Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erhöhung seiner Verletztenrente.
Der im Jahre 1963 geborene Kläger prallte während seiner Tätigkeit als Berufsfußballspieler beim H. am 31. Oktober 1989 im
V. mit einem Gegenspieler zusammen und verletzte sich dabei am Kopf. Der Durchgangsarzt Dr. M. diagnostizierte am gleichen
Tag eine Schädelprellung und eine Commotio cerebri. Eine frische knöcherne Verletzung konnte anhand der Röntgenaufnahmen ausgeschlossen
werden.
Dr. V1 berichtete am 9. Juli 1990, dass der Kläger bereits nach drei bis vier Tagen wieder am Training des H. teilgenommen
und auch das nächste Bundesligaspiel bestritten habe. Seit dem Unfall leide er aber unter chronischen Kopfschmerzen, rezidivierenden
Sehstörungen und unter einem diffusen Schwindel. Der Radiologe Prof. Dr. Z. führte am 9. Juli 1990 eine craniale Computertomographie
durch, bei der sich kein Anhalt für eine sub- oder epidurale Blutung oder einen Erguss ergab. Ein am 7. März 1991 durchgeführtes
Alpha-EEG war unauffällig und ergab keinen Herdbefund.
Der Neurologe Dr. W. erklärte in seinem Gutachten vom 22. Mai 1991, dass der neurologische Befund ohne Hinweis auf einen umschriebenen
krankhaften Hirnprozess sei, hirnpathologisch fänden sich keine Anhaltspunkte für eine abgelaufene, tiefergreifende, allgemeine
oder umschriebene Hirnschädigung. Die Befunde eines lageabhängigen Schwindels mit flüchtigem Vertikalnystagmus mit rotatorischer
Komponente, vermehrter Gesichtsröte und flüchtiger konjunktivaler Injektion, zusammen mit den geklagten Schwindelzuständen
seien Hinweise auf eine zentrale vestibuläre Tonusstörung nach der erlittenen Schädelprellung, mit traumatischer Hirnbeteiligung
im Sinne der commotio cerebri. Als Unfallfolgen schätzte Dr. W. eine noch nicht abgeklungene, posttraumatische, zentrale vestibuläre
Tonusstörung mit anhaltendem Kopfschmerzsyndrom und Schwindelgefühlen sowie ein posttraumatisch fixiertes, oberes/mittleres
Halswirbelsäulen (HWS) - Syndrom mit Fehlstellung und Bewegungseinschränkung in den Segmenten 2./3. und 3./4. HWK ein. Die
Minderung der Erwerbsfähigkeit bewertete Dr. W. mit 20 v.H.
Mit Bescheid vom 18. Juni 1991 gewährte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. W. eine Rente nach
einer MdE von 20 v.H. Die Beklagte erkannte als Unfallfolge ein Kopfschmerz-Syndrom, Schwindelgefühle sowie eine Fehlstellung
und Bewegungseinschränkung in den Segmenten 2/3 und 3/4 der HWS, mit dadurch bedingter Verspannung der Nackenmuskulatur im
oberen und mittleren HWS-Abschnitt und im unteren Nackenbereich links nach Kopfverletzung und Verstauchung der HWS an.
Mit weiterem nervenärztlich-neurotraumatologischen Gutachten vom September 1992 erklärte Dr. W., dass eine Änderung im Unfallfolgezustand,
insbesondere eine wesentliche Besserung, nicht eingetreten sei. Es müsse daher bei der bisherigen Einschätzung der unfallbedingten
MdE von 20 v.H. verbleiben.
Am 7. September 2015 wurde der Kläger auf dem Weg zur Arbeit in einen Auffahrunfall verwickelt. Hierbei zog er sich nach den
Angaben des Durchgangsarztes eine HWS-Distorsion zu. Die MRT der Halswirbelsäule vom 25. September 2015 ergab eine absolute
Spinalkanalstenose C3/4 durch Kombination aus dorsomedialem Bandscheibenprolaps und eine Unk- und Spondylarthrose. Es fand
sich kein Hinweis auf eine bereits vorliegende cervicale Myelopathie.
Mit neurologischem Befundbericht vom 1. Februar 2016 schlossen Dr. G. und Dr. B. Schäden des Nervensystems nach HWS-Zerrung
vom 7. September 2015 aus. Dr. K. diagnostizierte in seiner fachchirurgischen Stellungnahme persistierende Beschwerden und
eine Bewegungseinschränkung im Bereich des HWS, bei posttraumatischer Spinalkanalstenose C3/4 und aktuell nach HWS-Distorsion
eine Exazerbation der Beschwerden.
Auf der Grundlage eines Zusammenhangsgutachtens von Prof. Dr. J., Dr. G1 und Dr. P. vom 12. Juni 2016, in welchem die Gutachter
eine temporäre Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 v.H. aufgrund der Folgen des Unfallereignisses vom 7. September
2015 vorschlugen, gewährte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 8. September 2015 bis 24. März 2016 eine Rente nach
einer MdE von 10 v.H., unter Berücksichtigung einer Zerrung der HWS mit vorübergehender Verstärkung einer vorbestehenden Schmerzsymptomatik.
