LSG Hessen, Urteil vom 29.10.2009 - 8 KR 311/07
Vorinstanzen: SG Frankfurt/M. 26.06.2007 S 8 U 2952/01
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni
2007 abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Für das erstinstanzliche Klageverfahren haben die Beteiligten
einander keine Kosten zu erstatten.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 29.333,30 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Krankengeld und Behandlungskosten, die ihr für ihren ehemaligen
Versicherten, X. (im Folgenden: Der Versicherte) in Höhe von insgesamt 29.333,30 Euro entstanden sind.
Der 1935 geborene und 2000 verstorbene Versicherte war Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung der Klägerin.
Er hatte während seiner beruflichen Tätigkeit u. a. in einer Steinmetz-Halle gearbeitet und dort Schleif- und Polierarbeiten
ausgeführt. 1995 war bei ihm eine ausgeprägte Lungenfibrose diagnostiziert worden. Seit September 1996 war er arbeitsunfähig
erkrankt und bezog ab März 1997 eine Berufsunfähigkeitsrente. Die Beklagte hatte 1996 ein Berufskrankheitenanerkennungsverfahren
eingeleitet, den Versicherten und seinen Arbeitgeber zu den Arbeitsverhältnissen befragt, Ermittlungen ihres technischen Aufsichtsdienstes
(TAD) veranlasst und sodann umfangreiches medizinisches Material zu ärztlichen Behandlungen des Versicherten einschließlich
bildgebender Befunde beigezogen. Nach den Feststellungen des TAD der Beklagten (Berichte vom 9. Oktober 1996 und 23. Juni
1997) waren in der Steinmetz-Werkstatt auch Asbestzement-Treppenstufen sowie Asbestzement-Fensterbänke bearbeitet worden.
Der TAD gelangte zu dem Ergebnis, dass der Versicherte in den Jahren 1954 bis 1980 in der Steinmetz-Halle täglich durch Quarz-Feinstaub
exponiert gewesen sei und dabei sicherlich auch tageweise der Grenzwert für Quarz-Feinstaub überschritten worden sei. Im Hinblick
auf die Asbeststaubexposition errechnete der TAD (Bericht vom 23. Juni 1997) eine Gesamtfaserjahrbelastung von 19,7 Faserjahren.
Die Beklagte hatte sodann den Versicherten durch den Arzt für Lungen und Bronchialheilkunde Dr. A. untersuchen und begutachten
lassen. Dr. A. gelangte in seinem schriftlichen Gutachten vom 5. Juli 1997 zu der Beurteilung, bei dem Versicherten liege
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ( BKV) in Form einer Pleuraasbestose mit typischen, teilweise verkalkten Pleuraplaques beidseits sowie eine Lungenasbestose (Fibrose)
vor. Hingegen sei bei dem Versicherten das typische Krankheitsbild einer BK nach Ziffer 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)
nicht feststellbar. Die Beklagte übermittelte den Vorgang dem Landesgewerbearzt mit der Mitteilung, es sei beabsichtigt, eine
BK nach Ziffer 4103 anzuerkennen und zu entschädigen. Dem stimmte die Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. B. in ihrer Stellungnahme
vom 4. August 1997 für den Landesgewerbearzt zu. Mit Schreiben vom 8. September 1997 wandte sich die Beklagte an ihren beratenden
Arzt Dr. HQ., Facharzt für Arbeitsmedizin, mit der Bitte um Stellungnahme, da sie Bedenken habe, dem Gutachten des Dr. A.
zu folgen. Dr. HQ. führte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 16. September 1997 aus, Art und Umfang der nachgewiesenen
fibrotischen Veränderungen bei dem Versicherten seien unter Berücksichtigung der seit 1980 dokumentierten bildtechnischen
Verlaufsserie der Thorax-Organe für eine Lungenasbestose nicht typisch. Er schlage vor, den Vorgang durch Prof. TP. nach Aktenlage
überprüfen zu lassen. Die Beklagte verfuhr dementsprechend und holte eine gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage von dem
Leitenden Arzt des Arbeitsmedizinischen Zentrums Y. des BAD, Prof. Dr. TP., ein. Dieser führte in seiner gutachtlichen Stellungnahme
vom 28. Oktober 1997 aus, er halte die Voraussetzungen zur Annahme einer BK der Ziffer 4101 für nicht gegeben, da der radiologische,
klinische und CT-Untersuchungsbefund keinen eindeutigen Hinweis für eine Silikose erkennen lasse. Als Ursache der bei dem
Versicherten bestehenden fortgeschrittenen Lungenfibrose müsse unter Berücksichtigung der stattgefundenen Asbestfaserexposition
und der computertomographisch nachgewiesenen Pleuraverdickungen differentialdiagnostisch die berufliche Asbestfaserexposition
in Betracht gezogen werden. Das Ausmaß der Fibrose und der seit 1988 dokumentierte progrediente Verlauf seien allerdings für
die Entwicklung einer mit einer Asbestose verbundenen Lungenfibrose untypisch. Zur endgültigen Klärung empfehle er die Ergebnisse
der histologischen Untersuchungen beizuziehen, die anlässlich einer Lungenbiopsie im Dezember 1995 in der Universitätsklinik
GC. gewonnen worden seien. Die Beklagte verfuhr entsprechend und zog den Bericht des Instituts für Pathologie am Klinikum
der LG. Universität vom 18. Dezember 1995, erstellt von Prof. Dr. VZ., über die Untersuchung des Materials einer Probeexzision
des linken Unterlappens bei. Darin heißt es, es handele sich um Bronchialwandmaterial mit allenfalls leichtgradiger Fibrose
und Verbreiterung der muskulären Anteile. Der Gesamtbefund deute in allererster Linie auf eine allergische Veränderung hin,
z. B. auf ein Asthma bronchiale. Prof. Dr. TP. führte hierzu in seiner weiteren gutachtlichen Stellungnahme vom 14. April
1998 (Blatt 145 Beklagtenakte) aus, der bioptische Untersuchungsbefund, bei dem kein Lungengewebe gewonnen worden sei, deute
auf eine allergische Erkrankung des bronchopulmonalen Systems hin. Verbindliche Aussagen zur Ätiologie der Erkrankung seien
jedoch nicht möglich. Unter Berücksichtigung der stattgefundenen Asbestfaserexposition und der computertomographisch nachgewiesenen
Pleuraverdickungen müsse differentialdiagnostisch nach wie vor als Ursache der fortgeschrittenen Lungenfibrose die berufliche
Asbestfaserexposition in Betracht gezogen werden. Er empfehle, die endgültige Entscheidung vom weiteren Verlauf der Erkrankung,
ggf. von einer pathologisch-anatomischen Untersuchung (Obduktion), abhängig zu machen. Auf weitere Nachfrage der Beklagten
unter Hinweis, dass sie gegenüber dem Versicherten eine Entscheidung treffen müsse, führte Prof. Dr. TP. unter dem 24. April
1998 (Blatt 148 Beklagtenakte) aus, es sei festzustellen, dass der Versicherte an einer idiopathischen Lungenfibrose leide.
Diese Erkrankung sei als BK-unabhängiges Leiden anzusehen. Das Vorliegen einer Lungenasbestose oder einer Pleuraasbestose
lasse sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachweisen.
