Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für Arbeitnehmer der Klägerin Kurzarbeitergeld (Kug) für den Zeitraum vom
23. Juni 2003 bis 30. Juni 2003 zu zahlen hat.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen mit Sitz in A-Stadt, welches gewerbsmäßig Dritten Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung
überlässt (Verleiher).
Im streitigen Zeitraum waren 100 Arbeitnehmer der Klägerin (Leiharbeitnehmer) in einer Betriebsabteilung eines Automobilkonzerns
in D. (Entleiher) eingesetzt. Die vertragliche Regelung zwischen Klägerin und Entleiher sah branchentypisch vor, dass der
Entleiher Lohnkosten nur zu tragen hat, soweit die Leiharbeitnehmer eingesetzt werden. Wegen weiterer Einzelheiten hierzu
wird auf die mit Schriftsatz der Klägerin vom 2. März 2011 übersandten Arbeitnehmerüberlassungsverträge verwiesen. Mit Antragsformblatt
vom 24. Juni 2003 zeigte die Klägerin bei dem Arbeitsamt D. einen Arbeitsausfall für die vorbenannten Leiharbeitnehmer für
den streitigen Zeitraum an. Dabei führte sie aus, der Einsatzbetrieb des Entleihers sei geschlossen, weil er alle Leiharbeitnehmer
freigestellt habe. Grund hierfür sei, dass wegen eines Streiks in Ostdeutschland benötigte Produktionsteile nicht verfügbar
seien und deshalb eine Produktion nur eingeschränkt fortgesetzt werden könne. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anzeige
selbst verwiesen.
Die Klägerin schloss mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit vom 27. Juni 2003 ab. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Vereinbarung verwiesen. Mit Bescheid vom 2. Juli 2003 lehnte das Arbeitsamt D. die Gewährung
von Kug für die Leiharbeitnehmer ab. Zur Begründung führte sie aus, ein solcher Anspruch setze unter anderem einen erheblichen
Arbeitsausfall mit Arbeitsentgeltausfall voraus. Aufgrund des Annahmeverzuges des Arbeitgebers bestehe aber weiterhin ein
Anspruch auf Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer. Diese Regelung sei nach §
11 Abs.
4 Satz 2
AÜG unabdingbar.
Hiergegen legte die Klägerin am 15. Juli 2003 schriftlich Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie an, es bestehe keine Entgeltfortzahlungspflicht
für sie, weil der Entleiher nur mittelbar von Streikfolgen betroffen sei. Daher entfalle die Entgeltzahlungspflicht nach der
allgemeinen Regelung des §
326 Abs.
1 BGB.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kug lägen nach §
169 Nr.
1 und §
170 Abs.
1 Nr.
4 SGB III nicht vor. Einen Anspruch auf Kug bestehe danach nur, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliege. Beim
Leiharbeitsverhältnis gehöre es von vornherein zum allgemeinen Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers, ob er die für ihn ständig
bereitgehaltene Arbeitskraft des Arbeitnehmers nutzen könne oder nicht. Ein darauf basierender Einsatzausfall gehöre daher
zum wirtschaftlichen Risiko des Arbeitgebers. So habe das Bundesarbeitsgericht bereits mit Urteil vom 1. Februar 1973 – 5 AZR 382/72 – festgestellt, dass es mit Wesen und Struktur eines Personalleasingunternehmens unvereinbar sei, dem arbeitswilligen Leiharbeitnehmer
im Falle eines durch einen Arbeitskampf bedingten Arbeitsausfalls im Betrieb des Entleihers das Lohnrisiko aufzubürden. Es
gehöre vielmehr zum allgemeinen Wirtschaftsrisiko eines Verleihers, dass er als Folge von Arbeitsausfällen aus verschiedensten
Gründen auch das Lohnausfallrisiko zu tragen habe. Weiter sehe §
11 Abs.
4 Satz 2
AÜG ausdrücklich vor, dass das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht durch Vertrag
aufgehoben oder beschränkt werden könne.
