Erwerbsminderungsrente
Tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit
Mehr-Stufen-Schema und subjektiv zumutbarer Beruf
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der 1960 geborene Kläger absolvierte von 1975 bis 1978 eine Ausbildung zum Gärtner und war nach bestandener Abschlussprüfung
bis 1981 - unter anderem auch bei der Deutschen Bahn AG - im erlernten Beruf versicherungspflichtig erwerbstätig. Nach Arbeitslosigkeit
arbeitete der Kläger ab 1982 sodann als Berufskraftfahrer, zuletzt von 2000 bis 2005 als Auslieferungsfahrer bei einem Wäschereibetrieb.
Am 29. November 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Nach Beiziehung von Krankenunterlagen und Einholung einer Arbeitgeberauskunft der Wäscherei E. (ohne Datum) wurde er auf Veranlassung
der Beklagten am 14. Februar 2006 in der Untersuchungs- und Begutachtungsstelle E-Stadt untersucht.
Im Rentengutachten vom 20. Februar 2006 diagnostizierte die Ärztin für Lungenkrankheiten bei dem Kläger eine somatoforme autonome
Funktionsstörung des Urogenitalsystems, verdachtsweise eine rheumatische Erkrankung bei positiven Rheumafaktoren, serologisch
positive Zeichen für eine Borreliose sowie eine chronisch obstruktive Bronchitis bei Raucheranamnese. Unter Berücksichtigung
dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen sei der Kläger als Gärtner nicht mehr einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne
er hingegen noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (ohne Wechselschicht sowie möglichst
in geschlossenen Räumen) im zeitlichen Umfang von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten. In Betracht komme für
den Kläger zum Beispiel noch eine Tätigkeit als Hauswart, als Staplerfahrer, als Pförtner oder als Telefonist.
Nach Auswertung dieses Gutachtens lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 28. April 2006 und Widerspruchsbescheid
vom 12. Oktober 2006 (abgesandt am 22. Dezember 2006) mit der Begründung ab, dass der Kläger trotz der vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch für die Dauer von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag leichte körperliche Tätigkeiten
mit Einschränkungen verrichten könne und deshalb noch nicht in rentenberechtigendem Grade erwerbsgemindert sei.
Der Kläger erhob daraufhin am 29. Dezember 2006 Klage bei dem Sozialgericht Kassel und machte geltend, dass die bei ihm vorliegenden
Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung,
dass eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß bei dem Kläger nach dem Ergebnis der eingeholten Gutachten nicht
als nachgewiesen angesehen werden könne.
Das Sozialgericht holte zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zunächst Befundberichte des Arztes für Innere Medizin - Rheumatologie
- G. vom 12. März 2007, des Urologen Dr. med. H. vom 13. März 2007 sowie des Internisten Dr. med. J. vom 1. März 2008 ein
und erhob nachfolgend von Amts wegen Beweis durch Einholung eines psychiatrisch-psychosomatischen sowie eines arbeitsmedizinischen
Sachverständigengutachtens.
Der Arzt für Psychiatrie sowie für Psychosomatische Medizin - Psychotherapie - Dr. med. K. diagnostizierte im Sachverständigengutachten
vom 22. Juli 2008 im Anschluss an eine ambulante Untersuchung vom 30. Mai 2008 bei dem Kläger eine somatoforme autonome Funktionsstörung
des Urogenitaltraktes (Harnblasenentleerungsstörung), eine Somatisierungsstörung (Spannungskopfschmerzen, Schlafstörungen,
Schmerzen), leichtgradige agoraphobe Tendenzen (Angst vor Menschenansammlungen) sowie eine zwanghaft phobisch-narzisstische
Persönlichkeitsausprägung mit noch erhaltener individueller Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit der Struktur. Er mutete
dem Kläger unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen noch leichte und mittelschwere, gelegentlich auch schwere
körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (ohne Zwangshaltungen sowie ohne ständige Bückarbeiten) im zeitlichen Umfang von
arbeitstäglich mindestens sechs Stunden zu. Der Kläger sei sowohl im bisherigen Beruf des Kraftfahrers als auch im Rahmen
einer Tätigkeit als Hauswart, als Pförtner, als Staplerfahrer oder als Telefonist uneingeschränkt erwerbsfähig. Diese Leistungsbeurteilung
bekräftigte Dr. med. K. in einer vom Sozialgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 2. Januar 2009.