Mit Bescheid vom 15. Mai 1998 lehnte die Beklagte gegenüber dem Versicherten die Anerkennung einer Berufskrankheit der Ziffer
4101 (Quarzstaublungenerkrankung) und der Ziffer 4103 der BK-Liste "Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub
verursachte Erkrankung der Pleura" ab und versagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen. Mit Schreiben vom 19. Mai 1998
unterrichtete die Beklagte die Klägerin, die bereits mit Schreiben vom 24. Juni 1996 Erstattungsansprüche angemeldet hatte,
von dieser Entscheidung. Der Versicherte erhob, anwaltlich vertreten, Widerspruch gegen den Bescheid. Nach Vorliegen der anwaltlichen
Widerspruchsbegründung beauftragte die Beklagte Prof. Dr. AAP., damaliger Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-
und Sozialmedizin der LG. Universität GC. mit der Ausarbeitung eines Gutachtens zur Frage des Vorliegens einer Berufskrankheit.
Prof. Dr. AAP. gelangte in seinem schriftlichen Gutachten vom 8. Februar 1999, erstellt zusammen mit dem Oberarzt und Arzt
für Arbeitsmedizin/Innere Medizin Dr. V., zu der Beurteilung, dass die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung
einer Mischstaubpneumokoniose (BK-Ziffern 4103 und 4101) vorlägen. Die erhebliche Asbestfaserstaub-Einwirkung sei mit dem
Vorliegen einer asbestbedingten Lungenfibrose vereinbar. Als Brückensymptom einer Asbestose könnten auch die in dem Thorax-CT
vom 5. Mai 1997 beschriebenen hyalinen und partiell verkalkten Pleuraplaques angesehen werden. Der von Dr. A. beschriebene
Befund sei für eine Pleuraasbestose typisch. In Übereinstimmung mit Dr. HQ. würden die verkalkten Lymphknoten nicht im Zusammenhang
mit der Lungenasbestose gesehen werden, sondern als typischer Befund einer Silikose. Die hierdurch bedingte MdE werde auf
50 % eingeschätzt.
Die Beklagte holte hierauf eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. TP. vom 29. März 1999 ein. Dieser führte aus, er
habe auch nach Kenntnis des Gutachtens des Prof. Dr. AAP. aufgrund des Krankheitsverlaufes keinen ernsthaften Zweifel daran,
dass der Versicherte an einem entzündlichen, aktiven, fibrosierenden interstitiellen Lungengerüstprozess im Sinne einer idiopathischen
Lungenfibrose leide. Er sehe sich auch dann, wenn die computertomographisch nachweisbaren Pleuraveränderungen als asbestassoizierte
Pleuraplaques angesprochen würden, außerstande, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass die vorliegende entzündliche,
fibrosierende Lungenerkrankung mit der beruflichen Staubbelastung in einem Ursachenzusammenhang stehe.
Hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1999 den Widerspruch des Versicherten zurück. Die Lungenerkrankung
stehe in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Rechtsmittel gegen diese Entscheidung legte der anwaltlich vertretene
Versicherte nicht ein.
Der Klägerin, die ihren Erstattungsanspruch unter dem 13. Juli 1998 (Blatt 168 Verwaltungsakte) beziffert hatte, teilte die
Beklagte mit Schreiben vom 12. Mai 1999 mit, dass sie den Widerspruch des Versicherten als unbegründet zurückgewiesen habe.
Die Klägerin meldete sich wieder mit Schreiben vom 11. April 2000 und übersandte der Beklagten eine Stellungnahme des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) vom 13. März 2000, erstellt von dem beim MDK tätigen Arzt für Allgemeinmedizin
und Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. D. Dr. D. führt aus, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte nicht dem Gutachten
des Prof. Dr. AAP. gefolgt sei. In diesem Gutachten seien sämtliche Argumente, die gegen eine Anerkennung einer Berufskrankheit
nach Ziffer 4101 und 4103 sprechen könnten, widerlegt worden. Die Beklagte teilte hierauf der Klägerin mit Schreiben vom 27.
April 2000 mit, dass sie bei ihrer Auffassung bleibe und weder eine BK der Ziffer 4101 noch der Ziffer 4103 anerkenne. Auch
sei der Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1999 rechtskräftig geworden.
Am 19. Dezember 2000 erhielt die Beklagte über die Klägerin Kenntnis, dass der Versicherte am 10. Dezember 2000 verstorben
war. Die Beklagte zog hierauf den Schlussbericht der Medizinischen Klinik II der LG. Universität GC. vom 11. Dezember 2000
sowie den Sektionsbericht des Medizinischen Zentrums für Pathologie am Klinikum der Universität GC. vom 26. April 2001 bei.
In dem von Prof. Dr. VZ. und Kollegen erstellten Sektionsbericht wird ausgeführt, bei dem Versicherten sei eine Lungenfibrose,
in allen histologisch untersuchten Lungenabschnitten nachweisbar gewesen. Weiterhin zeigten sich histologisch erkennbare Silikoseknötchen
nur in den untersuchten Hiluslymphknoten, jedoch nicht im Lungengewebe. Das typische Bild einer Silikose liege somit nicht
vor. Asbestkörperchen hätten sich im Lungengewebe histologisch nicht nachweisen lassen. Es sei allerdings zu beachten, dass
Asbestfasern über körpereigene Mechanismen aus dem Lungengewebe entfernt werden könnten, sodass sie unter Umständen nach einem
längeren Zeitraum histologisch nicht mehr nachweisbar seien. Eine Aussage bezüglich der Ätiologie der Lungenfibrose könne
daher nur unter Berücksichtigung der Berufsanamnese und der Exposition gegenüber Asbest-, Mineral- oder Kohlenstaub getroffen
werden. Die Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. AAP. sei zu empfehlen.
Die Klägerin, welche die Obduktion veranlasst hatte, übermittelte der Beklagten eine Äußerung des MDK, erstellt von dem Facharzt
für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Sozialmedizin Dr. PH. vom 13. Juni 2001. Dr. PH. führt darin aus, man solle den Vorschlag
des Instituts für Pathologie der Uniklinik aufgreifen und die dort noch vorliegenden Aservate einer weiteren gezielten und
professionellen Untersuchung zuführen. Neben Herrn Prof. Dr. AAP. als Arbeitsmediziner komme als Referenzpathologe hier in
erster Linie Herr Prof. Dr. L. aus Y. in Betracht.
Dagegen führte der beratende Arzt der Beklagten, der Arzt für Arbeitsmedizin XY., in seiner Stellungnahme vom 23. Juli 2001
aus, es fehle am Nachweis von Asbestkörperchen laut Sektionsbericht, sodass der Vollbeweis einer Erkrankung nach BK Ziffer
4103 nicht erbracht sei. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23. Juli
2001 mit, dass sie den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht begleichen könne.
Die Klägerin hat am 3. September 2001 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben mit dem ursprünglichen Antrag, die
Beklagte zu verurteilen, an sie 57.370,95 DM zu erstatten.