Hiergegen hat die Klägerin am 23. Dezember 2003 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben.
Die Klägerin hat darauf hingewiesen, die Leiharbeitnehmer seien ähnlich wie die Stammbelegschaft in die Betriebsabläufe des
Entleihbetriebs integriert gewesen. Ein kurzfristiger anderer Einsatz in einem anderen Unternehmen sei weder konzeptionell
gewollt noch tatsächlich durchführbar gewesen. Auch habe die Klägerin kaum eine kurzfristige Chance gehabt, andere adäquate
Aufträge für die Leiharbeitnehmer zu erhalten. Der Rechtsauffassung der Beklagten, nach der eine Entgeltfortzahlungspflicht
für sie bestanden habe, sei nicht zu folgen. Abzustellen sei hierfür mangels einer Sonderregelung im
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz –
AÜG – auf das allgemein von der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung entwickelte Arbeitskampfrisiko. Danach trage bei bloß mittelbaren
Streikfolgen der Arbeitnehmer das Entgeltausfallrisiko. Selbst für Verleiher habe das BAG in seiner Entscheidung vom 1. Februar
1973 ausgeführt, die vorbenannte Zuweisung des Arbeitskampfrisikos könne bei Zeitarbeitsfirmen zum Tragen kommen, wenn infolge
des Streiks sämtliche vertraglich vorgesehenen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer des Leasing-Unternehmens wegfielen.
Soweit das BAG im Übrigen für Verleiher eine andere Gewichtung vorgenommen habe, sei dieser nicht zu folgen. Es bestehe kein
sachlicher Grund dafür, nur aufgrund des Betriebszwecks von Verleiher diesen die Folgen von durch Arbeitskämpfe ausgelösten
Störungen des Arbeitsmarktes zuzuweisen. Das gelte umso mehr, als die Funktion der Überlassung von Arbeitnehmern sich gewandelt
habe und der Einsatz von Leiharbeitskräften sich nicht mehr wesentlich von Stammbelegschaften unterscheiden würde. Die Klägerin
hat ihre Rechtsauffassung durch Vorlage eines Aufsatzes von Prof. Dr. Wolfgang Böhm in NZS 2007 S. 404 ff. und eine Entscheidung des SG Düsseldorf vom 9. Juni 2005 - S 25 (13) AL 244/04 - untermauert.
Das SG hat mit Urteil vom 9. November 2007, der Klägerin zugestellt am 17. Januar 2008, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
es sich vorrangig auf die Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil, 30. August 2006
L 12 AL 168/05) im Berufungsverfahren gegen das oben angegebene Urteil des SG Düsseldorf gestützt. Es hat wesentlich darauf abgestellt,
die vom BAG in einem obiter dictum angeführte Ausnahme treffe schon deshalb nicht zu, weil die betroffenen Arbeitnehmer nur
nicht bei dem Entleiher selber einsetzbar seien. Im Übrigen bestünde eine Vielzahl anderer vertraglich vorgesehener und vertraglich
möglicher nicht durch einen Streik betroffener Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland.
