LSG Hessen, Urteil vom 25.02.2010 - 8 KR 49/08
Vorinstanzen: SG Darmstadt 21.11.2007 S 10 KR 263/06
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin seit 01.07.2000 gesamtsozialversicherungspflichtig in den von ihrem
Ehemann geführten Tankstellenbetrieben tätig ist.
Die seit August 1990 bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Klägerin hat eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau
absolviert und war zunächst als angestellte Kauffrau sowie nach einer Umschulung zur Bürokauffrau als kaufmännische Angestellte
tätig gewesen. Sie ist mit dem Beigeladenen zu 1. verheiratet. Zwischen diesem und der X. AG kam am 28.06.2000 ein schriftlicher
Tankstellenverwaltungsvertrag zustande, demzufolge der Beigeladene zu 1. die Verwaltung der X-Tankstelle in der L Straße,
U Stadt, zum 30.06.2000 übernahm. In dem Tankstellenverwaltungsvertrag heißt es, eine Übertragung der Verwaltung oder der
dem Partner obliegenden Leistungen und Verpflichtungen durch Partnerauftritte sei ausgeschlossen. Im Gewerberegister der Stadt
U. ist der Beigeladene zu 1. mit der Betriebsstätte L-Straße, U-Stadt, und der Tätigkeit Betrieb einer Tankstelle mit Waschanlage
sowie Verkaufs-/Back-Shop, Kundendienst seit 30.06.2000 als Einzelgewerbetreibender angemeldet. Die Klägerin, die im gesetzlichen
Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit ihrem Ehemann steht, wurde von diesem der Beklagten als Beitragseinzugsstelle nach
der Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung als abhängig Beschäftigte gemeldet. Im Rahmen der von der Beklagten hierauf
durchgeführten Prüfung der Versicherungspflicht bei Beschäftigung eines Ehegatten erklärten sowohl die Klägerin als auch ihr
Ehemann, die Klägerin übe die Tätigkeiten Kassieren, Warenbestellung, Buchhaltung sowie Rechnungsprüfung aus. Sie sei nicht
am Betrieb ihres Ehemannes beteiligt. Das monatliche Arbeitsentgelt betrage brutto 2.400,00 DM und werde regelmäßig gezahlt
durch Überweisung auf ein privates Bankkonto der Klägerin. Es bestehe eine feste Arbeitszeit von 6 Stunden täglich bei 30
Stunden wöchentlich. Das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht und vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet
(Angaben vom November 2000). Ein schriftlicher Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden. Hierauf hatte die Beklagte mit
bindend gewordenem schriftlichen Bescheid vom 14.11.2000 der Klägerin mitgeteilt, nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen
habe sich ergeben, dass sie seit dem 01.07.2000 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Dementsprechend
wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge von der von dem Beigeladenen zu 1. betriebenen Einzelhandelsfirma für die Klägerin
an die Beklagte als Beitragseinzugsstelle abgeführt, zuletzt aus einem monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 1.230,00 Euro,
das auf ein privates, auf den Namen der Klägerin lautendes Konto überwiesen wurde. Von diesem Arbeitsentgelt wurde auch von
der Firma des Ehemanns Lohnsteuer abgeführt und das gezahlte Arbeitsentgelt wurde als Betriebsausgabe gebucht und steuerlich
geltend gemacht. Zum 01.10.2002 hatte der Ehemann der Klägerin den Betrieb einer weiteren Tankstelle mit Waschanlage sowie
Verkauf und Kundendienst in Y-Stadt, Y-Straße übernommen (Auskunft aus der Gewerbekartei der Stadt M. vom 03.02.2006). Laut
Angaben der Klägerin ist ihr Mann überwiegend in der Tankstelle in U-Stadt tätig, sie hingegen in dem Betrieb in M-Stadt.
Am 26. Januar 2006 ging bei der Beklagten ein mit dem Datum vom 30.11.2005 versehener Antrag der Klägerin auf sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung ihrer Tätigkeit vom 30.06.2000 bis heute ein. Darin wurde angegeben, sie, die Klägerin, sei seit 30.06.2000 zuständig
und verantwortlich für den kaufmännischen Bereich sowie die Einstellung und Einarbeitung von Personal für die beiden Tankstellen.
Ihre Tätigkeit sei weisungsfrei und sie sei nicht in Bezug auf Ort, Art und Zeit der Ausübung ihrer Tätigkeit gebunden. Entscheidungen
würden gemeinsam und in gleichberechtigter Stellung zu ihrem Ehemann getroffen. Die Klägerin legte den Tankstellenverwaltungsvertrag
zwischen der X. AG und ihrem Ehemann vom 28.06.2000 sowie einen Kreditvertrag mit der Sparkasse G-Stadt vom 29.03.2001 über
eine Kreditsumme in Höhe von 24.658,00 DM vor. Weiter gab sie an, sie bürge für ihren Ehemann in Höhe von 78.000,00 Euro.