Das Sozialgericht holte ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Priv.-Dozent Dr. J. V., seinerzeit kommissarischer
Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität GC., ein. Der Sachverständige führte
in seinem schriftlichen Gutachten vom 1. November 2004 unter Einbeziehung des von ihm zusammen mit Prof. Dr. AAP. für die
Beklagte erstellte Gutachten vom 8. Februar 1999 aus, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Ziffer 4103 und
Ziffer 4101 BKV lägen vor. Bei dem Versicherten habe zweifelsfrei eine fortgeschrittene Lungenfibrose vorgelegen. Als mögliche Ursache hierfür
kämen abstrakt eine Sarkoidose, eine exogen-allergische Alveolitis sowie eine Mischstaubpneumokoniose (Asbestose, Silikose)
in Betracht. Die ersten beiden Möglichkeiten könnten nach der medizinischen Dokumentation ausgeschlossen werden. Für eine
Mischstaubpneumokoniose spreche hingegen, dass eine Hilussilikose laut Sektionsbericht vorgefunden worden sei. Der histologische
Befund sei auch mit einer Asbeststaublungenfibrose vereinbar. Die Diagnose Lungenasbestose könne weiter auf die Röntgenbefunde
sowie die Arbeitsplatz- und Berufsgeschichte gestützt werden. Für sie sprächen weiter der klinische Verlauf und die erhobenen
lungenfunktionsanalytischen Befunde. Andere Erkrankungen seien als Ursache für die Lungenfibrose nicht nachgewiesen. Gegen
diese Beurteilung spreche auch nicht, dass im Rahmen der Sektion typische Asbestkörperchen nicht gefunden worden seien. Da
nur ein geringer Teil von Asbestfasern zur Bildung von Asbestkörperchen führe, könne der fehlende Nachweis von Asbestkörperchen
nicht als Ausschlussdiagnose gelten. Weißasbest (Chrysotil), dem der Versicherte ganz überwiegend ausgesetzt gewesen sei,
habe eine geringe Biobeständigkeit und eine Halbwertszeit von einem Jahr. Dies bedeute, dass nach Verstreichen von etwa 20
Jahren nur noch etwa ein Millionstel der ursprünglichen Faserkonzentration im Lungengewebe erfassbar sei. Deshalb sei es nicht
verwunderlich, dass im Falle des Versicherten der pathoanatomische Nachweis von Asbestfasern im Sektionspräparat nicht gelungen
sei.
Zu dem Gutachten des Priv.-Dozenten Dr. V. legte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. NL., Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde,
Sozialmedizin vom 6. März 2006 vor. Dieser führte aus, eine Lungenfibrose habe unstreitig bei dem Versicherten vorgelegen,
hingegen sei eine Pleura- oder Lungenasbestose nicht erwiesen. Der Einfluss, der seit 1998 bei dem Versicherten dokumentierten
Herzinsuffizienz mit Lungenstauung sei bisher nicht hinreichend diskutiert worden, insbesondere nicht von dem gerichtlichen
Sachverständigen.
Das Sozialgericht gab der Klage mit Urteil vom 26. Juni 2007 statt und verurteilte die Beklagte, der Klägerin 29.333,30 Euro
zu erstatten. Die Klägerin habe einen Erstattungsanspruch gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) gegenüber der Beklagten, da bei dem Versicherten eine BK nach Ziffer 4103 der Anlage 1 zur BKV vorlag und die Beklagte die zu deren Behandlung angefallenen Kosten zu tragen habe. Der Versicherte sei an einer Asbeststaublungenerkrankung
(Asbestose) oder einer durch Asbestose verursachten Erkrankung der Pleura und damit an einer BK 4103 erkrankt gewesen. Wenn
bereits radiologisch oder histologisch eine Lungenfibrose und zugleich anamnestisch eine relevante Asbestexposition feststünden,
bedürfe es keiner zusätzlichen Absicherung der Exposition durch den Nachweis eines Substrats von Asbestkörpern oder Asbestfasern.
Ein negatives Zählergebnis vermöge auch eine auf andere Weise gesicherte Exposition nicht infrage zu stellen. Eine anamnestisch
eindeutig relevante Exposition sei ein stärkeres Beweismittel als eine zu geringe Asbestkörperchenzahl (Hinweis auf das Merkblatt
zur BK 4103; ferner auf Lauterbach, Unfallversicherung, § 9 Anh IV, 4103, Anm. 4.1.6, Stand: März 2006). Anerkennungsvoraussetzung
sei eine histologisch gesicherte Fibrose des Grades I (Minimalasbestose). Ob diese auf Asbestfeinstaub zurückzuführen sei,
bestimmten Art und Intensität der im Feststellungsverfahren des Unfallversicherungsträgers durch sicherheitstechnische Analyse
nachgewiesenen Asbestfeinstaubexposition. Bei mehreren naturwissenschaftlich wahrscheinlichen Bedingungen seien diese nicht
nach Faser- oder Asbestkörperzahlen, sondern nach Zurechnungsmaßstäben zu bewerten. In Fällen unklarer Exposition könne zu
deren Identifikation die Faserstaubanalyse oder der lichtmikroskopische Nachweis einer hinreichenden Anzahl von Asbestkörpern
als zusätzliche Entscheidungshilfe im Sinne einer ultima ratio nützlich sein (Hinweis auf: Merkblatt zur BK 4103; Urteil des
LSG Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2001 - L 15 U 274/97; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25. Januar 2000 - L 7 U 158/98).
Im vorliegenden Fall sei durch das Gutachten des Priv.-Doz. Dr. V. und den Sektionsbericht eine Fibrose nachgewiesen und durch
die Feststellungen des TAD vom 9. Oktober 1996 und 23. Juni 1997 sowie die Ausführungen in dem Gutachten des Priv. Doz. Dr.
V. eine ausreichende Exposition festgestellt worden. Damit habe es auch keiner Asbestfaserstaubanalyse nach Veraschung von
Lungengewebe bedurft. Dies gelte umso mehr im Hinblick auf das sogenannte "Fahrerfluchtphänomen" von Weißasbest und den von
dem gerichtlichen Sachverständigen dargelegten Aspekt, dass ein fehlender Nachweis von Asbestkörpern oder Asbestfasern keine
Ausschlussdiagnose sei. Die erstmals von Dr. NL. mit Stellungnahme vom 6. März 2006 angeführte Herzinsuffizienz stehe bei
dieser Sach- und Beweislage der Annahme, dass die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 4103 vorlägen, nicht entgegen.
Deswegen sei die Einholung einer Stellungnahme des Gerichtssachverständigen zur weiteren Aufklärung nicht erforderlich. Ob
darüber hinaus auch eine BK 4101 bei dem Versicherten vorlag, könne dahinstehen, da der Anspruch der Klägerin bereits aufgrund
des Vorliegens einer BK 4103 begründet sei.
Dem Erstattungsanspruch der Klägerin stehe schließlich auch nicht der gegenüber dem Versicherten ergangene ablehnende Bescheid
der Beklagten vom 15. Mai 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1999 entgegen. Dabei könne dahinstehen, ob
der ablehnende Bescheid der Beklagten gegenüber dem Versicherten eine Tatbestandswirkung im Verhältnis zur Klägerin entfalte
oder es sich bei den Erstattungsansprüchen der §§ 102 ff. SGB X um eigenständige, originäre Ansprüche handele, die nicht von der Rechtsposition des Leistungsberechtigten abhängig seien,
so dass selbst die bindende Ablehnung des Begehrens des Sozialleistungsberechtigten durch den auf Erstattung in Anspruch genommenen
Leistungsträger dem späteren Erstattungsbegehren des vorleistenden Leistungsträgers nicht entgegenstehe. Denn im Verhältnis
der Versicherungsträger untereinander gelte jedenfalls auch, dass sie im Hinblick auf die vielfältige gegenseitige Abhängigkeit
von Sozialleistungen zu enger Zusammenarbeit (§ 86 SGB X) und auch Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Leistungsträgers verpflichtet seien. Hieraus folge eine allgemeine,
der Kooperationsbeziehung immanente Verpflichtung, eine Entscheidung zu korrigieren, die offensichtlich fehlerhaft sei oder
einem anderen Leistungsträger zum Nachteil gereiche, oder zumindest ihn so zu stellen, als wenn von Anfang an richtig entschieden
worden wäre. Diesbezüglich sei zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung objektiv unter Berücksichtigung der verfügbaren Entscheidungsgrundlagen
dem materiellen Recht deutlich widerspreche (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Juni 1993, SozR 3 - 1300 § 112 Nr. 2 und Urteil
vom 30. Mai 2006, SozR 4 - 3100 § 18 c Nr. 2). Ein solcher deutlicher Widerspruch liege nicht bereits dann vor, wenn verschiedene
Gutachter zu einer unterschiedlichen Einschätzung medizinischer Fragen gelangten. Sei jedoch aufgrund der Beweislage mit hoher
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein positiver Bescheid ergehen hätte müssen, so sei aufgrund der gesetzlich normierten
Kooperationsbeziehung zwischen den Leistungsträgern ein Verweis auf die Tatbestandswirkung eines bestandskräftigen Bescheides
nicht zu rechtfertigen. So liege es hier. Schließlich stehe dem Erstattungsanspruch auch nicht § 111 SGB X a.F. entgegen, da zwischen Krankenkasse und Unfallversicherungsträger ein Vorgehen vereinbart worden sei, welches auch bei
nur allgemeinen nicht konkret bezifferten Erstattungsbegehren eine Erstattung ohne Verfristung vorsehe. Die Kostenentscheidung
beruhe auf § 193 Sozialgerichtsgesetz ( SGG), da die Klage noch vor dem 1. Dezember 2002 anhängig gemacht worden sei.