Hiergegen hat die Klägerin am 1. Februar 2008 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Senat hat mit
Beschluss vom 22. Februar 2011 den Betriebsrat der Regionaldirektion Süd der Klägerin beigeladen. Der Senat hat sich zur Relevanz
der Leiharbeit in der Automobilindustrie anhand des Abschlussberichts von Markus Promberger "Leiharbeit im Betrieb - Strukturen,
Kontexte und Handhabung einer atypischen Beschäftigungsform", Juli 2006, vor allem S. 104 ff., - Abschlussbericht - sachkundig
gemacht. Weiter hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2011 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu
den Umständen des Streiks befragt, der zu dem Arbeitsausfall im Entleihbetrieb geführt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf
die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Klägerin betont, die tatsächlichen rechtlichen Voraussetzungen für die Zeitarbeit hätten sich wesentlich geändert. So
sei festzustellen, dass seit Wegfall der Einsatzlimitierung bei demselben Entleiher Daueraufgaben von entsprechend qualifizierten
Verleihern wie der Klägerin und ihren Leiharbeitnehmern vor Ort wahrgenommen würden. Insoweit erweise sich die Arbeitnehmerüberlassung
mittlerweile als Dienstleistung wie jede andere auch. Ein Arbeitsausfall durch anderweitigen Personaleinsatz könne daher nur
vermieden werden, wenn es sich um gelegentliche und zeitlich begrenzte Arbeiten handelte, die bei den Entleihern auch auszuführen
seien. Seien die Leiharbeitnehmer hingegen voll und ganz in die Arbeitsprozesse beim Entleiher integriert, sei ein vorübergehender
anderweitiger Einsatz aus technischen und vertragsrechtlichen Gründen gegenüber dem Entleiher regelmäßig ausgeschlossen. Eine
Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Unternehmen sei daher nicht mehr gerechtfertigt. Weiter sei das SG von falschen Voraussetzungen ausgegangen, soweit es angenommen habe, anderweitige Einsatzmöglichkeiten hätten im gesamten
Bundesgebiet bestanden. So sei zunächst festzuhalten, dass sich das Einsatzgebiet für die betroffenen Leiharbeitnehmer auf
den Raum D. einschließlich eines Umkreises von 100 km beschränke. Vor allem habe die Klägerin jedoch schon deshalb bei plötzlich
auftretendem Arbeitsausfall im Entleihbetrieb in einer ansonsten planmäßig verlaufenden Beziehung zum Entleiher keine Einsatzalternativen
begründen können, weil keine Zeitarbeitskräfte nachgefragt würden, die unmittelbar nach Beendigung des Arbeitskampfes dort
wieder abgezogen werden müssten. Nur dadurch könne sie einen Vertragsbruch gegenüber dem Alt- oder Neuentleiher vermeiden.
Von der Beklagten benannte Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2007 und des BSG vom 21. Juli 2009 –
B 7 AL 3/08 R beträfen eine andere hier nicht einschlägige Sachverhaltskonstellation. Das BSG habe ausschließlich über einen konjunkturell
bedingten, vorübergehenden Auftragsnachfragerückgang eine Entscheidung getroffen. Dabei habe er sogar ausdrücklich hervorgehoben,
dass seine Erwägungen nicht greifen könnten, wenn der Arbeitsausfall trotz betriebs- und branchenüblicher wirtschaftlicher
Faktoren in erster Linie doch auf anderen, allgemeinen wirtschaftlichen Gründen beruhe. Somit habe es mittelbar auf den Begriff
des unabwendbaren Ereignisses nach §§
170 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m. 170 Abs.
3 SGB III verwiesen. Mittelbare Streikfolgen seien diesem Begriff jedenfalls zuzuordnen. Insbesondere habe die Klägerin daher auch
auf den vorübergehenden geringeren Beschäftigungsbedarf mit auf einer Betriebsvereinbarung basierenden Anordnung von Kurzarbeit
reagieren dürfen, ohne damit gegen §
11 Abs.
4 Satz 2
AÜG zu verstoßen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2003 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, auf ihren Antrag vom
24. Juni 2003 Kurzarbeitergeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beklagte wiederholt die Gründe der angefochtenen Bescheide und weist ergänzend auf die vorbenannte Rechtsprechung des
BSG hin.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Kurzarbeitergeldakte
der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2011 gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Gegenstand des Verfahrens, welches die Klägerin als Prozessstandschafterin für ihre betroffenen Leiharbeitnehmer führt (vgl.
BSG, 21.7.2009 - B 7 AL 3/08 R - mwN), ist der Bescheid vom 2. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2003, gegen den die Klägerin
sich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. Abs.
