LSG Hessen, Urteil vom 04.03.2011 - 5 R 390/09
Anspruch auf Rente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit; Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit; wirtschaftliche
Gleichwertigkeit
Grundsätzlich ist bei der nach § 45 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI erforderlichen Prüfung der Gleichwertigkeit von Hauptberuf und der zumutbaren Verweisungstätigkeit die tarifliche Vergütung
der Tätigkeit entscheidend. Eine Differenz zwischen der tariflichen Einstufung des Hauptberufes und der tariflichen Einstufung
der in Betracht zu ziehenden Verweisungstätigkeit von etwa 12,5 % rechtfertigt noch die Annahme einer im Wesentlichen wirtschaftlichen
Gleichwertigkeit der Verweisungstätigkeit mit der zu vergleichenden Tätigkeit. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Fundstellen: NZS 2011, 548
Vorinstanzen: SG Gießen 03.11.2009 S 11 KN 164/06
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. November 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau nach den Vorschriften
des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches ( SGB VI) zusteht.
Der 1953 geborene Kläger war langjährig (seit 1981) in einem Kali- und Salzbergwerk als Gerätewart der Grubenwehr unter Tage
beschäftigt. Seine Entlohnung richtete sich nach dem Lohn-Tarifvertrag für den Kali- und Steinsalzbergbau in Hessen, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Hiernach war seine Tätigkeit in der Lohngruppe 04 des entsprechenden Lohn-Tarifvertrages
vom 4. Januar 2005 eingruppiert, was einen Grundlohn je Monat von zuletzt 2.084,91 EUR ausmachte. Zum Erscheinungsbild seiner
Arbeitsausübung zählte auch das Ableisten von Nachtschichten, die nach den ergänzenden Regelungen zu der Lohnordnung des Tarifvertrages,
Ziffer 7, mit einem Nachtzuschlag von 19,83 EUR pro Schicht vergütet wurden.
Wegen einer vom Werksarzt seiner früheren Arbeitgeberin mit Attest vom 3. Juni 2005 attestierten Grubenuntauglichkeit setzte
die Arbeitgeberin den Kläger mit Wirkung ab dem 1. Juni 2005 nur noch über Tage als Anlagenbediener ein. Diese Tätigkeit wurde
nach dem einschlägigen Lohn-Tarifvertrag in der Lohngruppe 06 mit einem Grundlohn von 1.912,40 EUR brutto monatlich vergütet.
In einem gerichtlichen Vergleich vom 11. Januar 2006, der einen vom Kläger gegen seine frühere Arbeitgeberin geführten Rechtsstreit
vor dem Arbeitsgericht X-Stadt (Az.: xxxxx) beendete, vereinbarten die Streitparteien zum einen das Ende des betrieblichen
Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. November 2008, zum anderen stimmten die Parteien darin überein, dass der Kläger bis
zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Gerätebediener in der Entsorgung über Tage und mit der Eingruppierung in Lohngruppe
06 beschäftigt werde. Ferner bestimmte der Vergleich, der Kläger nehme zur Kenntnis, dass vom Werksarzt der Arbeitgeberin
aufgrund der vorgelegten Atteste eine Grubenuntauglichkeit festgestellt worden sei und die Versetzung durch die Beklagte auf
die Tätigkeit über Tage aus personenbedingten Gründen wegen Grubenuntauglichkeit erfolgt sei. Vereinbarungsgemäß schied der
Kläger mit Ablauf des 30. November 2008 aus seiner Tätigkeit aus. Seit dem 1. Dezember 2008 bezieht der Kläger auf seinen
Antrag von der Beklagten Knappschafts-Ausgleichsleistung (§ 239 SGB VI), wobei die Beklagte diese Leistung zunächst mit Vorschussbescheid vom 27. November 2008 gewährte, weil noch rentenrechtliche
Zeiten bei dem Kläger im Versicherungsverlauf zu klären waren.
Mit seinem Antrag vom 19. Januar 2006 begehrte der Kläger von der Beklagten die Gewährung von Rente für Bergleute bei verminderter
Berufsfähigkeit im Bergbau. Die Beklagte zog eine Auskunft der Arbeitgeberin des Klägers vom 21. März 2006 über den ab dem
1. Juni 2005 gezahlten Lohn hinzu. In medizinischer Hinsicht forderte sie zur Prüfung des Restleistungsvermögens des Klägers
Befundberichte seiner ihn behandelnden Ärzte an und veranlasste sodann eine Untersuchung durch ihren sozialmedizinischen Dienst.
