Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung einer Honorarberichtigung aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung
der Honorarabrechnungen für die sechs Quartale II/05 bis III/06 in Höhe von insgesamt 34.712,06 EUR.
Der Kläger war seit dem 18. April 1995 als Vertragsarzt zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten zugelassen
und nahm vom 1. Januar 1996 bis 30. September 2006 als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung
im hausärztlichen Bereich teil. Er bezieht nach seinen Angaben Versorgungsbezüge der erweiterten Honorarverteilung der Beklagten
mit monatlichen Abschlagszahlungen von 700,00 EUR sowie Bezüge der Nordrheinischen Ärzteversorgung in Höhe von monatlich 2.676,61
EUR.
Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte dem Kläger unter dem
1. Februar 2008 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für die Quartale II/05 bis I/07 mit Erläuterungen zur Ermittlung der
Zeitprofile.
Der Kläger erklärte hierzu, er habe in seiner Praxis sehr viele Patienten gehabt, die aufgrund ihrer allergischen Diathese
behandelt worden seien. Er habe in der Regel zwischen 80 und 90 Patienten wegen Allergien behandelt, dies sei ein wesentlicher
Schwerpunkt seiner Praxis gewesen. Der bei der Hypersensibilisierung angegebene Zeitfaktor sei so hoch, dass man mit 10 Hypersensibilisierungen
schon 5 Stunden gearbeitet habe, was bei der früher geltenden Gebührenordnung nicht der Fall gewesen sei. Die Allergiebehandlungen
in seiner früheren Praxis sei überwiegend von seiner Frau durchgeführt worden, die examinierte Kinderkrankenschwester sei
und über diese Spezialkenntnisse verfüge. Seine Arbeitszeit sei insoweit auf die alleinige Verabreichung der Injektion beschränkt
gewesen. Hierfür benötige man eine Minute und nicht 30 Minuten. Außerdem habe er in seiner Praxis einen überdurchschnittlich
hohen Anteil von Ausländern von ca. 90% gehabt. Die Erklärungen über die Erkrankung und deren Therapie sowie Ernährungsberatungen
seien durch seine Ehefrau durchgeführt worden und spiegelten sich natürlich in dem Zeitprofil wieder. Auch hätten im Jahr
2006 einige Kollegen, die sich überlegt hätten, die Praxis von ihm zu übernehmen, in der Praxis mitgearbeitet, um einen Einblick
in die Arbeit zu erhalten. Es habe praktisch ein zweiter Arzt bei der Versorgung der Patienten mitgeholfen, auch dies gehe
bezüglich des Zeitfaktors zu seinen Lasten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 17. Juli 2008 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung
für die Quartale II/05 bis IIl/06 die strittige Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 34.712,06 EUR netto fest. Zur Begründung
führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum EBM aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen
Leistungen zugrunde gelegt werden. Außer Betracht blieben Leistungen im organisierten Notfalldienst, Leistungen aus der unvorhergesehenen
Inanspruchnahme des Vertragsarztes außerhalb der Sprechstundenzeiten und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen
der Praxis. Der Anhang 3 zum EBM kennzeichne darüber hinaus die behandlungsfall- und krankheitsfallbezogenen ärztlichen Leistungen,
die nicht dem Tageszeitprofil unterlägen. Betrage die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei
Tageszeitprofilen an mindestens 3 Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgten
weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachen Feststellungen und Bewertungen festzustellen,
ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. Die Berechnungsergebnisse der Praxis des Klägers
hätten bezogen auf die Grenzwerte folgende Zeitwerte ergeben:
Quartalsübersicht
Quartal
|
Anzahl Tage > 12 Stunden
|
Anzahl Tage > 16 Stunden
|
Zeitsumme Quartalsprofil
|
II/2005
|
46
|
22
|
1.240:49
|
III/2005
|
33
|
4
|
1.163:09
|
IV/2005
|
42
|
15
|
1.147:00
|
I/2006
|
45
|
21
|
1.259:21
|
II/2006
|
31
|
9
|
1.057:22
|
III/2006
|
21
|
4
|
1.029:13
|
Tagesübersicht (Beispiele)
Behandlungstag
|
Zeitergebnis in Std.
|
01.04.2005
|
20:30
|
02.05.2005
|
17:13
|
30.05.2005
|
21:41
|
01.07.2005
|
16:53
|
04.07.2005
|
18:54
|
19.09.2005
|
17:02
|
04.10.2005
|
25:26
|
06.10.2005
|
17:53
|
10.10.2005
|
16:46
|
02.01.2006
|
28:25
|
09.01.2006
|
18:29
|
13.01.2006
|
16:07
|
16.01.2006
|
20:15
|
23.01.2006
|
17:11
|
03.04.2006
|
22:55
|
10.04.2006
|
20:40
|
02.05.2006
|
19:26
|
06.06.2006
|
20:14
|
03.07.2006
|
21:31
|
04.07.2006
|
17:04
|
10.07.2006
|
17:14
|
Im EBM 2005 werde die Hyposensibilisierung unter der Nr. 30130 abgerechnet und beinhalte folgende Leistungslegende: Obligater
Leistungsinhalt:
- Hyposensibilisierungsbehandlung (Desensibilisierung) durch subkutane Allergeninjektion(en)
- Nachbeobachtung von mindestens 30 Minuten Dauer.
