Aufwendungen für einen Umzug und die Kostenübernahme für eine neue Wohnung im Sozialhilferecht
Keine einstweilige Anordnung, soweit keine hinreichenden Eigenbemühungen zum Finden angemessenen Wohnraums glaubhaft gemacht
werden
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung über die Zustimmung zu einem beabsichtigten Umzug der Antragstellerin
in eine andere Wohnung.
Die Antragstellerin bezieht neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ergänzende Leistungen der Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII in Höhe von gegenwärtig 174,60 Euro monatlich (Bescheid vom 23. April 2013) unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft
für die Wohnung der Antragstellerin in A-Stadt, A-Straße, in Höhe der Bruttokaltmiete von 367,70 Euro (Grundmiete: 279,70
Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 72 Euro, Wasser/Entwässerung: 16,00 Euro) und 88 Euro Heizkosten.
Mit Beschluss vom 22. März 2013 (S 18 SO 20/13 ER) hatte das Sozialgericht Gießen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung, gerichtet auf die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zustimmung zu einem Umzug in eine Wohnung in
der C-Straße in A-Stadt abgelehnt, weil die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht habe.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2013 beantragte die Antragstellerin die Übernahme der Kosten für eine Wohnung mit 48,69 m² Gesamtwohnfläche
in A-Stadt, D-Straße, x. Stock links, in Höhe der Bruttokaltmiete von 365,56 EUR (Kaltmiete: 300,57 Euro, Betriebskostenvorauszahlung:
45 Euro, Kanalgebühren: 20 Euro, Warmwasserkosten: nicht bezifferbar).
Mit Bescheid vom 7. Mai 2013 teilte der Antragsgegner mit, dass im Falle einer Anmietung der Wohnung die Kosten der Unterkunft
nicht in vollem Umfang übernommen werden könnten, weil die Höhe der Bruttokaltmiete nicht angemessen sei. Angemessen sei nach
der Richtlinie des Landreises Gießen eine Bruttokaltmiete von 290,70 Euro und Kosten für Wasser/Abwasser von 14,02 Euro (zzgl.
Gebühren für den Wasserzähler).
Mit Schreiben vom 8. Mai 2013 legte die Antragstellerin hiergegen Widerspruch ein.
Am 16. Mai 2013 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Gießen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Sie hat geltend gemacht, sie sei aufgrund häufiger nächtlicher Ruhestörungen durch eine Nachbarin gesundheitlich stark belastet
und wünsche daher einen Wohnungswechsel. Sie leide unter Nervosität, Magenschmerzen, Herzrasen, Schweißausbrüchen, Verdauungsstörungen,
Konzentrationsstörungen und einer Verschiebung des Tag-/Nacht-Rhythmus. Ihre Nachbarin sorge häufig und intensiv für erheblich
nächtliche Ruhestörungen. Ihr Sozialleben leide hierunter, da sie nicht abschätzen könne, wie es um ihre Nachtruhe bestellt
sei, gehe sie kaum mehr Verabredungen ein oder plane Unternehmungen, weil sie fürchte, diese wegen völliger Erschöpfung nicht
antreten zu können. Sie habe einen Anspruch auf die Zusicherung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten der Unterkunft
für die Wohnung in der D-Straße, da sie die derzeitige Wohnsituation gesundheitlich stark beeinträchtige, bestehe ein wichtiger
Grund zum Wohnungswechsel. Ein solcher werde an sich nicht benötigt, da es nicht um die Kosten des Umzugs gehe, die Motive
für einen Wohnungswechsel spielten bei einem Umzug von einer angemessenen Wohnung in eine andere angemessene Wohnung keine
Rolle. Soweit zur Frage der Angemessenheit der KdU auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitsaufschlags von 10% zurückgegriffen werde, ergebe sich eine Nettokaltmiete von max. 399,30 Euro,
dieser Wert werde nicht erreicht. Soweit sich der Antragsgegner auf ein schlüssiges Konzept zur Erhebung angemessener Unterkunftskosten
berufe, nach dem allenfalls eine Bruttokaltmiete von 290,70 EUR als angemessen angesehen werden könne, sei dem nicht zu folgen.
