Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab 24.02.2002 für
ihre Tätigkeit als Unternehmensberaterin streitig.
Die Klägerin, geboren im Jahr 1969, war zunächst als angestellte Rechtsanwältin in D Stadt Pflichtmitglied der dortigen Rechtsanwaltskammer
und der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; heutige
Bezeichnung: Deutsche Rentenversicherung Bund) befreite die Klägerin mit Bescheid vom 03.04.2001 von der Versicherungspflicht
in der Rentenversicherung für Angestellte mit Wirkung ab 20.12.2000 aufgrund ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin.
Zum 01.12.2001 nahm die Klägerin eine Tätigkeit bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH - Unternehmensberatung für Versorgung & Vergütung
- (im weiteren: Arbeitgeberin genannt) in B-Stadt auf. Nach dem zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin geschlossenen
Dienstvertrag vom 06.11.2001 bestehen die Aufgaben der Klägerin (§ 1 (3) des Vertrages) "im Wesentlichen in der Beratung von
Kundenfirmen des Geschäftsbereichs nach den von E. entwickelten Standards, Methoden und Systemen, in der Mitwirkung bei der
Entwicklung und Weiterentwicklung von Beratungsprodukten und Beratungsansätzen des Geschäftsbereichs Vergütung sowie - nach
der Einarbeitungszeit - in der Akquisition von Projekten". Die Klägerin verpflichtete sich zur Aneignung und Pflege des hierfür
erforderlichen Fachwissens sowie zur praktischen Verwertung der gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen in Kundengesprächen,
Präsentation und bei der Erstellung gutachterlicher Stellungnahmen u.a. zum Nutzen des Gesamtunternehmens. Die Arbeitgeberin
behielt sich vertraglich vor (§ 1 (4)) der Klägerin bei gleicher Vergütung auch andere zumutbare Tätigkeiten zu übertragen,
die ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen entsprechen, wenn dies aus geschäftlichen Gründen erforderlich sei. Änderungen
und Ergänzungen zu diesem Vertrag (§ 9 (1)) seien nur verbindlich und rechtswirksam, wenn sie schriftlich niedergelegt wurden.
Die Arbeitgeberin meldete die Klägerin zur Sozialversicherung mit dem Tätigkeitsschlüssel "Unternehmensberater, Organisator"
an.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Tätigkeit war die Klägerin noch Mitglied in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung.
Am 24.04.2002 wurde die Klägerin in die Rechtsanwaltsliste des Amtsgerichts und des Landgerichts B-Stadt eingetragen und somit
Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer FB.
Die Klägerin hielt ihre Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung aufrecht, die vom 05.04.2002
bis zum 31.08.2005 in Form der freiwilligen Mitgliedschaft fortgeführt wurde. Die Beigeladene befreite die Klägerin mit Wirkung
ab 01.04.2002 von der Pflichtmitgliedschaft in ihrer Organisation im Hinblick auf die freiwillige Mitgliedschaft in der Bayerischen
Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Erst mit Beendigung dieser Mitgliedschaft teilte die Beigeladene der Klägerin
mit, aufgrund der Beendigung ihrer Mitgliedschaft im Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung werde sie nun
ab dem 01.09.2005 bei ihr Mitglied.
Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 19. Mai 2004 von der BfA darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen der Befreiung von
der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung im Falle der Klägerin nicht mehr vorlägen. Die Befreiung der Klägerin von
der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sei aufgrund ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin erfolgt. Die
seit dem 01.12.2001 ausgeübte Tätigkeit als juristische Beraterin bei ihrer jetzigen Arbeitgeberin stelle nach der Aktenlage
keine berufsständische Beschäftigung einer Rechtsanwältin dar. Da die Befreiung tätigkeitsbezogen sei, wurde die Beklagte
um Prüfung und Entscheidung gebeten.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihre Tätigkeit bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH sei keine
berufständische Beschäftigung einer Rechtsanwältin. Dieser Auffassung sei auch die BfA. Da es sich auch nicht um eine vertraglich
im Voraus befristete Tätigkeit handele, lägen die Voraussetzungen einer Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen
Rentenversicherung nicht mehr vor.
