LSG Hessen, Urteil vom 04.11.2009 - 4 KA 64/08
Vorinstanzen: SG Marburg 18.06.2008 S 12 KA 129/08
Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte und die Beigeladene zu 1) jeweils zur
Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 8) sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.556,00 EUR festgesetzt.
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Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Ermächtigung der Klägerin zur Erbringung von Leistungen nach Nrn. 01820 und 01821 bzw. 01900
EBM 2005.
Die Klägerin ist approbierte Ärztin und bei Pro Familia, Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung
e. V., Ortsverband A-Stadt, in der dortigen Beratungsstelle A-Stadt beschäftigt.
Erstmals 1988 und zuletzt mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom
31. November 2004 war die Klägerin zur ärztlichen Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, abzurechnen
nach der Nr. 90 EBM 1996 - längstens bis zum Abschluss eines Vertrages gemäß § 75 Abs. 9 SGB V - und zur ärztlichen Beratung über Fragen der Empfängnisregelung, abzurechnen nach den Nrn. 165 und 170 EBM 1996, befristet
bis zum 31. Dezember 2006 ermächtigt.
Die Klägerin beantragte am 11. August 2006 die Verlängerung ihrer Ermächtigung. Die Beigeladene zu 1) nahm hierzu Stellung
und empfahl, den Antrag auf erneute Ermächtigung abzulehnen. Die Klägerin habe in den letzten 4 Quartalen durchschnittlich
77 Fälle pro Quartal abgerechnet. Im Planungsbereich A-Stadt seien niedergelassene Vertragsärzte zur Schwangerschaftskonfliktberatung
ernannt worden. Diese erbrächten Leistungen nach den Nrn. 01820 und 01821 EBM 2005 und verfügten über freie Behandlungskapazitäten.
Es sei bisher nicht berücksichtigt worden, dass die in den Beratungsstellen eingestellten Ärztinnen und Ärzte im allgemeinen
nicht über eine Facharztausbildung verfügten und somit auch die bisher in den Ermächtigungskatalogen zugestandenen ärztlichen
Beratungsleistungen über die Erhaltung und den Abbruch einer Schwangerschaft, abzurechnen nach der Nr. 01900 EBM 2005 entsprechend
I.1.3. der geänderten allgemeinen Bestimmungen, nicht mehr per se abrechnen könnten. Die gynäkologische Versorgung werde durch
die niedergelassenen Ärzte sichergestellt.
Die Klägerin trat dem entgegen und führte aus, es gehe um Beratungen zum Schwangerschaftsabbruch, die von niedergelassenen
Gynäkologen gar nicht oder nur in Einzelfällen angeboten würden. Pro Familia berate schwerpunktmäßig in so genannten sozialen
Brennpunkten Frauen, die in der Regel keine Frauenarztpraxen aufsuchten. Die Beratungen erfolgten häufig außerhalb der üblichen
Sprechzeiten. Vermehrt würden die Beratungen von Pro Familia von Frauen aus sozialen Randgruppen in Anspruch genommen.
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 ermächtigte der Zulassungsausschuss die Klägerin erneut zur Erbringung von Leistungen,
abzurechnen nach Nrn. 01820 und 01821 EBM 2005 sowie Nr. 01900 EBM 2005 - längstens bis zum Abschluss eines Vertrages gemäß
§ 75 Abs. 9 SGB V - befristet bis zum 31. Dezember 2008. Es bestehe ein Anspruch auf die Ermächtigung, weil die Zielgruppe der Beratung durch
die Beratungsstelle Pro Familia Frauen aus sozial randständigen Gruppen seien, welche erfahrungsgemäß weder bereit noch in
der Lage seien, die Möglichkeiten der niedergelassenen Ärzteschaft in Anspruch zu nehmen. Diese Gruppe sei unterversorgt,
so dass eine Versorgungslücke bestehe, die nur durch die Ermächtigung zu schließen sei.
Hiergegen legte die Beigeladene zu 1) am 27. Februar 2007 unter Verweis auf ihre frühere Stellungnahme Widerspruch ein und
führte zur Begründung weiter aus, die Ermächtigung sei nicht vertretbar, weil aufgrund einer von ihr durchgeführten Bedarfsprüfung
festzustellen sei, dass kein Sicherstellungsdefizit bestehe und die Klägerin darüber hinaus die erforderlichen Qualifikationen
nicht erfülle, da eine Facharztausbildung fehle.
Mit Beschluss vom 31. Januar 2008, ausgefertigt am 8. April 2008 und zugestellt am 9. April 2008, hat der Beklagte auf den
Widerspruch der Beigeladenen zu 1) den Beschluss des Zulassungsausschusses aufgehoben. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin
habe sich entsprechend fortgebildet und erbringe die Leistungen nach Nr. 01900 EBM 2005 aufgrund mehrjähriger Ermächtigung
als auch in ihrer Einrichtung, so dass nicht ersichtlich sei, warum es ihr an Kenntnissen und Erfahrungen für die Erbringung
der Leistungen nach Nr. 01900 EBM 2005 fehlen solle. Damit sei davon auszugehen, dass die Klägerin grundsätzlich die notwendige
persönliche Qualifikation für eine Ermächtigung zur Erbringung von Leistungen nach der Gebührenziffer erbringe. Dasselbe gelte
für die Leistung gemäß der Gebührenziffer 01820 und 01821 EBM 2005. Nach der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts
(Beschluss vom 30. Mai 2007 - L 4 KA 20/07 ER -) seien auch Ärzte, die nicht Fachärzte für Gynäkologie seien, zur Abrechnung dieser Leistungen berechtigt, sofern entsprechende
Leistungen vor dem 31. Dezember 2002 durchgeführt und abgerechnet worden seien, was hier der Fall sei. Es fehle allerdings
die weitere Voraussetzung, nämlich der Bestand einer Versorgungslücke in der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beigeladenen zu 1) sei zwischen den Beteiligten nicht strittig, dass im Planungsbereich
die Leistungen gemäß den streitbefangenen Gebührenziffern in ausreichendem Maße von niedergelassenen Fachärzten der Gynäkologie
erbracht würden und dass diese Fachärzte auch über ausreichende freie Kapazitäten jedenfalls in dem Umfang verfügten, in dem
die Klägerin in der Vergangenheit diese Leistungen erbracht habe und künftig erbringen wolle. Das von der Klägerin angestrebte
Leistungsspektrum stelle nicht in erster Line ein Angebot der medizinischen Versorgung der Versicherten dar. Die Klägerin
räume selbst ein, dass die Leistung gemäß den Gebührenziffern 01820, 01821 und 01900 EBM quantitativ wie qualitativ von den
niedergelassenen Gynäkologen erbracht werden könnten. Lediglich die Schwellenangst der Adressatin dieser Leistung müsse durch
eine besondere Gestaltung der Erbringung dieser Leistung minimiert werden. Damit liege der Schwerpunkt der intendierten Tätigkeit
nicht in einer Leistungsart im Sinne des SGB V. Vielmehr sei festzustellen, dass der Schwerpunkt dieser Arbeit in der Überwindung der Zugangsprobleme des Klientels bestehe.
