LSG Hamburg, Urteil vom 20.11.2014 - 4 SO 31/12
Sog. gastweise Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe
Aufgabe der Eingliederungshilfe
Milderung von Behinderungsfolgen
1. Die besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 SGB XII, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern.
2. Hierzu gehört es, ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Das kann grundsätzlich
auch Urlaubsreisen und Ferienlager einschließen.
3. Zur Wahrung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist zu fordern, dass durch die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und die Freizeit dazu
beiträgt, den Anspruchsteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht behinderten
Menschen zu fördern, wobei zu berücksichtigen ist, ob der Anspruchsteller nicht schon auf andere Weise in die Gesellschaft
eingegliedert ist.
Normenkette: SGB XII § 54 Abs. 1 ,
SGB XII § 53 Abs. 1 ,
SGB XII § 53 Abs. 3 ,
,
Vorinstanzen: SG Hamburg S 26 SO 387/09
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Leistungen für die sog. gastweise Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Der am xxxxx 1975 geborene Kläger ist mehrfach körperlich behindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Für ihn sind ein Grad
der Behinderung von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr),
aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) und H (Hilflosigkeit) festgestellt. Er
erhält Leistungen der Pflegekasse. Pflegeperson ist bis heute im Wesentlichen seine Mutter. Bis Ende des Jahres 2004 wohnte
der Kläger bei seinen Eltern, er zog dann in eine eigene, etwa 4,5 km entfernt gelegene Wohnung. Der Kläger steht in einem
Beschäftigungsverhältnis.
In den Jahren 2003 und 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur sogenannten gastweisen Unterbringung bei Ferienreisen
(gemäß Dienstanweisung zu § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX, Kurzfristige vollstationäre Betreuung "Gastweise Unterbringung" (GU), Az. 147.00-58-1, Stand Dezember 2005). Ein im Jahre
2005 gestellter Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 11. April 2005 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger
nicht mehr im Haushalt der Eltern lebe. Das Ziel der beantragten Leistung sei es, Personen zu unterstützen und zu entlasten,
die einen behinderten Angehörigen in ihrem Haushalt betreuten und versorgten. Diese Voraussetzung liege bei dem Kläger jedoch
nicht mehr vor. Ein weiterer Antrag des Klägers vom 10. Juli 2008 auf Übernahme von Kosten für eine Ferienreise wurde von
der Beklagten mit Bescheid vom 22. Juli 2008 abgelehnt; der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgenommen, nachdem die
Beklagte in einem weiteren Schreiben vom 9. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, dass eine Kostenübernahme schon wegen der verspäteten
Antragstellung nicht erfolgen werde.
Am 23. Januar 2009 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung einer Pauschale für die gastweise Unterbringung, was die Beklagte
am 26. Januar 2009 mit der Begründung ablehnte, dass der Kläger nicht in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und
versorgt werde. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 12. Februar 2009, eingegangen bei der Beklagten am 13. Februar 2009,
begründete der Kläger damit, dass er seine Mutter zeitlich begrenzt von der Pflegetätigkeit entlasten wolle. Das gelte unabhängig
von der Frage, ob die Pflege in der familiären Häuslichkeit stattfinde. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2009 wies
die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es wiederum, dass Voraussetzung dieser Leistung sei, dass der Kläger
in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werde. Die Inanspruchnahme sei dann "rund um die Uhr" gegeben,
davon solle entlastet werden. Mit einer Verhinderungspflege sei die gastweise Unterbringung nicht vergleichbar, da erstere
der Aufrechterhaltung kontinuierlicher Pflege diene, wenn die Pflegeperson verhindert sei.
Der Kläger hat am 1. Oktober 2009 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat geltend gemacht, dass ihm die für eine
gastweise Unterbringung vorgesehene Pauschale zustehe, denn es sei kein sachlicher Grund erkennbar, diese Leistungen auf behinderte
Menschen zu beschränken, die im elterlichen Haushalt gepflegt und betreut würden. Die Belastung der Pflegepersonen - hier
vor allem der Mutter des Klägers - sei praktisch in jeder Hinsicht mit der Belastung vergleichbar, die mit der Pflege des
Klägers im elterlichen Haushalt verbunden gewesen sei. Teilweise sei der Aufwand nach dem Auszug des Klägers sogar noch höher
gewesen. Hinzu komme, dass die Wohnung der Eltern baulich nicht für den Aufenthalt und die Pflege des Klägers geeignet sei.