Dagegen erhob die Klägerin am 05.07.2004 Widerspruch. Dazu führte die Klägerin aus, sie sei aufgrund ihrer Qualifikation als
Rechtsanwältin von ihrer jetzigen Arbeitgeberin angestellt worden. Da sie im Bereich der Vergütungsberatung tätig sei, benötige
sie fundierte Kenntnisse des Arbeitsrechts. Diese habe sie durch ihre Teilnahme an Fachanwaltskursen für Arbeitsrecht in der
Zeit von 0ktober 2003 bis Juli 2004 erlangt und vertieft. Ergänzend legte die Klägerin entsprechende Teilnehmerbescheinigungen
vor. Auch habe sie Fortbildungsveranstaltungen zum Gesellschafts-, Steuer- und Aktienrecht besucht, deren Teilnehmerbescheinigungen
sie ebenfalls vorlegte. Weiter führte die Klägerin aus, zu ihrem Aufgabenbereich zähle auch die juristische Beratung der Kollegen
in Fragen der betrieblichen Mitbestimmung, Änderungsmöglichkeiten bestehender Arbeitsverträge und der Ausgestaltung der Vergütungssysteme
unter Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften. Sie erstelle Rechtsgutachten zur Klärung rechtlicher Ausgangspositionen
und Gestaltungsspielräume, sie leiste Unterstützung bei Tarifverhandlungen insbesondere im Hinblick auf die Vertragsformulierung
und im Rahmen der Neuordnung von Vergütungssystemen unter Beachtung der arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten
und Formulierungen, im Rahmen von Cafeteriasysteme (variable Nebenleistungssysteme) insbesondere unter Beachtung arbeits-
und steuerrechtlicher Vorschriften. Die Gesamtheit ihrer Aufgaben entspreche den Aufgaben, welche eine beratend tätige externe
Rechtsanwältin wahrnehme. Ihre Tätigkeit entspreche somit einer anwaltlichen Tätigkeit. Aufgrund der Freistellungserklärung
ihrer Arbeitgeberin vom 12.03.2002 könne sie zudem jederzeit ihren Arbeitsplatz verlassen, um den anwaltlichen Aufgaben gegenüber
der Rechtspflege ordnungsgemäß nachgehen zu können. In dieser Erklärung führte die Arbeitgeberin ergänzend aus, die Klägerin
sei in eigenverantwortlicher Stellung als Unternehmensberaterin in dem Geschäftsbereich Vergütung beschäftigt. Die Arbeitgeberin
erklärte sich in dieser Bestätigung damit einverstanden, dass die Klägerin durch ihre Tätigkeit nicht gehindert sein werde,
ihren Pflichten als Rechtsanwältin nachzukommen. Insbesondere sei sie berechtigt, jederzeit ihre Arbeitsstelle zu verlassen,
wenn dies die anwaltliche Tätigkeit erfordere. Weiterführend trug die Klägerin vor, sie trete gegenüber den Kunden ihrer Arbeitgeberin
als Rechtsanwältin auf, wie ihre Visitenkarte zeige. Auf der vorgelegten Visitenkarte wird die Klägerin als Mitarbeiterin
der Firma Dr. Dr. E. GmbH ausgewiesen. Unter den Namen der Klägerin heißt es: "Rechtsanwältin, Geschäftsbereich Vergütung,
Beraterin". Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei fortzusetzen. Sie sei
zunächst Pflichtmitglied und später freiwilliges Mitglied des anwaltlichen Versorgungswerkes in Bayern und durch ihre Mitgliedschaft
in der Rechtsanwaltskammer in FB. am 24.04.2002 nach § 8 Abs. 1 deren Satzung Pflichtmitglied im Versorgungswerk in Hessen
geworden.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2005 als unbegründet zurück. Eine Befreiung
nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) sei nur möglich, wenn kumulativ eine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk und kraft Gesetzes eine Pflichtmitgliedschaft
in der jeweiligen Berufskammer bestehe. Zwar liege eine Bescheinigung für eine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltschaftskammer
FB. ab dem 24.04.2002 vor. Jedoch habe die Klägerin nicht den Nachweis einer Pflichtmitgliedschaft in einem berufständischen
Versorgungswerk erbracht. Im bayrischen Versorgungswerk habe eine Pflichtmitgliedschaft nur vor dem 05.04.2002 bestanden.
Eine anschließende Bescheinigung des hessischen Versorgungswerks liege demgegenüber nicht vor.