Gegen das ihr am 12. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Juli 2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das
Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei dem Versicherten eine BK nach Ziffer 4103 vorgelegen habe. Das Vorhandensein
einer Asbestose sei nämlich nicht im Vollbeweis gesichert. Bei der Obduktion habe sich lediglich eine Fibrose ohne Nachweis
von Asbestkörperchen finden lassen. Auch durch die radiologische Diagnostik sei bei dem Versicherten das Vorliegen einer Pleuraasbestose
und/oder einer Lungenasbestose nicht belegt worden. So hätten Prof. Dr. TP. und auch Dr. NL. die radiomorphologischen Veränderungen
als nicht typisch für das Vorliegen einer Asbestose beurteilt. Die von Priv.-Doz. Dr. V. in seinem Gutachten vertretene Auffassung
zur Existenz eines Fahrerfluchtphänomens bei Weißasbest, der sich auch das Sozialgericht angeschlossen habe, sei bislang durch
die medizinische Wissenschaft anhand von Studien nicht belegt. Dagegen, dass die gesicherte Lungenfibrose durch Asbesteinwirkung
entstanden sei, spreche, dass bei dem Versicherten eine Herzinsuffizienz mit Herzdilatation bestanden habe. Aufgrund der Herzinsuffizienz
sei es zu einer chronischen Lungenstauung gekommen, die zur Ausbildung der Lungenfibrose führte, bzw. deren Entstehung zumindest
begünstigt habe. Da bei der Sektion keine feingeweblichen Befunde erhoben worden seien, die für das Vorliegen einer Silikose
sprächen, sei auch das Vorliegen einer sogenannten Mischstaubpneumokoniose nicht bewiesen. Diesbezüglich verweist die Beklagte
und Berufungsklägerin auf eine von ihr vorgelegte Stellungnahme des Dr. NL. vom 17. Januar 2008. Darin heißt es, es gäbe nur
Hinweise für silikotische Knötchen im Lungengewebe, während das Bild einer typischen Silikose nicht erhoben worden sei. Die
Klägerin und die von ihr vorgelegten Stellungnahmen des MDK-Arztes Dr. PH. missachteten die gültigen Beweisgrade der gesetzlichen
Unfallversicherung. Der Begriff der Asbestose im Rahmen der BK-Ziffer 4103 sei ein Tatbestandsmerkmal, was heiße, dass die
Einlagerung von Asbestfasern in das Lungengewebe voll bewiesen sein müsse. Insgesamt sei die Entscheidung, welche sie gegenüber
dem Versicherten getroffen habe, nämlich dass keine Berufskrankheit vorliege, jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig. Daher
sei sie von der Klägerin hinzunehmen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und führt ergänzend aus, nach der Entscheidung des BSG vom 28. September
1999 (B 2 U 36/98 R, SozR 3-5670, § 3 BKVO) stehe selbst die bindende Ablehnung des Begehrens des Sozialleistungsberechtigten durch den auf Erstattung in Anspruch genommenen
Leistungsträger dem späteren Erstattungsbegehren des vorleistenden Leistungsträgers nicht entgegen. Weiter legt die Klägerin
zwei Stellungnahmen des Dr. PH. vom MDK, erstellt unter dem Datum vom 23. November 2007 und 13. März 2008 vor und verweist
auf diese. Dr. PH. führt darin aus, eine Lungenfibrose aufgrund einer chronischen Lungenstauung habe bei dem Versicherten
nicht vorgelegen. Bei einem solchen Geschehensablauf hätten sich eine Gefäßwandverdickung sowie sonstige Zeichen einer chronischen
pulmonalen Hypertension ausbilden müssen. Derartige Befunde seien in dem Sektionsbericht nicht enthalten. Das sogenannte Fahrerfluchtphänomen
des Chrysotil-Asbestes sei anerkannt. Es beruhe darauf, dass Chrysotil-Asbest durch körpereigene Abbaumechanismen im Gewebe
eliminiert werden könne. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien auch feingewebliche Befunde vorhanden, die eine Silikose
bewiesen. Es handele sich lediglich nicht um die typische periphere Lungensilikose, sondern um die zentrale Silikose der Hiluslymphknoten.
Dies korrespondiere wiederum mit dem radiologischen Nachweis der verkalkten Lymphknoten. Hinsichtlich des von der Beklagten
erfolgten Vorbringens zur Notwendigkeit eines Vollbeweises für das Vorliegen einer Asbestose gelte, dass es sich bei der Asbestose
gemäß den Lehrbüchern der Inneren Medizin und der Arbeitsmedizin dem Krankheitsbild nach um eine interstitielle Lungenfibrose
handele, also um eine Bindegewebsvermehrung, die betont in den Lungenunterfeldern auftrete und dadurch zu einer Minderung
der Lungenfunktion im Sinne einer restriktiven Ventilationsstörung führe. Ob eine als Krankheitsbild festgestellte Fibrose
einer Lungenasbestose entspreche oder eine sonstige Ursache für diese Fibrose benannt werden könne oder diese gar ohne erkennbare
Ursache (idiopathisch) aufgetreten sei, sei eine Frage des Wahrscheinlichkeitsbeweises. Dieser könne nicht nur mittels histopathologischer
Befunde geführt werden, zumal sich Asbestkörperchen, die zum Nachweis einer solchen Asbestose histophormologisch dazugehörten,
gar nicht mehr im Lungengewebe befinden hätten können. Zwischen Exposition und Todeszeitpunkt habe nämlich ein so langer Zeitraum
gelegen, dass eine vormals erhöhte Asbestfaserkonzentration im Lungengewebe durch körpereigene Prozesse abgebaut worden sei.
Maßgeblich für den Rückschluss auf das Vorliegen einer Asbestose bei dem Versicherten sei, dass ein ausreichender Expositionsumfang
bestanden habe, dass sich ein histologisch-fibrotisches Bild finde, welches auch bei der Asbestose vorkomme und dass das Röntgenbild
ebenfalls mit einer Lungenasbestose sehr gut vereinbar sei. Dies alles habe Priv.-Dozent Dr. V. in seinem Gutachten zutreffend
dargelegt.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verwaltungsakte der Klägerin beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten
des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist für den geltend gemachten Erstattungsanspruch eröffnet. Dieser richtet sich gemäß
§ 114 SGB X im Grundsatz nach der Rechtswegzuständigkeit für den zugrundeliegenden Sozialleistungsanspruchs gegen den erstattungspflichtigen
Leistungsträger. Auch wurde der Erstattungsanspruch zutreffend durch reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) geltend gemacht.