Der Arzt für Arbeitsmedizin sowie für Allgemeinmedizin - Umweltmedizin - Dr. med. L. diagnostizierte im Sachverständigengutachten
vom 15. Oktober 2008 im Anschluss an eine ambulante Untersuchung vom 2. Oktober 2008 bei dem Kläger eine Osteochondrose und
Spondylarthrose der Brust- und Lendenwirbelsäule, eine Somatisierungsstörung mit phobisch-narzisstischer Persönlichkeitsstörung
(Veränderung des Körper- und Schmerzerlebens bei veränderter Primärpersönlichkeit) sowie eine Farbsehstörung. Unter Berücksichtigung
dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen mutete er dem Kläger noch leichte, gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten
mit Einschränkungen (ohne gebückte oder vornübergeneigte Dauerzwangshaltungen, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von
Lasten über 15 kg Gewicht, ohne Tätigkeiten auf Montage oder in Wald- und Forstbereichen, bei denen eine Toilette nicht unmittelbar
zur Verfügung steht, sowie ohne besondere Anforderungen an das Farbsehvermögen) für die Dauer von arbeitstäglich mindestens
sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche zu. Als Kraftfahrer sei der Kläger nur für Fahrtätigkeiten im Nahbereich (Auslieferungsfahrten
o.ä.) einsetzbar. Die Tätigkeiten eines Hauswarts, Pförtners oder Telefonisten seien ihm ohne Weiteres zumutbar.
Gestützt auf diese Ermittlungen hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 18. August 2009 abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, dass der nach seinem beruflichen Werdegang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger zumindest noch
leichte körperliche Tätigkeiten für die Dauer von sechs Stunden pro Arbeitstag verrichten könne. Eine Erwerbsminderung in
rentenberechtigendem Ausmaß sei daher nicht gegeben.
Der Kläger hat gegen das ihm am 10. September 2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 6. Oktober 2009 Berufung eingelegt.
Er macht unter Vorlage diverser ärztlicher Unterlagen geltend, dass die Leistungsbeurteilung in den eingeholten Gutachten
unzutreffend sei. Auch im Hinblick auf die zwischenzeitliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes könne er keiner
geregelten Erwerbstätigkeit mehr nachgehen.
Der Kläger, der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2013 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen und auch
nicht vertreten gewesen ist, beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom vom 18. August 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
28. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2006 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 1. Dezember
2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil sowie durch das Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten
Beweisaufnahme bestätigt.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zunächst Befundberichte der Urologischen Klinik des Klinikums Kassel
vom 22. September 2010, des Internisten Dr. med. J. vom 2. November 2010 sowie der Hautklinik des Klinikums Kassel vom 11.
November 2010 eingeholt.
Nach Auswertung dieser Unterlagen hat die Beklagte dem Kläger in der Zeit vom 3. Januar 2012 bis zum 31. Januar 2012 eine
medizinische Maßnahme zur Rehabilitation in der Median Klinik am Burggraben, Bad Salzuflen, gewährt. Im Entlassungsbericht
vom 28. Februar 2012 diagnostiziert der Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin - Psychotherapie,
Psychoanalyse, Sozialmedizin - Dr. med. M. bei dem Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom
sowie eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) im Stadium GOLD III. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen
sei der Kläger als Kraftfahrer nicht mehr einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er allerdings noch mittelschwere
körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (ohne inhalative Belastungen sowie ohne Einwirkung durch Witterungseinflüsse)
für die Dauer von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Der Senat hat nachfolgend weiter von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines fachinternistischen, eines fachorthopädischen
sowie eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens.
Der Arzt für Innere Medizin D. diagnostiziert im Sachverständigengutachten vom 8. Januar 2013 im Anschluss an eine ambulante
Untersuchung vom selben Tage bei dem Kläger eine chronische Nesselsucht, eine leichtgradige chronische Bronchitis sowie eine
funktionelle Blasenentleerungsstörung mit Neigung zu Harnwegsinfekten. Hieraus ergebe sich insgesamt nur ein geringer leistungsmindernder
Dauereinfluss. Wegen des Urogenitalsyndroms sei dem Kläger eine Tätigkeit als Gärtner oder als Kraftfahrer nicht mehr möglich.
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er aus internistischer Sicht jedoch noch leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten
mit Einschränkungen (ohne erhöhte Belastung der Atemwege durch Einwirkung von Stäuben, Gasen und Dämpfen sowie ohne Einwirkung
von ungünstigen Witterungsbedingungen wie Kälte, Nässe oder Zugluft) für die Dauer von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr
verrichten. Eine rasch erreichbare Toilette müsse zur Verfügung stehen. Aus internistischer Sicht könne der Kläger noch ohne
die Gefahr einer Schädigung der Gesundheit als Warensortierer, als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Pförtner, als Telefonist,
als Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde, als Büro- oder Verwaltungshilfskraft sowie als Montierer
in der Metall- und Elektroindustrie tätig sein.