In einer gleichfalls vorgelegten "Bestätigung" des Ehemanns vom 21.10.2005 heißt es, seine Ehefrau habe in seine Firma X.
Service Station seit Beginn ihrer Tätigkeit am 30.06.2000 die gleiche Verantwortung getragen wie er. Seit dieser Zeit habe
eine mündliche Handlungsvollmacht bestanden, welche in der Praxis definitiv ausgeübt wurde. Sinn und Zweck dieser Handlungsvollmacht
sei gewesen, dass die Klägerin in bestimmten Situationen alleine entscheiden konnte. In der Regel seien jedoch alle Entscheidungen
in enger Zusammenarbeit gemeinsam getroffen worden. In dem von der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinsam ausgefüllten "Feststellungsbogen
zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (Ehegatten, Lebenspartner)"
erklärten die Eheleute, die Tätigkeit der Klägerin werde nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt.
Die Klägerin sei zuständig für den kaufmännischen Bereich sowie die Einstellung und Einarbeitung von Personal und habe eine
gleichberechtigte Stellung in Bezug auf ihren Ehemann. Die Klägerin als mitarbeitende Angehörige sei in den Betrieb eingegliedert,
wobei sie ihre Tätigkeit auch tatsächlich ausübe. Ohne ihre Mitarbeit hätte eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen.
Jedoch sei sie an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nicht gebunden und das Weisungsrecht werde
auch tatsächlich nicht ausgeübt. Die Klägerin wirke bei der Führung des Betriebes - z. B. aufgrund besonderer Fachkenntnisse
- mit und könne ihre Arbeit frei bestimmen und gestalten. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein
gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Weiter sind folgende Angaben gemacht worden: Es bestehe ein
Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen sowie eine gesetzliche Kündigungsfrist, die allerdings in der Praxis nach betrieblichen
Erfordernissen gehandhabt werde. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt
entspreche nicht dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Gehalt. Es werde den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Firma angepasst
und sei zur Zeit geringfügig. Das Arbeitsentgelt werde regelmäßig auf ein privates Bankkonto der Klägerin überwiesen. Von
dem Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und dieses werde als Betriebsausgabe gebucht. Weiter legten die Klägerin und
ihr Ehemann eine auf die "PG. mbH", B-Straße, B-Stadt, lautende Vollmacht zur Vertretung und Rechtewahrnehmung vor.
Die Beklagte holte die Auskünfte aus dem Gewerberegister der Stadt U. und der Stadt M. ein und übermittelte der PG. mbH eine
Kopie ihres Bescheides vom 14.11.2000. Hierauf meldete sich für die Klägerin Herr Rechtsanwalt N., N-Stadt, mit Schriftsatz
vom 03.04.2006 und beantragte, den Bescheid vom 14.11.2000 gemäß §§ 44, 45 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) zurückzunehmen/zu widerrufen und festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit im ehelichen Betrieb seit dem
30. Juni 2000 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Mit Bescheid
vom 04.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2006 hielt die Beklagte an ihrer bereits im Bescheid vom 14.11.2000
getroffenen Entscheidung fest, dass die Klägerin abhängig beschäftigt und nicht selbständig tätig sei. Die Überprüfung des
Bescheides vom 14.11.2000 habe ergeben, dass die Klägerin nach wie vor in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
stehe. Da die Klägerin nicht Mitinhaberin des Betriebes ihres Ehemannes sei, liege weder eine Mitunternehmerschaft vor noch
werde ein Unternehmerrisiko getragen. Eine familienhafte Mithilfe scheide aus, weil die Klägerin ein ortsübliches Gehalt beziehe
und damit ein wesentliches Kriterium der Arbeitnehmereigenschaft erfülle. Ihr Ehemann habe stets die erforderlichen Meldungen
nach der DEÜV erstellt, die die Klägerin als abhängig Beschäftigte auswiesen. Vom Arbeitsentgelt seien Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge
entrichtet und als Betriebsausgabe gebucht worden. Der im Jahre 2000 durchgeführten versicherungsrechtlichen Beurteilung werde
ein höheres Gewicht beigemessen als der nunmehr vorgetragenen Schilderung von angeblich abweichenden Verhältnissen. Die Übernahme
von Bürgschaften und die Stellung von Sicherheiten könnten für sich allein keine selbständige Tätigkeit rechtfertigen. Im
Übrigen sei lediglich eine Kreditverpflichtung nachgewiesen, die keinen Zusammenhang zu dem Unternehmen des Ehemannes erkennen
lasse. Der Vortrag, dass die Klägerin eigenverantwortlich handele und ihr keine Weisungen erteilt würden, weil der Betriebsinhaber
ihr bei ihrer Berufsausübung im Wesentlichen freie Hand lasse, sei unerheblich. Die Abhängigkeit unter Familienangehörigen