Die Beklagte hat sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide berufen und ergänzend vorgetragen, dass es sich bei der beantragten
Leistung nicht um eine Pflichtleistung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IX), dem Elften Buch Sozialgesetzbuch ( SGB XI) oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) handele, sondern um eine freiwillige Leistung des Trägers der Sozialhilfe. Der Kreis der Leistungsberechtigten sei durch
die entsprechende Dienstanweisung auf Personen begrenzt, die zum Kreis der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe zählten
und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt würden. Mit der Leistung solle die Familie
eine temporäre Entlastung erfahren und die Bereitschaft zur Pflege in der Häuslichkeit der eigenen Familie erhalten und stabilisiert
werden. Es sei auch gerechtfertigt, zwischen der Pflege im Haushalt der Pflegeperson und der Pflege im Haushalt des behinderten
Menschen zu differenzieren, da sich aus dem Zusammenleben in einem Haushalt zusätzliche Belastungen ergeben würden.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach § 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX würden für behinderte Personen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbracht, die den behinderten Menschen
die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichten oder sicherten oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machten.
Hierzu gehörten nach § 55 Abs. 2 SGB IX unter anderem Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX). Diese Hilfen umfassten auch Hilfen zur Förderung der Bewegung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen und Hilfen
zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen
(vgl. § 58 SGB IX). Die Beklagte habe im Rahmen dieser Vorgaben durch ihre Dienstanweisung über die Leistungen der gastweisen Unterbringung
die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe konkretisiert. Diese Dienstanweisung sei keine gesetzliche Grundlage
für einen Anspruch, aufgrund der Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Umsetzung der Dienstanweisung in der Vergangenheit
hätte der Kläger jedoch einen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ( GG), falls die Voraussetzungen der in der Dienstanweisung genannten Leistungsbewilligung erfüllt wären. Dies sei jedoch nicht
der Fall. Denn nach Nr. 2.1. der Dienstanweisung werde die gastweise Unterbringung behinderten Personen gewährt, die die Voraussetzungen
des § 53 Abs. 1 SGB XII erfüllten und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt würden. Nach Nr. 2.3.1. werde die
Leistung zur gastweisen Unterbringung als Pauschale gewährt, wenn die Zielsetzung, die Betreuungsperson(en) in der eigenen
Familie vorübergehend zu entlasten, um die weitere Betreuung in der Familie und damit die gesellschaftliche Teilhabe zu sichern,
verfolgt werde. Der Kläger gehöre auf Grund seiner körperlichen Einschränkungen zu den Leistungsberechtigten des § 53 Abs. 1 SGB XII. Er werde jedoch nicht regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt, denn er sei Ende 2004 in
eine eigene Wohnung gezogen. Die in der Dienstanweisung vorgenommene Differenzierung nach der häuslichen Situation des Leistungsberechtigten
sei nicht zu beanstanden. Zwar könne die Belastung auch für Pflegepersonen, die Angehörige außerhalb ihres Haushalts pflegten,
erheblich sein. Aus dem Zusammenleben des behinderten Menschen mit den Pflegepersonen - regelmäßig die Eltern oder die Kinder
des zu Pflegenden - ergäben sich aber - etwa durch die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten - oft zusätzliche Belastungen und Konflikte,
so dass hier die Schaffung von Freizeitmöglichkeiten besonders wichtig erscheine. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sei es
der Beklagten nicht verwehrt, eine Förderung auf Sachverhalte zu begrenzen, in denen eine Belastungssituation in der Regel
höher sei. Eine individuelle Prüfung, ob die Belastungen bei Pflegepersonen, die ihre Angehörigen in deren Haushalt pflegten,
ähnlich hoch seien, sei dabei aus Gleichbehandlungsgrundsätzen nicht geboten, zumal die konkrete Ermittlung dieser Belastung
außerordentlich schwierig erscheine. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus den sonstigen Vorschriften
der Eingliederungshilfe außerhalb der gastweisen Unterbringung. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, Freizeitaktivitäten behinderter
Menschen in jedem Einzelfall zu unterstützen.