Der Arzt für Orthopädie Dr. med. B. diagnostiziert im Sachverständigengutachten vom 8. Januar 2013 im Anschluss an eine ambulante
Untersuchung vom selben Tage bei dem Kläger eine degenerative Veränderung der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfall und
Verschleißveränderungen der kleinen Wirbelgelenke ohne neurogene Ausfallerscheinungen, eine Neigung zu funktionellen Störungen
der Wirbelgelenke der Lendenwirbelsäule ohne relevantes krankhaftes Korrelat sowie Hinweise auf Reizerscheinungen der Schultergleitgewebe
rechts mit geringer funktioneller Störung. Den vorgetragenen Beschwerden stünden nur begrenzt objektive Gesundheitsstörungen
gegenüber. Aus orthopädischer Sicht seien dem Kläger noch leichte und mittelschwere, punktuell auch schwere körperliche Tätigkeiten
mit Einschränkungen (ohne Über-Kopf-Arbeiten, ohne Zwangshaltungen des Kopfes in starker Drehung, ohne dauerhaft starke Vorneigung
des Rumpfes sowie ohne Tragen von großen und schweren Gegenständen auf dem Schultergürtel) für die Dauer von arbeitstäglich
sechs Stunden und mehr zumutbar. Der Kläger könne noch ohne die Gefahr einer Schädigung der Gesundheit als Gärtner, als Kraftfahrer,
als Warensortierer, als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Pförtner, als Telefonist, als Mitarbeiter in der Poststelle
eines Betriebes oder einer Behörde, als Büro- oder Verwaltungshilfskraft sowie als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie
tätig sein.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie - spezielle Schmerztherapie - Dr. med. C. diagnostiziert im Sachverständigengutachten
vom 10. Januar 2013 im Anschluss an eine ambulante Untersuchung vom 8. Januar 2013 bei dem Kläger eine Migräne ohne Aura,
einen Schmerzmittelübergebrauchskopfschmerz sowie minimale kognitive Defizite. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen
mutet er dem Kläger aus nervenärztlicher Sicht noch leichte und teilweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen
(nur geistig einfache Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit) für die Dauer von
arbeitstäglich zumindest sechs Stunden zu. Aus nervenärztlicher Sicht könne der Kläger noch ohne die Gefahr einer Schädigung
der Gesundheit regelmäßig mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als Gärtner, als Kraftfahrer,
als Warensortierer, als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Pförtner, als Telefonist, als Mitarbeiter in der Poststelle
eines Betriebes oder einer Behörde, als Büro- oder Verwaltungshilfskraft sowie als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie
tätig sein.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen
auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2013 in der Sache verhandeln und eine Entscheidung treffen,
obwohl der Kläger nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist. Denn alle Beteiligten sind rechtzeitig und ordnungsgemäß
geladen und dabei darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne
(§
110 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. August 2009 ist auch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren durchgeführten
weiteren Sachaufklärung nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28. April 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2006 ist zu Recht ergangen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente
wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung.
Gemäß §
43 Abs.
1 und
2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind
nach §
43 Abs.
2 Satz 3
SGB VI auch
1. Versicherte nach §
1 Satz 1 Nr. 2
SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen
Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des §
43 Abs.
3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil er weder teilweise erwerbsgemindert noch voll erwerbsgemindert
im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen ist. Er kann unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch
mindestens sechs Stunden täglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen.
Die Fähigkeit des Klägers, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen
(Erwerbsfähigkeit), ist im vorliegenden Fall zwar durch verschiedene Gesundheitsstörungen beeinträchtigt. Nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme steht andererseits jedoch fest, dass der Kläger zumindest leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen
(ohne Über-Kopf-Arbeiten, ohne Zwangshaltungen des Kopfes in starker Drehung, ohne dauerhaft starke Vorneigung des Rumpfes,
ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 15 kg Gewicht, ohne Tragen von großen und schweren Gegenständen auf
dem Schultergürtel, ohne Wechselschicht, ohne besondere Anforderungen an das Farbsehvermögen, nur geistig einfache Arbeiten
ohne besondere Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, ohne Tätigkeiten auf Montage oder in Wald- und Forstbereichen,
bei denen eine Toilette nicht unmittelbar zur Verfügung steht, ohne erhöhte Belastung der Atemwege durch Einwirkung von Stäuben,
Gasen und Dämpfen sowie möglichst in geschlossenen Räumen ohne Einwirkung von ungünstigen Witterungsbedingungen wie Kälte,
Nässe oder Zugluft) noch mindestens für die Dauer von sechs Stunden pro Arbeitstag verrichten kann. Diese Beurteilung des
Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des vorliegenden Falles aus einer Gesamtschau der
über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten.
