Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Abrechenbarkeit von Leistungen nach der Nr. 19 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes-Ärzte
(EBM-Ä) im Rahmen des von der Beklagten organisierten Notdienstes in den Quartalen II/03 und III/03.
Der Kläger ist seit dem 1. September 2002 privat niedergelassener Arzt und arbeitet seit 1999 als Arzt im ärztlichen Not-
bzw. Notfalldienst in verschiedenen Notdienstbezirken.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung die vom Kläger für
das Quartal II/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes in den Notdienstbezirken
der Stadt UH. und des PR.Kreises. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2004
statt.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung die vom Kläger für
das Quartal II/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes in den Notdienstbezirken
AB. und Wetterau-West. Mit Honorarbescheid vom 16. März 2004 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal III/03
ohne Berücksichtigung der von ihm berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes in den
Notdienstbezirken AB. und Wetterau-West fest. Mit Bescheid vom 24. März 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen
Berichtigung die vom Kläger für das Quartal III/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes
in den Notdienstbezirken der Stadt UH. und des PR.Kreises. Die gegen die Bescheide vom 29. Januar 2004, 16. März 2004 und
24. März 2004 jeweils erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2004 als unbegründet
zurück. Mit weiterem Bescheid vom 28. Juli 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung die
vom Kläger für das Quartal IV/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes. Den hiergegen
am 10. August 2004 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2004 als unbegründet
zurück.
Am 16. August 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2004 erhoben, am 23. Oktober 2004 hat er im Wege der Klageerweiterung
den Widerspruchsbescheid vom 20. September 2004 angefochten.
Mit Urteil vom 28. Juni 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, bei der gebotenen Interpretation der Leistungsbeschreibung
der Nr. 19 EBM-Ä ergebe sich, dass damit der Mehraufwand abgegolten werde, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich
begleite und betreue, der wegen einer - regelmäßig dauerhaften - erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und
eventuelle Veränderungen in seinem Gesundheitszustand selbst keine Angaben machen könne. Diese Zielsetzung der Leistung, die
auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwands typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei,
werde dadurch verdeutlicht, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal je Quartal) abrechenbar ist (so BSG,
Urteil vom 5. Februar 2003, Az.: B 6 KA 11/02 R). Das Erfordernis kontinuierlicher Begleitung und Betreuung des Patienten sei aber typischerweise dem Grunde nach nicht erfüllt
bei einer Fremdanamneseerhebung bzw. bei Kontakten mit entsprechenden Bezugspersonen im Rahmen eines Notdienst- bzw. Bereitschaftsdienstarzteinsatzes.
Dabei sei es unerheblich, ob im Einzelfall quantitativ oder qualitativ ärztliche Tätigkeiten erbracht würden, die der Leistung
nach Nr. 19 EBM-Ä der Sache nach vollauf entsprechen, da die Abrechenbarkeit dadurch ausgeschlossen werde, dass die Leistung
bereits dem Grunde nach im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst nicht erbracht werden könne. Eine systematische Interpretation
unter Heranziehung der ergänzenden Anmerkungen zur Berechnungsfähigkeit der Leistung der Nr. 19 EBM-Ä neben Leistungen nach
Nrn. 846 bzw. 840 und 847 EBM-Ä bestätige dieses Ergebnis. In diesen Leistungspositionen werde im Rahmen der psychiatrischen
Behandlung von Kindern und Jugendlichen nach Abschnitt G II des EBM-Ä der Aufwand abgegolten, der dem Arzt entstehe, weil
er längere Beratungs- bzw. Anleitungsgespräche mit den Bezugspersonen von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen führen
müsse. Auch hier werde eine Intensität der Begleitung und Betreuung angesprochen, die eine entsprechende Dauerkomponente beinhalte,
