise werde dann aber eine sofort nach dem Unfall in voller Ausprägung vorhandene
Hörstörung angegeben. Sekundäre Verschlechterungen würden in Einzelbeobachtungen beschrieben. Ob die Erkrankungen des Klägers
tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem stattgehabten Unfall beruhten, müsse ein neurologisches Zusatzgutachten klären.
Bezüglich des Tinnitus würde man sich an der neurologischen Beurteilung der Schwerhörigkeit orientieren.
Die Fachärztin für Psychiatrie und behandelnde Ärztin des Klägers Dr. L. teilte in einem Bericht vom 3. Oktober 2014 mit,
dass bei dem Kläger eine depressive Episode im Rahmen einer Anpassungsstörung bestehe. Es sei nicht erkennbar, dass die Depression
auf andere Ereignisse oder Umstände als den Unfall zurückzuführen sei.
Mit Bescheid vom 17. März 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Verletztengeld vom 20. bis zum 26. Dezember 2013. Nach ärztlichen
Feststellungen sei der Kläger in dieser Zeit arbeitsunfähig gewesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.
Dr. B2 erstellte am 23. März 2015 ein neuropsychologisches Zusatzgutachten für das von der Beklagten beauftragte nervenärztliche
Gutachten von Dr. M ... Die sehr weit unterdurchschnittlichen Aufmerksamkeitsleistungen des Klägers hätten sich auch im klinischen
Befund darstellen müssen. Derart herabgesetzte Aufmerksamkeitsleistungen würden sich sonst nur bei Patienten mit schwersten
Hirnsubstanzschädigungen finden. Im Übrigen wäre eine selbständige Lebensführung nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt denkbar.
Die weit unterdurchschnittliche Leistung des Kurzzeitgedächtnisses und die unterdurchschnittlichen Lern- und Behaltensleistung
für sprachliches Material hätten sich ebenfalls im klinischen Bild zeigen müssen. Die unterdurchschnittlichen exekutiven Funktionen
seien mit der dokumentierten Mikroangiopathie vereinbar, aber aufgrund der Verfälschung in den anderen Tests nicht mit Sicherheit
nachweisbar. Stark auffällige Testwerte im Sinne von Hinweisen auf Symptome einer Angststörung und einer depressiven Störung
sowie auf ein als stark herabgesetzt wahrgenommenes psychisches Wohlbefinden hätten sich in der klinischen Befunderhebung
nicht bestätigt. Auf neuropsychologischem Fachgebiet ließen sich organisch bedingte psychische Störungen nicht hinreichend
sicher feststellen.
Dr. M. fasste die Ergebnisse in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 7. April 2015 zusammen. Die Beschwerden über Konzentrations-
und Gedächtnisstörungen erschienen bei der Untersuchung wenig plausibel. Vor allem könne sich der Kläger sehr gut konzentrieren.
Es sei eine bewusstseinsnahe Komponente zu vermuten. Der Kläger klage über schwere Konzentrationsstörungen und depressive
Verstimmungen mit erheblichen Antriebsdefiziten, was man subjektiv nicht so richtig nachvollziehen könne, da er sehr rege
familiäre Kontakte und Beziehungen unterhalte. Aufgrund der heutigen nervenärztlichen Untersuchung sei allenfalls von einer
diskreten subjektiven Leistungseinschränkung auszugehen. Es sei bei unauffälliger prämorbider Anamnese und bei fehlenden psychodynamisch
relevanten Hinweisen nur schwer nachvollziehbar, warum der Kläger nach dem Unfall (einem harmlosen Sturz mit Prellungen) unter
einem so ausgeprägten subjektiven Krankheitsempfinden und psychosomatischen Beschwerden leide. Möglicherweise komme es nach
dem Unfall zu einem Begehren an Entschädigung. Aus nervenärztlicher Sicht seien keine anhaltenden Unfallfolgen zu beschreiben.