Aufgrund des Anteils an Studierenden von ca. 1/3 der Bevölkerung der Stadt Gießen seien Wohnungen, die dem Angemessenheitsmaßstab
des Antragsgegners entsprächen auf dem Wohnungsmarkt nicht verfügbar, bzw. für sie - die Antragstellerin - faktisch verschlossen,
da sie nicht auf den allgemein zugänglichen Informationswegen zu finden seien. Zu solchen Bedingungen würden Wohnungen bei
Neuvermietungen nicht angeboten, die Wohnungssuche werde durch ihre Eigenschaft als Leistungsbezieherin erschwert. Darüber
hinaus habe der Antragsgegner in der Vergangenheit einen erhöhten Wasserverbrauch anerkannt, nämlich in der Größenordnung
eines Zwei-Personen-Haushalts, was sich erhöhend auf die Angemessenheit der KdU auswirken müsse. Der Anordnungsgrund ergebe
sich bereits aus dem Umstand, dass das Wohnungsangebot für die Wohnung in der D-Straße nicht zeitlich unbegrenzt bestehe.
Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung vom 10. Mai 2013, handschriftliche Lärmprotokolle
über den Zeitraum vom 5. März 2010 bis zum 14. April 2013 und eine Aufstellung der Polizeistation Gießen xxx über 26 polizeiliche
Einsätze wegen Ruhestörung im Zeitraum 19. September 2009 bis 11. Januar 2013 vorgelegt.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass bereits ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei. Die gesundheitlichen Beschwerden, die
bei der Antragsgegnerin vorlägen, könnten nicht allein auf nächtliche Ruhestörungen durch die Nachbarin zurückzuführen sein.
Das im Verfahren S 18 SO 30/13 ER vorgelegte Attest datiere auf Juni 2012, die handschriftliche Dokumentation über die Ruhestörungen
weise für die Zeit ab Juni 2012 eine etwa halbjährige Lücke auf, so dass der Zusammenhang zwischen Ruhestörungen und der Gesundheitsbeeinträchtigung
zweifelhaft sei. Es bestehe auch kein Anordnungsanspruch, da die Kosten der Unterkunft für die Wohnung in der D-Straße nach
der im September 2012 im Landkreis Gießen durchgeführten Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Richtwerte, deren Ergebnis
der "Verwaltungsinternen Handlungsanweisung des Landkreises Gießen zu Ermittlung, Anrechnung und Umsetzung der Kosten der
Unterkunft und Heizung [Stand: 01.12.2012]" zugrunde liege, unangemessen seien. Die Kosten würden sogar geringfügig den nach
der Wohngeldtabelle für Einzelpersonen in der Stadt Gießen veranschlagten Betrag von 363,00 Euro übersteigen. Der Umzug werde
auch weder von ihm - dem Antragsgegner - veranlasst noch sei er aus anderen Gründen notwendig. Zwar seien gesundheitliche
Beeinträchtigungen nicht gänzlich ausgeschlossen, die Notwendigkeit eines Umzugs sei jedoch weder gegeben noch glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin habe auch nach wie vor nicht glaubhaft gemacht, dass eine Unterkunft ohne die Zustimmung in einem angemessenen
Zeitraum nicht gefunden werden könne.
Mit Beschluss vom 24. Juni 2013 hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zu Begründung hat
es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass zwingende Gründe für eine Vorwegnahme der Hautsache nicht vorlägen, es sei weder
ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass bei einem Verweis
auf das Hauptsacheverfahren das konkrete Wohnungsangebot voraussichtlich nicht mehr verfügbar sein werde, reiche nicht aus.
Es bestehe kein zwingender Grund für einen sofortigen Umzug der Antragstellerin. Auch auf dem sicherlich schwierigen Wohnungsmarkt
im Kernbereich der Stadt Gießen würden immer wieder Wohnungen angeboten, um die sich die Antragstellerin bemühen könne. Wohnungslosigkeit
drohe nicht. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Ein nachvollziehbarer Grund für den Umzug bestehe, an der
Erforderlichkeit des Umzuges ergäben sich jedoch Zweifel, es scheine ein intensiver Nachbarkonflikt vorzuliegen, den zu beheben
nicht Aufgabe des Gerichts sei. Es sei der Antragstellerin zumindest für eine Übergangszeit zuzumuten, ein Zusammenleben mit
der Nachbarin in einer Hausgemeinschaft auszuprobieren, denn auch ein Nichtleistungsbezieher mit bescheidenen wirtschaftlichen
Möglichkeiten würde sich angesichts der dem Grunde nach angemessenen Wohnmöglichkeit für einen Umzug nur entscheiden, wenn
eine (preis-)günstige Alternative bestünde. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus den geltend gemachten gesundheitlichen
Gründen, aus der vorgelegten Bescheinigung lasse sich die Notwendigkeit eines Umzugs nicht entnehmen, konkrete Anforderungen
an den Wohnraum würden nicht gemacht. Darüber hinaus seien die Kosten für die Wohnung in der D-Straße unangemessen hoch, da
sie die absolute Obergrenze der Angemessenheit (Tabellenwert nach § 12 WoGG zzgl. 10% Sicherheitszuschlag) um 2,56 Euro überstiegen.