Gegen den am 04.10.2005 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 25.10.2005 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden
erhoben.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf Befreiung nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI nicht nur, weil sie seit dem 01.09.2005 Pflichtmitglied im hessischen Versorgungswerk und der Anwaltskammer in FB. sei, sondern
auch für die Zeit ab 24.02.2002, da sie freiwilliges Mitglied des Versorgungswerkes in Bayern gewesen sei. Die Klägerin hat
eine Bescheinigung der Beigeladenen vom 07.09.2005 vorgelegt. Danach hat sie ab dem 01.09.2005 an diese Pflichtbeiträge entrichtet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Trennung zwischen ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin und für die Arbeitgeberin
sei nicht vorzunehmen. Es bestehe vielmehr eine einheitliche Tätigkeit. Weiter hat die Klägerin ausgeführt, sie arbeite vornehmlich
arbeitsvertragliche Vereinbarungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Individualabreden) aus. Dazu hat die Klägerin von
ihr ausgearbeitete Texte vorgelegt, die unter dem Firmennamen Dr. Dr. E. GmbH - Unternehmensberatung für Versorgung & Vergütung,
dem jeweiligen Mandanten angeboten worden sind. Weiter hat die Klägerin ausgeführt, sie sei im Bereich der Rechtsberatung
durch Vertragsgestaltung, der Rechtsgestaltung durch die Erarbeitung von Vertragsentwürfen und Entwürfen von Betriebsvereinbarungen,
der Rechtsvermittlung durch die Darstellung von Rechtskomplexen und der Rechtsentscheidung durch eigenverantwortliche Vertretung
von Lösungsvorschlägen tätig.
Das Sozialgericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 13.06.2008 angehört. Danach hat sie als selbständige Rechtsanwältin
in der Zeit ihrer Beschäftigung bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH 2 Mandate bearbeitet (eine Mietsache und eine baurechtliche
Sache in eigener Angelegenheit). Im Rahmen eines Mandantenkontaktes ihrer Arbeitgeberin werde sie als Rechtsanwältin vorgestellt.
Auch verhandele sie z. B. im Rahmen von Tarifvertragsberatungen mit Betriebsräten als Rechtsanwältin. Auch werde der Betriebsrat
bei solchen Beratungen seinerseits durch einen Rechtsanwalt vertreten. Kleinere Projekte betreue sie vollständig und selbständig.
Die Vergütung ihrer Tätigkeit werde über ihre Arbeitgeberin mit dem Kunden abgewickelt. In größeren Projekten übernehme sie
die rechtliche Beratung. Zunächst sei ihre Arbeitgeberin allein auf dem Gebiet der Altersversorgung tätig gewesen. Nachdem
die Firma auch in dem Bereich der Vergütungsberatung tätig geworden sei, sei sie als weitere Juristin eingestellt worden.
Die Firma habe damals ca. 100 Mitarbeiter beschäftigt, davon 10 Juristen bis zu ihrer Einstellung. Nach dem das Unternehmen
fusioniert habe (X.), betreue sie im Bereich "Human Capital" den Teil des europäischen Arbeitsrechts. Sie habe eine Dokumentation
zum deutschen Arbeitsrecht zu betreuen.
Nach Beiladung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Hessen hat das Sozialgericht am 04.07.2008 ohne mündliche Verhandlung
die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin sei für ihre Tätigkeit bei der Firma Dr.
Dr. E. GmbH - Unternehmensberatung für Versorgung & Vergütung nicht von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Beklagte
habe als Einzugsstelle nach §
28 h Abs.
2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) zutreffend entschieden, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit bei dieser Firma sich nicht auf die früher erteilte Befreiung
als Rechtsanwältin berufen könne. Diese Befreiung sei nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI erteilt worden. Danach werden von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Angestellte und selbständig
Tätige für die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit (Abs. 5) befreit, wenn sie wegen dieser Beschäftigung oder Tätigkeit
aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung
oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich Kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen
Kammer seien. Weitere Voraussetzung sei, dass nach Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung
der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen seien (§
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1b SGB VI). Die Klage sei abzuweisen gewesen, da nicht erwiesen sei, dass die Klägerin als sog. Syndikusanwältin bei der Firma Dr.