Es handele sich nach der Beschreibung der Klägerin um eine Tätigkeit, die überwiegend sozialarbeiterischer/sozialpädagogischer
bzw. pädagogischer Natur sei und sozial- bzw. integrationspolitische Zielsetzungen aufweise. Ziel der Arbeit sei es in erster
Linie, Hemmschwellen der potentiellen Klientinnen abzubauen, um diese damit in die Lage zu versetzen, medizinische Angebote
anzunehmen. Damit befinde sich die geschilderte Arbeit im Vorfeld medizinischer Angebote, sie stelle aber nicht in erster
Linie eine medizinische Tätigkeit selbst dar, die im Übrigen auch durch die niedergelassenen Ärzte erbracht werden könnte.
Damit erweise sich die Arbeit der Beratungsstelle und der Klägerin als die Erfüllung einer sozialpolitischen bzw. integrationspolitischen
Aufgabenstellung. Die Finanzierung dieser Aufgabenstellung falle aber nicht in die Kompetenz der Kassenärztlichen Vereinigung
bzw. der Krankenkassen. Darüber hinaus sei der Vortrag der Klägerin zu den Gebührenziffern 01820 und 01821 EBM 2005 bezüglich
des notwendigen Abbaus vorhandener Schwellenängste nicht schlüssig. Gegenstand beider Gebührenziffern sei nicht die Untersuchung
der Patienten. Danach wäre die Klägerin im Falle einer antragsgemäßen Ermächtigung nicht zur erstmaligen Verschreibung von
Medikamenten berechtigt, für deren erstmalige Verschreibung eine ärztliche Untersuchung medizinisch erforderlich sei. Sie
wäre bei Zuerkennung der streitbefangenen Gebührenziffern nicht in der Lage, eine erstmalige Verschreibung von empfängnisverhütenden
Mitteln vorzunehmen. Wenn die Klägerin aber darauf beschränkt werde, lediglich Wiederholungsrezepte für die Fälle auszugeben,
in denen eine medizinische Untersuchung durch einen anderen Arzt bei der Erstverschreibung des Medikaments bereits vorgenommen
worden sei, könne ihr Argument, sie müsse erst Schwellenängste vor der Untersuchung durch Gynäkologen abbauen, nicht zutreffen.
Hiergegen hat die Klägerin am 17. April 2004 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass
bei der Bedarfsprüfung auch die besonderen Problematiken vor Ort Einfluss in die Ermessensentscheidung finden müssten. Das
Bundessozialgericht habe bereits entschieden, dass bei der Ausfüllung des Beurteilungsspielraums auch berücksichtigt werden
könne, dass Versicherte bestimmter sozialer Schichten unter Umständen niedergelassene Ärzte nicht aufsuchten. Dies sei hier
der Fall. Sie betreue vorwiegend Frauen und Mädchen aus den sozial randständigen Bereichen, die das Angebot der niedergelassenen
Ärzte für den strittigen Leistungsbereich trotz ausreichender Kapazitäten nicht in Anspruch nähmen. Durch den geringen Ermächtigungsumfang
seien die Interessen der niedergelassenen Ärzte nahezu nicht tangiert. Die Leistungen seien rein medizinischer Natur. Die
sozialpolitischen und integrationspolitischen Zwecke seien nur Begleiterscheinungen der medizinischen Tätigkeiten. Das Hessische
Sozialministerium habe im Mai 2008 auf das Vorhandensein einer zielgruppenorientierten Versorgungslücke hingewiesen, die zu
schließen sei. Niederschwellige Angebote seien sehr sinnvoll. Sie verfüge über die persönlichen Qualifikationsvoraussetzungen.
Der Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, es sei weder ein quantitativ-allgemeiner noch ein qualitativ-spezieller
Bedarf gegeben. Es gehe der Klägerin um die Einbettung der begehrten Leistungen in ein sozialpädagogisches Angebot, das sozial-
und integrationspolitischen Zielen diene. Eine solche gesellschaftspolitische Zielsetzung sei jedoch nicht Aufgabe der gesetzlichen
Krankenversicherung. Das Ergebnis seines Abwägungsprozesses sei nicht mehr justiziabel.