Das Leistungsvermögen des mittlerweile 53 Jahre alten Klägers ist bereits während des Rentenantragsverfahrens sowie während
des nachfolgenden erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Sozialgericht Kassel durch Einholung von ausführlichen fachärztlichen
Gutachten eingehend überprüft worden. Wie das Sozialgericht auf der Grundlage des Rentengutachtens der Ärztin für Lungenkrankheiten
F. vom 20. Februar 2006, des psychiatrisch-psychosomatischen Sachverständigengutachtens des Arztes für Psychiatrie sowie für
Psychosomatische Medizin - Psychotherapie - Dr. med. K. vom 22. Juli 2008, des arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens
des Arztes für Arbeitsmedizin sowie für Allgemeinmedizin - Umweltmedizin - Dr. med. L. vom 15. Oktober 2008 sowie unter Berücksichtigung
der weiteren Befundunterlagen und ärztlichen Stellungnahmen bereits ausführlich dargelegt hat, ergibt sich bei dem Kläger
allenfalls in qualitativer, nicht hingegen in quantitativer Hinsicht eine bedeutsame Leistungseinschränkung. Seine Erwerbsfähigkeit
ist damit zwar beeinträchtigt, aber noch nicht in rentenberechtigendem Grade herabgemindert.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben die bei dem Kläger auf den verschiedenen ärztlichen Fachgebieten vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen
jeweils nur einen eher geringfügigen erwerbsmindernden Dauereinfluss.
Auf orthopädischem Fachgebiet vermochte der Arzt für Orthopädie Dr. med. B. im Sachverständigengutachten vom 8. Januar 2013
bei dem Kläger lediglich eine degenerative Veränderung der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfall und Verschleißveränderungen
der kleinen Wirbelgelenke ohne neurogene Ausfallerscheinungen, eine Neigung zu funktionellen Störungen der Wirbelgelenke der
Lendenwirbelsäule ohne relevantes krankhaftes Korrelat sowie Hinweise auf Reizerscheinungen der Schultergleitgewebe rechts
mit geringer funktionelle Störung zu diagnostizieren. Der in der Begutachtung von Rentenbewerbern langjährig erfahrene Sachverständige
weist ausdrücklich darauf hin, dass den seitens des Klägers vorgetragenen Beschwerden nur in begrenztem Umfang auch tatsächlich
objektivierbare Gesundheitsstörungen gegenüberstehen. Soweit im arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 15. Oktober
2008 als Diagnose eine Verschleißerkrankung der Bandscheiben und Wirbelgelenke an der Wirbelsäule aufgeführt worden ist, beruht
dies den überzeugenden Ausführungen des Orthopäden Dr. med. B. zufolge auf der im Rahmen einer Magnetresonanztomographie sichtbar
gewordenen Vorwölbung von Bandscheibengewebe, die dem natürlichen Elastizitätsverlust des Bandscheibengewebes entspricht und
keinen Krankheitswert hat. Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung vom 8. Januar 2013 wurde nach den Angaben des Sachverständigen
Dr. med. B. bei dem Kläger ein für das Alter erstaunlich günstiger knöcherner Befund ohne Hinweise auf eine krankheitsrelevante
Bandscheibenerkrankung erhoben. Im Ergebnis weist Dr. med. B. darauf hin, dass sich Auswirkungen auf das Leistungsvermögen
des Klägers aufgrund der orthopädischen Gesundheitsbeeinträchtigungen nur in Bezug auf die Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule
ergeben. Der Kläger ist angesichts dessen aus einleuchtenden Gründen nicht mehr geeignet für Tätigkeiten, die mit besonderen
Belastungen für diesen Wirbelsäulenabschnitt einhergehen.
Von Seiten des internistischen Fachgebiets hat der Arzt für Innere Medizin D. bei dem Kläger im Sachverständigengutachten
vom 8. Januar 2013 lediglich eine chronische Nesselsucht, eine leichtgradige chronische Bronchitis sowie eine funktionelle
Blasenentleerungsstörung mit Neigung zu Harnwegsinfekten diagnostiziert. Auch aufgrund dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen
ergibt sich aus gutachterlicher Sicht insgesamt nur ein geringer leistungsmindernder Dauereinfluss. Die Nesselsucht ist nach
den Darlegungen des Sachverständigen D. durch entsprechende Medikamente (Antihistaminika) gut behandelbar und lässt sich in
der Regel ausreichend beherrschen. Die bei dem Kläger im Zusammenhang mit dem früheren Nikotinkonsum entstandene chronische
Bronchitis ist infolge der zwischenzeitlichen Nikotinkarenz nicht weiter fortgeschritten. Eine vollständige Heilung ist nach
den Ausführungen des Sachverständigen D. zwar nicht möglich, aber durch körperliches Training lässt sich die Leistungsfähigkeit
weitergehend verbessern, wohingegen körperliche Schonung sowohl die Lungenfunktion als auch die Herzfunktion weiter verschlechtert.