Voraussetzung für die Berechnung sei die Erfüllung der notwendigen sachlichen und personellen Bedingungen für eine gegebenenfalls
erforderliche Schockbehandlung und Intubation. Diese Leistung gehe mit einer Prüfzeit von 3 Minuten und nicht mit 30 Minuten
sowohl in das Tages- als auch in das Quartalsprofil ein. Die Nachbeobachtungszeit betrage 30 Minuten, werde aber nicht dem
Arzt im Zeitprofil angerechnet. Die Beobachtung bzw. Nachbereitung könne durchaus von der Ehefrau des Klägers übernommen werden.
Der Anteil von Gesprächsleistungen nach der Nr. 04120 EBM 2005 werde mit einer Dauer von mindestens 10 Minuten angesetzt und
sei im Tagesprofil des Klägers sehr hoch. So würden am 4. April 2005 9:30 Stunden, am 11. April 2005 8:30 Stunden am 30. Mai
2005 11:00 Stunden und am 6. Juni 2005 9:10 Stunden allein als Gesprächsleistungen abgerechnet, um nur einige Beispiele anzuführen.
Unter Hinzurechnung weiterer tagesbezogener Einzelleistungen ergäben sich Gesamtarbeitszeiten bis zu 21:41 Stunden (30. Mai
2005) im Quartal II/05. Am 4. Oktober 2005 weise das Tageszeitprofil eine Zeit von 25:26 Stunden und am 2. Januar 2006 von
28:25 Stunden aus. Diese Zeiten seien irreal und auch nicht durch eine etwaige erhöhte Gesprächsnotwendigkeit bei ausländischen
Patienten begründet. Es habe nicht festgestellt werden können, dass Genehmigungen von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen
zur Beschäftigung eines angestellten Arztes, eines Assistenten oder eines Jobsharing Partners in der Praxis vorgelegen hätten.
Die Zeiten in den Zeitprofilen hätten den Nachweis für eine rechnerisch-sachlich nicht plausible Abrechnung erbracht. Die
Garantiewirkung der "Abrechnungs-Sammelerklärung" und damit der rechnerisch-sachlichen Richtigkeit entfalle, wenn nur ein
mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthalte. Die vom Kläger quartalsbezogen
abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen über die ordnungsgemäße und vollständige Erbringung der abgerechneten EBM-Leistungen
seien aus den genannten Gründen unrichtig und hätten die Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Honorarbescheide zur Folge.
Ihr stehe ein weites Schätzungsermessen bezüglich der Höhe des Rückforderungsbetrages zu. Sie könne im Wege einer pauschalierten
Schätzung das Honorar auf die Höhe des Nettofachgruppenhonorars kürzen. Sie habe je Quartal die Zeiten über 12 Stunden addiert
und ins Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit (Angaben in Minuten) gesetzt. Um den daraus ermittelten Überschreitungsprozentsatz
seien die Nettohonorarforderungen der jeweiligen Quartale reduziert worden. Die Höhe der im Tenor dieses Bescheides aufgeführten
Honorarrückforderung ergebe sich aus der Summe der einzelnen Kürzungsbeträge.
Hiergegen legte der Kläger unter Datum vom 29. Juli 2008 Widerspruch ein. Er trug vor, es bestünden zwischen den Zeitangaben
der Beklagte und den Zeitprofilen der Praxis ganz erhebliche Unterschiede. Eine Nachfrage bei seiner Softwarefirma habe ergeben,
dass diese Diskrepanz schon seit einiger Zeit bei der Firma und bei der Beklagten hinreichend bekannt sei. Der Grund dafür
liege in einer Falschinformation der KBV an alle Softwarefirmen in Deutschland. In seiner Praxis sei es zu einem PC-Absturz
mit Verlust von Daten gekommen, die aber neu hätten eingegeben werden können und zwar aufgrund der erhaltenen Tageslisten
und der Tatsache, dass er neben dem PC auch noch Karteikarten angelegt gehabt hätte. Die von ihm abgerechneten Leistungen
habe er auch erbracht, und sie seien auch medizinisch notwendig gewesen. Er habe sich auf die Anzeige seiner Praxis-EDV verlassen.
Der Ansatz für eine Allergiespritze sei auch mit 3 Minuten noch zu hoch. Wenn er dies besser organisieren könne, dürfe dies
nicht zu seinen Lasten gehen. Der Zeitfaktor hierfür dürfe nur mit 30 Sekunden angenommen werden. Es sei auch zulässig, dass
Kollegen, die eine Arztpraxis übernehmen wollten, in der Arztpraxis vorher arbeiteten und auch Leistungen erbringen könnten.