Dr. E. GmbH beschäftigt sei. Die Anerkennung einer Tätigkeit als Syndikusanwältin/-anwalt bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber
unterliege engen Grenzen. Es sei von dem hergebrachten Leitbild eines nach § 46 BRAO charakterisierten Rechtsanwalts auszugehen. Danach müsse der Rechtsanwalt zu einem nicht anwaltlichen, standesrechtlich nicht
gebundenen Arbeitgeber in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis stehen und seine Arbeitszeit und
-kraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen, wobei diese Tätigkeit auch die Ausübung von Rechtsberatung umfassen müsse (Hinweis
auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2004, Az.: L 4 RA 12/03). Die Ausübung einer rechtsbesorgenden angestellten Tätigkeit außerhalb des Anwaltsberufs stelle kein Zulassungshindernis
zur Rechtsanwaltschaft nach § 7 Nr. 8 BRAO dar. Dies setze jedoch voraus, dass die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit bestehe, den Rechtsanwaltsberuf in einem,
wenn auch beschränkten, jedoch nennenswerten Umfang und mehr als nur gelegentlich auszuüben. Denn die Ausübung einer Anwaltstätigkeit
erfordere einen rechtlichen und tatsächlichen Handlungsspielraum, der ein Mindestmaß an Unabhängigkeit und Professionalität
des Rechtsanwalts sicherstellen soll. Der Gesetzgeber habe durch die Regelung des § 46 BRAO die Möglichkeit eingeräumt, die Tätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts im Rahmen eines Nebenberufs auszuüben. Demnach
habe der Syndikusanwalt zwei Tätigkeitsbereiche, eine dienstvertragliche und die eines freien Anwalts. Daraus folge, dass
die eingeräumte Befreiung von der Versicherungspflicht des
SGB VI die selbständige Tätigkeit erfasse. §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI stelle eine Koordinationsregelungen der selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen
Alterversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Die Befreiungsregelung nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI für die dienstvertragliche Tätigkeit setze daher einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Berufsangehöriger,
für die Versicherungsfreiheit beansprucht werde und den Versorgungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung
voraus. Ein solcher innerer Zusammenhang könne nur durch eine berufsspezifische Tätigkeit hergestellt werden. Dem entspreche
auch das in der Massenverwaltung formalisierte Solidarprinzip. Dabei komme es auf die individuelle Schützbedürftigkeit nicht
an. Eine Tätigkeit der Klägerin als Syndikusanwältin bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH sei nicht erkennbar. Sie sei als Unternehmensberaterin
eingestellt worden. Die von der Klägerin beschriebene Tätigkeit setze zwar juristische Kenntnisse voraus, nicht jedoch die
Befähigung zum Richteramt. Aus den vorgelegten Unterlagen sei nicht erkennbar, weshalb diese nicht von einem Absolventen des
ersten juristischen Staatsexamens oder Diplom-Wirtschaftsjuristen (FH) mit Spezialisierung auf Arbeitrecht hätte erstellt
werden können. Auch wenn die Klägerin den Mandanten als Rechtsanwältin vorgestellt werde, so habe dies keinen prägenden Einfluss
auf ihre Tätigkeit. Auch der Hinweis der Klägerin, sie sei als Rechtsanwältin eingestellt worden, könne diesen prägenden Einfluss
nicht nachweisen. Sie sei als "Unternehmensberater, Organisator" der Einzugsstelle gemeldet worden. Eine daneben bestehende
Motivationslage der Arbeitgeberin, die Klägerin auch deshalb einzustellen, weil sie bereits als Rechtsanwältin gearbeitet
habe, könne nicht als eine conditio sine qua non angesehen werden. Auch könne die zwischenzeitlich geänderte Kammerpraxis
im Hinblick darauf, dass die Klägerin eine freie anwaltliche Tätigkeit außerhalb der dienstvertraglichen Bindung praktisch
nicht ausgeübt habe und dies seitens der Kammer nicht beanstandet wurde, zu keiner anderen Entscheidung führen. Selbst unter
Berücksichtigung der Kritik an der Rechtsprechung (Hinweis auf Ettwig, SGb 2005, 441ff.), die die faktische Entwicklung des
Syndikusanwalts nicht berücksichtigen wolle, könne kein Befreiungsanspruch der Klägerin begründet werden. Denn die entwickelten
Kriterien einer kumulativ rechtsberatenden, rechtsentscheidenden, rechtsgestaltenden und rechtsvermittelnden Tätigkeit erfülle
die Klägerin bei ihrer Arbeitgeberin nicht. Auch wenn die Klägerin rechtsberatend tätig sei, so fehle es an einer rechtsentscheidenden
Tätigkeit. Dafür fehle es an einem nach außen wirksamen Auftreten der Klägerin als rechtkundige Entscheidungsträgerin. Die
Klägerin stehe den Auftraggebern der Firma lediglich beratend zur Seite. Mit dieser Tätigkeit stehe sie im Lager der Unternehmensberatung,
die keine eigenverantwortliche Entscheidungsmacht habe. So habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie quasi als ausgeliehene
Rechtsanwältin im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Konflikts tätig werde. Auch werde sie nicht rechtsgestaltend tätig. So führe
sie nicht selbständig Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit den verschiedenen Partnern ihres Arbeitsgebers. Nach dem Ergebnis
der Anhörung der Klägerin werde eine juristische Auseinandersetzung von der zentralen bearbeitet. Auch unterliege die klarstellende
Feststellung der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken. §
28 h Abs.