Sie gewährte dem Kläger eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation, die vom 13. Juni bis 4. Juli 2006 in der
Klinik AAX. in VR. durchgeführt wurde. Mit Bescheid vom 31. August 2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Rente
für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab, da eine verminderte Berufsfähigkeit im Bergbau nicht bestünde.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 6. September 2006 Widerspruch. Zur Begründung gab er an, die von ihm nunmehr
ausgeführte Tätigkeit als Anlagenbediener sei seiner früheren knappschaftlichen Haupttätigkeit wirtschaftlich und qualitativ
nicht gleichwertig; im Übrigen sei die Tätigkeit über Tage körperlich anstrengender. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. November
2006 wies die Beklagte ohne weitere Ermittlungen den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Dem Kläger seien leichte
bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zuzumuten. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen bestünde zwar nicht mehr die
Möglichkeit, in den für die Rente für Bergleute maßgeblichen knappschaftlichen Hauptberuf als Gerätewart der Grubenwehr unter
Tage wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich erwerbstätig zu sein, jedoch bestünde in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als
Anlagenbediener über Tage auch weiterhin ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen, so dass eine zusätzliche Benennung
von Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich sei. Diese Tätigkeit sei dem Hauptberuf wirtschaftlich und qualitativ gleichwertig,
so dass verminderte Berufsfähigkeit im Bergbau nicht vorliege.
Mit seiner bei dem Sozialgericht Gießen erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Rentenbegehren weiter. Er machte geltend,
seinem Antrag auf Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau sei eine aufgrund vermeintlicher Grubenuntauglichkeit
von der Arbeitgeberin ausgesprochene Änderungskündigung vorausgegangen, zu der sich im anschließenden Arbeitsrechtsstreit
die Beteiligten mit Vergleich vom 11. Januar 2006 vor dem Arbeitsgericht X-Stadt (Az.: xxxxx) geeinigt hätten. Die von ihm
in der Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 30. November 2008 ausgeübte Tätigkeit als Gerätebediener in der Entsorgung über Tage
stelle keine gleichwertige Tätigkeit mit dem zuvor ausgeübten knappschaftlichen Hauptberuf des unter Tage tätigen Gerätewartes
der Grubenwehr dar. Denn die neu aufgenommene Tätigkeit sei wirtschaftlich nicht gleichwertig, da die Lohndifferenz zur zuvor
ausgeübten Tätigkeit unter Tage mehr als 12,5 % ausmache. Denn seine unter Tage erwirtschafteten und von der Arbeitgeberin
gezahlten Nachtschichtzulagen bei der Berechnung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit seien in die Differenzsumme einzustellen.
Nachtschichten habe der Kläger ca. vier- bis fünfmal pro Monat geleistet, so dass ein zusätzlicher Lohnbestandteil von ca.
120,00 EUR monatlich brutto zu berücksichtigen sei. Bei den Nachtschichtzulagen unter Tage handele es sich auch um einen ständigen
Lohnbestandteil. Die Beklagte trat dem Vortrag des Klägers entgegen und hielt die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten wirtschaftlich
für vergleichbar, da der Kläger inklusive einer zum Grundlohn hinzuzurechnenden Erfahrungszulage in Höhe von 65,40 EUR brutto
monatlich insgesamt als Gerätewart der Grubenwehr in der Lohngruppe 04 des Tarifvertrages einen Bruttolohn von 2.150,31 EUR
bis zum 31. Mai 2005 erzielt habe; dieser Lohn habe sich in der nachfolgenden Tätigkeit als Anlagenbediener über Tage in der
Lohngruppe 06 auf einen Betrag von 1.977,80 EUR verringert, was weit unter der Gleichwertigkeitsgrenze von 12,5 % (entsprechend
1.881,52 EUR brutto monatlich) liege. Im Übrigen seien die vom Kläger erzielten Nachtschichtzulagen in seiner früheren Tätigkeit
kein ständiger Lohnbestandteil, da sie unabhängig vom objektiven wirtschaftlichen Wert der ausgeübten Tätigkeit gezahlt würden.