sei im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt als in Betrieben außerhalb eines Familienverbundes. Ohne die Beschäftigung der
Klägerin müsste zur Bewältigung der anfallenden Arbeiten eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten am 04.09.2006 Klage zum Sozialgericht Darmstadt mit dem Klageziel,
festzustellen, dass ihre Tätigkeit für die Firma X. Service Station, deren Inhaber der Beigeladenen zu 1. ist, seit dem 01.07.2000
nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Das Sozialgericht hörte in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2007 die Klägerin
persönlich und ihren Ehemann, den Beigeladenen zu 1., informatorisch an. Die Klägerin gab an, ihr Ehemann und sie hätten gemeinsam
gegenüber der Firma X. eine Bürgschaft leisten müssen, die durch Hinterlegung eines Sparbriefes erbracht worden sei. Weiter
seien insgesamt 30.000 DM bis 35.000 DM aus privaten Mitteln für die Erstausstattung mit Shopware und Einrichtungsgegenständen
für die Tankstelle aufgebracht worden. Im Jahre 2002 seien nochmals etwa 10.000 Euro aus privatem gemeinsamen Vermögen zur
Warenbeschaffung eingesetzt worden. Der abgeschlossene Allzweckkredit sei ebenfalls für den Wareneinkauf des Shops verwendet
worden. Der Beigeladene zu 1. hat angegeben, auch nach der zusätzlichen Übernahme der Tankstelle in Y-Stadt sei seine Ehefrau
weiterhin als abhängig Beschäftigte geführt, ihr Lohn als Betriebsausgabe gebucht und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet
worden. Dies werde bis heute so gehandhabt. Seine Frau und er entschieden gemeinsam über die Verwendung der Gewinne aus dem
Tankstellenbetrieb. In einer Ehe werde so etwas gemeinsam entschieden.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 21.11.2007 ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe in dem angefochtenen
Bescheid vom 4. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 rechtsfehlerfrei eine Aufhebung des früheren
Bescheides vom 14.11.2000 abgelehnt, weil die Klägerin tatsächlich (weiterhin) im Tankstellenbetrieb ihres Ehemannes in einem
abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Nach § 44 SGB X dürfe ein Bescheid, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit
sich im Einzelfall ergäbe, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. In dem Bescheid vom 14.11.2000 sei festgestellt worden, dass die Klägerin hinsichtlich
ihrer Tätigkeit in dem Tankstellenbetrieb ihres Ehemannes von Anfang an (01.07.2000) als abhängig Beschäftigte gelte und damit
beitragspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung sei. Diesen Feststellungen hätten, da schon damals kein schriftlicher
Arbeitsvertrag existierte, im Wesentlichen die Angaben der Klägerin und ihres Ehemanns als Betriebsinhaber vom November 2000
zugrunde gelegen, wonach die Tankstelle nicht gemeinsames Eigentum der Eheleute sei, die Klägerin für ihre Tätigkeit mit Kassieren,
Warenbestellung, Buchhaltung und Rechnungsprüfung anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt werde und dafür ein monatliches
Bruttoeinkommen (damals 2.400,00 DM) erhalte, welches auf ein privates Bankkonto der Klägerin überwiesen werde, für das Lohnsteuer
entrichtet und das auch als Betriebsausgabe gebucht werde. Der Bescheid vom 14.11.2000 erweise sich auch nach Prüfung durch
das Sozialgericht nicht als rechtswidrig. Es sei weder von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erwiesen
hätte, noch sei das Recht unrichtig angewandt worden. Die Klägerin sei - weiterhin - als abhängig Beschäftigte versicherungspflichtig
tätig. Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung sei § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ( SGB IV). Darin werde die für das Beitragsrecht maßgebliche Beschäftigung definiert als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in
einem Arbeitsverhältnis. Sowohl im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wie auch bei der Bewertung im Rahmen der Arbeitslosenversicherung
und der Rentenversicherung unterlägen daher Arbeiter und Angestellte, die gegen ein Arbeitsentgelt beschäftigt seien - jedenfalls
soweit sie nicht oberhalb der jeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenze lägen - der Versicherungspflicht (§ 24 Abs. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und § 1 Abs. 2 SGB XI). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung setze voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei.
Eine Beschäftigung in einem fremden Betrieb liege demnach vor, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und
dabei einem hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege.