Gegen den ihr am 27. Juni 2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 10. Juli 2013 Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht
eingelegt.
Die Antragstellerin trägt unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie E. vom
22. August 2013 vor, der Vermieter sei bereit, die Miete für die begehrte Wohnung geringfügig auf 363,00 Euro zu verringern.
Die begehrte Zusicherung auf Übernahme der KdU sei ein gesetzlich normierter Anspruch, in dessen Natur es liege, dass er im
Rahmen eines Hauptsacheverfahrens - unter Berücksichtigung der üblichen Verfahrenslaufzeiten in der Sozialgerichtsbarkeit
- de facto nicht durchsetzbar sei. Der Anordnungsgrund sei daher vorliegend dadurch belegt, dass ohne eine stattgebende Eilentscheidung
der begehrte Anspruch endgültig und unwiederbringlich verloren gehe. Sie sei nervlich und psychisch durch die unverändert
andauernde Ruhestörung extrem beeinträchtigt. Sie sei weiterhin erwerbsgemindert und daher ohnehin gesundheitlich beeinträchtigt.
Selbst wenn die Kosten der Wohnung in der D-Straße unangemessen wären, lägen sie mit 363 Euro günstiger als die derzeitige
Wohnung. Darüber hinaus sei ein notwendiger Grund für den Umzug gegeben und in einem angemessenen Zeitraum ein andere (angemessene)
Unterkunft nicht zu finden. Der notwendige Grund liege in der gesundheitsbeeinträchtigenden Wohnsituation wegen einer Mitmieterin,
nach deren Einzug im Jahr 2009 bereits die ersten Polizeieinsätze wegen Ruhestörung stattgefunden hätten. Sie habe mit allen
denkbaren Mitteln versucht, die Situation zu beheben, sie habe versucht, auf die Mitmieterin einzuwirken, auf den Vermieter
einzuwirken und durch Inanspruchnahme der Polizei das Problem zu lösen. Sie suche sei vielen Monaten eine anderweitige Wohnung
um der Wohnsituation zu entkommen, es sei jedoch aussichtslos eine Wohnung zu finden, die den Anforderungen der Antragsgegnerin
genüge. Mit 363 Euro seien die Kosten der angestrebten Wohnung angemessen. Das Konzept des Antragsgegners zur Erhebung angemessener
Unterkunftskosten sei nicht schlüssig. In der Studentenstadt Gießen mit einem Bevölkerungsanteil von einem guten Drittel Studenten
bestehe eine typische große Konkurrenz um kleine Wohnungen, was sich auf die tatsächliche Verfügbarkeit von Wohnungen auswirke.
Gerade unter Studenten sei die direkte "Weitergabe" einer Wohnung typisch. Sie habe seit langem die einschlägigen Zeitungen
nach Wohnungsannoncen studiert, dort würden nie Wohnungen angeboten, die dem Angemessenheitsmaßstab der Antragsgegnerin genüge.
Der Wohnungsmarkt sei insoweit für sie faktisch verschlossen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 24. Juni 2013 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr eine Zusicherung
für die Aufwendungen der Unterkunft in der D Straße (x. OG links) in A-Stadt in Höhe von 363,00 EUR zu erteilen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Antragstellerin habe auch unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Situation, ihrer gesundheitlichen Einschränkungen
und einer möglichen Eilbedürftigkeit keinen Anspruch auf Zusicherung der Übernahme der Kosten der Unterkunft. Der Umzug sei
weder von ihm veranlasst noch liege ein anderweitiger Umzugsgrund, der einen Zustimmungsanspruch nach sich ziehe, vor. Denn
die vorgetragenen Gesundheitsbeeinträchtigungen stünden in keinem Kausalzusammenhang zu den bestehenden nachbarschaftlichen
Spannungen. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf die Zusicherung der Übernahme überhöhter Umzugskosten, sondern lediglich
auf Zusicherung der Übernahme angemessener Unterkunftskosten. Nach dem Konzept der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Richtwerte
im Landkreis Gießen vom September 2012 seien die Kosten der Wohnung D-Straße unangemessen hoch. Preisgünstige Wohnungen stünden
auch zur Verfügung, warum sich die Antragstellerin sich nicht auch bei anderen als ihrem bisherigen Vermieter um eine Wohnung
bemüht, könne nicht nachvollzogen werden. Allein die begrenzte Verfügbarkeit einer Wohnung begründe noch keine Eilbedürftigkeit.