Eine Genehmigung hierfür sei nicht notwendig. Seine Frau könne als examinierte Kinderkrankenschwester durchaus Beratungen
bei den Eltern durchführen, die dann abrechnungsfähig seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2009 als unbegründet zurück. Darin führte sie aus,
bei der Umsetzung der Honorarberichtigung sei die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Garantiefunktion der Sammelerklärung
zu beachten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. September 1997, Az.: 6 RKa 86/95). Diese entfalle, wenn der Arzt - grob fahrlässig oder vorsätzlich - nicht erbrachte bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistungen
abgerechnet habe. Die für die Quartale II/05 bis IIl/06 erstellten Tageszeitprofile führten den Indizienbeweis, dass die Abrechnungen
fehlerhaft seien. In allen Quartalen erreiche der Kläger Tageszeitprofile von über 18 Stunden, teilweise sogar von über 24
Stunden (04.10.2005 - 25 Stunden, 26 Minuten; 02.01.2006 - 28 Stunden, 25 Minuten). Hinzu komme die hohe Anzahl der Tage im
Quartal mit über 12 bzw. 16 Stunden Behandlungszeit (zwischen 21 bzw. 31 und 46 Tage/Quartal über 12 Stunden, davon zum Teil
15 bis 22 Tage/Quartal über 16 Stunden). Danach hätte der Kläger regelmäßig Kinder von z.B. 6:00 Uhr morgens ununterbrochen
(d. h. ohne die Zeit für Pausen, für die Behandlung von Privatpatienten, für die Anweisung und die Überwachung von Praxispersonal,
für den Wechsel zwischen den Behandlungsräumen) bis spät in den Abend (bei 18 Stunden wäre dies 24:00 Uhr) behandelt. Diese
Arbeitszeiten könne er tatsächlich nicht erbracht haben. Daraus folge der Schluss, dass hier keine korrekte Abrechnung vorliege.
Der Einwand, die Software hätte diese Überschreitungen nicht angezeigt, mache die Abrechnung nicht plausibel. Selbst wenn
die Software die Nebeneinanderberechnung von Leistungen nicht ausreichend im Tageszeitprofil abbilde, würde sich dies nicht
nachteilig auswirken, wenn der Arzt z. B. die Gesprächsleistung mit den entsprechenden Zeiten tatsächlich durchgeführt habe.
Ein Softwarefehler werde nur dann zum Problem, wenn Leistungen mit höheren Zeitvorgaben zwar abgerechnet, aber nicht erbracht
werden und keine "Warnung" durch das Programm erfolge. Das Problem der vom Softwareprogramm zu niedrig ausgewiesenen Arbeitszeit
trete erst auf, wenn die Software die Zeit für die Nebeneinanderberechnung (Koppelung) des Ordinationskomplexes mit Gesprächsleistungen
nicht so erfasst habe, wie sie in der Leistungslegende zu den Gesprächsleistungen festgelegt sei.
Delegationsfähige Leistungen würden nicht in die Prüfzeit eingerechnet. Die Verabreichung einer Allergiespritze nach Nr. 30130
EBM 2005 sei in den geprüften Quartalen nur in geringem Umfang erbracht worden, in den Quartalen II/05, IIl/05, II/06 und
IIl/06 nur zwischen 0 und 5 Mal am Tag. Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folgen würde und nur 30 Sekunden als Prüfzeit
für diese Leistungen annehmen würde, würde dies nur einen unwesentlichen Teil der Überschreitungszeit im Tagesprofil erklären.
In den Quartalen IV/05 und I/06 werde die Leistung zwischen ca. 10 und 24 mal abgerechnet. Aber auch dies führe nicht zur
Überschreitung der Vorgaben nach den Tagesprofilen. Auf die medizinische Notwendigkeit der Leistungen komme es nicht an. Der
Hinweis des Klägers, Leistungen seien von seiner Ehefrau oder von Praxisinteressenten erbracht worden, erkläre zwar die hohe
Tagesprofilüberschreitung, bedeute aber zugleich das Zugeständnis von Abrechnungsfehlern. Bei Fehlern in der Abrechnung sei
eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchzuführen, unabhängig davon, ob sich die Abrechnungsfehler im Plausibilitätsprüfungsverfahren
aufgrund unplausibler Abrechnung oder durch andere Tatsachen herausgestellt hätten. Soweit seine Ehefrau Beratungen erbracht
habe, liege ein Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung sowie gegen die Leistungslegende der Nr. 04120
EBM 2005 vor. Diese Leistung könne nicht auf nicht ärztliches Personal delegiert werden, sondern setze stets voraus, dass
ein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden habe. Dies ergebe sich auch aus der Anmerkung zu Nr. 04120 EBM 2005, wonach bei der
Nebeneinanderberechnung dieser Ziffer mit dem Ordinationskomplex (der einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetze)
die Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit mindestens 20 Minuten andauern müsse, dass die Leistung nicht delegiert werden könne.