wie sie bei der ärztlichen Aufgabenstellung im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst dem Grunde nach nicht gegeben sei. Im Übrigen
sei zu berücksichtigen, dass eine Erhebung von Daten bei Dritten und Kontakte mit Bezugspersonen im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst
durch die Notfallordinationsgebühr mit 220 Punkten abgegolten werden. Daraus, dass Leistungen nach den Nrn. 12, 14, 15, 16
und 20 EBM-Ä im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes bzw. bei Notfallbehandlungen nicht berechnungsfähig seien, könne nicht
der Umkehrschluss dahingehend gezogen werden, dass Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä berechnungsfähig sind, zumal es sich bei den
Leistungen nach den Nrn. 12, 14, 15 und 16 EBM-Ä um eigenständige Betreuungsleistungen handle, die erst durch ihre Kontinuität
vergütungsfähig würden. Schließlich sei auch in der Leistungsbeschreibung der Nr. 20 EBM-Ä als einer weiteren eigenständigen
Betreuungsleistung das Erfordernis kontinuierlicher Betreuung nicht ausdrücklich erwähnt worden. Die vorgenommene Interpretation
werde gestützt durch die Betrachtung der ärztlichen Aufgabenstellung im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst. Im Rahmen dieses
Dienstes könne nämlich keine optimale, nicht einmal eine normale ärztliche Versorgung erwartet werden; der Notfall- bzw. Bereitschaftsdienstarzt
müsse lediglich mit praxisbezogener Sachkunde den typischen Notfallsituationen des Bereitschaftsdienstes gewachsen sein und
in der Regel wenigstens durch Sofortmaßnahmen im Sinne einer vorläufigen Versorgung die Zeit bis zum Einsetzen einer normalen
ärztlichen Versorgung überbrücken können. Diesbezüglich habe sich auch nichts durch die Neufassung des §
75 Abs.
1 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (
SGB V) in der Fassung des 2. GKV-NOG vom 23. Juni 1997 (BGBl. I S. 1520) geändert, wonach die Sicherstellung auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst)
umfasse, während zuvor auf die Sicherstellung auch eines ausreichendes Notdienstes abgestellt wurde. Durch diese gesetzliche
Änderung sollte nichts am Charakter des Notdienstes geändert werden; es sei dem Gesetzgeber lediglich darum gegangen, die
notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes aus dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen auszugliedern,
da diese keine typischerweise vertragsärztliche Aufgabe sei.
Gegen das ihm am 31. August 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. September 2006 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
eingelegt. Er stützt sich insbesondere auf das Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 11. Juli 2006, Az.: L 4 KA 24/05, in dem die Abrechenbarkeit der Nr. 19 EBM-Ä für Anästhesisten bejaht wurde. Weder der Wortlaut noch irgendwelche Abrechnungsbestimmungen
würden einen Hinweis darauf geben, dass bestimmte Arztgruppen von der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä ausgeschlossen seien. Die
Grenzen für die Heranziehung weiterer Kriterien der Anwendung des EBM-Ä über den Wortlaut hinaus seien nach ständiger Rechtsprechung
des BSG eng. Einschränkende Auslegungen seien generell unzulässig (Urteil des BSG vom 5. Februar 2003, Az.: B 6 KA 11/02 R). Nach dem Urteil des BSG sei der Kreis der Personen, bei denen die Fremdanamnese erhoben werden könne, auf solche aus dem
Interaktionsfeld des Patienten begrenzt. Daher sei die Nr. 19 EBM-Ä von vornherein nicht berechnungsfähig, wenn der Arzt im
Notarztwageneinsatz Personen befrage, die den Patienten nicht kennen und allenfalls Angaben darüber machen könnten, wie es
gegebenenfalls zu einem Unfall mit der Folge einer gesundheitlichen Schädigung gekommen sei, bzw. in welchem äußeren Zustand
sie den Patienten an einem bestimmten Ort angetroffen hätten. Im Rahmen der systematischen Interpretation habe das BSG ausgeführt,
dass mit der Nr. 19 EBM-Ä der Mehraufwand abgegolten werden solle, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich
begleite und betreue, der wegen einer - regelmäßig dauerhaften - erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und