Die vorgetragenen Lärmbelästigungen, die Protokolle sowie die Polizeieinsätze hierzu stammten überwiegend aus dem Jahr 2012
und der Zeit davor. Seit April 2013 seien keine weiteren Lärmbelästigungen substantiiert vorgetragen, insbesondere hätten
nach dem Vorbringen der Antragstellerin keine Polizeieinsätze mehr stattgefunden.
II.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(Satz 2). Nach §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Für das von ihr verfolgte Begehren, die Beklagte
zur Zusicherung zu verpflichten, die Aufwendungen der Unterkunft in der D-Straße (1. OG links) in A-Stadt in Höhe von 363,00
EUR zu übernehmen, kommt als Rechtsgrundlage § 35 Abs. 2 Sätze 5 und 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung i. V. m. § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in Betracht. Gem. § 34 Abs. 1 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen
(Zusicherung) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Durch die Abgabe der Zusicherung verpflichtet sich die Verwaltung
zu einer bestimmten zukünftigen Sachbehandlung. Es handelt sich bei der Zusicherung um einen Verwaltungsakt im Sinne von §
31 SGB X, mit dem hier: der Erlass eines Verwaltungsaktes für die Zukunft verbindlich in Aussicht gestellt wird. Ob die Zusicherung
erteilt wird, steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde, d. h. ein Anspruch auf die Zusicherung (nicht lediglich auf die
ermessensfehlerfreie Entscheidung) besteht im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null. Der Anspruch auf Zusicherung setzt
ein berechtigtes Interesse auf verbindliche Vorabentscheidung voraus (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 34 RdNr. 10).
Von einem berechtigten Interesse auf eine verbindliche Vorabentscheidung ist im Falle der Antragstellerin auszugehen, denn
sie begehrt die Zusicherung der Übernahme von Kosten einer künftigen Wohnung. Diese Übernahme der Kosten der Unterkunft setzt
gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII die Angemessenheit der Unterkunftskosten voraus. Sind die Aufwendungen für die neue Unterkunft unangemessen hoch, ist der
Träger der Sozialhilfe gem. § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet, es sei denn, er hat den darüber hinausgehenden Aufwendungen vorher
zugestimmt. Gem. § 35 Abs. 2 Satz 6 SGB XII soll eine Zustimmung erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen
notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zusicherung der Übernahme der Kosten der Unterkunft für die Wohnung D-Straße,
A-Stadt, liegen nicht schon deshalb vor, weil die Aufwendungen für diese Wohnung sozialhilferechtlich angemessen hoch wären.
Dies ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht der Fall.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -, der insoweit inhaltsgleich mit § 35 SGB XII ist, (ständige Rspr. seit BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 - zu § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -) ist die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren
zu konkretisieren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Kosten des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft
abstrakt angemessen sind, das heißt, ob die Kosten dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen
geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich
aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien
entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist. Dieser Prüfungsschritt
ist in § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII vorgegeben, wonach die abstrakt unangemessenen Kosten solange (regelmäßig für längstens sechs Monate) zu übernehmen sind,
wie dem Hilfebedürftigen die Senkung der Kosten unmöglich oder unzumutbar ist (konkrete Angemessenheit).
Die abstrakte Angemessenheit von Unterkunftskosten, die sich in der abstrakt angemessenen Referenzmiete ausdrückt, ist in
mehreren Schritten zu bestimmen: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die
angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt.
Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten
auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Die Prüfung der Angemessenheit setzt eine Einzelfallprüfung
voraus, für die die Bemessung des Wohngeldes bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden können, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten
erschöpft sind (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R). Liegen keine entsprechenden Mietspiegel bzw. Mietdatenbanken (§§ 558c ff.
Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB) vor und führen Erkenntnismöglichkeiten im lokalen Bereich nicht weiter, kann ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 WoGG oder auf die zulässigen Mietgrenzen der in Ergänzung zum Wohnraumförderungsgesetz erlassenen landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen in Betracht kommen. Bei einem Rückgriff auf Tabellen bzw. Fördervorschriften
ist zu Gunsten des Leistungsempfängers ein ausgleichender Zuschlag von 10 % zu den Tabellenwerten zu berücksichtigen. Der
Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, also ein ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab. Ihm wohnt
der Gedanke der Begrenzung inne (BSG aaO.). Die Mietobergrenze ist unter Berücksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen.
Sie soll dabei die Wirklichkeit, also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums abbilden, denn der Hilfebedürftige
soll durch die Leistungen in die Lage versetzt werden, sein elementares Grundbedürfnis "Wohnen" zu grundsicherungsrechtlich
angemessenen Bedingungen zu befriedigen (Berlit, in: LPK SGB XII, 7. Auflage 2005, § 29 Rn. 33). Sein Lebensmittelpunkt soll geschützt werden. Die festgestellte, angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze
muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung
anzumieten (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Februar 2013, L 7 SO 43/10).
Zunächst ist die streitgegenständliche Wohnung hinsichtlich ihrer Größe von 48,69 m² unangemessen groß. Zur Festlegung der
angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (ständige Rspr.
BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231). Insoweit wird normativ und unabhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten festgelegt, welche Wohnungsgrößen für Hilfebedürftige
abstrakt als angemessen anzusehen sind. Maßgeblich sind die im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az.: B 4 AS 70/08 R; Urteil vom 26. Mai 2011, Az.: B 14 AS 86/09 R - juris und Urteil vom 20. Dezember 2011, Az.: B 4 AS 19/11 R, BSGE 110, 52). Der Antragsgegner ist in Umsetzung dieser Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße
für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnfläche von 45 qm zu berücksichtigen ist. Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche ist
hierbei anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften (§
5 Wohnungsbindungsgesetz i.V.m. § 27 Abs. 1 - 5 Wohnraumförderungsgesetz) zu bestimmen. Nach Nr. 4.2.1 der Richtlinien zur sozialen Wohnungsraumförderung vom 20. Februar 2003 (StAnz. S. 1346), geändert durch die Richtlinien
vom 19. Januar 2004 (StAnz. S. 628) ist eine Wohnungsgröße für eine Person bis 45 m², für zwei Personen bis 60 m² und für
jede weitere Person 12 m² angemessen.
Die Wohnungsgröße der angebotenen Wohnung überschreitet den angemessenen Wert um 3,69 m². Diese Überschreitung wäre nur dann
sozialhilferechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses, gleichwohl angemessen i. Sinne
des § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII wäre, etwa, weil der Standard der Wohnung nach unten abweicht. Das ist hier nicht der Fall, denn die für die streitgegenständliche
Wohnung zu erwartenden Aufwendungen überschreiten nach dem (bereits abgesenkten) Mietangebot des Vermieters die Angemessenheitsobergrenze
von 290,70 EUR (Bruttokaltmiete) im Vergleichsraum.
Die zugrunde zu legende Angemessenheitsobergrenze in der angegebenen Höhe ergibt sich aus dem vom Antragsteller vorgelegten
Konzept der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Richtwerte im Landkreis Gießen (Stand: 1. Dezember 2012), das der Senat
nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz gem. §
86b SGG gebotenen summarischen Prüfung für schlüssig hält.
Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und
grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss von daher hinsichtlich der
aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im
unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab
bildet. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage eines diese Anforderungen beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln. Der Grundsicherungsträger muss
mithin nicht nur ein Konzept haben, nach dem er die Referenzmiete bestimmt, sondern dieses Konzept muss zudem einer gerichtlichen
Überprüfung standhalten, also schlüssig sein (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R). Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen.
Der Träger muss die bei ihm vorhandenen Daten sowie die personellen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung oder
Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellen (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 33/08 R). Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine
Ghettobildung),
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung
nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
- Validität der Datenerhebung,
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Die vom Antragsgegner zur Anwendung gebrachte verwaltungsinternen Handlungsanweisung des Landkreises Gießen zur Ermittlung,
Anrechnung und Umsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung (Stand: 1. Dezember 2012) auf der Grundlage der Mietwerterhebung
zur Ermittlung der KdU-Richtwerte im Landkreis Gießen entspricht diesen Vorgaben.