4, §
56 SGG) wehrt. Lehnt die Bundesagentur für Arbeit im zweistufigen Verwaltungsverfahren für die Gewährung von Leistungen bei Kurzarbeit
wie hier - bereits auf eine Anzeige des Arbeitsausfalls die Zahlung von Kug ab, ist Rechtsschutz grundsätzlich durch die verbundene
Anfechtungs- und Leistungsklage zu suchen, die darauf abzielt, die Verurteilung der Beklagten zur Leistung zu erreichen (BSG,
21.7.2009, aaO).
Die Voraussetzungen für die Zahlung von Kug liegen unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG (zuletzt:
Urteil, 21.7.2009 - B 7 AL 3/08 R) und des BAG (Urteil vom 1.2.1973 - 5 AZR 382/72, Urteil vom 22.12.1980 - 1 ABR 2/79, allgemein zur Betriebs- und Wirtschaftsrisikolehre: Luke in NZA 2004, 244 mwN) für den geltend gemachten Zeitraum nicht vor.
Anspruch auf Kug haben Arbeitnehmer, wenn (1) ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, (2) die betrieblichen
Voraussetzungen erfüllt sind, (3) die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und (4) der Arbeitsausfall der Agentur für
Arbeit angezeigt worden ist (§
169 Satz 1
SGB III).
Das Begehren der Klägerin scheitert an dem fehlenden erheblichen Arbeitsausfall, der gemäß §
170 Abs.
1 Nr.
3 SGB III nur anzunehmen ist, wenn er unvermeidbar ist. Unvermeidbarkeit liegt nach §
170 Abs.
4 S. 2 Nr.
1 SGB III insbesondere nicht vor, wenn er überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist.
Das BSG hat in seiner vorbenannten Entscheidung zur Leiharbeitsbranche hervorgehoben, beruhe der Arbeitsausfall auf solchen
Ursachen, seien sie dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzuordnen, weil die entsprechenden Arbeitsausfälle in die Kalkulation
eingingen und der Arbeitgeber den organisatorischen, technischen und kaufmännischen Ablauf störungsfrei zu gestalten habe.
Dabei gehörten zur Risikosphäre des Arbeitgebers insbesondere die betriebsnahen, auf der Eigenart des Betriebs beruhenden
- betriebs- oder branchenüblichen - Ursachen für den Arbeitsausfall. Danach sei der Arbeitsausfall für ein Leiharbeitsunternehmen
in diesem Sinn grundsätzlich branchenüblich. Dies zeige bereits §
11 Abs.
1 S. 2 Nr.
2 AÜG, der den Arbeitgeber verpflichtet, zusätzlich zu den in §
2 Abs. 1 NachweisG genannten Angaben in die Niederschrift die Art und Höhe seiner zu erbringenden Leistungen für Zeiten, in
denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist, aufzunehmen. Diese Regelung gehe typisierend von verleihfreien Zeiten aus,
in denen auch ohne Arbeitsleistung ein Arbeitsentgeltanspruch bestehe. In diesem Zusammenhang sei auch §
11 Abs
4 Satz 2
AÜG zu sehen, wonach das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht durch Vertrag aufgehoben
oder beschränkt werden könne. Hierdurch solle sichergestellt werden, dass der Verleiher das von ihm zu tragende Entgeltrisiko
nicht auf den Leiharbeitnehmer abwälzt, und erklärt aus diesem Grunde zwingend, dass im Falle des Annahmeverzugs ein Arbeitnehmer
grundsätzlich nach dem Entgeltausfallprinzip so zu stellen ist, als wenn er gearbeitet hätte (Wank in Erfurter Kommentar zum
Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2009, §
11 AÜG Rn. 16). §
11 Abs.
4 S. 2
AÜG setze damit Arbeitsausfallzeiten bei Leiharbeitsverhältnissen bereits normativ als wesensimmanent oder typusbildend voraus