Demgegenüber sei eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen
frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (Hinweis auf BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R m.w.N.). Zu den typischen Merkmalen unternehmerischen Handelns gehörten unter anderem, dass Leistungen im eigenen Namen und
für eigene Rechnung statt im Rahmen und auf Rechnung eines Auftraggebers erbracht würden. Maßgebend für die Beurteilung sei
stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Regelungen. Wichen die
vertraglichen Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, gäben Letztere den Ausschlag. Unter Berücksichtigung
dieser Grundsätze stelle sich die Beschäftigung der Klägerin bei dem Beigeladenen zu 1., ihrem Ehemann, als abhängige Beschäftigung
im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses dar. Die Klägerin war und sei noch in den Tankstellenbetrieb
ihres Ehemannes eingegliedert, leiste abhängige Arbeit, die über das Maß einer bloßen Familienhilfe hinausgehe und trage so
gut wie kein Unternehmerrisiko. Ausweislich des zwischen dem beigeladenen Ehemann der Klägerin und der Firma X. AG im Juni
2000 abgeschlossenen Tankstellenverwaltungsvertrages habe ausschließlich der Ehemann der Klägerin als selbständiger Gewerbebetreiber
die in diesem Vertrag formulierten Verpflichtungen übernommen. Die Klägerin habe danach weder Rechte noch Pflichten in Bezug
auf die X. AG und sei insbesondere nicht Mitunternehmerin des Tankstellenbetriebs geworden. Ihrem Ehemann sei es laut dem
Vertrag ausdrücklich untersagt, die Verwaltung oder die ihm obliegenden Leistungen und Verpflichtungen auf Dritte zu übertragen.
Dafür, dass die Klägerin keinerlei Miteigentum an dem von ihrem Ehemann betriebenen Gewerbe (Handelsvertretung) habe, spreche
auch die Auskunft des Gewerberegisters der Stadt U., wonach ausschließlich ihr Ehemann im Handelsregister eingetragen sei,
die Klägerin hingegen nicht als Gewerbetreibende gemeldet sei.
Auch die, allerdings nicht schriftlich festgelegten, Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann ließen sich nur
als abhängiges Beschäftigungsverhältnis werten. Beide hätten in ihrer Erklärung vom November 2000 angegeben, dass die Klägerin
eine feste Arbeitszeit von täglich 6 Stunden wöchentlich zu erfüllen habe, wofür sie ein regelmäßiges auf ein ihr allein gehörendes
Privatkonto zu zahlendes Arbeitseinkommen erhalte. Dies sei von der Klägerin und ihrem Ehemann auch in dem ausgefüllten Feststellungsbogen
zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 30.11.2005 gegenüber der
Beklagten nochmals bestätigt worden. Nach den gemachten Angaben werde ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von nunmehr 1.230,00
Euro gezahlt. Bestätigt würden diese Angaben auch durch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.06.2007 vorgelegten Abrechnungen
der Brutto-Netto-Bezüge, welche im Zeitraum Dezember 2003 bis Dezember 2006 bezahlt wurden. Dabei falle auf, dass neben dem
vereinbarten Gehalt auch regelmäßig ein Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 225,50 Euro gezahlt wurde, wobei hierauf durchgängig
Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Zwar werde nunmehr - entgegen den Darlegungen vom November
2000 - geltend gemacht, die Klägerin sei an Weisungen nicht gebunden, könne ihre Tätigkeit vielmehr frei bestimmen und gestalten
und wirke bei der Führung des Betriebes mit. Andererseits werde aber ausgeführt, die Klägerin habe einen Urlaubsanspruch von
30 Tagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist und einen Lohnfortzahlungsanspruch im Falle einer Arbeitsunfähigkeit. Diese für
ein Arbeitnehmerverhältnis typischen Regelungen würden auch dadurch bestätigt, dass der Lohn als Betriebsausgabe steuerrechtlich
geltend gemacht worden sei und weiterhin werde.
Soweit die Klägerin geltend mache, sie trage ein Unternehmerrisiko, weil sie zusammen mit ihrem Ehemann gegenüber der X. GmbH
eine Bürgschaft über 78.000,00 Euro eingegangen sei und darüber hinaus noch einen Privatkredit über 25.000,00 DM abgeschlossen
habe, mit dem Waren für den Tankstellenbetrieb eingekauft worden seien, greife dies nicht. Diese Verpflichtungen gingen nicht
über eine übliche Kreditabsicherung hinaus, welche eine Ehefrau eines Firmeninhabers leiste. Auch umfasse der mit der Sparkasse
G-Stadt am 29.01.2001 abgeschlossene Kreditvertrag einen "Allzweck-Kredit", der zugunsten der Eheleute laufe, also zur freien
Verfügung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. stehe. Dass sich die Klägerin wie auch deren Ehemann dabei verpflichten
mussten, ihre Bezüge zur Sicherung des Kredites abzutreten, sei ein bei Kreditvergaben normaler Vorgang, der keinesfalls für
die Annahme eines eigenen Unternehmerrisikos spreche. Gleiches gelte auch für die von der Klägerin geltend gemachte Bürgschaft
über 78.000,00 Euro, welche nach den Darlegungen der Ehegatten in der mündlichen Verhandlung durch Hinterlegung eins Sparbuches,
das die Eheleute gemeinsam angespart hatten, erfolgt sei. Dabei sei auch ungeklärt, welcher Anteil davon von dem einen oder
anderen Ehegatten geleistet wurde. Auch aus dem Vortrag, dass die Eheleute im Jahr 2002 nochmals etwa 10.000,00 Euro aus privatem
gemeinsamen Vermögen zur Warenbeschaffung eingesetzt hätten, ließen sich keine Rückschlüsse auf ein echtes Unternehmerrisiko
der Klägerin ziehen. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Geld zumindest überwiegend aus den Gewinnen der Tankstelle
selbst stamme, da kaum vorstellbar sei, dass die Klägerin mit einem Monatseinkommen von 1.230,00 Euro große Rücklagen bilden
konnte. Schließlich könne aus dem Umstand, dass über die Gewinne der Tankstelle gemeinsam beraten und beschlossen werde, im
hiesigen Zusammenhang Nichts abgeleitet werden. Der Ehemann der Klägerin habe im Termin zur mündlichen Verhandlung überzeugend
dargelegt, dass in einer Ehe so etwas gemeinsam entschieden werde.