Die psychische und neurologische Situation sei eher nicht auf den Unfall zurückzuführen.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2015 stellte die Beklagte fest, dass als Unfallfolgen diverse leichte Prellungen und Schürfwunden
bestanden hätten, die folgenlos ausgeheilt seien. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe aufgrund dieser Verletzungen bis
zum 26. Dezember 2013 vorgelegen. Weitere Gesundheitsstörungen seien nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Auch gegen
diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der Psychotherapie zurück.
Am 16. April 2014 habe ein psychologisches Gespräch im B1-Klinikum stattgefunden. Es seien dort keine unfallbedingten psychischen
Erkrankungen erkennbar gewesen. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung von
Verletztengeld ab. Der Bescheid vom 17. März 2015 habe zu einem Verletztengeldanspruch über den 26. Dezember 2013 hinaus keine
Regelung getroffen. Es handele sich um eine Abrechnung von Verletztengeld für die Zeit vom 20. Dezember bis 26. Dezember 2013.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der Anerkennung
weiterer Arbeitsunfallfolgen zurück. Die über den 26. Dezember 2013 hinaus bestehenden Beschwerden auf orthopädisch/unfallchirurgischem,
hno-ärztlichem, neuropsychologischem und nervenärztlichem Fachgebiet stünden nicht im Zusammenhang mit dem Unfall vom 19.
Dezember 2013.
Der Kläger erhob am 31. August 2015 gegen die drei Widerspruchsbescheide Klage beim Sozialgericht Hamburg. Er akzeptiere das
Ergebnis der Begutachtung durch die Beklagte nicht. Alle geklagten Beschwerden seien erst nach dem Unfallereignis vom 19.
Dezember 2013 aufgetreten und aus der Sicht des Klägers könne nur der Unfall diese gesundheitlichen Beschwerden ausgelöst
haben. Andere auslösende oder mitwirkende Ereignisse würden der Kläger und auch die ihn behandelnden Ärzte nicht kennen. Als
Unfallfolgen seien daher auch festzustellen: - eine hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts mit geringgradiger
Schwerhörigkeit links - ein Tinnitus rechtsseitig - eine mittelgradige depressive Episode - Schlafstörungen - Angstattacken
- Schwindelattacken und - ein Schmerzsyndrom. Der Kläger habe Anspruch auf Verletztengeld über den 26. Dezember 2013 hinaus
und die Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung. Der Kläger hat seiner Klage eine fachärztliche Stellungnahme
von Dr. L. vom 3. August 2015 beigefügt. Es liege eine anhaltende depressive Episode, mittelgradig ausgeprägt im Sinne einer
Anpassungsstörung bzw. Reaktion auf ein Ereignis vor. Die Anamnese habe keine Hinweise darauf erbracht, dass der Kläger bereits
früher einmal depressiv oder anderweitig seelisch erkrankt gewesen sei und aus ihrer Sicht sei ein Zusammenhang zwischen dem
Unfallereignis und den darauf folgenden psychischen Problemen als sicher anzusehen. Im Verlauf sei neben der anderweitig durchgeführten
psychotherapeutischen Behandlung eine fortlaufende medikamentöse Behandlung erfolgt. Laut psychologischem Kurzbericht von
Dipl. Psych. P. vom 23. September 2014 bestehe aus neuropsychologischer bzw. psychologischer Sicht ein direkter Zusammenhang
zwischen der erlittenen Schädigung und der beschriebenen Symptomatik.
Der Kläger ist vom 1. März 2016 bis zum 12. April 2016 in den S1 Kliniken stationär behandelt worden. Im Entlassungsbericht
an Dr. G. ist ausgeführt worden, dass noch eine mittelgradige depressive Episode, eine beginnend chronifizierende somatoforme
Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, eine Radikulopathie im Zervikalbereich, ein Tinnitus aurium und ein
Hörverlust nicht näher bezeichnet vorliegen würden.