Dr. B. und Dr. G. beschrieben in ihrem neurologisch-psychiatrischen Zusammenhangsgutachten vom 12. September 2016, dass ein
Änderungsnachweis hinsichtlich einer Verschlimmerung von Folgen des Unfalls vom 31. Oktober 1989 nicht zu führen und daher
die Erwerbsfähigkeit weiterhin mit 20 v.H. einzuschätzen sei.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. November 2016 eine Rentenerhöhung ab. Unfallunabhängig seien eine durch ausgeprägten
Bandscheibenvorfall und geringe knöcherne Veränderungen verursachte absolute Spinalkanalenge der HWS in Höhe C3/4, Bandscheibenvorfälle
bzw. Vorwölbungen im Segment C5/6 und C6/7, ein deutlicher Wirbelgelenkverschleiß in den Segmenten C5/6 und C6/7 sowie überwiegend
unfallunabhängig bedingte Funktionseinschränkung der HWS in allen Ebenen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies darauf hin, dass Dr. K. ausgeführt habe, dass er im Rahmen des Traumas
vom 31. Oktober 1989 eine ligamentäre Verletzung im Bereich der HWS C3/4 erlitten habe, die unter Ausbildung einer Spinalkanalstenose
ausgeheilt sei.
In ihrem Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2017 wies die Beklagte darauf hin, dass die Spinalkanalstenose durch einen Bandscheibenvorfall
verursacht worden sei. Bei diesem handele es sich um ein jüngeres Geschehen, welches daran zu erkennen gewesen sei, dass nur
eine geringe Höhenminderung des Bandscheibenfaches C3/4 vorgelegen habe, das Binnenmuster der Bandscheibe noch keine durchgreifenden
Auffälligkeiten aufgewiesen habe und keine knöchernen Abstützreaktionen zwischen dem 3. und 4. HWK vorgelegen hätten.
Der Kläger hat am 7. Juni 2017 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und vorgetragen, dass die Gutachten von Dres. G1
und G. den Bewertungen von Dr. W. für den Bereich der Segmente 2/3 und 3/4 der Halswirbelsäule sowie der Stellungnahme von
Dr. K. vom 1. Februar 2016 widersprächen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden
bezogen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten und eines Sachverständigengutachtes. Mit Befundbericht
vom 10. März 2018 diagnostizieren die Ärzte Dr. R. und Dr. A. eine rückläufige Belastungs- und Bewegungsinsuffizienz im Bereich
der HWS bei posttraumatischer Spinalkanalstenose C3/4 mit aktueller Exazerbation der Beschwerden nach HWS-Distorsion. Durch
die Behandlung in der komplexen ambulanten Rehabilitation sei es zu einer leichten Verbesserung der Beschwerdesymptomatik
gekommen. Es verblieben jedoch Schmerzen im Bereich der HWS mit Übergang in den Kopfbereich.
Der Chirurg Z. hat in seinem Gutachten vom 4. Januar 2018 ausgeführt, dass bei dem Kläger an der HWS Verschleißumformungen
in verschiedenen Segmenten festzustellen seien. Im Segment C3/4 sei ein Bandscheibenvorfall festzustellen und im Segment C2/3
eine gröbere Bandscheibenvorwölbung. Diese Veränderungen seien wahrscheinlich weder auf das Ereignis vom 31. Oktober 1989
noch auf das Ereignis vom 7. September 2015 zurückzuführen. Bezüglich der Schwindelgefühle und des Kopfschmerzsyndroms hat
der Sachverständige auf das Gutachten von Dr. G. verwiesen und erklärt, dass die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 1991 ein
Kopfschmerzsyndrom und ein Schwindelgefühl anerkannt habe. Eine Änderung im Sinne einer Verschlimmerung sei nicht festzustellen.
Ferner seien eine Fehlstellung sowie eine Bewegungseinschränkung in den Segmenten C2/3 und C3/4 von der Beklagten anerkannt,
mit hieraus resultierender Verspannung der Nackenmuskulatur im oberen und mittleren Abschnitt der HWS.
Eine Abgrenzung dieser anerkannten Unfallfolgen und den jetzt bedingten unfallunabhängigen Beschwerden an der HWS sei nicht
möglich. Eine Änderung im Vergleich zum Bescheid sei nicht festzustellen. Eine Zusatzbegutachtung auf neurologischem Gebiet
werde nicht empfohlen. Ferner hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass keinerlei Strukturschädigungen an der HWS vorhanden
gewesen seien, die eine derartige Beschwerdeverstärkung erklären könnten. Zudem sei die erste Behandlung erst nach zwei Wochen
erfolgt. Dies sei nicht mehr verletzungskonform. Die alleinigen Angaben des Klägers bezüglich der Beschwerdesymptomatik reichten
nicht aus, um den Beweis zu führen, dass es bei dem Ereignis (vom 7. September 2015) zu einer vorübergehenden „Schmerzexazerbation“
gekommen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. September 2019 abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung
und Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. aufgrund der
Folgen seines Arbeitsunfalls vom 31. Oktober 1989 im Rahmen eines Verschlimmerungstatbestandes habe.