Die vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles ergäbe, dass trotz der zwischen Ehegatten sicherlich geringer
ausgeprägten Weisungsgebundenheit davon auszugehen sei, dass die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu
dem von ihrem Ehemann betriebenen Tankstellenbetrieb stehe. Dafür spreche auch, dass trotz Übernahme einer zweiten Tankstelle
in M-Stadt im Jahre 2003 die Klägerin ebenfalls nicht in den diesbezüglichen Tankstellen-Verwaltungsvertrag mit der Firma
X. AG einbezogen worden sei. Die Klägerin sei somit sowohl für die Vergangenheit wie gegenwärtig als abhängig Beschäftigte
und damit sozialversicherungspflichtige Mitarbeiterin anzusehen.
Gegen das ihr am 18.01.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.02.2008 Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vor,
bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung sei auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Hierbei ergäbe sich für einen
objektiven Betrachter das Bild einer unternehmerischen Partnerschaft der Eheleute. Die Klägerin sei an sämtlichen maßgeblichen
unternehmerischen Entscheidungen in demselben Maße beteiligt wie ihr Ehemann. Sie habe mit ihrem finanziellen Einsatz die
Existenz des gesamten Betriebes erst ermöglicht. Die erfolgte Anmeldung und Beibehaltung zur Sozialversicherungspflicht sei
sachunangemessen gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gäben die tatsächlichen Verhältnisse den
Ausschlag, wenn diese der gewählten rechtlichen Ausgestaltung widersprächen. Die von der Beklagten angeführten landessozialgerichtlichen
Entscheidungen und das BSG-Urteil vom 08.12.1999 (B 12 KR 25/98 R) seien hier nicht einschlägig. Eine rückwirkende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe der Gesetzgeber zugelassen,
wie sich schon aus der Norm des § 45 SGB X ergebe. Im Berufungsverfahren hat der bisherige Prozessbevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt N., das Mandat niedergelegt
und die weitere Vertretung der Klägerin ist von der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH., N-Stadt übernommen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 14. November 2000
nach § 44 SGB X zu widerrufen sowie festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Firma X. Service Station, Inhaber A.,
seit dem 1. Juli 2000 nicht der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie trägt ergänzend vor, die jetzt abweichende
Darstellung der Klägerin im Vergleich zu ihren Angaben im Rahmen der bereits im Jahr 2000 erfolgten versicherungsrechtlichen
Prüfung seien auf einen Motivwechsel zurückzuführen. Hätten die Klägerin und ihr Ehemann von Anfang an eine unternehmerische
Partnerschaft eingehen wollen, hätten sie dies der Kasse bereits bei der Beurteilung im Jahre 2000 mitgeteilt. Die Klägerin
sei aufgrund der vertraglichen Vereinbarung ihres Ehemanns mit der X. AG zu keinem Zeitpunkt berechtigt, ihre Interessen im
Unternehmen durchzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R) seien die tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen eines Vertragsverhältnisses über die Leistung einer Tätigkeit nur insoweit
maßgeblich, wie die praktizierte Beziehung im Rahmen des rechtlich Zulässigen liege. Weiter verweist die Beklagte auf in ihrem
Sinne ergangene Entscheidungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.03.2007 (L 11 KR 4972/06) und 17.04.2007 (L 11 R 5748/06) sowie die Urteile des Bayrischen Landessozialgerichts vom 14.12.2006 (L 4 KR 3/04) und vom 07.08.2008 (L 4 KR 85/07).
Die Beigeladenen zu 1. bis 4. haben sich am Verfahren nicht beteiligt und keine Anträge gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte,
die zur Klägerin geführte Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 3. sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes ( SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und auch zulässig. Der Senat erachtet die letztlich
auf eine Feststellung zielende Klage gemäß § 55 SGG als zulässig, ohne dass zu entscheiden war, ob und für welche Zeit in der Vergangenheit eine Beitragserstattung in Betracht
kommen könnte. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid
der Beklagten vom 04.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin seit dem 01.7.2000 mit ihrer im Betrieb
des Beigeladenen zu 1. ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt.
Nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Beklagte ist hier die nach § 28 i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle, weil diese bei der Klägerin die Krankenversicherung durchführt. Wie das Sozialgericht zutreffend
ausgeführt hat, ist hier davon auszugehen, dass die Beklagte bereits mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 14.11.2000
kurze Zeit nach der Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin bei ihrem Ehemann und der Meldung deren Tätigkeit als abhängige Beschäftigung
gegenüber der Beklagten nach durchgeführter Prüfung eine Entscheidung über die Versicherungspflicht der Beschäftigung der
Klägerin getroffen hatte. Insoweit bedurfte es einer Korrektur dieses Bescheides, um die begehrte Feststellung zu treffen,
dass die Klägerin von Anfang an mit ihrer Tätigkeit in dem Tankstellenbetrieb ihres Ehemannes nicht der Versicherungspflicht
zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Um eine Aufhebung der in dem Ausgangsbescheid vom
14. November 2000 getroffenen Feststellung zu erlangen, müssen entweder die Voraussetzungen des § 44 SGB X oder die des § 48 SGB X vorliegen. Beides ist nicht der Fall, wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat. Eine nach § 44 SGB X eröffnete Bescheidkorrektur, die vom Gesetz als Rücknahme des Verwaltungsaktes bezeichnet wird, setzt eine anfängliche Rechtswidrigkeit
des zu beseitigenden Verwaltungsaktes voraus, mithin, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt
oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Dagegen soll § 48 SGB X die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die wegen einer nach Erlass des Ausgangsbescheides eintretenden Änderung
der Sach- und Rechtslage in Widerspruch zur Rechtslage getreten sind. Dabei erfasst § 44 Abs. 1 SGB X auch Verwaltungsakte, die sich ihrem Gegenstand nach auf eine Beitragserhebung beziehen. Dies ist auch gegeben, wenn durch
den Verwaltungsakt eine Beitragszahlungspflicht verpflichtend oder feststellend geregelt worden ist. Letzteres trifft für
den Ausgangsbescheid vom 14.11.2000 zu. Zu prüfen ist daher zunächst, ob der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 14.11.2000
im Widerspruch zur materiellen Rechtslage stand, wobei maßgebend für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des zur Korrektur
anstehenden Verwaltungsaktes die Verhältnisse im Zeitpunkt seines Erlasses sind. Hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben gilt
dabei Folgendes:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in
der Arbeitslosenversicherung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz bis 31.12.1997 und ab 1.1.1998 § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV bzw. seit 1.1.1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (eingefügt erst mit Wirkung vom 1.1.1999 durch Art. 1 Nr. 1 Buchst a, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl I 2000 S. 2) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte
in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des
Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das
Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen
frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt
davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den
tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung
zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. Urteile des BSG vom 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8, vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3 2400 § 7 Nr. 20, vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5, vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45 und vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich
Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie
es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine
in Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebende Schlussfolgerung
auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung
rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 4; SozR 3-4100, § 168 Nr. 18). In diesem
Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Dabei ist die
praktizierte Beziehung aber nur insoweit maßgeblich, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu: BSG, SozR 4-2400, § 7 Nr.
7).
Die Frage, ob zwischen Angehörigen eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vorliegt oder ggf. eine nichtversicherungspflichtige
Mitarbeit auf familienrechtlicher Basis (familienhafte Mithilfe) erfolgt - beurteilt sich nach den gleichen Grundsätzen, wie
sie allgemein für die Beurteilung der Versicherungspflicht maßgebend sind. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis zwischen
Angehörigen kann nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen angenommen werden, wenn der Angehörige in den Betrieb
des Arbeitgebers wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert ist und die Beschäftigung tatsächlich ausübt, der Angehörige dem
Weisungsrecht des Arbeitgebers - wenn auch in abgeschwächter Form - unterliegt, der Angehörige anstelle einer fremden Arbeitskraft
beschäftigt wird, ein der Arbeitsleistung angemessenes (d. h. im Regelfall ein tarifliches oder ortsübliches) Arbeitsentgelt
vereinbart ist und auch regelmäßig gezahlt wird, von dem Arbeitsentgelt regelmäßig Lohnsteuer entrichtet wird und das Arbeitsentgelt
als Betriebsausgabe gebucht wird. Beim Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung eines Familienangehörigen ist in
der Regel von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Familienangehöriger, obwohl
er nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt ist - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein
Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1987 - B 7 RAr 25/86). Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und
dem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen
Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten
hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgeltes lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche
oder eine erheblich übertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt
(vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2002 - B 11 AL 34/02 R). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen ist, ob das
gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt
wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist
es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt
angewiesen ist. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht es grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit
in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist als zwischen nicht verwandten Personen und deshalb das Weisungsrecht
möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSGE 34, 207, 210; BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 1; SozR 3-4100, § 168 Nr. 11).