Denn die gezahlten Nachtschichtzulagen vermittelten keine höhere wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit.
Mit Urteil vom 3. November 2009 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach
den §§ 45 Abs. 1 und 2 SGB VI führe eine gesundheitsbedingte Unfähigkeit zu einer bestimmten knappschaftlichen Tätigkeit nicht ohne Weiteres zur verminderten
Berufsfähigkeit im Bergbau. Der Kläger müsse sich vielmehr auf die von ihm tatsächlich verrichtete Tätigkeit eines Anlagenbedieners
über Tage verweisen lassen. Die wirtschaftliche Gleichwertigkeit zu der zuvor ausgeübten Tätigkeit des Gerätewartes bei der
Grubenwehr ergebe sich daraus, dass nach der letzten tariflichen Einstufung des bisherigen knappschaftlichen Berufes die Entgeltdifferenz
nicht größer als 12,5 % von Hundert sei, da der Differenzbetrag zwischen dem nunmehr erzielten tariflichen Grundlohn als Anlagenbediener
von rund 1.912,00 EUR im Monat nicht um mehr als 12,5 % vom tariflichen Grundlohn des Gerätewartes der Grubenwehr unter Tage
in Höhe von rund 2.085,00 EUR im Monat abweiche. Die Nachtschichtzuschläge seien im Rahmen des Vergleiches der Grundlöhne
nicht zu berücksichtigen, da es sich hierbei um Erschwerniszulagen handele, die den objektiven wirtschaftlichen Wert der Tätigkeit
als Gerätewart der Grubenwehr unter Tage nicht erhöht hätten. Gegen das am 17. November 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger
am 15. Dezember 2009 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Er ist der Auffassung, er habe Anspruch auf Gewährung von Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau,
da die seit Juni 2005 ausgeübte Tätigkeit als Anlagenbediener in der Entsorgung (Einschaler) über Tage nicht mit der zuvor
ausgeübten Tätigkeit als Gerätewart der Grubenwehr unter Tage gleichwertig sei. Für seine früher ausgeübte Tätigkeit habe
er einen Grundlohn von 2.085,00 EUR erhalten, wozu Nachtschichtzuschläge von durchschnittlich 100,00 EUR monatlich hinzugetreten
seien; hingegen sei die nachfolgende Tätigkeit als Einschaler über Tage nur mit einem Grundlohn von 1.912,00 EUR entlohnt
worden, so dass die Lohndifferenz unter Einbeziehung der Nachtschichtzulagen größer als 12,5 % sei. Bei den Nachtschichtzulagen
handele es sich nicht um reine Erschwerniszulagen. Sie würden an die meisten Berufsangehörigen allmonatlich gezahlt und stellten
damit eine Zulage dar, die so allgemein üblich sei, dass sie notwenig zum Arbeitseinkommen der Arbeitnehmer gehöre. Aufgrund
der Verbreitung der Nachtschichtzulagen im Bereich der vorangegangenen Tätigkeit erhöhten diese Zulagen den objektiven wirtschaftlichen
Wert der vorangegangenen Tätigkeit. Zwar hänge die jeweils exakte monatliche Gesamthöhe der Nachtschichtzulagen davon ab,
wie viele Nächte der einzelne Arbeitnehmer gearbeitet habe. Aufgrund des Schichtbetriebes und der dadurch resultierenden Regelmäßigkeit
der Nachtschichten variiere dieser individuelle Faktor in der Regel nur aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von Wochen eines
jeweiligen Monates. Nachschichtzulagen habe er in der Zeit von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 729,81 EUR insgesamt erhalten,
was einen monatlichen Durchschnittswert von 145,96 EUR ergebe. Unter Einbeziehung der Nachtschichtzulagen ergebe sich somit
ein monatlicher Grundlohn von 2.230,96 EUR, so dass er auch in Anbetracht eines Schwellenwertes von 12,5 % (278,87 EUR) nur
dann eine wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit ausgeübt hätte, wenn ihr monatliches Entgelt 1.952,09 EUR betragen hätte.