eventuelle Veränderungen in seinem Gesundheitszustand selbst keine Angaben machen könne. Diese Ausführungen des BSG würden
sich nicht auf eine Tätigkeit im ärztlichen Notdienst übertragen lassen. Insbesondere handele sich bei der Leistungsbeschreibung
der Nr. 19 EBM-Ä nicht um einen interpretationsbedürftigen Wortlaut. Vorausgesetzt werde lediglich die Erhebung der Fremdanamnese,
was vom Wortlaut her nichts weiteres voraussetze als die Erhebung der Anamnese, die im Regelfall nicht durch ein Gespräch
mit den Patienten selbst, sondern mit Personen, die aus seinem familiären Umfeld stammen, durchgeführt werde. Aus dem weiteren
systematischen Kontext ergebe sich nicht, dass eine (kontinuierliche) Betreuung Voraussetzung für die Abrechnung der Nr. 19
EBM-Ä sei. In Nr. 20 EBM-Ä sei ausdrücklich der Begriff "Betreuung" enthalten; in den Leistungsbeschreibungen der Nrn. 14,
15 und 16 EBM-Ä werde eine kontinuierliche Betreuung vorausgesetzt, in den Nrn. 14, 15 und 20 EBM-Ä mindestens 5 Arzt-Patientenkontakte
im Behandlungsfall, in der Nr. 19 EBM-Ä würden derartige Vorgaben gerade nicht gemacht. Zu demselben Ergebnis komme auch das
Urteil des LSG Schleswig Holstein (aaO.), in dem die Abrechenbarkeit der Nr. 19 EBM-Ä für einen Anästhesisten, der fast ausschließlich
bei einem Zahnarzt ambulante Narkosen durchführe, bejaht werde. Obwohl der Narkosearzt den Patienten während des Eingriffs
beim Zahnarzt meist nur ein einziges Mal sehe, stelle das LSG bei der Beurteilung der Frage nach der Berechnungsfähigkeit
der Nr. 19 EBM-Ä darauf ab, dass der Narkosearzt im Gegensatz zu dem Arzt im Notarztwageneinsatz eine eigene Behandlung am
Patienten vornehme. Es komme ausschließlich darauf an, dass der Anästhesist im Rahmen seiner Behandlung zwingend darauf angewiesen
sei, bei dem Patienten eine Fremdanamnese zu erheben, um mögliche Komplikationen bei der Narkose zu vermeiden. Genau so verhalte
es sich bei einem Arzt, der die Fremdanamnese im Rahmen des ärztlichen Notdienstes erhebe. Dieser erbringe ebenfalls wie der
Narkosearzt in dem genannten Urteil eine eigene Behandlung am Patienten. Dies unterscheide die Tätigkeit wesentlich von der
eines Arztes im Notarztwagen, dessen Aufgabengebiet ausschließlich auf die Erstversorgung akut lebensgefährlicher Kranker
und deren Transport in das nächstgelegene Krankenhaus beschränkt sei. Die Aufgabenstellung im ärztlichen Notdienst sei zwar
insoweit begrenzt, als es sich bei dieser Tätigkeit um eine vorläufige Versorgung der Patienten handle, bis diese zu den regulären
Sprechzeiten weiter versorgt werden können. Dies ändere aber nichts daran, dass auch der Arzt im ärztlichen Notdienst häufig
eine Fremdanamnese im Sinne der Leistungslegende erbringen müsste, um den Patienten auch in diesem Rahmen sinnvoll und unter
Vermeidung etwaiger Komplikationen behandeln zu können.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide
vom 29. Januar 2004 und 16. März 2004 und Aufhebung des Bescheids vom 24. März 2004 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids
von 19 Juli 2004 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 28. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September
2004 zu verurteilen, seine Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä zu vergüten, soweit die Ursachen der Kommunikationsstörungen nach
Nr. 19 EBM-Ä gegeben sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Auch das vom Kläger vorgelegte Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 11.
Juli 2006 führe zu keiner anderen Beurteilung. Das LSG habe festgestellt, dass ein vertragsärztlich tätiger Anästhesist über
die kurzfristige Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen hinaus selbst eine Behandlung des Patienten vornehme. Insofern sei
er für seine Behandlung auf eine sorgfältige Anamnese angewiesen. Anders als bei einem Notarzt im Notarztwagendienst sei bei
einem Anästhesisten davon auszugehen, dass er bei den von der Nr. 19 EBM-Ä erfassten Patienten die mit dieser Leistungsziffer
abgegoltene Leistung zwingend erbringen müsse, sofern sie nicht bereits zuvor von einem anderen Arzt erbracht worden sei.