Das Sozialgericht hat ein nervenärztliches Gutachten von Dr. F. vom 4. Oktober 2016 eingeholt. Bei dem Kläger lägen eine Hörminderung
des rechten Ohres rechts mit Ohrton sich im Zeitverlauf daraus entwickelnd und bis heute sukzessive verschlimmernd sowie eine
zunächst leichte, dann leicht bis mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom vor. Nicht auf nervenärztlichem
Fachgebiet lägen die Folgen der Prellung und Schürfung vor, die innerhalb einer Woche abgeklungen seien. Es sei kein seelischer
Erstschaden eingetreten. Der Kläger sei eine Treppe hinuntergefallen und habe sich erschreckt. Dies sei adäquat, aber nicht
mit einem S.n gleichzusetzen. Warum es bei dem Kläger zu der Depression gekommen sei, werde in den Berichten aus den S1 Kliniken
plausibel erklärt. Im Verhältnis zum Vater werde im psychosomatischen Heilverfahren eine wesentliche psychodynamisch zu fassende
Ursache der Depression des Betroffenen gesehen, was plausibel sei. Ein Unfallzusammenhang könne nur dann hergestellt werden,
wenn das Krankwerden des Betroffenen auch Unfallfolge sei. Solange der Kläger aber einen seelischen S.n im Unfallerleben nicht
davon getragen habe und die Folgen des körperlichen Erstschadens, nämlich die Prellungen innerhalb von einer Woche ausgeheilt
seien, sei dies nicht plausibel und entbehre insoweit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Es sei auch darauf hinzuweisen,
dass die Schwere der Depression, wie sie sich im Laufe der Jahre entwickelt habe, mit einem Unfall dieser Art ohnehin nicht
zu erklären sei, und zwar auch dann nicht, wenn dieser den Ohrton und die Hörminderung ausgelöst hätte. Die Depression sei
nicht Unfallfolge. Gerade psychogene Erkrankungen seien nicht an das Eintreten von äußeren Ereignissen gebunden. Insoweit
sei es denkbar, dass die Depression des Betroffenen auch ohne alle äußere Einwirkung zustande gekommen wäre. Im vorliegenden
Fall würden aber speziell von den behandelnden Ärzten Hörminderung, Ohrton und allgemeine Minderung des Leistungsvermögens,
die der Betroffene an sich wahrgenommen habe, als Bedingungsfaktoren der Depression und deren Verschlechterung im Zeitverlauf
gesehen. Diese seien aber nicht Unfallfolge.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2017, dem Kläger zugestellt am 15. Mai 2017, hat das Sozialgericht die Klage abgelehnt. Die
zulässigen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklagen seien unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten
seien rechtmäßig. Der Kläger habe nur Anspruch auf Verletztengeld bis zum 26. Dezember 2013, denn nur bis zu diesem Zeitpunkt
könne unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden. Darüber hinaus lägen keine Unfallfolgen mehr vor, so dass weder
ein Anspruch auf eine Psychotherapie noch auf die Feststellung weiterer Gesundheitsschäden bestehe. Nach §
102 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) hätten Versicherte Anspruch auf die Feststellung aller Gesundheitsschäden, die als Folge eines Arbeitsunfalles im Sinne
des §
8 Abs.
1 SGB VII eingetreten seien. Weitere Unfallfolgen als die, die die Beklagte bereits festgestellt habe, lägen beim Kläger nicht vor.
Ein Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld über den 26. Dezember 2013 hinaus könne nicht festgestellt werden. Nach §
45 Abs.
1 Nr.1
SGB VII werde Verletztengeld gewährt, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sei. Der Kläger habe aus
dem Arbeitsunfall zurechenbar nur Prellungen und Abschürfungen erlitten, welche zu einer Arbeitsunfähigkeit bis 26. Dezember
2013 geführt hätten und danach folgenlos ausgeheilt seien. Dies sei durch die objektiven Befunde nach der MRT-Untersuchung
am 27. Dezember 2013 bewiesen. Dieses Ergebnis bestätigten die Gutachter, die von der Beklagten gehört worden seien, aber
insbesondere auch der gerichtlich bestellte Gutachter Dr. F ... Die sich etwa ab dem 10. Januar 2014 entwickelte Hörminderung
rechts mit Ohrton sowie eine zunächst leichte bis mittelgradige und schließlich mittelgradige depressive Episode mit somatischem
Syndrom beim Kläger, stünden in keinem kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Es fehle bereits an einem Kausalzusammenhang
im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zwischen dem anerkannten Erstschaden des Klägers (den Prellungen und Abschürfungen)
und der Hörminderung, dem Ohrton und der mittelgradigen depressiven Episode. Das Unfallereignis sei nach dem überzeugenden
unfallchirurgischen Gutachten vom 17. Mai 2014, dem hno-ärztlichen Gutachten vom 17. Juli 2014, dem neuropsychologischen Gutachten
vom 23. März 2015, dem nervenärztlichen Gutachten vom 7. April 2015 sowie dem durch das Gericht beauftragten Sachverständigengutachten
des Dr. F. nicht objektiv ursächlich für die Hörminderung, den Ohrton und die schließlich mittelgradig depressive Episode.