(Estelmann in Eicher/Schlegel,
SGB III §
171 Rn. 72, Stand Februar 2009). Auf die tatsächlichen Gegebenheiten komme es insoweit nicht mehr an.
Dies gelte selbst bei nicht mehr kurzfristigen Ausfallzeiten, in denen der Arbeitgeber mangels Entleihernachfrage keine Überlassungsmöglichkeiten
habe, weil auch dieses Risiko der Eigenart des Betriebs folge und nicht auf die Solidargemeinschaft der Beitragszahler abgewälzt
werden könne. Auch die Rechtsprechung des BAG nehme bei Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung an, dass der
Arbeitgeber bei einem Auftragsrückgang das Beschäftigungsrisiko zu tragen habe. Nur wenn der Arbeitgeber anhand der Auftrags-
und Personalplanung einen dauerhaften Auftragsrückgang darlege und nachweise, der den dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs
begründe, sei er zu einer betriebsbedingten Kündigung berechtigt (BAG AP Nr. 7 zu §
9 AÜG). Trüge er danach also das Entgelt- und Beschäftigungsrisiko außer bei einem dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs,
könnte der Ausschlussgrund des §
170 Abs.
4 Satz 2 Nr.
1 SGB III allenfalls entfallen, wenn der Beschäftigungsbedarf dauerhaft wegfiele. Dann allerdings wäre Kug schon nach §
170 Abs.
1 Nr.
2 SGB III nicht zu zahlen, weil der Arbeitsausfall nicht nur vorübergehend wäre. Anhand dieses Maßstabs ist zu erkennen, dass grundsätzlich
in der Leiharbeitsbranche das Arbeitsausfallrisiko typischerweise vom Verleiher zu tragen ist, ohne dass eine Risikominderung
durch die Gewährung von Kug zu erfolgen hat.
Soweit die Klägerin darauf abstellt, es müsse berücksichtigt werden, dass vorliegend die Leiharbeitnehmer quasi wie eine zweite
Belegschaft in den Entleihbetrieb eingegliedert seien, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist dem Abschlussbericht
zu entnehmen, dass gerade im verarbeitenden Gewerbe der Großindustrie vor allem unter der Bezeichnung "On-Site-Management"
eine permanente Extremnutzung von Leiharbeitnehmern zu verzeichnen ist, die ganze Produktionsabteilungen längerfristig umfassen
kann (Abschlussbericht S. 104). Soweit damit ein gesteigertes erhöhtes Risiko für den Verleiher im Falle eines Arbeitsausfalles
im Entleihbetrieb verbunden ist, die Leiharbeitnehmer nicht anderweitig einsetzen zu können, ist das jedoch ausschließlich
Folge eines freiwillig gewählten Geschäftsmodells. Das rechtfertigt es nicht, das erhöhte Beschäftigungsrisiko branchenuntypisch
auf den Leiharbeitnehmer oder die Allgemeinheit zu verlagern. Der Klägerin bleibt es unbenommen, das besondere Kostenrisiko
bei der Höhe der Vergütung einzustellen, welche der Entleihbetrieb zu leisten hat. Ob eine solche geänderte Preiskalkulation
ein nachfragefähiges Geschäftsmodell für die Leiharbeitsbranche erlauben würde, hat sich allein nach betriebswirtschaftlichen
Kriterien zu richten. Kug kommt insoweit aufgrund der bestehenden Gesetzeslage nicht die Aufgabe zu, das Betätigungsfeld für
Leiharbeit durch eine Ausweitung von sozialrechtlichen Entgeltersatzleistungen zu erweitern.