Hinsichtlich der Blasenentleerungsstörung weist der Sachverständige D. darauf hin, dass es durchaus Medikamente gibt, die
beschwerdelindernd eingesetzt werden können, um den verstärkten Harndrang zu verringern. Zusammenfassend kommt der Sachverständige
D. damit zu dem einleuchtenden Ergebnis, dass der Kläger aus internistischer Sicht vor allem nicht mehr geeignet ist für Tätigkeiten,
die unter ungünstigen Witterungsbedingungen verrichtet werden müssen oder mit einer erhöhten Belastung der Atemwege einhergehen.
Wegen der Blasenentleerungsstörung ist der Kläger im Übrigen auch nicht mehr geeignet für eine Tätigkeit als Kraftfahrer,
weil dabei jedenfalls während der Fahrten nicht immer eine rasch erreichbare Toilette zur Verfügung steht. Dies entspricht
der Einschätzung des Vorgutachters Dr. med. L. im Sachverständigengutachten vom 15. Oktober 2008, der bereits darauf hingewiesen
hat, dass der Kläger nach eigenen Angaben etwa einmal pro Stunde zum Wasserlassen die Toilette aufsuchen muss und deshalb
nicht mehr für Tätigkeiten auf Montage oder in Wald- und Forstbereichen geeignet ist, bei denen eine Toilette nicht unmittelbar
zur Verfügung steht.
Auch von Seiten des neurologisch-psychiatrischen bzw. des psychiatrisch-psychosomatischen Fachgebiets ergeben sich bei dem
Kläger keine Gesundheitsbeeinträchtigungen von erheblichem erwerbsmindernden Dauereinfluss. Die seitens des Arztes für Psychiatrie
sowie für Psychosomatische Medizin - Psychotherapie - Dr. med. K. im Sachverständigengutachten vom 22. Juli 2008 vertretene
Auffassung, dass der Kläger trotz der bei ihm zu diagnostizierenden psychischen Störungen sehr wohl noch dazu in der Lage
ist, unter denen üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts einer geregelten Erwerbstätigkeit im zeitlichen Umfang
von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr nachzugehen, ist durch das im Berufungsverfahren eingeholte neurologisch-psychiatrische
Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie - spezielle Schmerztherapie - Dr. med. C. vom 10. Januar
2013 eindrucksvoll bestätigt worden. Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung vom 8. Januar 2013 wurde ein normaler psychiatrischer
Querschnittsbefund erhoben, insbesondere fand sich kein depressives Syndrom und auch kein Angstsyndrom. Bei der Überprüfung
der kontinuier-lichen Tagesstruktur des Klägers konnte festgestellt werden, dass dieser noch recht aktiv seinen Tag gestaltet:
Er versorgt sich selber und seinen Wohnraum, er geht regelmäßig spazieren und er hält den Kontakt zu seiner Familie (Kindern
und Enkelkindern) aufrecht. Den einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen zufolge ist der Kläger aufgrund seiner Kopfschmerzsymptomatik
und der bei ihm vorliegenden geringfügigen kognitiven Defizite zwar vorzugsweise nur noch für geistig einfache Arbeiten geeignet,
die nicht mit besonderen Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit einhergehen. Eine tief greifende Einschränkung
des Leistungsvermögens vermochte von Seiten des nervenärztlichen Fachgebiets allerdings weder der Sachverständige Dr. med.
K. nach der Sachverständige Dr. med. C. festzustellen.
Im Ergebnis besteht damit unter den in I. und in II. Instanz gehörten Sachverständigen der verschiedenen medizinischen Fachgebiete
Einigkeit darüber, dass das Leistungsvermögen des Klägers allenfalls in qualitativer, nicht jedoch auch in quantitativer Hinsicht
beeinträchtigt ist. Es kann damit auf der Grundlage des gutachtlich festgestellten Restleitungsvermögens - auch bei dem Kläger
besonders wohlwollender Betrachtungsweise - nicht im Sinne eines Vollbeweises als nachgewiesen angesehen werden, dass dessen
Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaß herabgemindert ist.
Da weiterreichende Gesundheitsbeeinträchtigungen mit möglicherweise erwerbsminderndem Dauereinfluss weder nach Aktenlage erkennbar
noch vom Kläger aufgezeigt worden sind, hält der Senat das Leistungsvermögen des Klägers mit den von medizinischer Seite insgesamt
getroffenen Feststellungen für ausreichend aufgeklärt und weitere Begutachtungen für nicht mehr geboten. Anhaltspunkte dahingehend,
dass die Gutachten der von Amts wegen beauftragten unabhängigen Sachverständigen schwere Mängel aufweisen, in sich widersprüchlich
sind, von unzulässigen Voraussetzungen ausgehen oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachdienlichkeit der Sachverständigen erwecken,
sind weder vom Kläger aufgezeigt worden noch sonst erkennbar.
Unter Berücksichtigung des nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch vorhandenen Leistungsvermögens ist der Kläger nicht erwerbsgemindert.