Psychogene Erkrankungen seien grundsätzlich nicht an das Eintreten von äußeren Ereignissen gebunden. Insoweit könne die mittelgradig
depressive Episode auch ohne alle äußeren Einwirkungen zustande gekommen sein. Die mittelgradig depressive Episode resultiere
aber auch wahrscheinlich als wesentliche Teilursache aus dem rechtsseitigen Ohrton, dieser sei jedoch naturwissenschaftlich
nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Es könnten lediglich die unmittelbar nach dem Unfallereignis festgestellten Prellungen
und Abschürfungen auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Die Auffassung des Klägers sei zutreffend, dass Kopfprellungen
sowie HWS-Distorsionen in der Lage seien, Ohrgeräusche bzw. Tinnitus auszulösen. Vorliegend könne aber keine ausreichende
Kopfprellung festgestellt werden, die geeignet wäre, diese Gesundheitsstörungen zu verursachen. Ein Anspruch auf Gewährung
von Leistungen für eine Psychotherapie könne nicht festgestellt werden. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen
für die Gesundheitswiederherstellung nach §
26 Abs.
1 SGB VII erforderten, wie alle Leistungsansprüche nach den §§
26 ff.
SGB VII, einen Versicherungsfall und einen durch diesen verursachten Gesundheitserstschaden oder daraus folgende Gesundheitsschäden.
Als Unfallfolgen könnten lediglich die unmittelbar nach dem Unfallereignis festgestellten Prellungen und Abschürfungen ermittelt
werden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die darüberhinausgehenden angezeigten Gesundheitsstörungen bezüglich der
Hörminderung und insbesondere der mittelgradig depressiven Episode als Unfallfolgen infolge des Arbeitsunfalles entstanden
seien.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 13. Juni 2017 Berufung eingelegt. Im Vordergrund stehe unter
Zugrundelegung des von Dr. F. erstatteten Gutachtens die Beantwortung der Frage, ob das Ereignis vom 19. Dezember 2013 geeignet
gewesen sei, den vom Kläger beklagten Tinnitus rechtsseitig mit fast völligem rechtsseitigem Hörverlust auszulösen. Offensichtlich
seien die vom Kläger beklagten anhaltenden Beeinträchtigungen in der Folgezeit deutlich unterschätzt worden. Unbeachtet geblieben
seien die vom Kläger beklagten anhaltenden Beschwerden im Bereich der HWS, die es vor dem Unfallereignis nicht gegeben habe
und die nur durch das Unfallgeschehen ausgelöst worden seien. Wenn man zu dem Ergebnis gelange, dass der Tinnitus und der
rechtsseitige Gehörschaden des Klägers initial auf das Unfallgeschehen zurückzuführen seien, werde man mit dem Gutachter Dr.
F. zu dem weiteren Ergebnis gelangen, dass diese unfallbedingten Erkrankungen ursächlich für die posttraumatische Belastungsstörung
seien. Eine Hirnbeteiligung bei dem Sturz sei ohne weiteres nachzuvollziehen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Mai 2017 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten
vom 28. Mai 2014, vom 17. März 2015 und 11. Mai 2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Juli 2015, abzuändern
bzw. aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, als Folgen des Arbeitsunfalls vom 19. Dezember 2013 eine hochgradige an Taubheit
grenzende Schwerhörigkeit rechts mit geringgradiger Schwerhörigkeit links, ein Tinnitus rechtsseitig, eine mittelgradig depressive
Episode, Schlafstörungen, Angstattacken, Schwindelattacken sowie ein Schmerzsyndrom mit über dem 26. Dezember 2013 hinausgehender,
andauernder, unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen und Verletztengeld über den 26. Dezember 2013 hinaus zu zahlen
sowie die Beklagte zu verpflichten, eine Psychotherapie zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass auch das erstmalige Auftreten der gesundheitlichen Einschränkungen nach dem Unfallereignis sowie
das Fehlen anderer Krankheitsursachen in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ausreiche, um einen kausalen Zusammenhang
herzuleiten.