Mit Urteil vom 18. Juni 2008 hat das Sozialgericht den Beschluss des Beklagten vom 30. Januar 2008 aufgehoben und diesen verurteilt,
über den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) vom 27. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beschluss des Beklagten vom 30. Januar 2008 sei rechtswidrig. Die Klägerin
besitze für die strittigen Leistungen die persönlichen Qualifikationsvoraussetzungen. Nummer 3 des Abschnittes 1.7 des Kapitels
2 EBM 2005 (arztgruppenübergreifende allgemeine Leistungen) bestimme, dass die Leistungen des Abschnitts 1.7.7 EBM 2005 nur
von Fachärzten für Frauenheilkunde abgerechnet werden könnten, nehme hiervon aber bestimmte Leistungen, unter anderem die
streitgegenständlichen Leistungen nach den Nrn. 01820 und 01821 sowie 01900 EBM 2005 aus. Weitergehende Qualifikationsvoraussetzungen
stelle der EBM 2005 nicht auf. Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Empfängnisregelung und
zum Schwangerschaftsabbruch bestimmten lediglich, dass die Maßnahmen nach diesen Richtlinien nur von Ärzten ausgeführt werden
dürften, welche die vorgesehenen Leistungen aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen erbringen könnten, nach dem ärztlichen
Berufsrecht dazu befugt seien und über die erforderlichen Einrichtungen verfügten. Einer weitergehenden Qualitätssicherungsvereinbarung
bestehe nicht. Die Klägerin habe sich dementsprechend fortgebildet und erbringe die Leistungen aufgrund mehrjähriger Ermächtigung,
so dass nicht ersichtlich sei, warum es ihr an den erforderlichen Kenntnissen und Erfahrungen fehle. Nach der Rechtssprechung
des Hessischen Landessozialgerichts könnten Leistungen nach Nr. 01821 EBM 2005 unter anderem dann erbracht werden, wenn die
Leistung bereits vor dem 31. Dezember 2002 abgerechnet worden sei. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Der Beklagte habe aber
zu Unrecht einen Versorgungsbedarf verneint. Er habe verkannt, dass das von der Klägerin angestrebte Leistungsspektrum ein
Angebot der medizinischen Versorgung der Versicherten darstelle. Es handele sich bei dem Leistungsangebot der Klägerin nicht
um Leistungen im Vorfeld medizinischer Maßnahmen. Der Zweck medizinischer Leistungen sei die medizinische Wirkung, nicht eine
sozialpädagogische Maßnahme. Der Beklagte habe zu berücksichtigen, dass bestimmte soziale Schichten unter Umständen niedergelassene
Ärzte nicht aufsuchten. Eine Ermächtigung könne nicht deshalb abgelehnt werden, weil die streitgegenständlichen medizinischen
Leistungen auch innerhalb einer umfassenden sozialen - und insoweit nichtmedizinischen - Betreuung erbracht würden. Maßgeblich
komme es nicht darauf an, der Schwerpunkt im sozialen oder medizinischen Bereich liege. Eine Ermächtigung könne nur gegenüber
Ärzten ausgesprochen werden, die die erforderliche Qualifikation besäßen. Bereits dadurch und durch die Leistungslegende der
einzelnen Leistungen werde sichergestellt, dass die Ermächtigung der medizinischen Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
diene. Eine umfassende medizinische Betreuung der die Beratungsstelle aufsuchenden Versicherten werde von der Klägerin nicht
angestrebt. Hierzu sei sie im Hinblick auf den geringen Ermächtigungsumfang auch nicht in der Lage. Auch in ihrem Selbstverständnis
sehe sie sich in einer Art Lotsen- bzw. Brückenfunktion mit der Aufgabe, die Versicherten unter Umständen an die niedergelassenen
Gynäkologen zu verweisen. Gerade ihre Möglichkeit, die Versicherten schnell und zeitlich umfassend zu beraten, gewährleiste
ein niederschwelliges Angebot und ermögliche die gegebenenfalls weitergehende ärztliche Versorgung durch die niedergelassenen
Ärzte. Von daher bestehe weiterhin ein besonderer auch medizinischer Versorgungsbedarf, der in dieser Weise durch die niedergelassenen
Ärzte nicht gedeckt werden könne. Der in der Vergangenheit geringe Leistungsumfang der Klägerin deute gerade auf den sehr
speziellen Versorgungsbedarf hin, der dennoch im Umfang für eine Ermächtigung ausreichend sei. Es sei zu berücksichtigen,
dass die Klägerin gerade durch die sozialpolitische bzw. integrationspolitische Aufgabenstellung der Einrichtung, für die
sie tätig sei, in die Lage versetzt werde, ihre besondere Patientenschaft für das hier strittige Leistungsspektrum zu betreuen.
Insoweit gehe es auch um den Erhalt gewachsener Versorgungsstrukturen, die im Übrigen nur ganz minimale Auswirkungen auf die
weiterhin vorrangige Gesamtversorgung durch die niedergelassenen Vertragsärzte habe. Gegebenfalls könne der Beklagte im Rahmen
seines Ermessensspielraums die Ermächtigung quantitativ auf bestimmte Fallzahlen beschränken. Die Leistung nach Nr. 01820
EBM 2005 mache auch ohne eine Ermächtigung zur körperlichen Untersuchung Sinn. Neben der Ausstellung von Wiederholungsrezepten
beinhalte sie auch die Ausstellung von Überweisungsscheinen oder Übermittlung von Befunden oder ärztlichen Anordnungen an
den Patienten im Auftrag des Arztes durch das Praxispersonal, auch mittels technischer Kommunikationseinrichtungen im Zusammenhang
mit Empfängnisregelung, Sterilisation oder Schwangerschaftsabbruch. Auch würden körperliche Untersuchungen ggf. vor Ausstellung
eines Rezepts vorgenommen, was die Klägerin berufsrechtlich dürfe. Bei einer Neubescheidung habe der Beklagte ferner zu berücksichtigen,
dass Leistungen nach Nr. 01900 EBM 2005 auch als ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft
im Sinne von § 24 b SGB V nach Maßgabe der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkasse erbracht würden. Hierbei handele es sich um
Leistungen, für die der Gesetzgeber vorgesehen habe, dass besondere Versorgungsverträge mit den entsprechenden Einrichtungen
geschlossen würden. Nach § 75 Abs. 9 SGB V seien die kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, mit Einrichtungen nach § 13 des Schwangerschaftskonfliktsgesetzes auf deren Verlangen Verträge über die ambulante Erbringung der im § 24 b SGB V aufgeführten ärztlichen Leistungen zu schließen und die Leistungen außerhalb des Verteilungsmaßstabes zwischen den Kassenärztlichen
Vereinigungen und den Einrichtungen nach § 13 des Schwangerschaftskonfliktsgesetzes oder deren Verbänden vereinbarten Sätze
zu vergüten. Das Sozialgericht gehe davon aus, dass jedenfalls Angestellte solcher Einrichtungen daneben nicht ermächtigt
werden könnten. Ferner gehe es davon aus, dass es sich bei dem Arbeitgeber der Klägerin um eine solche Einrichtung handele.
Nach dem genannten Regelungsprogramm habe die Einrichtung einen Anspruch auf Abschluss eines entsprechenden Vertrages. Für
eine darüber hinausgehende Ermächtigung einzelner Angestellter sehe das Sozialgericht keine Möglichkeit, soweit es sich um
Leistungen handele, die von § 75 Abs. 9 SGB V erfasst würden.