Das Konzept des Antragsgegners hat Mietobergrenzen in der Weise ermittelt, dass der Landkreis Gießen in vier als Wohnungsmarkttypen
(Wohnungsmarkttyp I: Allendorf (Lumda), Biebertal, Buseck, Langgöns, Lollar, Rabenau, Reiskirchen, Staufenberg, Wohnungsmarkttyp
II: Fernwald, Heuchelheim, Lich, Linden, Pohlheim, Wettenberg, Wohnungsmarkttyp III: Gießen, Wohnungsmarkttyp IV: Grünberg,
Hungen, Laubach) bezeichnete räumliche Einheiten im Wege einer Clusteranalyse eingeteilt wurde. Die Wohnungsmarkttypen bilden
nach der schlüssigen Darstellung der Mietwerterhebung Vergleichsräume mit einem weitgehend homogenen Mietpreisniveau. Sie
dienen der regionalen Differenzierung des Kreisgebiets und sollen verhindern, dass ganze Regionen des Kreises aufgrund ihrer
Miethöhe als potenzielle Wohnstandorte ausgeschlossen werden. Als Indikatoren wurden die Bevölkerungsentwicklung, die Bevölkerungsdichte,
die Siedlungsstruktur, die Neubautätigkeit in einer Kommune, das Pro-Kopf-Einkommen, der Bodenpreis und die Zentralität sowie
die jeweilige Mietstufe nach dem Wohngeldgesetz berücksichtigt. Die Stadt Gießen bildet allein den Wohnungsmarkttyp III, als charakteristisch beschrieben werden insoweit
deutlich überdurchschnittliche Bodenpreise, die klar überdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung, die Siedlungsstruktur
mit dem höchsten Anteil an Mehrfamilienhäusern sowie - bedingt durch einen hohen Bevölkerungsanteil an Studenten - das klar
unterdurchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen. Im Rahmen der Datenerhebung wurden Bestandsmieten, Angebotsmieten und Neuvertragsmieten
erhoben, dabei wurden sog. Substandardwohnungen, d. h. solche, die nicht mindestens über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung"
verfügten, Wohnungen des Luxussegments, Wohnungen unter 35 m² oder in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich oder teilgewerblich
genutzte Wohnungen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen und Wohnungen mit sog. Freundschaftsmieten nicht in die Untersuchung
aufgenommen. Berücksichtigt wurden Daten des Jobcenters Gießen über tatsächlich anfallende Nettokaltmieten und Wohnflächen.
Es erfolgte weiter eine umfangreiche Vermieter- und Mieterbefragung anhand einer Zufallsstichprobe von 3.000 kleineren Vermietern,
hiervon entfielen 500 auf den Wohnungsmarkttyp III. Im Rahmen der Mietwerterhebung wurden von Januar bis Juli 2012 zum Stichtag
1. Februar 2012 u. a. Daten über den Beginn des Mietvertrages, die letzte Mietänderung, das Ausstattungsmerkmal Bad und Sammelheizung,
die Wohnungsgröße, die Netto-Kaltmiete, die kalten Betriebskosten, die Heiz- und Warmwasserkosten und die Kosten zu Aufbereitung
von warmen Wasser erhoben. Der Gesamtumfang der erhobenen Wohnungsmieten umfasste 14.806 Mieten, wovon 14.123 Mieten - nach
Abzug unvollständig ausgefüllter Fragebögen, Filterfragen bzw. unplausibler Werte - als tabellenrelevant erkannt wurden. Die
Angaben wurden den Wohnungsgrößen, wie sie bei der Förderung im sozialen Wohnungsbau relevant sind, zugeordnet, Extremwerte
wurden auf der Basis eines 95 % Konfidenzintervalls eliminiert und die Angaben über die verbleibenden 13.374 Wohnungen (hiervon
entfielen auf den Wohnungsmarkttyp III 8.790 Mietwerte, davon 1.075 auf Wohnungen bis 45m²) ausgewertet und Werte für Netto-Kaltmieten
und durchschnittliche Betriebskosten berechnet. Darüber hinaus wurden Angebotsmieten über einen Zeitraum von einem halben
Jahr (November 2011 bis April 2012) ermittelt, indem Anzeigen auf Internet-Suchportalen (Immoscout 24, Immonet, Immowelt),
den Internetseiten großer Wohnungsanbieter im Kreisgebiet und der örtlichen Tagespresse sowie Anzeigenblättern erfasst wurden.