Deutlich werde dies auch durch die angegebene Prüfzeit im EBM 2005. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung
liege auch vor, wenn eingeräumt werde, dass Praxisinteressenten die Leistungen erbracht hätten. Der Kläger habe hier vorsätzlich
- nämlich wissentlich - Leistungen als persönlich erbrachte Leistungen angegeben und dies mit der Sammelerklärung bestätigt,
die tatsächlich von anderen Personen erbracht worden seien.
Auch die Berechnungsmethode zur Festsetzung der Honorarkürzung sei nicht zu beanstanden, da die Honorarrückforderung sich
an dem Verhältnis zwischen plausiblen Zeiten und Überschreitung der plausiblen Zeiten orientiere und dieses Verhältnis auf
das erwirtschaftete Honorar übertrage.
Hiergegen hat der Kläger am 17. April 2009 Klage (Az.: S 12 KA 229/09) erhoben.
Einen Antrag des Klägers auf Aussetzung des Sofortvollzugs lehnte die Beklagte ab. Den hiergegen gestellten Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, lehnte der erkennende Senat mit Beschluss vom
10. November 2009 - L 4 KA 70/09 B ER - unter Aufhebung des anderslautenden Beschlusses des Sozialgerichts ab.
Zur Begründung seiner Klage machte der Kläger geltend, die von der Beklagten errechneten Tages- und Quartalsprofile seien
falsch berechnet worden. Die Beklagte rechne bei ihrer Erstellung der Tagesprofile bei der Nebeneinanderberechnung bei Ziffer
04110 die im Leistungsverzeichnis angegebene Prüfzeit von acht Minuten und bei Ziffer 04111 die Prüfzeit von sieben Minuten
in das Tagesprofil ein, was der Regelung im Anhang 3 zum EBM widerspreche. Die in Ziffer 04120 vorgeschriebenen "je vollendete
10 Minuten" bestehe nicht nur aus Arzt-Patienten-Kontaktzeit. Die Regelung sei insgesamt unklar. Bei Nebeneinanderberechnung
ergebe sich nicht zwingend, ob die Leistung an einem Tag erbracht werden müsse oder Leistungsteile auch zeitlich zusammengerechnet
werden könnten. Zudem sei die Zeitvorgabe 20 Minuten praxisfremd. Der Gebrauch von Stoppuhren oder Minutenweckern in Arztpraxen
sei nicht üblich. Die Prüfzeiten der Anlage des EBM hätten nur Schätzcharakter und eine ganz andere Funktion. Es wäre Aufgabe
der Beklagten gewesen, bei Bedenken gegen die Abrechnung hinsichtlich der grundlegenden Voraussetzungen die Abrechnung zu
reklamieren und zur Ergänzung aufzufordern. Dafür wäre die Zweijahresfrist zu beachten gewesen. Würden in der Abrechnung die
Leistungen gem. Nr. 30130 (Desensibilisierung) und Nr. 04115 (Konsultation) abgerechnet, so würden nach dem "Katalog" fünf
Minuten (drei + zwei Minuten) jeweils in das Tagesprofil und das Quartalsprofil eingerechnet werden. Sie berücksichtige nicht
seinen Vortrag, dass die Zeiten kürzer zu bewerten seien. Die Beklagte habe ihn nicht aufgefordert, dies im Einzelnen darzulegen.
Die Impfziffern habe die Beklagte mit einer Minute Behandlungszeit eingerechnet. Es sei aber der Zeitfaktor mit 0 zu bewerten,
da es sich um Sonderregelungen handele. Dies habe ihm die Beklagte auch im Schreiben vom 10. Mai 2010 mitgeteilt.
Es treffe nicht zu, dass in seiner Praxis wesentliche Leistungen durch Praxisinteressenten oder seine Frau erbracht worden
seien. Es habe Praxisinteressenten gegeben, die sich im Wesentlichen in den Arbeitsablauf nicht eingeschaltet hätten. Es seien
keine selbstständigen Leistungen von diesen erbracht worden. Seine Ehefrau habe keine ärztliche Tätigkeit ausgeübt.