Hiermit sei der im ärztlichen Bereitschaftsdienst tätige Kläger jedoch nicht vergleichbar. Dieser sei nicht zwingend auf eine
umfangreiche Anamnese angewiesen, sondern habe vielmehr ähnlich dem Arzt im Notarztwagendienst keine übliche und normale ärztliche
Versorgung, sondern in der Regel nur Sofortmaßnahmen zur Überbrückung der Zeit bis zum Einsetzen der normalen vertragsärztlichen
Versorgung zu erbringen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten
Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt
haben (§
153 Abs.
1 i. V. m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Urteil des SG vom 28. Juni 2006, die Bescheide der Beklagten vom 29. Januar 2004, 16. März 2004 und 24. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19. Juli 2004 sowie der Bescheid vom 28. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2004 sind rechtlich
nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung für die von ihm erbrachten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä
im Rahmen des von der Beklagten organisierten Notdienstes für die streitgegenständlichen Quartale.
Der erkennende Senat nimmt insoweit gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG Bezug, das sich zutreffend auf das Urteil des BSG vom 5. Februar 2003, Az.: B 6 KA 11/02 R gestützt hat. Hingegen führt das vom Kläger zur Stützung seiner Argumentation herangezogene Urteil des LSG Schleswig-Holstein
vom 11. Juli 2006, Az.: L 4 KA 24/05, in dem die Abrechenbarkeit der Nr. 19 EBM-Ä für Anästhesisten bejaht wurde, nicht zu einer anderen Beurteilung.
In den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten liegt eine Vergleichbarkeit des ärztlichen Notdienstes mit dem Notarztwagendienst
vor, zu dem die Entscheidung des BSG vom 5. Februar 2003, aaO., ergangen ist (vgl. bereits Urteil des erkennenden Senats vom
26. September 2007, Az.: L 4 KA 656/06), nicht hingegen mit den von Anästhesisten erbrachten Behandlungen, die Gegenstand des Urteils des LSG Schleswig-Holstein
vom 11. Juli 2006, aaO., waren.
Die Fremdanamnese im Sinne der Nr. 19 EBM-Ä umfasst nach der Rechtsprechung des BSG die Erhebung der lebensgeschichtlichen
und sozialen Daten des betroffenen Patienten durch Befragung anderer Personen aus seinem Interaktionsfeld unter Einbeziehung
der Erfahrungen und Beobachtungen, die die Befragten mit dem Kranken gemacht haben. Die Fremdanamnese bei kommunikationsgestörten
Patienten soll dem Arzt die Information verschaffen, die er für die sachgerechte Beurteilung und Behandlung der Erkrankung
benötigt, von dem betroffenen Patienten wegen dessen Kommunikationsstörung aber nicht erhalten kann. Deshalb ist der Kreis
der Personen, bei denen die Fremdanamnese erhoben werden kann, auf solche aus dem Interaktionsfeld des Patienten beschränkt.
Zwar dürften in den Fällen des ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes im Rahmen der Anamnese regelmäßig nicht fremde Personen,
sondern Personen aus dem Interaktionsfeld wie Angehörige, Ehepartner usw. befragt werden, und ist der Tatbestand der umfassenden
Datenerhebung im Sinne der Nr. 19 EBM-Ä nicht schon aus diesem Grund ausgeschlossen.
Allerdings kann im Unterschied zu den von Anästhesisten erbrachten Behandlungen nicht angenommen werden, dass die in Nr. 19
EBM-Ä beschriebene Leistung im Rahmen des ärztlichen Notdienstes zwingend erbracht werden muss. Vielmehr ist - ähnlich wie
für die im Rahmen des Rettungsdiensteinsatzes zu treffenden ärztlichen Entscheidungen - davon auszugehen, dass es typischerweise
nicht der Erhebung einer umfassenden Fremdanamnese bedarf, die im Allgemeinen der behandelnde Arzt bereits vorgenommen hat
oder vornehmen wird (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2003, aaO.; Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 2007, aaO.).