Die Daten wurden den jeweiligen Wohnungsmarkttypen zugeordnet, die Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter ermittelt und Extremwerte
durch Extremwertkappung auf Basis des 95 %-Konfidenzintervalls ausgesondert. Wohnungen des Luxussegments wurden nicht erfasst.
Auf diese Weise wurden insgesamt 1.506 Wohnungsangebote (nach Extremwertkappung) erfasst, wobei in dem Konzept des Antragsgegners
davon ausgegangen wird, dass diese Anzahl unter dem tatsächlichen Angebotsvolumen liege, da nicht alle Wohnungen über diese
Medien vermarktet (ca. 40 %) würden. Weiterhin wurden die Bestandsmieten zusätzlich danach ausgewertet, welche Mieten bis
zu 9 Monaten vor dem Erhebungsstichtag als Neuvertragsmieten tatsächlich realisiert werden konnten, um so die Qualität der
Angebotsmieten beurteilen zu können. Der Vergleich von Angebots- und Vertragsmieten zeige, dass die durchschnittlichen Neuvertragsmieten
in der Regel deutlich unterhalb der durchschnittlichen Angebotsmieten liegen, d. h. dass tatsächlich ein wesentlich größeres
Wohnungsangebot unterhalb der Richtwerte zur Verfügung stehe, als diese in den ermittelten Angebotsmieten zum Ausdruck komme.
Aufgrund der Wohnungsmarktsituation in Gießen mit einem starken Wettbewerbsdruck auf die Mietpreise sowie der Sonderstellung
als Universitätsstadt und der daraus resultierenden, erhöhten Nachfrage von kleineren Wohnungen wurde für den Wohnungsmarkttyp
III eine Perzentilgrenze der Bestandsmieten von 65 % für 1 Personen-Haushalte als notwendig angesehen. Als Richtwerte der
Nettokaltmiete wurden für den Wohnungsmarkttyp III hinsichtlich der Wohnungsgröße bis 45 m² ein Wert von 243,00 EUR (5,40
EUR/m²) sowie durchschnittliche kalte Betriebskosten in Höhe von 1,06 EUR/m² errechnet, mithin eine Angemessenheitsgrenze
für Brutto-Kaltmieten in Höhe von 290,70 EUR.
Das von dem Antragsgegner vorgelegt Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze erfüllt nach alledem die von der Rechtsprechung
entwickelten Anforderungen und ist schlüssig. Insbesondere wurde der Vergleichsraum zutreffend bestimmt. Bei dem Vergleichsraum
muss es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur
und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet
(BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 27/09 R - juris m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Februar 2009, Az.: B 4 AS 30/08 R - juris) darf bei der Bildung der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt
werden, es dürfen jedoch nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden.
Vielmehr ist auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten räumlichen Vergleichsraum abzustellen. Danach
ist für den Vergleichsraum ein einheitlicher Wert der angemessenen Kosten der Unterkunft zu bilden. Als räumlicher Vergleichsmaßstab
ist, wie das BSG in seinem Urteil vom 7. November 2006 (B 7b AS 10/06 R) im Einzelnen dargelegt hat, in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. Dies bedeutet jedoch nicht, dass
sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" nach dem jeweiligen landesrechtlichen
Kommunalrecht orientieren muss. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es - insbesondere im ländlichen Raum
- geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung
in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, geboten
sein kann. Indem auf den Vergleichsraum des Wohnungsmarkttyps III abgestellt wurde, der die Stadt Gießen allein bezeichnet,
werden diese Anforderungen erfüllt. Nicht erforderlich oder auch nur tunlich wäre es unter Berücksichtigung der in dem Bericht
über die Grundlage der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Richtwerte im Landkreis Gießen nachvollziehbar angegebenen
strukturellen Besonderheiten des Stadtgebiets Gießen gewesen, weitere Gemeinden in diesen Wohnungsmarkttyp einzubeziehen.
Zugleich ist das Gebiet, auf den der Wohnungsmarkttyp III abstellt, hinreichend groß, um eine Ghettoisierung zu vermeiden.