Die Beklagte trug vor, es sei eine der grundlegenden Pflichten jedes Vertragsarztes, die erbrachten Leistungen peinlich genau
abzurechnen. Auch wenn sich der Vertragsarzt elektronischer Abrechnungsprogramme bediene, entlaste ihn dies nicht davon, sich
vor Einreichung der Abrechnungsunterlagen an die Kassenärztliche Vereinigung wenigstens anhand von Stichproben zu vergewissern,
dass die dort enthaltenen Angaben frei von Fehlern seien, unabhängig davon, ob diese auf eigenen Falscheingaben oder auf Mängeln
der benutzten Software beruhten. Maßgeblich seien allein die Bestimmungen des EBM 2005 und die tatsächlich nach EBM abzuleistenden
Zeiten gemäß den abgerechneten Ziffern. Es bleibe der Vorwurf, dass mit dem klägerischen Vortrag, die Software sei fehlerhaft,
der Kläger selbst einräume, dass er anders abgerechnet hätte, wäre ihm bewusst gewesen, dass er einen plausiblen Zeitaufwand
überschreite. Der Kläger habe vorsätzlich mit seiner Abrechnung gegen die Leistungslegende verstoßen. Der Kläger habe auch
Gelegenheit gehabt, zu den Vorwürfen sowohl im Rahmen des Plausibilitätsverfahrens als auch im Rahmen des Widerspruchverfahrens
Stellung zu nehmen. Sie sei von den Vorgaben des Anhangs 3 im EBM nicht abgewichen. Sie habe die Leistungen nach Ziffer 04110
und 04111 nicht in die Tagesprofile eingerechnet. Der Ansatz von Prüfzeiten für Quartalsziffern im Tageszeitprofil habe allein
Darstellungsgründe und sei auf den Umstand zurückzuführen, dass ein Nebeneinander von Beratungsziffern, hier die Ziffer 04120
EBM, mit dem Ordinationskomplex (04110, 04111, 04112) eine Leistungszeit von weiteren zehn Minuten fordere. Dieses zusätzliche
Zeiterfordernis bilde sie durch die Darstellung des Ordinationskomplexes ab, so dass nachvollziehbar sei, ob die Beratungsziffer
in Verbindung mit dem Ordinationskomplex oder aber lediglich einzeln abgerechnet worden sei. Die Leistungen nach Ziffer 30130
EBM seien nur in geringem Umfang erbracht worden. Diese Leistungen erklärten nur einen unwesentlichen Teil der Überschreitungszeit
im Tagesprofil. Gleiches gelte für den klägerischen Vortrag zu den Impfziffern.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2010 abgewiesen, weil der angefochtene Honorarrückforderungsbescheid
der Beklagten vom 17. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 rechtmäßig sei.
Die Beklagte sei grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung. Nach §
75 Abs.
1 SGB V hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und
ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen
Erfordernissen entspricht. Nach §
75 Abs.
2 Satz 2 1. Halbsatz
SGB V hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den
Pflichten der Vertragsärzte gehöre unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen.
Die Kassenärztliche Vereinigung stelle die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest;
dazu gehöre auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten.
§
106a SGB V erstrecke die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung auf alle Bereiche, in denen sie aufgrund gesetzlicher Erweiterung
des Sicherstellungsauftrags (vgl. §
75 Abs.
3 bis 6
SGB V) auch die Abrechnung vornehme.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstrecke sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen
ordnungsgemäß - somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes
- erbracht worden sind. Solche Verstöße könnten z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang,
ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden
sind (Hinweis auf BSG, Urteil vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 = Breith 1999, 659 = USK 98163, zitiert nach juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden
sind, sei es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91 - SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 = BSGE 73, 234 = MedR 1994, 206 = NJW 1995, 1636 = USK 93141, juris Rdnr. 24 ff.; BSG, Urteil vom 8. März 2000 - B 6 KA 16/99 R - SozR 3-2500 § 83 Nr. 1 = BSGE 86, 30 = NZS 2001, 213 = USK 2000-111, juris Rdnr. 48). Tagesprofile seien ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt im Wege des Indizienbeweises
unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Für ihre Erstellung seien bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung
der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürften nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die
ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen hätten außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen
sei weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen,
dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht
ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspreche es, dass es sich hierbei
nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten
werden kann. Die Durchschnittszeit stelle sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der
statistische Mittelwert dar (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91 - aaO., Rdnr. 24 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Oktober 2007 - L 7 KA 56/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genüge bereits ein
beliebiger falsch abgerechneter Tag (Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
Ausgehend hiervon sei die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tagesprofile zu erstellen. Die Beklagte habe den Kläger durch
Übersendung des Anhörungsschreibens vom Februar 2008 ausreichend angehört. Der angegriffene Bescheid sei auch im Übrigen formell
rechtmäßig. Eine Darstellung, bei welchen Behandlungsfällen eine Nebeneinanderberechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der
Ziffer 04120 EBM 2005 bei der Erstellung der Tagesprofile erfolgt sei, sei nicht erforderlich. Für eine Anhörung reiche die
Übersendung der Tagesprofile mit einem Anhörungsschreiben aus, denn die Tageszeitprofile würden den Indizienbeweis für die
implausible Abrechnung erbringen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91 - aaO. - juris, Rdnr. 25), so dass für die Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X und für die Begründung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich keine weitergehende Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlich sei (Hinweis auf Beschluss
des erkennenden Senats vom 10. November 2009 - L 4 KA 70/09 B ER). Die Beklagte habe in zulässiger Weise in ihrer Satzung bestimmt, dass die Landesstelle als Widerspruchsstelle gemäß
§
85 SGG über einen Widerspruch entscheidet und bei ihr ein Widerspruchsausschuss gebildet wird, dem der Erlass von Widerspruchsbescheiden
übertragen wird (§ 5 Abs. 5 Buchst, a Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der Fassung vom 8. Mai 2004, geändert
durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 26. Juni 2004 sowie Beschluss der Vertreterversammlung vom 22. Januar 2005).