2 SGB IV stelle für diese eine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Die Entscheidung der Beklagten greife nicht in die Entscheidung der
BfA ein, da diese eine andere Tätigkeit der Klägerin betroffen habe. Die Entscheidung der Beklagten stelle keine Teilaufhebung
der Entscheidung der BfA dar.
Gegen das am 11.07.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.08.2008 Berufung eingelegt.
Sie ist weiterhin der Auffassung, sie sei im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH rechtsentscheidend und rechtsgestaltend
tätig. Dazu legt sie eine schriftliche Beschreibung ihrer juristischen Tätigkeit vor. Danach werde sie in Projekten eingesetzt,
in denen eine juristische Betreuung unabdingbar sei. Ihre Aufgaben erstreckten sich auf:
a) Erstellung von Rechtsgutachten Im Vorfeld eines Projektes sei es zum Teil notwendig, die rechtliche Ausgangssituation zu
klären, um Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen zu können,
b) Unterstützung von Tarifverhandlungen Das Unternehmen berate Andere bei dem Abschluss von Tarifverträgen. Innerhalb dieses
Projekts sei die Klägerin für die Vertragsformulierung verantwortlich.
c) Neuordnung von Vergütungssystemen Im Kontext von Fusionen und Unternehmensumwandlungen seien unterschiedliche Gehaltssysteme
anzupassen. Dabei seien insbesondere gesellschaftsrechtliche und arbeitsrechtliche Vorschriften zu beachten. Sie sei mit der
ordnungsgemäßen Durchführung der Projekte betraut.
d) Cafeteriasysteme (variable Nebenleistungssysteme) Bei der Einführung dieses Systems sei neben den arbeitsrechtlichen Vorschriften
insbesondere das Steuerrecht zu beachten. Einige Nebenleistungen des Arbeitgebers unterlägen besonderen steuerlichen Vorschriften,
deren Wirkung bei der Einrichtung solcher Systeme zu beachten sei.
Weiter wird aufgeführt, würde sie diese Tätigkeiten nicht übernehmen, so müsse die eingeschaltet oder ein externer Anwalt
konsultiert werden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29. Oktober 2009 hat die Klägerin vorgetragen, sie
sei zurzeit von ihrer Arbeitgeberin freigestellt und werde ab Februar 2010 ihre bisherige Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin
fortführen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 04.07.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 04.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.09.2005 aufzuheben und festzustellen, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Firma Dr. Dr. E. GmbH ab dem 24.02.2002
von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Er vertritt die Auffassung, für die Annahme einer Tätigkeit als Syndikusanwalt müssten die vier Kriterien (rechtsberatende,
rechtsgestaltende, rechtsentscheidende und rechtsvermittelnde Tätigkeit) nur im Hinblick auf die Tätigkeit für den jeweiligen
Arbeitgeber erfüllt sein. Es könne nicht erwartet werden, dass der Syndikusanwalt als rechtlicher Entscheidungsträger für
den Kunden auftrete. Auch im Hinblick auf die rechtsgestaltende Tätigkeit sei zu berücksichtigen, dass nicht jede Vertragsverhandlung
mit einer juristischen Auseinandersetzung ende. Das Kriterium Rechtsgestaltung sei erfüllt, wenn der Mitarbeiter Verträge
oder Allgemeine Geschäftsbedingungen als Syndikusanwalt entwerfe. Weiter führt die Beigeladene im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem Senat aus, aus dem Umstand, dass die Klägerin bis zum 30. August 2005 freiwilliges Mitglied in der Bayerischen Rechtsanwalts-
und Steuerberaterversorgung gewesen sei, könne nicht geschlossen werden, dass die Voraussetzungen der Befreiung nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V wegen fehlender Pflichtmitgliedschaft nicht erfüllt seien. Nach ihrer Satzung werde in diesem Falle die Pflichtmitgliedschaft
ruhend gestellt, da eine solche freiwillige Mitgliedschaft nach ihrer Satzung einer Pflichtmitgliedschaft gleichzustellen
sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte der Beklagten
und der Beigeladenen verwiesen.