Gegen das ihr am 1. Juli 2008 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 1) am 28. Juli 2008 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
eingelegt.
Die Beigeladene zu 1) trägt im Wesentlichen vor, eine Rechtsgrundlage für eine Ermächtigung der Klägerin sei nicht gegeben.
Ziffer 01900 EBM 2005 sei von der Klägerin nicht abrechenbar. Bezüglich der Ziffern 01820 und 01821 EBM 2005 fehle es ebenfalls
an den persönlichen Qualifikationsvoraussetzungen für die Erbringung der Leistungen bei der Klägerin. Sie erfülle die in §
73 Abs. 1a SGB V vorgegebenen Voraussetzungen gerade nicht. Insbesondere liege auch keine entsprechende Genehmigung des Zulassungsausschusses
zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung zu Gunsten der Klägerin vor. Ohne die besondere Genehmigung
gemäß § 73 Abs. 1a SGB V verbleibe es jedoch bei der grundsätzlichen Regelung, dass die Gebührenordnungspositionen des Kapitels 8 des EBM 2005 nur
von Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe abgerechnet werden könnten. Darüber hinaus sei ausschlaggebend, dass die
weiteren Ermächtigungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Der Beklagte habe die ihm zustehende und gesetzlich geforderte Beurteilung
der Versorgungslage vorgenommen. Er habe in seinem Beschluss ausgeführt, das Ziel der Arbeit der Klägerin sei in erster Linie,
Schwellenängste gegenüber niedergelassenen Gynäkologen abzubauen und damit Frauen in die Lage zu versetzen, medizinische Angebote
im Bereich der niedergelassenen Vertragsärzte anzunehmen. Im Ergebnis seiner Abwägungen sei der Beklagte jedoch der Auffassung,
dass es sich bei den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen um solche handele, die nur zum Teil auf dem medizinischen
Gebiet und zum überwiegenden Anteil im sozialarbeiterischen Bereich liege. Jedoch könne auch gerade diese Tätigkeit, die eine
schnelle und zeitlich umfassende Beratung beinhalte, durch die niedergelassenen Fachärzte dieses Gebietes gewährleistet werden.
Insofern werde auch durch die niedergelassenen Ärzte ein so genanntes niederschwelliges Angebot vorgehalten, auf welches die
betroffenen Patienten zurückgreifen könnten. Insbesondere die ergänzenden Ausführungen des Beklagten zur Abrechnung der Ziffer
01821 2005 EBM zeigten, dass der Beklagte den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten habe. Darüber hinaus
sei eine Versorgungslücke im Hinblick auf die streitgegenständlichen Gebührenpositionen im betroffenen Planungsbereich nicht
vorhanden. Es ergebe sich damit, dass bei einer ausschließlich vorzunehmenden objektiven Betrachtung der Versorgungssituation
insgesamt davon auszugehen sei, dass die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die streitgegenständlichen
Leistungen im Planungsbereich sichergestellt sei. Dies werde nicht zuletzt auch die Abrechnungszahlen der Klägerin dokumentiert,
bei welcher von einem äußerst geringen Umfang der Leistungserbringung auszugehen sei.
Der Beklagte trägt vor, die Klägerin verfüge nach seiner Auffassung über die erforderlichen persönlichen Qualifikationsvoraussetzungen
für die Erbringung der Leistungen nach den Gebührenziffern 01820, 01821 und 01900 EBM 2005. Er habe jedoch seinen Beurteilungsspielraum
nicht verkannt und nicht zu Unrecht der Klägerin die begehrte Ermächtigung versagt. Die Argumentation des Sozialgerichts sei
rechtsfehlerhaft und nicht widerspruchsfrei. Zwischen allen Beteiligten sei unstreitig, dass im Zulassungsbereich A-Stadt
kein quantitativer Bedarf für eine Ermächtigung zur Erbringung gynäkologischer Leistungen bestehe. Es komme allenfalls eine
Ermächtigung aus qualitativen Gründen in Frage. Der Beklagte habe die Erteilung der Ermächtigung auch aus qualitativen Gründen
abgelehnt, da das angestrebte Leistungsspektrum der Klägerin nicht in erster Linie ein Angebot der medizinischen Versorgung
der Versicherten darstelle und aus diesem Grund die Ermächtigung abzulehnen sei. Es stehe völlig außer Zweifel, dass die niedergelassenen
Gynäkologen im Planungsbereich in reicher Zahl vorhanden seien und zur Erbringung der streitbefangenen Leistung als solche
fachlich in der Lage seien. Bei einer Trennung der medizinischen von den sozialpädagogischen Leistungen, wie das Sozialgericht
in einem Teil seiner Argumentation vorgenommen habe, müsse konsequenter Weise mit in Betracht gezogen werden, dass die isolierte
medizinische Leistung in quantitativer Hinsicht von den niedergelassenen Gynäkologen erbracht werde und - als solche - unstreitig
auch erbracht werden könne. Bei einer Zusammenfassung der medizinischen und der sozialpädagogischen Leistungen wie sie vom
Sozialgericht anschließend vorgenommen werde, sei zu beachten, dass bei einer solchen Betrachtung davon auszugehen sei, dass
die medizinische Leistung lediglich ein Instrument darstelle, um den Zugang zu einer zugegebener Maßen schwierigen Klientel
zu erhalten. Dies sei aber nicht Aufgabe der vertragsärztlichen Versorgung. Betrachte man isoliert die medizinischen Leistungen,
müsse man konsequenter Weise zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Bedarfsabdeckung außer Zweifel stehe. Betrachte man hingegen
die medizinischen Leistungen in ihrer Einbettung in ein sozialpädagogisches Angebot, komme man zwangsläufig zu dem Ergebnis,
dass diese medizinischen Leistungen zwar ausschließlich von approbierten Ärzten erbracht werden dürften, gleichwohl innerhalb
der konzeptionellen Ausrichtung der Beratungsstelle als instrumenteller Zugang zu dem umworbenen Klientel genutzt werde. Es
komme konsequenter Weise eine Ermächtigung aus qualitativen Gründen deshalb nicht in Betracht, weil die Qualität, die eine
Ermächtigung rechtfertigen könne, außerhalb des medizinischen Spektrums liege. Demgemäß bleibe der Beklagte bei seiner Rechtsauffassung,
der zufolge eine qualitative Ermächtigung für die Erbringung medizinischer Leistungen nicht erteilt werden könne, wenn die