Es bestehe keine Rechtsnorm, die die Beklagte zur Benennung der Ausschussmitglieder im Widerspruchsbescheid verpflichten würde.
Der angegriffene Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte habe die Tagesprofile nicht falsch berechnet. Sie habe
die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM 2005 erstellt und bei einer Nebeneinanderabrechnung der Ziffern
04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 zutreffend im Behandlungsfall 20 Minuten angesetzt. Ziffer 04120 EBM 2005 "Beratung,
Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten" könne für je vollendete 10 Minuten angesetzt werden und werde
mit 150 Punkten berücksichtigt. Nach dem EBM 2005 sei aber bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 04110
und 04111 und 04120 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der
Leistung nach der Nr. 04120. Dies folge eindeutig aus der klaren und bestimmten Leistungslegende dieser Vorschriften. Bei
der die Leistungslegende ergänzenden Anmerkungen handele es sich um einen Teil des vom Bewertungsausschuss verabschiedeten
EBM, der insofern die eigentliche Leistungslegende ergänze. Sie gelte für den behandelnden Vertragsarzt und die Kassenärztliche
Vereinigung und normiere gleichfalls die Voraussetzungen für eine vollständige Leistungserbringung.
Gerade bei zeitlichen Vorgaben verbleibe kein Auslegungs- oder Interpretationsspielraum; solche Vorgaben seien schon aus diesem
Grund eindeutig und bestimmt. Der Arzt könne auch die Einhaltung der zeitlichen Vorgaben ohne großen Aufwand selbst kontrollieren,
da hierfür nur eine normale Uhr benötigt werde. Ein neuer Gebührentatbestand werde damit nicht geschaffen. Es sei daher nicht
zu beanstanden, dass die Beklagte die Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 mit
20 Minuten bewerte, ebenso wie es unerheblich sei, ob das vom Vertragsarzt verwendete Abrechnungsprogramm ihm diesen Zeitumfang
anzeige (Hinweis auf LSG Hessen, Beschluss vom 10. November 2009 - L 4 KA 70/09 B ER- und die vorausgehende Entscheidung der Kammer, SG Marburg, Beschl. v. 02.07.2009 S 12 KA 235/09 ER - ; SG Marburg, Urteil vom 13. Januar 2010 - S 12 KA 238/09 - ZMGR 2010, 116, Berufung anhängig HLSG - L 4 KA 7/10 -). Maßgeblich für die Abrechnung seien allein die Bestimmungen des EBM 2005. Der mit der Abrechnung geltend gemachte Zeitaufwand,
der zu den implausiblen Zeiten geführt habe, beruhe allein auf der Abrechnung des Klägers. Soweit der Kläger eine fehlende
zeitnahe Information des Beklagten rüge, räume er letztlich ein, er hätte anders abgerechnet, wäre ihm bewusst geworden, dass
er einen plausiblen Zeitaufwand überschreite. Die Abrechnung von Leistungen könne sich aber allein an der Erbringung der Leistung
orientieren und nicht an vermeintlichen Zeitkontingenten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung. Von daher bedürfe es auch
keiner Beratung vor Durchführung einer Plausibilitätsprüfung. Letztlich räume der Kläger damit ein, vorsätzlich mit seiner
Abrechnung gegen die Leistungslegende verstoßen zu haben. Von der Kammer sei nicht zu prüfen, inwieweit damit der Betrugstatbestand
des §
263 StGB erfüllt werde.
Nicht zu beanstanden sei auch der zeitliche Ansatz der Leistungen nach Ziffer 30130 EBM 2005 (Desensibilisierung) mit zwei
Minuten und Nr. 04115 EBM 2005 (Konsultation) mit drei Minuten. Auch könnten Impfleistungen berücksichtigt werden, da auch
hierfür ein tagesbezogener Zeitaufwand erforderlich sei. Im Übrigen sei der zeitliche Aufwand für diese Leistungen, wie die
Beklagte zutreffend ausgeführt habe, angesichts der z. T. sehr hohen Tagesprofile zu vernachlässigen.
Auf die Einhaltung der Quartalsprofile komme es nicht an. Mit der Überschreitung der Tagesprofile werde hinreichend nachgewiesen,
dass an diesen Tagen eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr möglich war. Dies treffe insbesondere auf die Beratungsleistungen
zu, die eine strikte Zeitvorgabe durch den EBM 2005 hätten. Erst bei Erreichen der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer
sei der Leistungsinhalt vollständig erbracht und könne die Leistung abgerechnet werden. Ein Zusammenhang mit den Quartalsprofilen
bestehe nicht. Im Übrigen sei der Kläger auch in allen Quartalsprofilen auffällig. Ein Quartalsprofil von 1.000 und mehr Stunden
bedeute eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit - ohne die hierfür notwendigen weiteren Arbeitszeiten von zwei bis drei Stunden
täglich - von 77 und mehr Stunden bzw. - bei einer 5-Tage-Woche - über das gesamte Quartal hinweg von täglich 15 1/2 Stunden
und mehr.