Der Senat hat ein hno-ärztliches Gutachten von Dr. S. eingeholt. Hiernach liegen bei dem Kläger eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit
rechts sowie ein hochfrequenter Tinnitus rechts vor. Es ließen sich mehrere Besonderheiten feststellen, die primär gegen den
Zusammenhang zwischen Sturz und Tinnitus sprechen würden: Der primär gemessene Tinnitus habe eine andere Klangqualität und
andere Lautstärke als der gegenwärtige Tinnitus besessen. Diese Werte lägen messtechnisch und in der Frequenz derartig weit
auseinander, dass eine Fehlangabe bei tatsächlich vorhandenem Ohrgeräusch praktisch nicht möglich sei. Bei einem Sinuston
von 500 Hz handele es sich um einen eher tiefen Ton am unteren Rand des sprachrelevanten Hörbereiches, während der jetzt und
im Rahmen der Begutachtung im U. gemessene Tinnitus in der Qualität einem Sinuston am oberen Rand des Sprachspektrums entspreche.
Die Hörkurve zeige sich zudem in den verschiedenen in der Akte dokumentierten Audiogrammen sehr variabel, wobei es sich jeweils
um von dem Kläger gemachte Angaben handele. So könne aus dem Audiogramm am 27. Februar 2014 ein prozentualer Hörverlust von
rechts 34 Prozent und links 8 Prozent errechnet werden. Aus dem Krankenhaus H. liege zwar kein Tonschwellenaudiogramm als
Grafik vor, im Entlassungsbericht vom 14. Februar 2014 sei aber von einer pantonalen Schwerhörigkeit rechts von 25 dB gesprochen
und ausdrücklich vermerkt worden, dass eine Hörminderung nicht angegeben worden sei. Es ergebe sich somit ein Hörverlust von
23 Prozent. Im Gutachten von Dr. K. habe dann bei in der Frequenzlage ganz anderem Tinnitus ein prozentualer Hörverlust von
43 Prozent bestanden. Das Audiogramm von Dr. B3 falle völlig aus dem Rahmen, rechts liege ein prozentualer Hörverlust von
100 Prozent (funktionelle Taubheit) und einem prozentualen Hörverlust links von 36 Prozent vor. Eine Hörminderung und Tinnitus
seien nach einem stumpfen Schädel-Trauma oder einer HWS-Distorsion nicht auszuschließen, stellten aber auch eher eine Ausnahme
dar und korrelierten dann auch mit der Schwere des Traumas. Bei einem stumpfen Schädeltrauma ohne Bewusstlosigkeit durch einen
okzipitalen Aufprall wäre als Folge eine Hörminderung im Sinne eines Knalltraumas mit typischer C5-Senke zu erwarten gewesen,
wie sie jedoch bei dem Kläger in keinem Audiogramm vorgelegen habe. Außerdem wäre eine solche Schädigung bei einem bewusstseinsklaren
Patienten auch sofort und nicht mit mehrwöchiger Verzögerung zu erwarten gewesen. Nach dem Entlassungsbericht des AK H. vom 14. Februar 2014 sei eine Hörminderung zu keinem Zeitpunkt vom Kläger bemerkt worden und auch der Erstbefund vom 3.