Erbringung der streitbefangenen medizinischen Leistungen in der Weise konzeptionell instrumentalisiert werde, um weiterreichende
sozialpädagogische bzw. sozialarbeiterische Zielsetzungen zu erreichen. Soweit das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom
1. Juli 1998 - B 6 KA 64/97 R - ausgeführt habe, dass eine Versorgungslücke und damit ein Bedarf auch deshalb in Betracht kommen könne, weil Versicherte
bestimmter sozialer Schichten unter Umständen niedergelassene Ärzte nicht aufsuchten, sei zu beachten, dass das Bundessozialgericht
hier lediglich festgestellt habe, dass den Zulassungsgremien bei der Entscheidung über diese Frage ein gerichtlich nur eingeschränkt
überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukomme und dass sie in diesem Rahmen den genannten Aspekt abzuwägen hätten. Damit sei
lediglich obergerichtlich festgestellt, dass die Zulassungsgremien berechtigt seien, ggf. eine Ermächtigung auch mit der Begründung
zu erteilen, dass sie zum Zweck der Versorgung sozial unterprivilegierter Schichten erforderlich sei, die niedergelassene
Ärzte nicht aufsuchten. Es sei jedoch keine Aussage dahingehend getroffen, wann seitens der Zulassungsgremien eine solche
schichtenspezifische medizinische Unterversorgung angenommen werden müsse. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte
im Rahmen der Abwägung innerhalb seines Beurteilungsspielraums zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die früher möglicher Weise
vorhandenen Zugangshemmnisse bestimmter sozialer Schichten zu niedergelassenen Ärzten unter anderem auch durch eine entsprechende
behördliche Sozialarbeit soweit aufgebaut worden seien, dass sie jedenfalls heute eine Ermächtigung aus qualitativen Erwägungen
nicht mehr rechtfertige.
Die Beigeladene zu 1) und der Beklagte beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. Juni 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte habe bei Ausfüllung des ihm obliegenden Beurteilungsspielraums außer Acht gelassen, dass neben dem quantitativen
und qualitativen Bedarf, der sich darin widerspiegele, dass von dem zu ermächtigenden Arzt spezielle Leistungen oder spezielle
Kenntnisse vorgehalten würden, die im niedergelassenen Bereich nicht zur Verfügung stünden, auch ein weiterer, so genannter
Zielgruppen orientierter Bedarf bestehe, der die besonderen Problematiken vor Ort berücksichtige. Diese auch vom Bundessozialgericht
anerkannte zielgruppenorientierte Versorgungslücke habe der Beklagte in seine Prüfung nicht einbezogen. Im Rahmen der Bedarfsprüfung
seien von den Zulassungsgremien auch solche Umstände zu berücksichtigen, die über die rein quantitative Versorgungslage hinausgingen.
Insbesondere müssten besondere Problematiken vor Ort Eingang in die Ermessensentscheidung finden. Es sei auch nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass Versicherte bestimmter sozialer Schichten unter Umständen niedergelassene Ärzte nicht
aufsuchten. Der Hinweis des Beklagten, dass die Entscheidung in sozialpolitischer Hinsicht nicht mehr aktuell sei, gehe fehl.
Die Ausführungen des Beklagten bezögen sich nur auf die entsprechende sozialpolitische Arbeit von Pro Familia in der schulischen
und außerschulischen Jugendarbeit im Zusammenhang mit Schwangerschaftsverhütung. Dies sei jedoch ein ganz anderes Konzept
und stehe mit den Leistungen, die hier im Rahmen der Ermächtigung erbracht würden, nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Es
gehe nicht darum, Jugendliche aufzuklären, vielmehr gehe es um ganz konkrete medizinische Leistungen, die im Rahmen der Ermächtigung
von den Ärztinnen der Pro Familia-Einrichtungen abgefordert würden. Die Frauen und Mädchen, die die Ärztinnen in den Pro Familia-Einrichtungen
aufsuchten, befänden sich in einer konkreten Situation, die eine medizinische Beurteilung durch die behandelnde Ärztin notwendig
mache. Entweder seien diese jungen Mädchen und Frauen schwanger oder sie stünden konkret vor der Frage, wie sie sich vor einer
Schwangerschaft schützen könnten und müssten. Dies sei mit den durch die Beklagte dargestellten Angeboten von Pro Familia,
die aufklärend oder präventiv im Rahmen ihres sozialpädagogischen Konzepts erbracht würden, nicht zu vergleichen. Durch diese
vorangegangene sozialpädagogische Arbeit von Pro Familia habe diese aber eine umfassende soziale Kompetenz und werde innerhalb
der Bevölkerung von allen Schichten, auch von den Frauen und Mädchen, die im sozial randständigen Bereich lebten, angenommen.
Hierdurch unterscheide sich Pro Familia ganz konkret von den niedergelassenen Ärzten. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die
Leistungen kein Angebot der medizinischen Versorgung mehr darstellten. Es handele sich keinesfalls um Leistungen im Vorfeld
medizinischer Maßnahmen. Die Leistungen erfolgten vielmehr aus rein medizinischen Gesichtspunkten. Ihre Einbettung in ein
sozialpädagogisches Konzept vermöge hieran nichts zu ändern. Hierbei handele es sich nur um eine Begleitmaßnahme, durch die
letztlich erst gewährleistet werde, dass diese medizinischen Leistungen überhaupt erbracht werden könnten. Das sozialpolitische
Konzept sei lediglich das Mittel, um den Zweck, nämlich die Erbringung medizinischer Leistungen zu ermöglichen. Es gehe nicht
darum, die medizinischen Leistungen zu erbringen, um das besondere Patientenklientel einzufangen und weitergehend im Rahmen
eines sozialpolitischen Konzepts zu betreuen. Die medizinischen Leistungen seien für Pro Familia keinesfalls ein instrumenteller
Schlüssel für den Zugang zum umworbenen Klientel. Im Gegensatz zu niedergelassenen Vertragsärzten hätte sie - die Klägerin
- über ihre sozialpädagogische Arbeit den Zugang zu diesem schwierigen Randgruppen ständigen Klientel. Hierdurch sei überhaupt
gewährleistet, dass an diesen Frauen und Mädchen die medizinisch notwendigen Leistungen erbracht werden könnten. Darüber hinaus
gehe es auch um den Erhalt gewachsener Versorgungsstrukturen und die Gewähr einer ordnungsgemäßen umfassenden Versorgung aller
Bevölkerungsschichten.