Tatsächlich sei jedoch der tarifliche Lohn der ab dem 1. Juni 2005 ausgeübten Tätigkeit mit 1.912,00 EUR geringer.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2006 in Gestalt
des Widerspruchbescheides vom 13. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrages vom
19. Januar 2006 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau bis zum 30. November 2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten wirtschaftlich gleichwertig seien, da eine Grundlohndifferenz
von weniger als 12,5 % zu verzeichnen sei. Die Nachtzuschläge dürften bei der Bestimmung des objektiven wirtschaftlichen Wertes
der Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen komme für den Kläger - unabhängig vom vorliegenden Verfahren - eine
Rente für Bergleute nach § 45 Abs. 3 SGB VI nicht in Betracht, da der Kläger die nach § 45 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI erforderliche Wartezeit von 25 Jahren nicht erfüllt habe; denn der Kläger könne von den für diese Leistung erforderlichen
300 Kalendermonaten lediglich 282 Kalendermonate mit ständigen Arbeiten unter Tage nachweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie die
Akten der Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn der Bescheid
der Beklagten vom 31. August 2006 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13. November 2006 ist nicht rechtswidrig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente für Bergleute bei verminderter Berufsfähigkeit
im Bergbau nach § 45 Abs. 1 SGB VI. Dies hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend und ausführlich begründet, weshalb
der Senat in vollem Umfang hierauf Bezug nimmt und von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe zur Vermeidung von
Wiederholungen insoweit absieht (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG-).
Grundsätzlich ist bei der nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erforderlichen Prüfung der Gleichwertigkeit von Hauptberuf und der zumutbaren Verweisungstätigkeit die tarifliche Vergütung
der Tätigkeit entscheidend. Die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten waren wirtschaftlich gleichwertig, wie vom Sozialgericht
zutreffend ausgeführt. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes rechtfertigt eine Differenz zwischen der tariflichen
Einstufung des Hauptberufes und der tariflichen Einstufung der in Betracht zu ziehenden Verweisungstätigkeit von etwa 12,5
% noch die Annahme einer im Wesentlichen wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der Verweisungstätigkeit mit der zu vergleichenden
Tätigkeit (Bundessozialgericht, Urteil vom 30. März 1977, 5 RKn 13/76). Maßgeblich ist demnach die Einstufung des Grundlohns nach dem Lohn-Tarifvertrag für den Kali- und Steinsalzbergbau in Hessen,
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom 4. Januar 2005 bzw. in den fortgeschriebenen Lohntabellen.
Hiernach hatte der Kläger im früheren Hauptberuf in der Lohngruppe 04 einen Anspruch auf Grundlohn von 2.084,91 EUR monatlich
bis zum Zeitpunkt Mai 2005. Hingegen ergab sich für den seit dem 1. Juni 2005 ausgeübten Beruf des Anlagenbedieners über Tage
eine Vergütung aus der Lohngruppe 06 mit 1.912,40 EUR. Die maßgebliche Lohndifferenz betrug somit zum 1. Juni 2005 172,51
EUR brutto monatlich, was einen Prozentsatz von lediglich 8,27 EUR monatlicher Differenz der Bruttoentgelte ergibt. Es ergibt
sich auch keine wesentliche Veränderung während der Tätigkeitsdauer des Klägers in dem von ihm ausgeübten Verweisungsberuf
des Anlagenbedieners über Tage, denn unter Berücksichtigung der Tariferhöhungen betrug die Differenz der Löhne im letzten
Arbeitsmonat des Klägers im November 2008 nach dem fortgeschriebenen Lohn-Tarifvertrag vom 1. Januar 2008 185,15 EUR brutto
monatlich (Lohngruppe 04: 2.247,31 EUR, Lohngruppe 06: 2.062,16 EUR), mithin 8,24 %.
Der Kläger kann nicht damit gehört werden, bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit seien die von ihm erzielten
Nachtschichtzulagen für seine bis zum 31. Mai 2005 ausgeübte Tätigkeit als Gerätewart der Grubenwehr unter Tage einzubeziehen.