Unstreitig bestehe bei dem Kläger aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31. Oktober 1989 zumindest eine Minderung der
Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H., da als Unfallfolgen von der Beklagten ein Kopfschmerzsyndrom, Schwindelgefühle sowie
eine Fehlstellung und Bewegungseinschränkung in den Segmenten 2/3 und 3/4 der Halswirbelsäule, mit dadurch bedingter Verspannung
der Nackenmuskulatur im oberen und mittleren HWS-Abschnitt und im unteren Nackenbereich anerkannt und festgestellt worden
sei. Die Unfallfolgen hätten sich jedoch nicht in der Art und Weise verschlimmert, dass nunmehr die Feststellung einer MdE
von 30 v.H. geboten sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass es im Rahmen des Unfalls vom 31. Oktober 1989 zu einer ligamentären
Verletzung im Bereich der HWS (C3/4) und der Ausbildung einer Spinalkanalstenose gekommen sei. Zu Recht habe der gerichtliche
Sachverständige Z. zu dieser Fragestellung zum einen ausgeführt, dass eine Abgrenzung der anerkannten Unfallfolgen mit der
erst im MRT vom 25. September 2015 festgestellten Spinalkanalstenose im Bereich HWK 3/4 nicht möglich sei. Auch könne nach
dem Unfall vom 31. Oktober 1989 keine Strukturschädigung an der HWS nachgewiesen werden, so dass auch eine nunmehr aufgetretene
Beschwerdeverstärkung nicht mit den anerkannten Unfallfolgen erklärt werden könne.
Gegen diese, seinem Prozessbevollmächtigten am 20. September 2019 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 23. September
2019 Berufung eingelegt. Durch den zweiten Unfall im Jahr 2015 habe sich der Gesamtzustand der bei dem Unfall vom 31. Oktober
1989 erlittenen Verletzungen der Halswirbelsäule wesentlich verschlechtert. Es lägen neurologische Unfallfolgen vor, die eine
entsprechende Zusatzbegutachtung erforderlich machten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. September 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom
22. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2017 zu verurteilen, dem Kläger eine Rente auf unbestimmte
Zeit nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wendet ein, es sei unklar, worauf der Kläger eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen überhaupt stütze.
Der Senat hat mit Beweisanordnung vom 23. März 2021 gemäß §
109 Sozialgesetzbuch (
SGG) ein Sachverständigengutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. F. des S. eingeholt. In ihrem Gutachten vom 16. März 2022
kommt die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einem persistierenden zervikozephalem Schmerz- und radikulärem
Reizsyndrom leide. Es sei vorstellbar, dass dies Folge des leichten Schädel-Hirn Traumas durch den Unfall am 31. Oktober 1989
sei. Aufgrund der langen Latenz und fehlenden neurologischen, neurovestibulären, neurookulomotorischen, neuroauditiven und
neurokognitiven Untersuchungen in der Anfangsphase nach dem Trauma sei eine eindeutige Zuordnung aber nicht mehr möglich.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte
(Az.: 2289 – 063730, Bd. 1 und 2) Bezug genommen.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Insbesondere ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die Beschwerdesymptomatik
des Klägers, die die Beklagte bereits anerkannt hatte, nach dem Verkehrsunfall im September 2015 deutlich verstärkt hat. Nach
einer Kernspintomographie knapp drei Wochen nach diesem Unfall konnte bei dem Kläger eine absolute Spinalkanalstenose und
eine Verschleißumformung der Wirbelgelenke festgestellt werden. Es fand sich auch eine beginnende Einengung der Nervenaustrittslöcher
aufgrund einer Vorwölbung der Bandscheibe im Bereich der Segmente C5/6. Der Sachverständige Z. ist in seinem Gutachten vom
4. Januar 2019 zu dem Ergebnis gelangt, dass damit aus chirurgischer Sicht eine Änderung der anerkannten Unfallfolgen nicht
eingetreten sei. Die zunehmende Beschwerdesymptomatik, über die der Kläger klage, sei schicksalhaft und könne nicht auf das
Ereignis vom 31. Oktober 1989 zurückgeführt werden. Zu einer traumatischen Schädigung der Bandscheibe könne es nicht gekommen
sein, da die Bänder der Halswirbelsäule nicht verletzt gewesen seien und ein Knochenbruch nicht beschrieben worden sei. Im
Anschluss an diese überzeugenden und gut nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen ist damit eine strukturelle
Verletzung der Halswirbelsäule nicht hinreichend wahrscheinlich.
Davon ausgehend fehlt es bereits an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang
zwischen Unfall und den jetzt diagnostizieren zusätzlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Dieser ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Gesichtspunkte mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang
spricht. Das ist hier nicht der Fall. Der Zusammenhang ist nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er lediglich nicht auszuschließen
oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – 2 U 5/10 R, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3).Die von dem Kläger jetzt geltend gemachte Beschwerdeverstärkung kann deshalb nicht mit den anerkannten
Unfallfolgen erklärt werden, sodass der Kläger keinen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer höheren MdE hat und die
Berufung daher zurückzuweisen ist.