Gegen das am 26. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Mai 2012 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges
Vorbringen und macht zudem geltend, dass die Dienstanweisung der Beklagten offenbar nur zwischen der Häuslichkeit in der eigenen
Familie und der Pflegefamilie unterscheide und damit den Fall der eigenen Häuslichkeit gar nicht geregelt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2011 sowie den Bescheid vom 26. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 2. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Kosten der gastweisen Unterbringung für
die Sommerreise 2009 des ASBH zu bewilligen, hilfsweise, den entsprechenden Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und
der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und bei der Beratung vorgelegen
haben.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf die pauschale Leistung der sog.
gastweisen Unterbringung für das Jahr 2009 und die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Bescheide vom 26. Januar und 2. September
2009.
II. Die Berufungen ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistung der Pauschale für die gastweise Unterbringung
im Jahr 2009.
1. Als gesetzliche Anspruchsgrundlage kommen allein die §§ 53 Abs. 1, 3 und 4, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 58 Nr. 1 SGB IX in Betracht. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen, eingeschränkt sind, wenn Aussicht besteht, dass
hierdurch die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Eine solche, nach § 1 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung wesentliche Behinderung liegt hier wegen der Querschnittslähmung des Klägers vor, da seine Bewegungsfähigkeit durch Beeinträchtigung
des Stütz- und Bewegungssystems in erheblichem Umfang eingeschränkt ist.
Ein Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme scheitert aber daran, dass die Teilnahme an der Ferienreise, um deren Kosten
es geht, im Hinblick auf den Kläger nicht zur Erfüllung der besonderen Aufgaben der Eingliederungshilfe dient. Die besondere
Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 SGB XII, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern.
Hierzu gehört es, ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Nach §§ 53 Abs. 4, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX werden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft als Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht, die dem behinderten
Menschen die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Dazu gehören nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die nach § 58 Nr. 1 SGB IX die Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nicht behinderten Menschen umfassen.
Das kann grundsätzlich auch Urlaubsreisen und Ferienlager einschließen (LSG NW, Urt. v. 17.6.2010 - L 9 SO 163/10; Joussen,
in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 55 Rn. 18). So hat etwa das Verwaltungsgericht Potsdam (Urt. v. 28.3.2008 - 11 K 2698/04) die Teilnahme an einer Gruppenreise schon deswegen als förderlich für die Aufgaben der Eingliederungshilfe angesehen, weil
sie Abwechslungen und Anregungen biete, die die Erfahrung ermöglichten, sich besser in der Welt der nicht behinderten Menschen
zu bewegen. Das ermögliche die Überwindung der "engen Welt der Häuslichkeit" (aaO., Rn. 16 bei juris, unter Bezugnahme auf
die gleichlautende Formulierung bei VG Hamburg, Urt. v. 24.9.2004 - 13 K 1721/03). Scheider (in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 54 Rn. 65) zieht Leistungen der Eingliederungshilfe für Ferienlager dann in Betracht, wenn sie die spezielle Zielsetzung verfolgten,
zur psychischen und physischen Rehabilitation beizutragen und zu lernen, in der Gemeinschaft mit Mitmenschen als gleichberechtigter
Partner zu leben. Zur Wahrung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist nach Auffassung des Senats allerdings zu fordern, dass durch die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens
gemildert werden und die Freizeit dazu beiträgt, den Anspruchsteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere
die Begegnung mit nicht behinderten Menschen zu fördern, wobei zu berücksichtigen ist, ob der Kläger nicht schon auf andere
Weise in die Gesellschaft eingegliedert ist (so auch LSG NW, aaO.; SG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2010 - S 17 SO 109/09; Wahrendorf,
in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl. 2012, § 54 Rn. 32, unter Hinweis auf LSG NW, aaO., und LSG Thüringen, Beschl. v. 22.12.2008 - L 1 SO 619/08; ähnlich Joussen, aaO.,
§ 58 Rn. 5).
An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch. Es ist zunächst festzustellen, dass der Kläger aufgrund seiner Wohnsituation und
seines Beschäftigungsverhältnisses bereits an dem Leben in der Gesellschaft teilhat, vor allem aber, dass zunächst ohne Bezugnahme
auf eine bestimmte Reise lediglich die Pauschale beantragt worden war und - nach Konkretisierung der Reisepläne im Widerspruch
- auch die Sommerreise des ASBH keine speziellen Inhalte zur Begegnung mit nicht behinderten Menschen aufweist. Insoweit fehlt
es an jeglichem Bezug zu einer Teilhabe an der Gemeinschaft mit nicht behinderten Menschen.
2. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Praxis der Beklagten, nach ihrer entsprechenden Dienstanweisung Leistungen der gastweisen Unterbringung
zu erbringen. Da - wie oben unter 1. dargelegt - kein Anspruch auf Eingliederungshilfe bestand, war hier Ermessen eröffnet,
das die Beklagte mit ihrer Dienstanweisung insoweit ausgeübt hat, als Leistungen der gastweisen Unterbringung behinderten
Personen gewährt werden, welche die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 SGB XII erfüllen und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werden (Nr. 2.1. der Dienstanweisung).
Zielsetzung ist dabei, über die vorübergehende Entlastung der Betreuungsperson(en) die Lebenssituation der behinderten Menschen
in der Familie und damit die gesellschaftliche Teilhabe zu stabilisieren (Nr. 2.3.1.).
Die Voraussetzungen der Dienstanweisung sind nicht erfüllt, weil der Kläger in der eigenen Häuslichkeit, also einer eigenen
Wohnung lebt. Er kann auch keine Gleichbehandlung mit den von der Dienstanweisung begünstigten Fällen fordern wegen der mindestens
ebenso erheblichen Inanspruchnahme seiner Mutter als Betreuungsperson. Dabei kann dahinstehen, ob das überhaupt einen Leistungsanspruch
begründen könnte oder der Beklagten nicht vielmehr auch die Möglichkeit der Einstellung aller Hilfen der gastweisen Unterbringung
eröffnen müsste. Der Senat kann nämlich keine willkürliche oder unverhältnismäßige Ungleichbehandlung erkennen. Insoweit kann
den Überlegungen des Sozialgerichts gefolgt und darauf verwiesen werden, dass das Fehlen eines Rückzugsraumes für die Betreuungsperson
bei der Pflege in der familiären Häuslichkeit die Unterscheidung rechtfertigt. Eine vollständige Vergleichbarkeit der Betreuungs-
und Pflegesituation - wie der Kläger behauptet - ist daher nicht gegeben. Selbst falls der Betreuungs- und Pflegeaufwand im
Einzelfall höher sein mag, wenn dazu die Häuslichkeit des behinderten Menschen aufgesucht werden muss, bleibt es doch dabei,
dass eine Rückzugsmöglichkeit der Betreuungsperson gegeben ist, die in der familiären Häuslichkeit nicht besteht. Die Leistung
dient der zeitweisen Aufbrechung dieser engen Verklammerung von gemeinsamem Wohnen und Betreuen; sie darf daher auf das Kriterium
gemeinsamen Wohnens abstellen. Mit dieser Zielsetzung unterscheidet sich die Leistung auch deutlich von der Verhinderungspflege
nach § 39 SGB IX: Nur Letztere bezweckt die Entlastung der Betreuungs- und Pflegeperson von den Strapazen der Betreuung und Pflege.
Es ist auch nicht zutreffend, dass die Dienstanweisung den Fall des selbständigen Wohnens des Betreuten nicht in den Blick
genommen und geregelt hat. Das lässt sich nicht daraus ableiten, dass sie neben der familiären Häuslichkeit lediglich auf
das Leben in einer Pflege- oder Betreuungsfamilie abstellt. Diese Fälle sind nur deshalb angesprochen, weil insoweit - anders
als bei eigener Wohnung des behinderten Menschen - dieselbe Situation des gemeinsamen Wohnens und Betreuens vorliegt, so dass
an sich eine Gleichbehandlung naheliegen würde. Um das zu vermeiden, musste die Dienstanweisung gesonderte Bestimmungen aufnehmen.
In der aktuellen Fassung der Dienstanweisung ist das übrigens aufgegeben; auch Pflege- und Betreuungsfamilien kommen in den
Genuss der Leistungen gastweiser Unterbringung. Die Situation der Aufgehobenheit des behinderten Menschen in seiner eigenen
Wohnung berührt von vornherein nicht diese Zielsetzung der Leistung und musste daher konsequenter Weise nicht weiter abgegrenzt
werden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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