Delegationsfähige Leistungen würden bei den Tagesprofilen nicht mitgerechnet. Nur solche Leistungen würden berücksichtigt,
deren Prüfzeit eine Eignung im Tageszeitprofil aufweisen. In der Prüfzeit werde lediglich die ärztliche Zeit abgebildet.
Bei der Plausibilitätsprüfung handele es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Auf eine Einzelfallprüfung der Behandlungen
komme es nicht an. Mit dem Nachweis der Implausibilität werde der zulässige Nachweis einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung
erbracht. Einer weitergehenden Einzelfallprüfung oder des Nachweises in jedem Einzelfall bedürfe es dann nicht. Wie auch immer
geartete Praxisbesonderheiten könnten daher nicht berücksichtigt werden.
Nicht zu beanstanden sei auch die Annahme, dass bei Tagesprofilen von über 16 Stunden bzw. bei wenigsten drei Tagesprofilen
von über 12 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr gegeben sei. Im Rahmen des Schätzungsermessens
seien daher auch nicht vermeintliche Praxisbesonderheiten des Klägers zu berücksichtigen. Auf einen Vertrauensschutz könne
sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass sie die Abrechnungsweise
des Klägers für zutreffend halte oder dass sie von einer Berichtigung absehen werde. Nichtstun allein könne einen Vertrauenstatbestand
nicht begründen.
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs sei nicht eingetreten. Die Beklagte könne eine Berichtigung
innerhalb von vier Jahren vornehmen (Hinweis auf BSG Urteil vom 15. November 1995-6 RKa 57/94 - SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 und BSG, Urteil vom 28. März 2007 - B 6 KA 22/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 Rdnr. 16 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsehe, gälte
dies nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen
(vgl. Ziff. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung). Tagesprofile seien zunächst lediglich ein Aufgreifkriterium,
um eine nähere Prüfung des Abrechnungsverhaltens eines Vertragsarztes durchzuführen. Auch von daher könne im Regelfall eine
Prüfung erst nachträglich erfolgen.
Nicht zu beanstanden sei auch die Berechnung des Berichtigungsbetrages. Im Rahmen ihres Schätzungsermessens habe die Beklagte
den Leistungsanteil abgeschöpft, der auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 12 Stunden entfällt. Letztlich habe
sie einen erwirtschafteten Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt und auf diese Weise alle Vergütungsanteile
und evtl. Sachkostenerstattungen einbezogen. Dies sei nicht zu beanstanden. Die letztlich hier zu Tage tretende systematisch
fehlerhafte Abrechnung habe die Beklagte damit zu Gunsten des Klägers letztlich nur auf die Tage bezogen, an denen eine Überschreitung
der 12-Stunden-Grenze vorliege.
Gegen dieses dem Kläger am 16. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat dieser am 17. Januar 2011 (einem Montag) Berufung beim
Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er beanstandet, dass die Beklagte bisher nicht erklärt habe, welche Abrechnungen,
in welcher Art und Weise und in welcher Anzahl fehlerhaft seien und weist auf sein Vorbringen in erster Instanz hin. Hervorzuheben
sei, dass mit Beginn des Quartals II/2005 mit dem EBM 2000 ein gänzlich neues Abrechnungssystem in Kraft getreten sei und
es sich in der Folgezeit herausgestellt habe, dass die von ihm erworbene Software fehlerhaft gewesen sei. Der Beklagten sei
die Fehlerhaftigkeit der Software bekannt gewesen, sie habe die Pflicht gehabt, ihn auf die Fehlerhaftigkeit hinzuweisen,
was sie nicht getan habe. Es treffe sie eine Mitschuld. Die eingetretenen Abrechnungsfehler beruhten nicht auf Vorsatz oder
Fahrlässigkeit von ihm. Der Rückforderungsbescheid sei verspätet, es sei abwegig, die entscheidenden Fristen erst mit dem
Versenden der Abrechnung beginnen zu lassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8. Dezember 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. März 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts sei zu Recht ergangen. Ihr Vorgehen bei der Prüfung der eingereichten Abrechnungsunterlagen
des Klägers auf Plausibilität durch Erstellung von Tagesprofilen entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Im Ergebnis habe der
Kläger mithin an 218 Behandlungstagen mehr als 12 h, darunter 75 Tage mit mehr als 16 h auf zeitbewährte prüffähige EBM-Leistungen
verwendet. Sie weist nochmals auf den Unterschied zwischen den im EBM ausgewiesenen Zeiten, die eine Abrechnungsfähigkeit
der Leistung regeln und den im Anhang drei zum EBM für die Plausibilitätsprüfung zugrunde zu legenden Zeiten hin. Die Tagesprofile
seien von der Beklagten anhand der vom Kläger selbst eingereichten Honorarabrechnung berechnet worden, für Fehler bei der
Abrechnung sei allein der Vertragsarzt verantwortlich. Quartalsziffern hätten tatsächlich keinen unzulässigen Eingang in die
Tagesprofile gefunden, sie erläutert die Vorgehensweise beispielhaft anhand des 1. April 2005. Es bleibe daher dabei, dass
der Kläger Leistungen ausweislich der Tagesprofile in einem derartigen Umfang abgerechnet habe, dass dieser ohne Zweifel nicht
mehr den im EBM ausgewiesenen Zeiten und damit auch in qualitativer Hinsicht nicht mehr ärztlichem Standard entsprechen konnten.