Die Antragstellerin wendet gegen das Konzepts im Wesentlichen ein, Tabelle 21 der Mietwerterhebung weise lediglich einen Anteil
von 1 % der Angebotsmieten für 1 Personen-Haushalte im Wohnungsmarkttyp III als der max. Bruttokaltmiete von 290,70 EUR entsprechend
aus, während auf Seite 17 der Mietwerterhebung ausgeführt werde, dass der Grundbedarf bei 16 % liege. Ferner zeige Tabelle
19 auf, dass von 68 ermittelten Angebotsmieten 0 % bis Perzentil Bestandsmieten der angegebenen Mietobergrenze entspreche,
was dahingehend zu verstehen sei, dass es keine Wohnung gegeben habe, die dem Median der Bestandsmieten entsprochen oder eine
geringere Miete aufgewiesen hätte. Diese Daten stehen indes der Schlüssigkeit des Konzepts nicht entgegen. Denn nachvollziehbar
dargestellt ist, dass die erhobenen und ausgewerteten Angebotsmieten lediglich ca. 60 % des tatsächlichen Angebotsvolumens
darstellt, weil ca. 40 % des Angebots direkt vermarktet werden, ohne dass Anzeigen geschaltet würden, es sich jedoch nicht
nur um Mieten handele, die unter der Hand bzw. unter Freunden angeboten würden. Vielmehr hätten Wohnungsunternehmen in der
Regel Interessentenlisten, die im Bedarfsfall priorisiert abgearbeitet würden. Darüber hinaus würden von den Wohnungsunternehmen
häufig nur ausgesuchte Wohnungen öffentlich angeboten, was statistisch in aller Regel zu einer Übergewichtung der teureren
Wohnungen führe. Darüber hinaus zeige der Vergleich von Angebots- und Vertragsmieten, dass die durchschnittliche Neuvertragsmieten
in der Regel deutlich unterhalb der durchschnittlichen Angebotsmieten lägen, so dass tatsächlich ein wesentlich größeres Wohnungsangebot
unterhalb der Richtwerte zur Verfügung stehe als dies in den ermittelten Angebotsmieten zum Ausdruck komme. Diese Darstellung
ist unter Berücksichtigung von Tabelle 19 der Mietwerterhebung schlüssig, denn dort wird angeben, dass bei den Neuvertragsmieten
66 % bis Perzentil Bestandsmieten der Angemessenheitsgrenze entspricht. Soweit die Antragstellerin weiterhin ausführt, die
Diskrepanz zwischen 1129 Mieten im Bestand bei Abb. A 11 und 1075 Mieten im Bestand laut Tab. Anlage 1.3 erschließe sich nicht,
steht dies der Schlüssigkeit des Konzepts weiterhin nicht entgegen, denn die Differenz erklärt sich aus der feldbezogenen
Kappungsgrenze nach dem 95 %-Konfidenzintervall (vgl. S. 14 des Berichts): 1129 stellt danach die Anzahl der Bestandsmieten
vor Kappung der Extremwerte dar, 1075 die Anzahl nach der Extremwertkappung.
Weiterhin liegt ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der Zusicherung, die künftigen Kosten der Unterkunft in vollem Umfang
zu übernehmen auch nicht deshalb vor, weil diese zwar noch unangemessen hoch sind, aber kostengünstiger sind als die bisherigen
Kosten der Unterkunft der Antragstellerin. Denn ein Anspruch auf die Zusicherung besteht nur, wenn und soweit die KdU angemessen
im Sinne von § 35 SGB XII sind (vgl. hierzu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Oktober 2010, L 19 AS 29/09, juris RdNr. 22 zur Zusicherung im Rahmen eines Kostensenkungsverfahrens) oder der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe
veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung aus anderen Gründen in einem angemessenen
Zeitraum nicht gefunden werden kann. Jedenfalls Letzteres hat die Antragstellerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der
lediglich pauschale Vortrag der Antragstellerin, sie suche seit vielen Monaten eine anderweitige Wohnung, sie studiere den
zugänglichen Wohnungsmarkt in Form von Wohnungsannoncen in Zeitungen und habe engen persönlichen Kontakt zum E. einem großen
und kostengünstigen Vermieter in Gießen und der F. GmbH, dem zweiten großen Vermieter, lässt keine hinreichenden Rückschlüsse
auf ausreichende Bemühungen der Antragstellerin zu, eine Wohnung innerhalb der Angemessenheitsgrenze zu suchen. Es ergibt
sich bereits nicht in welchem Zeitraum die Antragstellerin wie viele Annoncen in welchen Zeitungen (vergeblich) durchgesehen
hat oder wie sich der Kontakt zu den beiden Vermietergesellschaften gestaltet und worauf bezogen hat. Auch lassen sich sonstige
Bemühungen, etwa Internetrecherchen, nicht entnehmen.
Auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes kommt es nach alledem nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.