Auf die im Übrigen form- und fristgerecht erhobene und damit zulässige Berufung war das angefochtene erstinstanzliche Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen, da der Klägerin der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zusteht.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch der Klägerin ist § 105 SGB X. Diese Norm begründet einen Erstattungsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers, der ohne Kenntnis von der kongruenten
Verpflichtung des zuständigen Trägers in der irrigen Annahme seiner Leistungskompetenz und in der Absicht endgültig (und nicht
vorläufig, vgl. § 102 SGB X) zu leisten, Sozialleistungen erbracht haben. Die Regelung bezweckt durch einen nachträglichen Ausgleich zwischen den Leistungsträgern
im Interesse der Vermeidung von Leistungskumulationen den Zustand herzustellen, wie er bei einer von Anfang an der gesetzlichen
Zuständigkeit entsprechenden Leistungserbringung bestanden hätte. Der Anspruch richtet sich gegen den Leistungsträger, der
für die Sozialleistung sachlich-rechtlich zuständig ist. Dies ist der Träger, der hinsichtlich der begehrten Leistung nach
materiellem und formellen Recht richtigerweise von dem Leistungsberechtigten, hier dem Versicherten, auf Leistung in Anspruch
nehmen ist. Für die Erstattung nach § 105 SGB X ist somit charakteristisch, dass die erbrachten Sozialleistungen - im Gegensatz zu den von den §§ 102 bis 104 SGB X erfassten Fällen - nicht rechtmäßig, sondern wegen Unzuständigkeit des Leistungsträgers aufgrund einer rechtswidrigen Bewilligungsentscheidung
des Leistungsträgers erbracht worden sind. Unzuständigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für den Leistungsträger,
der Erstattung fordert, von Anfang an weder eine eigene Leistungspflicht noch eine Leistungspflicht im Auftrag eines anderen
vorgelegen haben darf; maßgebend ist demnach die rechtliche Sachbefugnis im Sinne der Passivlegitimation im Verhältnis zu
dem Leistungsempfänger, hier dem Versicherten, dem von der Klägerin im wesentlichen Krankenhausbehandlung als Sachleistung
gewährt worden war. Dagegen muss ein einziger (anderer) Leistungsträger zuständig und dem Leistungsempfänger gegenüber zur
Leistungserbringung verpflichtet sein.
Hier steht im Raum, ob für die von der Klägerin erbrachten Leistungen die Beklagte sachlich zuständig gewesen wäre, wobei
sich aus der sachlichen Zuständigkeit ergibt, welcher Sozialleistungsbereich und damit welche Art von Leistungsträger zuständig
ist. Einer der Hauptanwendungsfälle des § 105 SGB X ist der Fall der Erbringung von Leistungen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die zur Leistungspflicht führende
Erkrankung erst später als Berufskrankheit (§ 9 SGB XII) anerkannt wird und damit zur grundsätzlich ausschließenden Leistungszuständigkeit
der Gesetzlichen Unfallversicherung führt. Nach § 11 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung ( SGB V) in der hier maßgeblichen und bis zum 31.03.2007 geltenden Fassung (durch Art. 1 Nr. 7 GKV-WSG vom 26.03.2007, BGBl. I, 378 ist der bisherige Abs. 4 dieser Norm zu Abs. 5 geworden) besteht aus der Gesetzlichen Krankenversicherung
kein Anspruch auf Leistungen, wenn diese als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der Gesetzlichen
Unfallversicherung zu erbringen sind. Diese Vorschrift schließt somit bei Berufskrankheiten einen Anspruch aus der Gesetzlichen
Krankenversicherung zugunsten der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers aus, das heißt, wenn der gesundheitliche Schaden
durch einen unfallversicherungsrechtlichen Tatbestand verursacht worden ist.
Nach § 105 Abs. 2 SGB X sind für den Umfang des Erstattungsanspruches die für den zuständigen - erstattungspflichtigen - Leistungsträger im Zeitpunkt
der Entstehung der Kosten geltenden Vorschriften maßgeblich. Das bedeutet, dass zu erstatten ist, was der zuständige Leistungsträger
nach den von ihm anzuwendenden Vorschriften zu leisten gehabt hätte.
Den Erstattungsansprüchen des Zweiten Abschnittes des Dritten Kapitels des SGB X ist gemeinsam, dass sie Ausgleichslagen im Mehr-Personen-Verhältnis unter Beteiligung von (wenigstens) zwei Leistungsträgern
und dem Leistungsberechtigten regeln. An die Stelle der Leistungsverpflichtung gegenüber dem Bürger, die aufgrund von § 107 SGB X erlischt, tritt eine neue und eigenständige Verpflichtung des letztverantwortlichen Leistungsträgers zum Ausgleich gegenüber
dem erstattungsberechtigten Leistungsträger. Dabei soll allerdings der erstattungspflichtige Träger nicht mehr erstatten müssen,
als er selbst nach dem für ihn maßgebendem Recht zu leisten gehabt hätte. Bei der Abwicklung des Ausgleichsverhältnisses haben
die Leistungsträger die Rechtspflicht, wegen der Interdependenzen zwischen den Sozialleistungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben
eng zusammenzuarbeiten und bei widerstreitenden Interessen die Belange des anderen Leistungsträgers angemessen zu berücksichtigen
(vgl. Bundessozialgericht, SozR 1300, § 103 Nr. 2 und 3; BSG, SozR 3-1300, § 111 Nr. 9). Dies folgt allgemein aus § 86 SGB X (so Bundessozialgericht, SozR 3-2600, § 99 Nr. 2; Bundessozialgericht, SozR 4100, § 105b Nr. 6). Vor dem Hintergrund des Kooperationsgebotes stellt sich somit die Grundfrage,
ob und inwieweit ein Leistungsträger Entscheidungen eines anderen Leistungsträgers, die dieser im Sozialrechtsverhältnis zum
Bürger getroffen hat, hinnehmen muss (vgl. hierzu Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, Vorbemerkungen zu §§ 102 bis 114, Rdnr. 13,
Loseblattausgabe Stand 2/05) bzw. inwieweit er Einwendungen aus dem Sozialleistungsverhältnis zu dem Versicherten geltend
machen kann. Sie kann nur beantwortet werden unter Einbeziehung der Grundsätze und Normen zur Tatbestandswirkung bestandskräftiger
Verwaltungsakte, zu den eigenständigen Verfahrensrechten systemsubsidiärer Leistungsträger sowie des Sachverhalts der Zuweisung
jeweils eigenständiger Aufgaben an die Versicherungsträger in dem gegliederten System der sozialen Sicherung. Es bedarf einer
rechtsdogmatischen Harmonisierung der aus diesen Prinzipien folgenden unterschiedlichen Interessenlagen unter Einbeziehung
pragmatischer Gesichtspunkte zur Handhabbarkeit der Erstattungsbeziehungen und Beschränkung von Erstattungsstreitigkeiten
auf ein angemessenes Maß.