Maßgebend ist nämlich nur diejenige tariflich vorgeschriebene Vergütung, die der Arbeitnehmer auf jeden Fall beanspruchen
kann, und zwar gilt dies für die Bewertung sowohl des Hauptberufes als auch der Verweisungstätigkeit (Landessozialgericht
Saarland, Urteil vom 24. Juni 2004, L 4 KN 43/03, juris, Rndr. 16; Gemeinschaftskommentar zum SGB VI-GK- SGB VI, § 45, Rndr. 80). Die Nachtschichtzulagen hatte der Kläger bei seiner bis zum 31. Mai 2005 ausgeübten Haupttätigkeit als Gerätewart
der Grubenwehr unter Tage aber nicht auf jeden Fall zu beanspruchen, sondern ausschließlich, wenn er tatsächlich Nachtschichten
geleistet hatte, da er nur dann entsprechend der Ziffer 7 seiner ergänzenden Regelungen zur Lohnordnung des Lohn-Tarifvertrages
eine Schichtzulage von 19,83 EUR erhielt. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für den klägerischen Vortrag, die Nachtschichtzulagen
seien Bestandteil der tariflichen Grundvergütung, weil sie regelmäßig einer solch großen Anzahl von Arbeitnehmern gewährt
würden, dass sie damit als Bestandteil des tarifvertraglich garantierten Monatslohnes anzusehen wären. Denn auch wenn Nachtschichten
tatsächlich vom Kläger regelmäßig verrichtet worden sind, ändert dies nichts an ihrem Charakter als reine Erschwerniszulagen.
Der zuvor ausgeübte Hauptberuf als Gerätewart unter Tage war nicht schlechterdings in seiner Qualität davon abhängig, dass
Nachtschichten gearbeitet werden. Nachtschichten stellten ein zusätzliches, aber nicht unabdingbares Element der Arbeitsleistung
dar. An dieser Einschätzung ändert sich auch dann nichts, wenn die Arbeitgeberin selbst die Ableistung solcher Nachtschichten
erwartet hätte. Nur dann, wenn die Verrichtung von Nachtschichten für die Ausübung der Tätigkeit unabdingbar ist, sie somit
der Tätigkeit ihr entscheidendes Gepräge geben, und die Qualität der Arbeitsausübung entscheidend von der Ableistung von Nachtschichten
abhängt, kann davon ausgegangen werden, dass Nachtschichtzulagen als immanenter Bestandteil der jeden Monat garantierten Vergütung
anzusehen sind.
Auch den Regelungen des Tarifvertrages lässt sich nicht entnehmen, das es sich bei den vom Kläger erzielten Nachtschichtzulagen
um einen für jeden Monat garantierten Lohnbestandteil gehandelt hat. Bei der Ermittlung des Tariflohnes oder -gehaltes des
Hauptberufes einerseits und der als Verweisungstätigkeiten in Betracht gezogenen Arbeiten bzw. die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit
andererseits ist von der Lohnordnung (Lohn- oder Gehaltstarifvertrag) auszugehen, die im Zeitpunkt des Eintritts der im Bergbau
verminderten Berufsfähigkeit maßgebend ist, wobei Veränderungen der tariflichen Einordnung Rechnung zu tragen ist (Pott in
Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 45, Rdnr. 87). Wird neben dem tariflichen Grundlohn bzw. -gehalt eine Zulage oder Prämie gezahlt, so ist diese bei der Gleichwertigkeitsprüfung
anzurechnen, wenn zum einen die Zulage oder Prämie im Tarifvertrag vereinbart ist und mit der Zahlung der Zulage oder Prämie
eine höhere wirtschaftliche Bewertung der Tätigkeit als solche zum Ausdruck kommen soll (Pott in GK- SGB VI, aaO., Rdnr. 95). Zwar ist die Nachtschichtzulage in dem maßgeblichen Lohn-Tarifvertrag vereinbart, mit ihr wird jedoch nicht
eine höhere wirtschaftliche Bewertung eines Gerätewartes der Grubenwehr unter Tage vorgenommen. Denn es handelte sich lediglich
um eine Erschwerniszulage, die den wirtschaftlichen Wert der Tätigkeit nicht bestimmt, sondern die alleine deswegen - wie
vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - gewährt wird, weil eine besondere persönliche Leistung, im vorliegenden Fall die
Ableistung von Nachtschicht, vergütet werden soll. Dies ergibt sich aus dem Zulagengefüge des Lohn-Tarifvertrages. Die ergänzenden
Regelungen enthalten unter anderem Zulagen für bestimmte Arbeiter des Untertagebetriebes, für bestimmte Handwerker des Untertagebetriebes,
für Arbeiten unter sehr starker Staubentwicklung, für Arbeiten in der Bromfabrik, für den Umgang mit bestimmten Gefahrstoffen
und für nachhaltige Einwirkungen entweder durch besonders schmutzige oder durch außergewöhnlich lästige Arbeiten sowie für
die in Rede stehende Nachtarbeit. Damit ergibt sich bereits aus dem Zuschlagsystem des Tarifvertrages, dass die Zuschläge
als Ausdruck einer besonderen Erschwernis für bestimmte Arten von Tätigkeiten gezahlt werden sollen. Sie bestimmen nicht den
objektiven Wert der tatsächlich verrichteten Arbeit, sondern tragen einer subjektiven Erschwernis der Arbeitsausübung Rechnung.