Denn er kann noch mindestens sechs Stunden täglich unter den in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein
und muss sich zur Verwertung seines Restleistungsvermögen auf sämtliche - ihm in gesundheitlicher Hinsicht objektiv zumutbaren
- Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen. Die Benennung einer konkreten
Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten, die sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müssen, grundsätzlich
nicht geboten. Denn es gibt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Vielzahl von ungelernten Tätigkeiten, die nur mit leichten
körperlichen Anforderungen verbunden sind. Das ist offenkundig und braucht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
grundsätzlich nicht in jedem Einzelfall aufs Neue belegt zu werden. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass es in
der Regel auch für Versicherte, deren Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist, noch Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang gibt. In Betracht kommen insoweit für den Kläger insbesondere die sog. klassischen leichten
körperlichen Tätigkeiten als Warensortierer, als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Pförtner, als Telefonist, als Poststellenmitarbeiter,
als Büro- und Verwaltungshilfskraft oder als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie, die in vergleichbaren Fällen regelmäßig
von der in berufskundlichen Fragen mit besonderer Sachkunde versehenen Arbeitsverwaltung als sog. Verweisungstätigkeiten benannt
werden. Diese Tätigkeiten sind von zahlreichen Tarifverträgen erfasst und stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekanntlich
auch in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Die in der Begutachtung von Rentenbewerbern langjährig erfahrenen Sachverständigen
Dr. med. B., D. und Dr. med. C. haben in ihren Gutachten ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger eine solche Tätigkeit aus
ärztlicher Sicht noch ohne die Gefahr einer Schädigung der Gesundheit regelmäßig mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter
den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen verrichten könnte. Wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen
Dr. med. C. ergibt, verfügt der Kläger auch durchaus noch über eine hinreichende Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, um
auch nach seiner inzwischen langjährigen Beschäftigungslosigkeit (wieder) eine solche Tätigkeit aufzunehmen und spätestens
nach einer Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von maximal drei Monaten Dauer vollwertig zu verrichten.
Bei dieser Sachlage kann der Kläger nicht damit gehört werden, dass seine Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse
auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar sei. Denn es gibt auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt
ganz offenkundig noch eine nennenswerte Zahl von Tätigkeiten, die er trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben
könnte. Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens liegen bei dem Kläger insbesondere keine ins Gewicht
fallenden besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in den genannten Verweisungstätigkeiten
in ungewöhnlicher Weise erschweren. Denn nach dem Ergebnis der Sachaufklärung besteht bei dem Kläger ganz offenkundig weder
eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Aufgrund seiner
Blasenentleerungsstörung ist der Kläger zwar nicht mehr geeignet für Tätigkeiten, die fernab von einer Toilette verrichtet
werden müssen. Bei den für ihn in Betracht kommenden oben genannten Innendiensttätigkeiten besteht jedoch jederzeit die Möglichkeit
zum Aufsuchen einer Toilette.
Ob die für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung des vorliegenden
Falles unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie der Kläger noch sechs Stunden pro Arbeitstag einsatzfähig
ist, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für ihn offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten
konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit
der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 10. Dezember 1976 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) kann bei noch im zeitlichen Umfang von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr einsatzfähigen Versicherten grundsätzlich
nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in §
43 Abs.
3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer - ungeachtet der jeweiligen
Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht
dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten,
oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 32/79). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch ganz offenkundig nicht erfüllt.
Zwar benötigt der Kläger in Anbetracht seiner Blasenentleerungsstörung einen Arbeitsplatz, an dem es ihm möglich ist, einmal
pro Stunde zum Wasserlassen die Toilette aufsuchen zu können. Wie bereits der Sachverständige Dr. med. L. im Gutachten vom
15. Oktober 2008 überzeugend herausgearbeitet hat, scheiden für den Kläger damit allerdings nur solche Arbeitsplätze aus,
die (z.B. auf Montage oder in Wald und Forst) fernab von einer Toilette gelegen sind. Selbst eine Tätigkeit als Auslieferungsfahrer
im Nahbereich hält der Sachverständige Dr. med. L. demgegenüber für den Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Blasenentleerungsstörung
noch für zumutbar. Zur Überzeugung des Senats ergeben sich angesichts dessen keine Anhaltspunkte dahingehend, dass der Kläger
für eine in geschlossenen Räumen zu verrichtende Tätigkeit, bei der ein "normaler" Zugang zu einer Toilette gegeben ist, nicht
geeignet sein könnte. Wenn der Kläger gleichwohl keinen Arbeitsplatz findet, den er nach seinem Leistungsvermögen noch ausfüllen
kann, so ergibt sich daraus allenfalls ein Anspruch gegen die Arbeitslosenversicherung bzw. gegen den Träger der Grundsicherung
für Arbeitsuchende, nicht aber ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegen die Beklagte als Trägerin
der gesetzlichen Rentenversicherung.