Gegen eine Einbeziehung der gegenüber dem Versicherten ergangenen Entscheidung über dessen Leistungsanspruch in das Erstattungsverfahren
spricht zunächst, dass durch die Regelungen der §§ 102 bis 114 SGB X - anders als beim Forderungsübergang - eigenständige, originäre Ansprüche auf Erstattung begründet werden (BSG, SozR 3 5670,
§ 3 Nr. 4; BVerwGE 89, 39, 46). Ein Leistungsträger ist nicht befugt, an der Entscheidung eines anderen Leistungsträgers mitzuwirken oder dessen Leistungsbescheid
anzufechten, es sei denn, es besteht hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, wie etwa in § 51 Abs. 1 und 2 SGB V. Daraus wurde früher abgeleitet, der Leistungsbescheid des einen Leistungsträgers entfalte keine Bindungswirkung gegenüber
dem anderen nach §§ 39, 77 SGG und habe keine Tatbestandswirkung in dem Sinn, dass sein Inhalt vom anderen Träger als gegeben hinzunehmen wäre (Kater in
Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 45, 54). Die frühere Rechtsprechung des BSG zu § 1531 RVO und anfänglich auch zu den §§ 102 bis 105 SGB X ist deshalb davon ausgegangen, dass verwaltungsverfahrensrechtliche Einwendungen aus dem Sozialleistungsverhältnis, insbesondere
die im Sinne des § 77 SGG bindende Versagung der Leistung, dem Erstattungsbegehren nicht entgegengesetzt werden könne (vgl. Kater in Kasseler Kommentar
zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 55 m. w. N.). Sie ist aber zu Recht nicht konsequent fortgeführt worden, wenn auch das Bundessozialgericht vereinzelt
weiterhin hierauf zurückgreift (so BSG, Urteil vom 28.September 1999, B 2 U 36/98 R, SozR 3 - 5670 § 3 Nr. 4 unter Hinweis auf Urteil vom 30. April 1991, 2 RU 78/90).
Die Eigenständigkeit des Erstattungsanspruches hebt nämlich die inhaltliche Abhängigkeit und untrennbare Verknüpfung vom und
mit dem Anspruch des (vermeintlich) Leistungsberechtigten nicht auf (vgl. BSG, SozR 1300, § 104 Nr. 7; BVerwGE 60, 236). In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 13. September 1984, Az.: 4 RJ 37/83, BSGE 57, 146; Urteil vom 22. Mai 1985, 1 RA 33/84, BSGE 58, 119; s. aber auch noch Urteil vom 27. August 1987, Az.: 2 RU 49/86, BSGE 62, 118; vgl. Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 103 SGB X Rdnr. 44 ff. und § 104 SGB X Rdnr. 38) und des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 14.05.2002, Az.: VIII R 88/01) ist dieser Gesichtspunkt zunehmend in den Vordergrund gegenüber der formalen Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche nach
den §§ 105 ff. SGB X gerückt worden. Deshalb führe die (formale) Selbständigkeit der Erstattungsansprüche nicht dazu, dass der Leistungsbescheid
des vorrangig leistungspflichtigen Trägers für die Erstattung unbeachtlich wäre; vielmehr bestehe eine wechselseitige Abhängigkeit
und Verknüpfung hinsichtlich Grund und Höhe mit der Folge, dass der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger grundsätzlich
diejenigen Einwendungen, die ihm gegenüber dem Leistungsberechtigten zustünden, auch gegenüber dem Erstattungsanspruch erheben
könne (Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 46; BSG, Urteil vom 06.02.1992 - Az.: 12 RK 15/90 - juris; BSG, Urteil vom 01.09.1999 - Az.: B 13 RJ 49/98 R - juris; BSG, Urteil vom 23.06.1993 Az.: 9/9a RV 35/91 - juris). Darf der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger diejenigen Einwendungen, die ihm gegen den Sozialleistungsanspruch
zustehen, auch gegen den Erstattungsanspruch erheben, so ist es nur folgerichtig, dies auch hinsichtlich des Einwandes anzunehmen,
dass über den Sozialleistungsanspruch des (vermeintlich) Berechtigten bereits rechtskräftig ablehnend entschieden ist. Die
Einwendung beruht dabei nicht auf der Rechtskraft des im Verfahren des Leistungsberechtigten ergangenen Urteils; das Geltendmachen
der Einwendung hat vielmehr zur Folge, dass aus sachlichrechtlichen Gründen kein Erstattungsanspruch gegeben ist. Wie auf
die rechtskräftige Entscheidung kann sich der Träger auf die bindende Entscheidung (§ 39, § 77 SGG) einschließlich ihrer Tatbestandwirkung berufen (Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 56 m. w. N. zur Rechtsprechung des BSG). Die Bindungswirkung gilt insbesondere auch für den Rückerstattungsstreit (vgl.
BSG, Urteil vom 23.06.1993 - Az.: 9/9a RV 35/91 - juris). Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann somit der auf Erstattung in Anspruch genommene
Leistungsträger nicht nur einwenden, über den Sozialleistungsanspruch sei bereits rechtskräftig ablehnend entschieden worden
(BSGE 58, 119), sondern auch geltend machen, eine beantragte Leistung sei bestandskräftig abgelehnt worden (Bundessozialgericht, Urteil
vom 12. Mai 1999, Az.: B 7 AL 74/98 R, BSGE 84, 80) oder es sei entschieden worden, dass diese erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu gewähren sei (Bundessozialgericht, Urteil
vom 1. September 1999, Az.: B 13 RJ 49/98 R, SozR 3-1300 § 86 SGB X Nr. 3).
Damit ist aber noch nicht geklärt, ob dies auch dann gilt, wenn der die Leistung bewilligende oder versagende Bescheid fehlerhaft
ist bzw. in welchem Umfang eine Überprüfung eines Verwaltungsaktes auf eine eventuelle von dem Erstattungsberechtigten geltend
gemachte Fehlerhaftigkeit geboten ist. Hierfür ist von folgenden Gesichtspunkten auszugehen:
Liegt bereits im Sozialleistungsverhältnis eine Entscheidung des Leistungsträgers vor, soll über Grund und Höhe der Leistung
zum Zwecke der Erstattung nicht noch einmal entschieden werden (BSG, SozR 3-2600, § 99 Nr. 2; BSG, SozR 3-1300, § 112 Nr.
2). Die Entscheidung des letztverantwortlichen Leistungsträgers hat der nachrangige oder unzuständige Leistungsträger unterhalb
der Schwelle der Nichtigkeit dieser Entscheidung im Interesse der Funktionsfähigkeit des gegliederten Systems sozialer Sicherheit
grundsätzlich hinzunehmen (BSG, SozR 3-1200, § 48 Nr. 1; BSG, SozR 3-2200, § 310 Nr. 1; BSG, SozR 1300, § 103 Nr. 2 und 3;
BSG, SozR 1300, § 104 Nr. 7; BSG, SozR 3 2200, § 183 Nr. 6; BSG, SozR 3-1300, § 104 Nr. 15). Dies bedeutet, dass sich der
auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger in der Regel auf die bindende Entscheidung einschließlich ihrer Tatbestandswirkung
berufen kann, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn der die Leistung bewilligende oder ablehnende Verwaltungsakt fehlerhaft
ist. Allerdings ist es dem in Anspruch genommenen Leistungsträger aufgrund der Pflicht zur engen Zusammenarbeit nach § 86 SGB X dann versagt, auf der getroffenen Entscheidung zu beharren, wenn sich diese als offensichtlich fehlerhaft erweist und sich
dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt. Hierbei ist zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung objektiv unter
Berücksichtigung der verfügbaren Entscheidungsgrundlagen dem materiellen Recht deutlich widerspricht (vgl. BSG, SozR 3-1300,
§ 86 Nr. 3; BSG, SozR 1300, § 103 Nr. 2 und 3; BSG, SozR 3-1300, § 103 Nr. 4). Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat der
erstattungspflichtige Leistungsträger die Fehlentscheidung im Erstattungsstreit zu korrigieren bzw. kann sie der Erstattungsforderung
nicht entgegenhalten (BSG, SozR 3-1300, § 103 Nr. 4; BSG, SozR 3-2600, § 99). Offensichtlich ist eine Fehlerhaftigkeit in
der Regel nur dann, wenn sie sozusagen "auf der Hand" liegt, die Rechtsanwendung des die Leistung bewilligenden oder versagenden
Leistungsträgers aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage mithin offenkundig nicht vertretbar ist. In der Regel wird daher
bei Streitfragen, die nicht eindeutig durch Gesetz oder Rechtsprechung geklärt sind und für die beide Seiten gute Argumente
haben, nicht von einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit ausgegangen werden können, wenn der auf Erstattung in Anspruch genommene
Leistungsträger gegenüber dem Versicherten anders entscheidet als es der Erstattung beanspruchende Leistungsträger für richtig
erachtet.