Nichts anderes gilt für den Umstand, dass im vorliegenden Fall der Arbeitsausfall auf einer mittelbaren Streikfolge beruhen
kann. Denn grundsätzlich hat nach der Rechtsprechung des BAG auch in diesem Fall der Arbeitgeber das Entgelt- und Beschäftigungsrisiko
zu tragen, soweit die Grundsätze der Kampfparität nichts anderes gebieten (BAG, 22.12.1980 - 1 ABR 2/79; allgemein zur Betriebs- und Wirtschaftsrisikolehre: Luke in NZA 2004, 244 mwN). Danach tritt eine Risikoverlagerung nur ein, wenn das Kräfteverhältnis der kämpfenden Parteien gestört wird, was vor
allem bei koalitionsspezifischen Verbindungen anzunehmen ist. Anzunehmen ist das insbesondere, wenn der mittelbar betroffene
Betrieb zur selben Branche gehört oder die Belegschaft beider Betriebe von derselben Gewerkschaft vertreten werden. Ersteres
ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall. Letzteres bleibt unmaßgeblich, weil für den allein in den Streik einbezogenen
Entleihbetrieb durch den Arbeitsausfall ein eigenes wirtschaftliches Risiko nicht entstanden ist. Vielmehr hat der insoweit
in den Arbeitskampf allein einbezogene Entleiher durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern, das eigene Lohn- und Beschäftigungsrisiko
branchentypisch auf die Klägerin als Verleiher abgewälzt.
Stellt der Arbeitsausfall eine mittelbare Folge eines Arbeitskampfes in der Metallbranche dar, erlaubt das ebenso wenig, ihn
vorrangig als unabwendbares Ereignis nach §
170 Abs.
1 Nr.
1 2. Alt.
SGB III anzusehen, welches die Vermeidbarkeit nach §
170 Abs.
4 S. 2 Nr.
1 SGB III verdrängt. Zwar schließt §
170 Abs.
4 Satz 2 Nr.
1 SGB III den Anspruch auf Kug bei einem betriebs- und branchenüblichen Arbeitsausfall nur aus, wenn er überwiegende Ursache ist, so
dass nach dem sozialrechtlichen Kausalitätsbegriff der wesentlichen Bedingung (BSG SozR 3-4100 § 64 Nr. 4 S. 29) der Ausschluss
nicht greift, wenn der Arbeitsausfall trotz betriebs- oder branchenüblicher wirtschaftlicher Faktoren in erster Linie doch
als unabwendbares Ereignis anzusehen ist.
Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses nach der vorbenannten Vorschrift liegt jedoch nicht bereits schon dann vor, wenn
begrifflich ein plötzliches, zeitlich abgegrenztes Geschehen eintritt, welches auch durch äußerste, nach den Umständen des
Einzelfalles gebotene Sorgfalt durch den Arbeitgeber oder seine Mitarbeiter nicht abzuwenden war (so Gesetzesbegründung zur
Vorgängerregelung in § 64 AFG: BT-Drucks V/2291 S. 70). Vielmehr ist auch hier wertend die Risikoverteilung zu berücksichtigen, die grundsätzlich unter
dem Gesichtspunkt der "Vermeidbarkeit" nach §
170 Abs.
4 S. 2 Nr.
1 SGB III entwickelt ist (vgl. BSG, 29.10.1997 - 7 RAr 48/96).
Insoweit stellt der Arbeitsausfall aufgrund mittelbarer Streikfolgen vorrangig das branchenübliche Risiko dar, welches der
Entleiher auf den Verleiher durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern überwälzen will. Bei wertender Betrachtung ist unter Berücksichtigung
der branchenüblichen Risikoverteilung der Arbeitsausfall nicht als unabwendbares Ereignis im Sinne des §
170 Abs.
1 S. 2 2. Alt.
SGB III anzusehen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §
193 Abs.
1 S. 1
SGG; §
197a Abs.
1 S. 1
SGG findet keine Anwendung. Der Arbeitgeber ist in Streitigkeiten über Kurzarbeitergeld nur Prozessstandschafter für seine Arbeitnehmer.
Die getroffene Entscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe die Revision nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich. Zwar hat das BSG keine Entscheidung zu mittelbaren Streikfolgen betroffen. Eine abweichende
Rechtsprechung ist in dieser Konstellation aber nicht zu erwarten, so dass eine weitere Klärung nicht erforderlich ist.