Nach diesen Grundsätzen, die auch der Senat seiner Beurteilung zugrunde legt, kann nicht bezweifelt werden, dass die von der
Beklagten in ihrem Ausgangsbescheid vom 14.11.2000 getroffene Feststellung, die Klägerin stehe seit dem 01.07.2000 in einem
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu der Firma ihres Ehemannes, rechtlich zutreffend war. Die Klägerin und
ihr Ehemann hatten im Rahmen der seinerzeit angestellten Prüfung, ob die Anmeldung der Klägerin als Beschäftigte ihres Ehemannes
"reell" ist, angegeben, die Klägerin habe eine feste Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich und beziehe ein regelmäßiges monatliches
Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 2.400,00 DM, das auf ein der Klägerin gehörendes Privatkonto gezahlt werde. Weiter war angegeben
worden, das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht und vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet. Die von der
Klägerin seinerzeit ausgeübte Tätigkeit wurde mit Kassieren, Warenbestellung, Buchhaltung sowie Rechnungsprüfung angegeben.
Dass diese Angaben seinerzeit völlig unzutreffend waren, wird auch von der Klägerin und ihrem Ehemann nicht geltend gemacht.
Dagegen spricht auch, dass seinerzeit und auch in der Folgezeit entsprechend den gemachten Angaben verfahren wurde, insbesondere
durchgängig Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge von dem der Klägerin gezahlten Entgelt abgeführt wurden. Bei dieser
Sachlage musste die Beklagte an der in dem Bescheid vom 14.11.2000 getroffenen Feststellung festhalten, da die Voraussetzungen
für eine Rücknahme nach § 44 SGB X nicht vorliegen.
Die Beklagte und das Sozialgericht haben auch zutreffend entschieden, dass die Klägerin auch in der nach dem Ergehen des Bescheides
vom 14.11.2000 liegenden Zeit weiterhin als abhängig Beschäftigte versicherungspflichtig tätig ist. Eine wesentliche Änderung
in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, welche beim Erlass des Verwaltungsaktes vom 14.11.2000 mit Dauerwirkung
vorgelegen haben, ist in der Folgezeit nicht eingetreten. Dementsprechend kann die Klägerin auch nicht nach § 48 SGB X eine Aufhebung der in dem Ausgangsbescheid getroffenen Feststellung verlangen. Die Tätigkeit der Klägerin wurde und wird
auch nach dem 14.11.2000 wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgewickelt. Nach den von der Klägerin und ihrem Ehemann
in dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen
unter dem Datum vom 30.11.2005 gegenüber der Beklagten gemachten Angaben wird ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von nunmehr
1.230,30 Euro gezahlt, und zwar weiterhin auf ein auf die Klägerin lautendes Privatkonto. Von diesem als Arbeitsentgelt deklarierten
Betrag wurden ausweislich der vorgelegten Abrechnungen für den Zeitraum Dezember 2003 bis Dezember 2006 durchgängig Lohnsteuer
und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Zusätzlich wurde regelmäßig ein Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 225,50 Euro gezahlt.
Weiter ist auf dem Feststellungsbogen angegeben worden, dass die Klägerin einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen mit gesetzlicher
Kündigungsfrist und zudem einen Lohnfortzahlungsanspruch im Falle der Arbeitsunfähigkeit habe. Hieraus haben die Beklagte
und das Sozialgericht zutreffend abgeleitet, dass die - ohne schriftlichen Arbeitsvertrag - praktizierte Verfahrensweise typisch
für ein Beschäftigungsverhältnis und damit für eine abhängige Beschäftigung sei. Dafür spricht auch, dass die vorgelegten
Gehaltsabrechnungen keine Bestandteile enthalten, die auch nur ansatzweise auf eine Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung schließen
lassen. Weiter wurde das gezahlte Entgelt als betriebsbedingter Aufwand im Rahmen der Firma des Ehemannes der Klägerin erfasst.
Gerade die Verbuchung der Vergütung an Ehegatten als Betriebsausgaben und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer
ist ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Lohnsteuerpflicht und Beitragspflicht in der Sozialversicherung beruhen
auf dem gleichen Rechtsbegriff des "entgeltlichen" Beschäftigungsverhältnisses. Wesentlich für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses
ist deshalb die Art der Verbuchung und Versteuerung der Bezüge der Verwandten. Werden die Bezüge nicht als Privatentnahmen,
sondern als Betriebsausgaben verbucht und lohnversteuert, so haben die Beteiligten damit für den Bereich des Steuerrechts
eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beziehungen auf die Grundlage eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses
gestellt haben. Wird steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, so wird regelmäßig auch für den Bereich der
Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden können (vgl. BSG, Urteil
vom 21.04.1993 - B 11 RAr 67/92 - USK 9335).