Für den 1960 geborenen Kläger ergibt sich im Übrigen auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben gemäß §
240 Abs.
1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze diejenigen Versicherten, die
1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2. berufsunfähig
sind.
Berufsunfähig sind der Vorschrift des §
240 Abs.
2 Satz 1
SGB VI zufolge Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich,
geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger
als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen
ist, umfasst gemäß §
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs
ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Zumutbar ist gemäß §
240 Abs.
2 Satz 3
SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder
umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist der Vorschrift des §
240 Abs.
2 Satz 4
SGB VI zufolge nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage
nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nicht berufsunfähig im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung. Wie oben bereits dargelegt worden ist, kann er
noch zumindest sechs Stunden täglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen. Objektiv zumutbar sind dem Kläger dabei
unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands - wie oben bereits ausgeführt - noch die sog. klassischen leichten körperlichen
Tätigkeiten als Warensortierer, als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Pförtner, als Telefonist, als Poststellenmitarbeiter,
als Büro- und Verwaltungshilfskraft oder als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie. Dass der Kläger unter Berücksichtigung
der bei ihm zu beachtenden qualitativen Leistungseinschränkungen nicht mehr geeignet ist für eine Tätigkeit im ursprünglich
erlernten Gärtnerberuf oder für eine Fortsetzung der zuletzt im Hauptberuf verrichteten Tätigkeit als Berufskraftfahrer (außerhalb
des Nahbereichs), führt für sich genommen noch nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit. Denn das Gesetz räumt den Versicherten
einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann ein, wenn sie ihren
- versicherungspflichtig ausgeübten - "bisherigen Beruf" bzw. ihre "bisherige Berufstätigkeit" aus gesundheitlichen Gründen
nicht mehr ausüben können. Vielmehr wird von den Versicherten verlangt, dass sie - immer bezogen auf ihren "bisherigen Beruf"
- auch einen "zumutbaren" beruflichen Abstieg in Kauf nehmen und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer (gegebenenfalls
auch) geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden geben (vgl. BSGE 41, 129, 131 = SozR 2200 § 1246 Nr. 11). Nur wer sich nicht in dieser Weise auf einen anderen, ihm subjektiv zumutbaren Beruf "verweisen"
lassen muss, ist berufsunfähig im Sinne des Gesetzes.
"Zugemutet werden" im Sinne des §
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI können den Versicherten alle von ihnen nach ihren gesundheitlichen Kräften und ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten
ausführbaren, auch "berufsfremden" Tätigkeiten, die nach der im Gesetz angeführten positiven Kennzeichnung - Ausbildung und
deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, d.h. nach ihrer Qualität - dem bisherigen Beruf nicht
zu fern stehen (vgl. z.B. BSG SozR Nr. 22 zu § 45 RKG; BSGE 38, 153 = SozR 2200 § 1246 Nr. 4; BSGE 41, 129, 132 = SozR 2200 § 1246 Nr. 11; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 27, 29 - ständige Rechtsprechung).
Das zur Ausfüllung dieser Grundsätze von der Rechtsprechung entwickelte sog. Mehr-Stufen-Schema unterscheidet dabei für Arbeiterberufe
- als unterste Gruppe - die Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten, die mittlere Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten,
schließlich die Gruppe mit dem Leitberuf der Gelernten (Facharbeiter) und darüber die zahlenmäßig kleine Gruppe mit dem Leitberuf
der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. der Facharbeiter mit besonders qualifizierten Tätigkeiten. Als im Sinne von
§
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jeweils den Abstieg zur nächstniedrigeren
Gruppe angenommen. Hiernach können z.B. Versicherte, die nach ihrem bisherigen Beruf in die Gruppe mit dem Leitberuf der Facharbeiter
fallen, auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten (sonstigen Ausbildungsberufe) verwiesen werden, in
aller Regel jedoch nicht ohne weiteres auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten (vgl. BSGE 43, 243, 246 = SozR 2200 § 1246 Nr. 16; BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107 m.w.N. - ständige Rechtsprechung). Unabhängig davon können Versicherte mit dem Leitberuf der Ungelernten
auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden (vgl. etwa BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107 m.w.N. - ständige Rechtsprechung).
Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. Mehr-Stufen-Schema, kann der Kläger im vorliegenden Fall
unter Berücksichtigung der von ihm zuletzt im Hauptberuf ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit keinen besonderen sog.
Berufsschutz für sich beanspruchen. Denn er hat sich vom ursprünglich erlernten Facharbeiterberuf des Gärtners bereits im
Jahre 1982 ohne zwingende gesundheitliche Gründe gelöst und danach langjährig eine angelernte Tätigkeit als Berufskraftfahrer
verrichtet, die nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 21. Juli 1987 - 4 a RJ 39/86 und BSG vom 17. November 1987 - 5 b RJ 6/86) grundsätzlich nur der Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufs
zugeordnet werden kann.