Im Rahmen eines Erstattungsverfahrens - wie vorliegend - ist bei der Prüfung der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit eines Bescheides
lediglich auf bereits vorhandene tatsächliche Feststellungen abzustellen. Diese sind unter Zugrundelegung objektiver Gesichtspunkte
zu beurteilen. Weitere Ermittlungen sind nicht durchzuführen (Bundessozialgericht, Urteil vom 16.06.2008, Az.: B 12 R 37/07 R; Urteil vom 13.09.1984, SozR 1300 § 103 Nr. 3 Seite 12; Urteil vom 28.11.1985, USK 85142; Urteil vom 01.09.1999, SozR 3-1300
§ 86 Nr. 3 Seite 8f. und Urteil vom 26.07.2007, SozR 4-2600 § 116 Nr. 1 Rdnr. 18).
Der anzulegende Maßstab der "offensichtlichen Fehlerhaftigkeit" in diesem Sinne ist nicht gleichbedeutend mit der Nichtigkeit
eines Bescheides (§ 40 SGB X), die einen "besonders schwerwiegenden Fehler" des Verwaltungsakts voraussetzt und "bei verständiger Würdigung der in Betracht
kommenden Umständen offensichtlich ist". Denn der nichtige Verwaltungsakt ist von vornherein unwirksam (§ 39 Abs 3 SGB X), während sich die Problematik der Bindungswirkung eines offensichtlich fehlerhaften Bescheides im Erstattungsverfahren stellt,
da dieser grundsätzlich wirksam ist.
Ziel der Beschränkung der Durchbrechung der Bindungswirkung auf Fälle offensichtlicher Fehlerhaftigkeit ist es zu verhindern,
dass der einen Erstattungsanspruch geltend machende Leistungsträger schon dann eine Überprüfung erzwingen kann, wenn er lediglich
eine andere Rechtsauffassung vertritt. Insofern muss und soll die Rechtsanwendungsprärogative weiterhin bei dem für das jeweilige
Leistungsrecht zuständigen Leistungsträger verbleiben - nicht zuletzt um Erstattungsstreitigkeiten zwischen Leistungsträgern
auf ein angemessenes Maß zu begrenzen (Bundessozialgericht, Urteil vom 01.09.1999, Az.: B 13 RJ 49/98 R - juris). Dies entspricht auch der grundsätzlichen Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche und der allgemeinen Zielsetzung
der §§ 102 ff: SGB X, die Erstattungsbeziehungen möglichst einfach zu regeln.
Diesen Grundsätzen folgend ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Klägerin ein Erstattungsanspruch nur dann zusteht,
wenn die Beklagte mit ihrem bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 15. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12. Mai 1999 gegenüber dem seinerzeit anwaltlich vertretenem Versicherten offensichtlich fehlerhaft im obigen Sinne die
Feststellung einer BK nach Nr. 4103 und/oder Nr. 4101 der Anlage 1 zu BKV abgelehnt hatte. Dies ist aber entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht der Fall.
Eine offensichtliche Unrichtigkeit der ablehnenden Entscheidungen der Beklagten kann der Senat nicht erkennen. Dabei hätte
es der vom Sozialgericht durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens von Priv.-Doz. Prof. Dr. V. durchgeführten
medizinischen Sachermittlung nicht zwingend bedurft, da nach den oben dargelegten Grundsätzen im Rahmen eines Erstattungsverfahrens
bei der Prüfung der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit eines Bescheides vorrangig die bereits vorhandenen tatsächlichen Feststellungen
die Erkenntnisgrundlage bilden. Somit sind die im Verwaltungsverfahren zur Frage des Vorliegens einer Berufserkrankung oder
eines beruflich bedingten Unfallschadens gewonnenen Ermittlungsergebnisse primärer Bezugspunkt der in inhaltlicher Hinsicht
wegen des Maßstabes der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit deutlich reduzierten Prüfung.
Zwischen den Beteiligten ist im Wesentlichen die Ätiologie der ausgeprägten Lungenfibrose des verstorbenen Versicherten umstritten,
insbesondere ob ihre Entstehung ursächlich auf die berufsbedingte Exposition des Versicherten gegenüber Steinstaub und Asbest
zurückgeführt werden kann. Im Hinblick auf die Asbestbelastung des Versicherten ist bedeutsam, in welcher Weise der medizinische
Nachweis des Vorliegens einer bei dem Versicherten in Betracht kommenden Asbestose zu führen ist.
Der in den Ziff. 4103 und 4104 der Anlage 1 zur BKV verwandte Begriff Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) als Listenkrankheit meint das Vorliegen (den Befund) eines regelwidrigen
Körperzustandes, der die Krankheitsmerkmale dieser Listennummern erfüllt. Liegt das Tatbestandsmerkmal Listenkrankheit nicht
vor, kann eine BK abgelehnt werden, ohne dass es der Prüfung der weiteren Voraussetzungen bedarf, es sei denn, es wird - wie
bei der BK Nr. 4104 - eine Kausalität bei einer bestimmten Exposition (hier 25 Faserjahre, die aber bei dem Versicherten unstreitig
nicht vorlagen) vermutet. Das Vorliegen einer Listenkrankheit bedarf des Vollbeweises. Auch wenn es keine allgemeinverbindliche
Definition der Asbestose gibt, ist doch anerkannt, dass ihre Diagnose vor allem auf dem röntgenologischen Befund beruht. Kennzeichnend
ist eine diffuse Fibrose der Mittel- und Lungenunterfelder. Die darstellbaren Veränderungen weisen wabenähnliche oder grob
netzförmige, unregelmäßig streifige, bandartig verflochtene oder auch maschenartige Strukturen auf. Sie nehmen in der Lunge
von oben nach unten zu. Pleuraveränderungen treten gelegentlich in Form typischer Pleura-Plaques auf. Die Computertomographie,
vor allem in Hochauflösungstechnik (HRCT), ebnet den Weg für eine frühe und exakte Erfassung reaktiver asbeststaubinduzierter
Befunde an Lungenparenchym und Pleura. Differentialdiagnostisch sind Lungenveränderungen anderer Ätiologie zu erwägen, wie
idiopathische Lungenfibrose oder andere entzündliche an den Alveolen angreifende Umbauvorgänge. Als richtungsweisend für die
Diagnose "Asbestose" gelten Pleuraverschwielungen und kalkhaltige bilaterale Pleurplaques. Techniken der präparativen Gewinnung
und Anreicherung von Asbestkörperchen aus Lungengewebe erschließen den Nachweis beruflich bedingter Faserbelastungen auch
bei negativem Röntgenbefund. Die Lehrmeinung im Fachgebiet Pathologie definiert die Minimalasbestose wie folgt: Es bedarf
des lichtmikroskopischen Nachweises minimaler Fibrosierungsherde im Bereich der Bronchioli respiratori und der begleitenden
Gefäße mit Einstrahlung bis maximal in die direkt angrenzenden Alveolarsepten sowie in diesen Arealen eingelagerter Asbestkörper
(vgl. Mehrtens/Valentin/Schönberger, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, Kapitel 17.65, S. 1093 ff; Mehrtens/Brandenburg,
Die Berufskrankheitenverordnung, Loseblattkommentar, M 4104, Rz. 5 ff). Ob bei Weißasbestexposition auch der Nachweis von Asbestfasern/-faserteilchen in
Beziehung zu fibrosiertem Lungengewebe unter Anwendung von rasterelektronen-mikroskopischen Lungenfaseranalysen (REM) genügen
soll, ist umstritten. Unterschiedliche Positionen gibt es auch zu der Frage, welche Schlussfolgerung aus einem fehlenden Nachweis
einer größeren Anzahl von Asbestfasern und Asbestkörperchen in fibrotischen Arealen im Falle einer Einwirkung von Weißasbest
zu ziehen ist, insbesondere ob ein solcher fehlender Nachweis ein hinreichendes Ausschlusskriterium für das Vorliegen einer
Minimalasbestose ist. Das Bundessozialgericht tendiert in älteren Entscheidungen vom 6. April 1989 (Urteil im Verfahren 2 RU 55/88) und vom 29. September 1992 (Beschluss im Verfahren 2 BU 65/92) zu der Auffassung, dass dann wenn weder in der lichtmikroskopischen Lungenstaubanalyse noch in histologischen Schnittpräparaten
Asbestkörperchen nachweisbar sind, die Asbestexposition nicht ausgereicht habe, um krankhafte Veränderungen im Sinne einer
(Minimal-)Asbestose hervorzurufen. Der 17. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen hat in seinen Urteilen vom 7. Februar 2007 (L 17 U 132/05) und 25. April 2007 (L 17 U 154/03) vor allem auf den röntgenologischen Befund als Nachweismittel für das Vorliegen einer Asbestose abgestellt, während der
15. Senat dieses Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 11. Dezember 2001 (L 15 U 274/97) die Auffassung vertrat, der Nachweis von Asbestkörperchen in den fibrotischen Arealen gehöre weder rechtlich zu den unabdingbaren
Merkmalen der Asbestose noch sei er in tatsächlicher Hinsicht unverzichtbar.