Auch der Rückforderungsbescheid für das Quartal II/2005 sei innerhalb der festgelegten vierjährigen Frist (§ 3 Abs. 2 S. 1
der Verfahrensordnung zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen der kassenärztlichen Vereinigung Hessen gem. §
106a Abs.
2 SGB V) ergangen. Der Kläger selbst räume ein, seiner Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung nicht nachgekommen zu sein, diese
Pflicht stelle jedoch eine Grundpflicht des Vertragsarztes gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen
dar. Die Garantiefunktion der Abrechnung als Sammelerklärung sei wegen der aufgrund des Sachleistungsprinzips im Vertragsarztrecht
auseinanderfallenden Beziehungen bei der Leistungserbringung und den damit verbundenen Kontrolldefiziten unverzichtbar. Die
Richtigkeit der Angaben auf den Behandlungsausweisen könne nur in engen Grenzen überprüft werden, Kontrollen seien mit erheblichem
Aufwand und unsicheren Ergebnissen verbunden. Die Sammelerklärung sei Voraussetzung der Vergütung der von dem Vertragsarzt
abgerechneten Leistungen, erweise sich diese als falsch, könne sie ihre Garantiewirkung nicht mehr erfüllen, eine Voraussetzung
für die Festsetzung des Honoraranspruchs des Arztes fehlte sodann. Das Sozialgericht führe in seiner Entscheidung zutreffend
aus, dass der Kläger, soweit er eine fehlende zeitnahe Information durch die Beklagte rüge, letztlich einräume, er hätte anders
abgerechnet, wäre ihm bewusst geworden, dass er einen plausiblen Zeitaufwand überschreitet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten, der Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8. Dezember 2010 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2009 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte
hat aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsforderung zu Recht Honorarrückforderungen in Höhe von 34.712,06 EUR netto (bezogen
auf die Quartale II/05-III/06) festgesetzt.
Im Übrigen ergeben sich aus den klägerischen Ausführungen im Berufungsverfahren weder konkreten Anhaltspunkte für eine rechtswidrige
Überschreitung des Gestaltungsspielraums des Bewertungsausschusses noch Hinweise auf eine rechtswidrige Umsetzung dieser Vorschriften
durch die Beklagte. Der Kläger hat vielmehr trotz mehrmaliger Belehrung durch die Beklagte und das Sozialgericht in der mündlichen
Verhandlung am 8. Dezember 2014 vor dem Senat nochmals die Auffassung vertreten, er sei berechtigt (gewesen), die Mitarbeit
von Kaufinteressenten in seiner Praxis abzurechnen. Er hat damit (abermals) selbst eingeräumt, dass er Fremdleistungen als
persönlich erbrachte Leistungen abgerechnet, und damit (auch im Hinblick auf das ungewöhnlich hohe Maß an Zeitüberschreitungen)
zumindest grob fahrlässig falsch abgerechnet hat. Der von dem Kläger behauptete Fehler in der von ihm benutzten Software ist
dabei (und im vorliegenden insgesamt) unerheblich.
Auch ist nicht von einer fehlerhaften Ausübung des Schätzungsermessens hinsichtlich der Honorarberichtigung auszugehen. Der
Beklagten kommt hierbei ein weites Schätzungsermessen zu (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6RKa 86/95, Juris Rn. 23). Bei Schätzungen besteht jedoch kein der Gerichtskontrolle entzogener
Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen.
Die Verpflichtung zur eigenen Schätzung bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht nunmehr erneut alle Schätzungsgrundlagen
erhebt und eine völlig eigene Schätzung vornimmt. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält,
reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu Eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht
(vgl. BSG SozR 4100 § 115 Nr. 2, S. 14; BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6RKa 86/95, Juris Rn. 28). Insoweit macht sich der Senat die zutreffenden Ausführungen in
den Bescheiden der Beklagten zu Eigen. Diese hat nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass sie je Quartal die Zeiten über
12 Stunden addiert und ins Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit (Angaben in Minuten) gesetzt hat und um den daraus ermittelten
Überschreitungsprozentsatz die Nettohonorarforderungen der jeweiligen Quartale reduziert hat. Angesichts der konkreten Umstände
des Falles erscheint dies als eine für den Kläger großzügige Regelung.