Entfallen die erschwerenden Umstände, die zur Zulage berechtigen, entfällt gleichfalls der Anspruch auf die Zulage (Landesarbeitsgericht
Köln, Urteil vom 30. März 2009, 5 Sa 1289/08, juris, Rdnr. 29). Nachtschichten sind mit einer besonderen Erschwernis verbunden. Die von Schichtdienstleistenden geforderte
ständige Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmusses sowie die damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen
finden ihre Anerkennung durch Erschwerniszulagen, wobei andauernde Nachtarbeit die ausreichende Regeneration durch Schlaf
am Tag mindern, die Funktion des Verdauungstraktes beeinträchtigen und Erkrankungen des Magen-Darmtraktes, vegetative Störungen,
Krankheiten der Kreislauforgane sowie Schlafstörung begünstigen kann (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 2007,
2 C 28/05, juris, Rdnr. 39, zu Erschwerniszulagen im Bundesbesoldungsrecht mit Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung auf eine
kleine Anfrage, Bundestagsdrucksache 8/4415, Seite 4).
Dementsprechend sind auch Nachtschichtzulagen bei der Feststellung der Gleichwertigkeit unberücksichtigt zu lassen (Pott in
GK- SGB VI, am angegebenen Ort, Rdnr. 106).
Schließlich war der Kläger in der seit dem 1. Juni 2005 ausgeübten Tätigkeit als Anlagenbediener über Tage auch in einer qualitativ
gleichwertigen Tätigkeit im Vergleich zu der zuvor ausgeübten Tätigkeit als Gerätewart der Grubenwehr unter Tage tätig. Dies
ist bereits aus der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der Tätigkeiten indiziert, da die maßgebliche tarifliche Einstufung
lediglich um rund 8,2 % divergierte. Bei tarifvertraglich wirtschaftlich im Wesentlichen gleichwertig eingestuften Tätigkeiten
kann davon ausgegangen werden, dass es sich um solche von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen
und Fähigkeiten handelt, weil die Qualität der Kenntnisse und Fähigkeiten für die Tarifpartner Hauptmerkmal für die tarifliche
Einstufung ist (Pott in GK- SGB VI, aaO., Rdnrn. 116, 118, m.w.N.). Es sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als
Anlagenbediener über Tage aufgrund der dem Kläger zuzurechnenden Kenntnisse und Eignungen im Verhältnis zum früheren Hauptberuf
unter Tage eine wesentlich geringer qualifizierte Tätigkeit dargestellt hätte. Damit konnte der Kläger auf die im Wesentlichen
wirtschaftlich gleichwertige Beschäftigung des Anlagenbedieners über Tage verwiesen werden.
Letztlich ergibt sich eine günstigere Beurteilung für den Kläger auch nicht aus einer Anwendung der Vorschrift des § 45 Abs. 3 SGB VI, da der Kläger die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI i.V.m. § 50 Abs. 3 Nr. 2, § 51 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt. Denn sein zwischen den Beteiligten unstreitiger Versicherungsverlauf weist nicht die erforderliche Wartezeit
von 25 Jahren (300 Kalendermonate) mit Arbeiten unter Tage, sondern lediglich 282 Kalendermonate mit diesen Arbeiten auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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