Der Beigeladene zu 3) schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen zu 1) an. Die Beigeladenen zu 2) und 4) bis 8) haben
nicht Stellung genommen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und
Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Beigeladenen zu 2) bis 8) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2009
entscheiden, weil die Beigeladenen zu 2) bis 8) ordnungsgemäß zum Termin geladen waren und mit der Ladung darauf hingewiesen
wurden, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung der Beigeladenen zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18. Juni 2008 den Beschluss des Beklagten vom 30. Januar 2008 aufgehoben und
den Beklagten verpflichtet, den Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses neu zu bescheiden.
Denn der Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Ermächtigung rechtswidrig abgelehnt und die Klägerin damit
in ihren Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage ist § 95 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung ( SGB V), wonach an der vertragsärztlichen Versorgung neben zugelassenen Ärzten und zugelassenen medizinischen Versorgungszentren
auch ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teilnehmen. Nach § 31 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV)
können die Zulassungsausschüsse über den Kreis der zugelassenen Ärzte hinaus weitere Ärzte, insbesondere in Krankenhäusern
und Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation oder in besonderen Fällen ärztlich geleitete Einrichtungen zur Teilnahme
an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen sofern dies notwendig ist, um a) eine bestehende oder unmittelbar drohende
Unterversorgung abzuwenden oder b) einen begrenzten Personenkreis zu versorgen, beispielsweise Rehabilitanden in Einrichtungen
der beruflichen Rehabilitation oder Beschäftigte eines abgelegenen oder vorübergehenden Betriebes. Nach § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV
können die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Bundesmantelvertrag Regelungen
treffen, die über die Voraussetzungen des Absatzes 1 hinaus Ermächtigungen zur Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen
im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vorsehen. Die Partner des Bundesmantelvertrages haben von dieser Möglichkeit Gebrauch
gemacht und in § 5 Abs. 1 BMV-Ä/§ 9 Abs. 1 EKV-Ä geregelt, dass die Zulassungsausschüsse über die Ermächtigungstatbestände
des § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV hinaus gemäß § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV geeignete Ärzte und in Ausnahmefällen ärztlich geleitete Einrichtungen
zur Durchführung bestimmter, in einem Leistungskatalog definierter Leistungen auf der Grundlage des EBM ermächtigen, wenn
dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist. Dies setzt konkret festgestellte Versorgungslücken
in nicht nur geringem Umfang voraus, denn Ermächtigungen kommen - ausnahmsweise und subsidiär - immer erst dann in Betracht,
wenn die gebotene quantitative oder qualitativ-spezielle Versorgung von den vorrangig niedergelassenen Vertragsärzten nicht
gewährleistet werden kann (vgl. BSG; Urteil vom 11. Dezember 2002 - B 6 KA 32/01 R - BSGE 90, 207, zitiert nach juris Rdnr. 33 m. w. N.).
Zunächst ist das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte unter Verkennung seines Beurteilungsspielraums
eine zielgruppenorientierte Versorgungslücke verneint hat.
Ein Anspruch auf eine Ermächtigung nach § 31 Abs. 1 Buchstabe a) Ärzte-ZV ist nicht gegeben. Zwischen den Beteiligten ist
unstreitig, dass eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung im Planungsbereich A-Stadt nicht gegeben ist.
Auch ein Anspruch auf Ermächtigung gemäß § 31 Abs. 1 Buchstabe b) Ärzte- ZV kommt nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (Urteile vom 7. Februar 2007 - B 6 KA 3/06 R - und 6. Februar 2008 - B 6 KA 40/06 R; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Februar 2005 - L 5 KA 3491/04 -; Urteil vom 20. August 2003 - L 5 KA 3769/02), von der abzuweichen für den Senat kein Anlass besteht, schließt zwar der Wortlaut des § 31 Abs. 1 Buchstabe b) Ärzte-ZV
nicht aus, dass ein begrenzter Personenkreis auch jenseits der in der Vorschrift angesprochenen Beispielsfälle der Rehabilitanden
in einer Rehabilitationseinrichtung oder der Beschäftigung eines abgelegenen Betriebes existieren kann. Doch ist dieser Personenkreis
immer auch nach räumlichen bzw. wohn- und aufenthaltsbezogenen Kriterien und nicht ausschließlich nach biografischen oder
soziologischen Gesichtspunkten abzugrenzen. Eine Ermächtigung kann nach dieser Regelung nur dann in Betracht kommen, wenn
der Zweck, zu dem sich dieser begrenzte Personenkreis freiwillig oder unfreiwillig zusammengefunden hat, nicht erreicht werden
kann, wenn nicht ein bestimmter Arzt oder eine bestimmte ärztlich geleitete Einrichtung zur Behandlung von auftretenden Gesundheitsstörungen
ermächtigt wird. Dies kann nach der Rechtsprechung des BSG insbesondere bei Soldaten oder Strafgefangenen der Fall sein. Wenn
aber nach ethnischer oder muttersprachlicher Herkunft, Alter, Geschlecht oder bestimmten Verhaltensweisen in der Vergangenheit
differenziert werden müsste, könnten allgemeine Bedarfszahlen keine Hinweise mehr für eine ausreichende Versorgung geben (BSG,
Urteil vom 8. Februar 2007, aaO., juris Rdnr. 23; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30. Mai 2007 - L 4 KA 20/07 ER).
Ein in diesem Sinne begrenzter Personenkreis ist bei dem von der Klägerin in der Einrichtung von Pro Familia zu behandelnden
Patientinnen nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich bei den Frauen und Mädchen, die Zielgruppe der Klägerin sind, um Personen
aus sozial randständigen Gruppen, die nicht primär wohnortbezogen gegenüber anderen Versicherten abgegrenzt werden können.