Februar 2014 erwähne nur einen Tinnitus. Eine Hörminderung unterschiedlicher Ausprägung sei jedoch in allen Fällen in den
Audiogrammen vorhanden gewesen, müsse also unfallunabhängig bereits vorbestanden haben. Denn selbst eine akute Hörminderung
pancochleär von nur 25 dB, wie sie nach dem Entlassungsbericht des Krankenhauses und auch im Audiogramm von Dr. W. rechts
dokumentiert worden sei, hätte eine so erhebliche Verschlechterung des Hörvermögens dargestellt, dass sie vom Kläger sofort
als Schädigung hätte bemerkt werden müssen. Das Unfallereignis habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht
im Zusammenwirken mit anderen Ursachen die festgestellten Gesundheitsstörungen hervorgerufen.
Der Kläger wendet gegen das Gutachten ein, dass Dr. S. zu Unrecht davon ausgehe, bei dem Kläger sei keine Kopfverletzung festgestellt
worden. Dies sei nicht zutreffend, denn es seien Prellungen und Schürfwunden am Hinterkopf festgestellt worden. Zudem sei
bereits in der Überweisung von Dr. G. vom 14. Januar 2014 dokumentiert, dass der Kläger von Anfang an über Ohrgeräusche geklagt
habe. Auch führe Dr. S. aus, dass alle Untersuchungen gut mitgemacht worden seien. Zum Zeitpunkt der Untersuchung habe der
Kläger aber Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS gehabt.
Mit Übertragungsbeschluss vom 31. Juli 2018 hat der Senat der Berichterstatterin, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern
entscheidet, das Verfahren nach §
153 Abs.
5 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten sowie die Sitzungsniederschrift
vom 20. Februar 2019 ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht schließt sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Dr. S. an, dass die beim Kläger
vorliegende Hörminderung und der Tinnitus nicht auf dem Arbeitsunfall beruhen. Zu Recht weist der Gutachter darauf hin, dass
die dokumentierten Audiogramme, die auf den Angaben des Klägers beruhen, zwischen einem Hörverlust von 34 Prozent bis zu 100
Prozent rechts variieren. Auch die Angaben des Klägers zum Tinnitus hinsichtlich Klangqualität und Lautstärke schwanken. Hörminderung
und Tinnitus sind zwar nach den Ausführungen von Dr. S. bei einem stumpfen Schädeltrauma ohne Bewusstlosigkeit nicht auszuschließen,
aber eher die Ausnahme und korrelierten dann auch mit der Schwere des Traumas. Ein Schweres Trauma hat beim Kläger, der lediglich
Prellungen und Schürfwunden erlitten hat, jedoch nicht vorgelegen. Zudem hätten die Beeinträchtigungen sofort nach dem Unfall
auftreten müssen. Sowohl der Tinnitus als auch eine Hörminderung von mindestens 34 Prozent hätten auch sofort bemerkt werden
müssen. Der Kläger hat allerdings erstmals mehrere Wochen nach dem Unfall Ohrgeräusche angegeben und auch die Hörminderung
erst im weiteren Verlauf.
Auch die weiteren vom Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet genannten Erkrankungen sind nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die überzeugenden Darlegungen von Dr. M. und Dr. F ... Es fehlt schon an einem seelischen
Erstschaden. Der Unfall kann zu einem Erschrecken geführt haben, war aber nicht geeignet, dass der Kläger hieraus einen Erstschaden
erleiden konnte. Die Ursache für die Depression sieht Dr. F. den Berichten aus den S1 Kliniken folgend im Verhältnis des Klägers
zu seinem Vater. Weitere Bedingungsfaktoren seien auch die Hörminderung, der Ohrton und eine allgemeine Minderung des Leistungsvermögens.
Diese wiederum sind aber - wie oben ausgeführt - nicht Unfallfolgen. Beide Gutachter betonen schlüssig, dass es nicht zu erklären
sei, dass ein Unfall mit Prellungen, wie ihn der Kläger erlitten habe, eine psychische Erkrankung ausgelöst haben könnte.
Aus den dargelegten Gründen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Psychotherapie, da die psychische Erkrankung
des Klägers nicht auf dem Unfall beruht. Weitere Unfallfolgen auf hno-ärztlichem bzw. psychiatrischem Fachgebiet sind aus
diesen Gründen ebenfalls nicht festzustellen.