Dass die Beklagte, obwohl das von ihr eingeholte Gutachten des Dr. A. vom 5. Juli 1997 und die diesem zustimmende landesgewerbeärztliche
Stellungnahme vom 4. August 1997 zu dem Ergebnis gelangten, bei dem Vesicherten bestehe zwar keine Silikose aber eine Pleura-
und Lungenasbestose, die Festellung einer BK nach Nr. 4103 zunächst mit Bescheid vom 15. Mai 1998 ablehnte, ist nach Überzeugung
des Senats nach objektiven Maßstäben nicht als offensichtlich fehlerhaft zu beurteilen. Die Beklagte hatte nach den Darlegungen
ihres beratenden Arztes Dr. HQ. vom 16. September 1997, die fibrotischen Veränderungen der Lunge und die Röntgenbefunde vom
Thorax des Versicherten seien nicht typisch für eine Lungenasbestose, weitere medizinische Ermittlungen angestellt. Der dabei
eingeholte pathologische Bericht des Klinikums der Universtät GC. vom 18. Dezember 1995 über die Untersuchung aus dem Brustbereich
des Versicherten entnommenen Biopsiematerials deutete den Gesamtbefund im Sinne des Vorliegens allergischer Veränderungen.
Damit lagen gewichtige Argumente vor, die gegen eine asbest- oder steinstaubedingte Erkrankung der Atmungsorgane des Versicherten
sprachen. Dies brachte auch Prof. Dr. TP. in seinen Stellungnahmen zum Ausdruck.
Es hätte zwar nahegelegen, die neue Beurteilung dem Landesgewerbearzt zur Stellunnahme zu unterbreiten. Dass dies nicht geschehen
ist und auch im Widerspruchsverfahren nicht nachgeholt wurde, stellt jedenfalls keinen Verfahrensfehler dar, der so gewichtig
wäre, dass die von der Beklagten getroffene Entscheidung schon deshalb deutlich fehlerhaft wäre. Auch zeigt die weitere Verfahrensweise
der Beklagten im Widerspruchsverfahren, dass sie um eine weitere Klärung der vorrangig medizinischen Kausalitätsfragen bemüht
war. Sie hatte nach dem Widerspruch des anwaltlich vertretenen Versicherten gegen den Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 1998
weitere Ermittlungen angestellt und das Gutachten des Prof. Dr. AAP./Dr. V. vom 8. Februar 1999 eingeholt. Dieses gelangte
zwar zu der Beurteilung, bei dem Versicherten bestehe ein Mischstaubpneumokoniose im Sinne der BK-Ziff. 4103 und 4101 und
damit eine BK. Zur Begründung wurde aber im Wesentlichen darauf abgestellt, die erhebliche Asbestfaserstaubeinwirkung sei
mit dem Vorliegen einer asbestbedingten Lungenfibrose vereinbar. Der Nachweis von Asbestkörperchen oder Asbestfasern im Lungengewebe
konnte aber nicht geführt werden. Hinsichtlich der Silikoseproblematik wurde ausgeführt, die hilären Lymphknotenverkalkungen
seien noch nicht so ausgeprägt, dass man von dem klassischen Befund einer Eierschalensilikose sprechen könne. Dennoch sei
von einer Silikose auszugehen. Dieser Beurteilung war Prof. Dr. TP. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 29. März 1999
mit gewichtigen Argumenten entgegengetreten. So führte er aus, nach erneuter Durchsicht aller vorhandenen Röntgenbilder zum
Thorax des Versicherten, sehe er weder den radiologischen Nachweis des Vorliegens asbestassoziierter Pleuraplaques noch den
einer massiven Lymphknotenverkalkung, die als Lymphkotensilikose gedeutet werden könnte, geführt. Das Ausmaß des interstitiellen
fibrotischen Lungenprozesses, der seit 1988 dokumentierte progrediente Verlauf und das Ergebnis der histologischen Untersuchung
lege den Schluss nahe, dass es sich um einen typischen idiopathischen, interstitiellen, fibrosierenden Lungengerüstprozess
handele, der weder auf eine Quarz- noch Asbestfaserexposition zurückgeführt werden könne. Dass diese Einschätzung nicht haltlos
war, bestätigt im Nachhinein der Sektionsbericht des Universitätsklinikums GC. vom 26. April 2001. Darin heißt es, Asbestkörperchen
hätten sich im Lungengewebe nicht gefunden. Das typische Bild einer Silikose liege ebenfalls nicht vor. Prinzipiell kämen
als Ursache der vorgefundenen Lungenfibrose eine Asbest-, Mineral- oder Kohlenstaubexposition sowie eine exogen allergische
Alveolitis oder auch eine idiopathische Lungenfibrose in Betracht.
Angesichts der jedenfalls nicht unerheblichen Einwände des Prof. Dr. TP. gegen die Beurteilung in dem Gutachten Prof. Dr.
AAP./Dr. V. kann es nicht als deutlich fehlerhaft bewertet werden, dass die Beklagte diesem Gutachten vom 8. Februar 1999
nicht folgte und mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1999 den die Anerkennung einer BK ablehnenden Bescheid vom 15. Mai 1998
bestätigte. Ob diese Entscheidung und die ihr zugrundeliegende medizinisch begründete Kausalitätsbeurteilung letztlich richtig
war, ist in einem Jahre danach anhängigen Erstattungsstreitverfahren nicht im Einzelnen zu klären. Es kommt hinzu, dass der
seinerzeit anwaltlich vertretene Versicherte die Nichtanerkennung einer BK seitens der Beklagten akzeptiert hatte, indem er
den Widerspruchsbescheid nicht mit einer Klage anging.
Es war somit zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO, da die Berufung am 16. Dezember 2008 und damit nach in Kraft treten des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
(6. SGGÄndG zum 02. Januar 2002 bzw. nach in Kraft treten des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG zum 01.
Juli 2004) eingelegt worden ist.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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