Es handelt sich bei dem Berufskraftfahrer nach der am 1. Januar 1974 in Kraft getretenen Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung
vom 26. Oktober 1973 (BGBl. I S. 1518) zwar um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren. Berufskraftfahrer ist,
wer die Fahrerlaubnis der Klasse 2 erworben und die während der Ausbildung erlangten Fertigkeiten und Kenntnisse des Ausbildungsberufsbildes
in einer Abschlussprüfung nachgewiesen hat (vgl. § 1 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 3, 9 der Ausbildungsordnung). Selbst wenn
der Kläger eine dementsprechende Abschlussprüfung als Berufskraftfahrer abgelegt haben würde, müsste seine Zuordnung zur Gruppe
der Facharbeiter allerdings daran scheitern, dass der Berufskraftfahrer überhaupt - also auch mit abgelegter Prüfung - nach
dem Mehr-Stufen-Schema grundsätzlich nur in die Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten (sonstigen Ausbildungsberufs) eingeordnet
werden kann. Denn die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters setzt üblicherweise eine Ausbildungszeit von mehr als zwei
Jahren Dauer voraus (vgl. BSG vom 21. Juli 1987 - 4a RJ 39/86). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zur Gruppe mit dem Leitberuf
des sonstigen Ausbildungsberufs im Rahmen des Mehr-Stufen-Schemas diejenigen Tätigkeiten, die eine Ausbildungszeit von längstens
zwei Jahren Dauer erfordern, während die Gruppe der Facharbeiter grundsätzlich eine länger als zwei Jahre dauernde Ausbildung
voraussetzt (vgl. BSG vom 9. September 1986 - 5b RJ 82/85 m.w.N.).
Zwar ist die ältere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht einheitlich in der Frage, von welcher Ausbildungsdauer an
eine Facharbeitertätigkeit angenommen werden kann. In einer Reihe von Entscheidungen ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen
worden, dass bereits Berufe mit einer Ausbildungszeit von mindestens zwei Jahren Dauer der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters
zuzuordnen seien (vgl. BSGE 43, 243, 245; 57, 291, 299; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 34, 86, 102 und 106; BSG vom 4. April 1984 - 4 RJ 111/83). Dementsprechend wurde auch die nach abgeschlossener Ausbildung bzw. "in voller Breite" verrichtete Tätigkeit als Kraftfahrer
zeitweilig der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zugeordnet (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 67, 68, 94 und 135). Die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geht jedoch dahin, dass für den Facharbeiter
im Sinne des Mehr-Stufen-Schemas eine Regelausbildung von mehr als zwei Jahren Dauer zu fordern ist (vgl. BSGE 41, 129, 132; 55, 45, 51; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 109, 132, 138 und 140). Diese Abgrenzung ist zur Überzeugung des Senats sachgerecht, denn entscheidend für den qualitativen
Wert eines Berufes ist das Maß der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, das sich in aller Regel nach der Intensität und
Dauer der zugrunde liegenden Ausbildung bestimmt. Nicht ohne Grund hat bereits der Gesetzgeber deshalb die Dauer und den Umfang
der Ausbildung ausdrücklich als Tatbestandsmerkmale in die Vorschrift des früheren § 1246 Abs. 2 Satz 2
RVO aufgenommen und diese Kriterien auch in §
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI beibehalten. Da die handwerklichen Lehrberufe, die bestimmendes Leitbild für den Facharbeiter sind, in aller Regel eine Ausbildungszeit
von etwa drei Jahren erfordern, in denen die berufsqualifizierenden Kenntnisse und Fertigkeiten erlangt werden, erscheint
es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, bereits Ausbildungsberufe mit einer Ausbildungszeit von lediglich zwei Jahren Dauer
der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass unter Berücksichtigung der tariflichen
Einstufung der vom Kläger bei der Wäscherei E. verrichteten Tätigkeit ein Abweichen von der nach dem Mehr-Stufen Schema gebotenen
Einstufung als Angelerntentätigkeit geboten sein könnte, sind weder vom Kläger aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.
Der Kläger kann angesichts dessen keinen sog. qualifizierten Berufsschutz als Facharbeiter für sich beanspruchen, sondern
er muss sich zur Verwertung seines Restleistungsvermögens auch sozial zumutbar auf eine Tätigkeit als Warensortierer, als
Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Pförtner, als Telefonist, als Poststellenmitarbeiter, als Büro- und Verwaltungshilfskraft
oder als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie verweisen lassen.
Nach alledem ist der Kläger auch nicht berufsunfähig im Sinne des §
240 Abs.
2 Satz 1
SGB VI. Seine Berufung konnte damit im Ergebnis insgesamt keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.