Es sind im Wesentlichen soziale, biographische und auch soziologische Kriterien, nach welchen sich die Zielgruppe definiert.
Allerdings folgt aus § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV i.V.m. § 5 Abs. 1 BMV-Ä/§ 9 Abs. 1 EKV-Ä, dass die Zulassungsgremien im Rahmen einer
Ermächtigung über die rein quantitative Versorgungslage hinausgehend qualitative Versorgungslücken zur Sicherstellung der
vertragsärztlichen Versorgung berücksichtigen können. Wie der Senat unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
(Urteil vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 64/97 R) bereits entschieden hat (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2008 - L 4 KA 16/08 ER), können besondere Fallkonstellationen vor Ort von den Zulassungsgremien bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Dabei
kann insbesondere der Gesichtspunkt berücksichtigt werden, dass Versicherte bestimmter sozialer Schichten unter Umständen
niedergelassene Ärzte nicht aufsuchen und somit eine qualitativ-zielgruppenorientierte Versorgungslücke besteht. In Bezug
auf die Bedarfsermittlung besteht ein Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien, denn das Tatbestandsmerkmal "zur Sicherstellung
der ärztlichen Versorgung erforderlich" (§ 5 Abs. 1 BMV-Ä/§ 9 Abs. 1 EKV Ä) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die gerichtliche
Kontrolle beschränkt sich daher - wie in ähnlichen Fällen der Bedarfsfeststellung - darauf, der Verwaltungsentscheidung ein
richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die durch Auslegung des Begriffs besonderer Versorgungsbedarf
zu ermittelnden Grenzen eingehalten und die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht
wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist
(std. Rspr., vgl. BSG SozR 3 2500 § 101 Nr. 1 (für Sonderbedarfszulassungen); SozR 3-2500 § 116 Nr. 1, BSGE 70, 167, = SozR 3-2500 § 116 Nr. 2, BSGE 73, 25 = SozR 3 2500 § 116 Nr. 4 und BSG SozR 3-2500 § 97 Nr. 2 (für die Ermächtigung von Krankenhausärzten); BSGE 77, 188, = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7 (für Zweigpraxen); vgl. auch Pawlita in: jurisPK- SGB V, § 96 Rdnr. 31 m. w. N.).
Diesen Beurteilungsspielraum hat der Beklagte verkannt, wenn er die Tätigkeit der Klägerin als primär sozialarbeiterisch,
sozialpädagogisch bzw. pädagogisch bewertet. Die Klägerin hat vorgetragen, dass in die Beratungsstelle von Pro Familia in
A-Stadt Frauen kommen, die in der Regel keine gynäkologische Facharztpraxis aufsuchen bzw. bislang nicht aufgesucht haben.
Dabei handelt es sich - dies wird weder vom Beklagten noch von der Beigeladenen zu 1) in Abrede gestellt - um Frauen und Mädchen
in besonderen sozialen Lagen, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen und das übliche ärztliche Angebot nicht in Anspruch
nehmen. Häufig spielen psychische und geistige Einschränkungen sowie auch Drogen- und Alkoholproblematik eine Rolle. Es geht
hierbei - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht um Tätigkeiten, die überwiegend sozialarbeiterischer/sozialpädagogischer
bzw. pädagogischer Natur sind und in erster Linie sozial- und integrationspolitische Zielsetzungen aufweisen. Die Leistungen,
die streitig sind, sind rein medizinischer Natur. Bei den streitigen Gebührennummern handelt es sich um die Beratung über
die Erhaltung einer Schwangerschaft und über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte bei einem Schwangerschaftsabbruch (Nr.
01900 EBM 2005), um Beratungsleistungen im Rahmen der Empfängnisregelung (Nr. 01821 EBM 2005) sowie in diesem Zusammenhang
um die Ausstellung von Wiederholungsrezepten, Überweisungsscheinen oder die Übermittlung von Befunden bzw. ärztlicher Anordnungen
(Nr. 01820 EBM 2005). Diese bzw. diesen nach früher gültigen Gebührenordnungen entsprechenden Leistungen hat die Klägerin
nach den Ermittlungen des Beklagten seit 1988 im Rahmen der früher erteilten Ermächtigungen erbracht. Es ist weder von dem
Beklagten noch von der Beigeladenen zu 1) vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin in der Vergangenheit den Leistungsinhalt
der zur Abrechnung gebrachten Leistungen etwa nicht erbracht habe. Hierfür gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte. Mag die Leistungserbringung
durch die Klägerin zwar auch in ein sozialpädagogisches/sozialarbeiterisches Konzept der Einrichtung, in der sie tätig ist,
eingebunden sein, so bleiben die streitgegenständlichen Leistungen selbst dann ärztliche bzw. medizinische Leistungen, wenn
der Schwerpunkt der Arbeit in der Einrichtung insgesamt auf eine sozialpolitische Zielsetzung ausgerichtet sein sollte.
Indem der Beklagte mit seiner Bewertung demgegenüber von vornherein die Erbringung medizinischer Leistungen als untergeordnet
einstuft, verkürzt er den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum rechtswidrig zu Lasten der Klägerin. Denn insoweit konnte
im Rahmen der Abwägung der unterschiedlichen Faktoren bei der Prüfung, und inwieweit ein qualitativer Versorgungsbedarf gegeben
ist, die Versorgungslage der in Rede stehenden Patientinnengruppe bereits nicht sachgerecht zum Tragen kommen.
Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass die auf die Erbringung der streitgegenständlichen Leistungen gerichtete ärztliche
Tätigkeit der Klägerin bei der - nach seiner Auffassung - gebotenen Trennung von medizinischer und sozialpädagogischer Leistung
isoliert nur noch einen quantitativen (und damit von niedergelassenen Gynäkologen zu deckenden) und nicht mehr einen qualitativ-speziellen
Bedarf darstelle, negiert er von vornherein - ohne weitere Ermittlungen zu den Gegebenheiten im konkreten Fall durchgeführt
zu haben - den in der Rechtsprechung anerkannten Gesichtspunkt, dass Versicherte bestimmter sozialer Schichten auch heute
noch unter Umständen niedergelassene Ärzte - gerade im äußerst sensiblen Bereich der Schwangerenkonfliktberatung und Beratung
im Rahmen der Empfängnisregelung - nicht aufsuchen und in der Folge medizinisch ggf. unversorgt bleiben. Insoweit hält der
Senat die Darstellung der Klägerin für nachvollziehbar, nach der aufgrund der sozialpädagogischen Ausrichtung der Pro Familia-Einrichtung
überhaupt erst die Voraussetzung gegeben ist, die betroffenen Frauen und Mädchen medizinisch zu versorgen. Mag es insoweit
auch zu Wechselwirkungen mit der in der Einrichtung ebenfalls angebotenen Sozialarbeit kommen - was ggf. von der Einrichtung
auch so gewollt ist - bleibt es jedoch dabei, dass die Klägerin einen niederschwelligen Übergang zu der streitgegenständlichen
medizinischen Leistung anzubieten vermag.
Dabei wäre es im bedarfsgedeckten Planungsbereich sicherlich wünschenswert, wenn die fragliche Personengruppe im Rahmen der
sozialarbeiterischen Tätigkeit Pro Familia-Einrichtung an die niedergelassenen Gynäkologen zur medizinischen Versorgung weiterverwiesen
werden könnte, indes bestehen Zweifel, dies in jedem Fall auch gelingt. Die von der Klägerin in der Vergangenheit - nach Mitteilung
der Beigeladenen zu 1) vom 23. Januar 2008 - abgerechneten Fallzahlen (Nr. 01900 EBM 2005 durchschnittlich 64mal im Quartal,
Nr. 01820 EBM 2005 durchschnittlich 4mal im Quartal und Nr. 01821 EBM 2005 durchschnittlich 21mal im Quartal; jeweils bezogen
auf die Quartale II/05 bis II/07) deuten nämlich darauf hin, dass der spezielle von der Klägerin abgedeckte Versorgungsbedarf
um so höher ist, je stärker die Intim- und Persönlichkeitssphäre der Patientin im Rahmen der Leistungserbringung betroffen
ist. Es ist in diesem Zusammenhang naheliegend, dass auch die Hemmschwelle, einen niedergelassenen Arzt aufzusuchen, entsprechend
höher ist.
Erstmals im gerichtlichen Verfahren hat der Beklagte vorgetragen, dass der Bedarf nach dem von der Klägerin angebotenen niederschwelligen
medizinischen Versorgungsangebot heute aufgrund entsprechender Aufklärungs- und Sozialarbeit von Behörden und in Schulen sowie
in der allgemeinen Jugendarbeit und Jugendbildung nicht mehr im selben Maße bestehe, wie dies in der Vergangenheit der Fall
gewesen sei. Auch arbeiteten niedergelassene Gynäkologen heute deutlich niederschwelliger. Entgegen seiner Darlegung ist dieser
Aspekt - der angesichts der sozialen, kulturellen, religiösen und auch ethnischen Vorbehalte der betroffenen Personengruppe,
bei denen sich auch häufig obdachlose Frauen befinden bezweifelt werden darf - damit gerade nicht Bestandteil der im streitgegenständlichen
Beschluss dargelegten Abwägung gewesen. Soweit der Beklagte nunmehr die Entscheidung hierauf stützen will, führt das Nachschieben
dieser Argumente nicht zum Erfolg. Denn ähnlich wie bei Ermessenentscheidungen (vgl. insoweit: Schütze in: von Wulffen, SGB X 6. Auflage 2008; § 41 Rdnr. 11) kann auch bei Entscheidungen mit nur eingeschränkt überprüfbarem Beurteilungsspielraum eine Ergänzung der Abwägungsentscheidung
zwar vorgenommen werden, jedoch nur wenn und soweit sie durch Bescheid erfolgt. Die Richtigkeit dieser vom Beklagten nicht
näher belegten Argumentation, die der Senat bezweifelt, kann daher offen bleiben.
Der Beklagte wird im Rahmen der nunmehr vorzunehmenden Neubescheidung neben diesen und den vom Sozialgericht bereits aufgezeigten
Aspekten auch zu entscheiden haben, eine qualitative Versorgungslücke in nicht nur geringem Umfang vorliegt. Insoweit wird
er zu berücksichtigen haben, dass die Zahl der abgerechneten Leistungen nach den streitgegenständlichen Gebührenziffern ausweislich
der von der Beigeladenen zu 1) im Verfahren vor dem Beklagten ermittelten Abrechnungsdaten der niedergelassenen Gynäkologen
im Planungsbereich für das Quartal II/07 im Durchschnitt - jedenfalls bzgl. der Ziffern 01900 und 01821 EBM 2005 - im Verhältnis
zu der Zahl abgerechneter Leistungen der Klägerin nur gering sind. Darüber hinaus wird der Beklagte zu beachten haben, dass
der Umfang einer qualitativen Versorgungslücke nicht allein quantitativ zu bemessen sein kann, sondern dass gerade diejenigen
qualitativen Elemente, die zur Lücke führen, auch deren Erheblichkeit für die Bedeutung der Versorgung der Versicherten im
Planungsbereich ausmachen.
Das Sozialgericht ist schließlich - wie auch bereits der Beklagte - zutreffend und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung
des Senats (vgl. Beschlüsse vom 30 Mai 2007 L 4 KA 20/07 ER - und vom 29. Februar 2008 - L 4 KA 16/08 ER) davon ausgegangen, dass die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen zur Erbringung von Leistungen nach Nrn. 01820 und
01821 bzw. 01900 EBM 2005 erfüllt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest und schließt sich den diesbezüglichen Erwägungen
der Vorinstanz nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung an. Von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird
insoweit abgesehen, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, §§ 47, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach bestimmt sich der Streitwert aus der sich aus dem Antrag des Rechtsmittelführers ergebenden Bedeutung der Sache
nach Ermessen des Gerichts. Auszugehen war hierbei von der Höhe des Honorars für die streitgegenständlichen Leistungen für
den Zeitraum der üblicherweise vorgenommenen zweijährigen Befristung der Ermächtigung (BSG, Beschluss vom 19. Juli 2006 -
B 6 KA 33/05 B - juris Rdnr. 12).
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