Dies folgt aus der im ärztlichen Notdienst gegenüber dem generellen ärztlichen Behandlungsauftrag eingeschränkten ärztlichen
Aufgabenstellung. Im ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst ist nicht die volle ärztliche Versorgung wie während der üblichen
Sprechstundenzeiten zu erbringen, sondern in dringenden Fällen die Behandlung nur zur Überbrückung bis zu den üblichen Sprechstundenzeiten
des behandelnden Arztes oder auch bis zur Überweisung in ein Krankenhaus. Der Arzt, der nach Abschluss der Erstversorgung
die umfassende Behandlung des Patienten übernimmt oder durchführt, muss sich ohnehin entsprechende Informationen bei den Angehörigen
oder Bezugspersonen des betroffenen Patienten beschaffen, soweit die krankheits- oder unfallbedingte Kommunikationsstörung
längere Zeit andauert. Dieser gegenüber dem generellen vertragsärztlichen Behandlungsauftrag eingeschränkten ärztlichen Aufgabenstellung
entsprechen auch die Anforderungen an die Eignung für den ärztlichen Notdienst durch die Rechtsprechung des BSG. Danach ist
für den vertragsärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst jeder Arzt geeignet, der mit praxisbezogener Sachkunde den typischen
Notfallsituationen des Bereitschaftsdienstes in der Regel wenigstens mit Sofortmaßnahmen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen
Versorgung gerecht zu werden vermag. Dabei ist das BSG von der Erwägung ausgegangen, dass im Rahmen des Notfalldienstes keine
optimale, nicht einmal eine "normale" ärztliche Versorgung erwartet werden kann; der Notarzt müsse nur den "typischen" Notfallsituationen
gewachsen sein und wenigstens durch "Sofortmaßnahmen" (im Sinne einer vorläufigen Versorgung) die Zeit bis zum Einsetzen einer
normalen Versorgung überbrücken können (BSGE 33, 165, 166; BSGE 44, 253, 257).
Nach der zuvor zitierten Entscheidung des BSG (Urteil vom 5. Februar 2003, aaO.) steht auch die systematische Stellung der
Nr. 19 EBM-Ä im Kontext von anderen Beratungs- und Betreuungsleistungen der Abrechenbarkeit dieser Leistung bei der Erhebung
von Daten entgegen. Eine solche systematische Interpretation ist ergänzend zu einer Klarstellung des Wortlauts einer Leistungslegende
statthaft, soweit eine Gesamtschau der in einem inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen
vorgenommen wird (BSG SozR 3-5533 Nr. 115 Nr. 1 S. 3; SozR aaO. Nr. 1460 Nr. 1 S. 2). Mit der Nr. 19 EBM-Ä soll der Mehraufwand
abgegolten werden, der dem Arzt entsteht, der einen Patienten kontinuierlich begleitet und betreut, der wegen einer - regelmäßig
dauerhaften - erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und eventuelle Veränderungen in seinem Gesundheitszustand
selbst keine Angaben machen kann. Diese Zielsetzung der Leistung, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwands typischerweise
im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet ist, wird dadurch verdeutlicht, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall
(also einmal je Quartal) abrechenbar ist. Die Behandlung im ärztlichen Notdienst ist ihrer Natur nach nicht auf Kontinuität
ausgerichtet, sondern soll nur zeitliche Lücken in der üblichen ärztlichen Behandlung überbrücken und erfüllt schon deshalb
nicht den zuvor beschriebenen Zweck der Nr. 19 EBM-Ä (Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 2007, aaO.).
Unabhängig davon, ob die hier streitigen Abrechnungen der Nr. 19 EBM-Ä überhaupt in jedem Einzelfall ihre Ursache in psychischen,
hirnorganischen oder krankheitsbedingten Veränderungen finden, steht dem Kläger hierfür im von der Beklagten organisierten
ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst kein Vergütungsanspruch zu.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung der Nr. 19 EBM-Ä für den ärztlichen
Notfalldienst grundsätzliche Bedeutung beimisst (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).