Die Berufung ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Dabei kann der Senat offenlassen, ob - wie von dem Beigeladenen vorgetragen - die bis zum 30.08.2005 für die Klägerin bestehende
freiwillige Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung als Pflichtmitgliedschaft zu werten
ist, da der Beigeladene die Klägerin für den Zeitraum des Fortbestandes der freiwilligen Mitgliedschaft dort von der Pflichtmitgliedschaft
bei ihr befreit hatte.
Die Rechtsberatung umfasst die unabhängige Analyse von betriebsrelevanten, konkreten Rechtsfragen, die selbständige Herausarbeitung
und Darstellung von Lösungswegen und Lösungsmöglichkeiten vor dem spezifischen betrieblichen Hintergrund und das unabhängige
Bewerten der Lösungsmöglichkeiten. Der Senat hat Zweifel, ob der Klägerin insoweit eine unabhängige Bewertung möglich ist.
Denn nach dem Dienstvertrag ist sie verpflichtet, ihre Beratung anhand der von der Firma Dr. Dr. E. GmbH entwickelten Standards,
Methoden und Systemen vorzunehmen. Auch die vorgelegte Darstellung der juristischen Tätigkeit im Bereich der Erstellung von
Rechtsgutachten gibt keinen Aufschluss über die Möglichkeiten der Klägerin, eine unabhängige Analyse zu erstellen.
Der Bereich der Rechtsentscheidung beinhaltet das nach außen wirksame Auftreten als Entscheidungsträger mit eigenständiger
Entscheidungskompetenz (Prossliner, AnwBl. 2009, 133). Da unternehmerische Entscheidungen heute nicht mehr von Einzelpersonen getroffen werden, kann für dieses Kriterium nicht
die Unabhängigkeit von allen Weisungen gefordert werden. Jedenfalls muss eine wesentliche Teilhabe an einem innerbetrieblichen
Entscheidungsprozess erkennbar sein. Dies kann nach den vorliegenden Unterlagen im Fall der Klägerin nicht angenommen werden.
Die von ihr erarbeiteten Texte wurden an die Kunden weitergeleitet, ohne dass sie im Schreiben als Bearbeiterin erkennbar
wurde. Ein nach außen wirksames Auftreten ist somit nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass sie nach der Beschreibung ihrer juristischen
Tätigkeit lediglich unterstützend bei der Vertragsformulierung verantwortlich ist bzw. bei der Neuordnung von Vergütungssystemen
mit der ordnungsgemäßen Durchführung betraut ist. Eine Entscheidungskompetenz wird auch insoweit nicht erkennbar.
Dem Bereich der Rechtsgestaltung ist das eigenständige Führen von Vertrags- und Einigungsverhandlungen zuzuordnen (siehe Prossliner,
AnwBl. 2009, 133). In der bereits beschriebenen unterstützenden Tätigkeit der Klägerin bei Tarifvertragsverhandlungen, Neuordnung von Vergütungssystemen
bzw. der Einführung von Cafeteriasysteme kann keine Form der eigenständigen Verhandlung gesehen werden.
Soweit die Klägerin vorträgt, ab Februar 2010 werde sie ihre Tätigkeit nicht mehr im Rahmen eines Dienstvertrages, sondern
als selbständig tätige Rechtsanwältin ausüben, so konnte dies für die vorliegend zu beurteilende Zeit keine andere Entscheidung
rechtfertigen. Denn anders als bisher wird die Klägerin dann eine eigenverantwortliche selbst bestimmte Tätigkeit mit eigenen
Mandanten ausüben. Dies sind Umstände die eine gänzlich andere Beurteilung möglich machen.