Ist nach den äußeren Erscheinungsformen von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, so lässt sich
dies auch nicht mehr durch Aussagen der Beteiligten über das angebliche Fehlen der Weisungsgebundenheit des mitarbeitenden
Angehörigen ausräumen. Weisungsgebundenheit kann bei Beschäftigungen von Verwandten naturgemäß in sehr abgeschwächter Form
auftreten und ist wegen der Undurchsichtigkeit der familiären Beziehungen ohnehin kaum messbar.
Schließlich ist die Klägerin, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, auch nicht am Unternehmensrisiko der Einzelfirma
ihres Ehemannes beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft
auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss
ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. 05. 2008 - B 12 KR 13/07 R). Die Klägerin ist nicht rechtsförmlich am Unternehmen ihres Ehemannes beteiligt. Es kommt hinzu, dass die Klägerin weder
in den im Jahre 2000 mit der Firma X. AG abgeschlossenen Tankstellen-Verwaltungsvertrag noch im Rahmen der Übernahme einer
zweiten Tankstelle in M-Stadt durch den Beigeladenen zu 1. im Jahre 2003 in die Rechtsbeziehungen mit der Firma X. einbezogen
wurde. Weiter gilt, wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat, dass es dem Ehemann der Klägerin laut dem Tankstellen-Verwaltungsvertrag
ausdrücklich untersagt ist, die Verwaltung oder die ihm obliegenden Leistungen und Verpflichtungen auf Dritte zu übertragen.
Auch nach den von der Beklagten eingeholten Auskünften aus dem Gewerberegister der Stadt U. und der Stadt M. ist lediglich
der Ehemann der Klägerin dort als Gewerbetreibender gemeldet. Auch reicht allein die Gewährung eines Darlehens bzw. die Übernahme
einer Bürgschaft unter Eheleuten nicht aus, um eine nach außen hin durchweg als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
dokumentierte Tätigkeit eines Ehegatten im Betriebe des anderen Ehegatten als unternehmerische Tätigkeit einzustufen. Durch
die Gewährung eines Darlehens bzw. die Übernahme einer Bürgschaft enthält der Darlehensgeber keine Befugnisse, die Geschicke
des Betriebes zu beeinflussen. Hieraus entsteht auch kein Betriebsrisiko, denn die Tragung dieser Risiken findet ihre Rechtfertigung
in den zugrundeliegenden ehelichen Beziehungen. Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen
Erfolg des Unternehmens eines der Ehegatten. Zudem werden selbstschuldnerische Bürgschaften üblicherweise von Kreditinstituten
bei der Kreditgewährung an verheiratete Schuldner verlangt. In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht auch zutreffend ausgeführt,
dass der mit der Sparkasse G-Stadt am 29.01.2001 abgeschlossene Kreditvertrag einen "Allzweck-Kredit" betreffe, der zugunsten
der Klägerin und ihres Ehemannes laufe, also zur freien Verfügung beider stehe. Auch hat die Vorinstanz zutreffend aus dem
Umstand, dass nach Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes über die Gewinne der Tankstelle gemeinsam beraten und beschlossen
wird, keine Schlussfolgerungen hergeleitet, die gegen die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprächen. In
bestehenden Ehen ist es üblich, Entscheidungen in wichtigen finanziellen Angelegenheiten gemeinsam zu treffen. Dies hat der
Beigeladene zu 1. letztlich auch so zum Ausdruck gebracht.
Zusammenfassend überwiegen somit die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen bei Weitem. Auch der Senat
ist, wie das Bayrische Landessozialgericht in seinen Urteilen vom 11.12.2008 (L 4 KR 97/08 und L 4 KR 55/07) der Auffassung, dass nur in extremen Fällen rückwirkend in ein jahrelang von den Beteiligten gewolltes und gelebtes Sozialversicherungsverhältnis
eingegriffen werden kann und dieses rückabgewickelt werden kann. Solche Extremfälle wären gegeben im Falle der Praktizierung
eines Sozialversicherungsverhältnisses trotz offensichtlicher schwerwiegender Fehler, Umgereimtheiten oder im Falle der Erschleichung
eines Versicherungsschutzes. Danach müssen klare Beweise vorliegen, um ein Sozialversicherungsverhältnis bei der Beschäftigung
unter Angehörigen rückabzuwickeln. Dies gilt vor allem dann, wenn die Beschäftigung von allen Beteiligten gebilligt und diese
auch steuerlich und in sonstiger Weise als Arbeitsverhältnis behandelt wurde. Der Eintritt eines "Sinneswandels", weil nunmehr
für in der Vergangenheit liegende Zeiten die familienhafte Mithilfe oder eine Mitunternehmerschaft mit der Folge der Beitragserstattung
attraktiver zu sein scheint, vermag eine Rückabwicklung nicht zu rechtfertigen. Auch der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen
indem er § 26 Abs. 1 SGB IV einen neuen Satz 3 anfügte (geschehen durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 19.12.2007, BGBl. I, 2007, 3024) und damit generell die Rückerstattung zu Unrecht entrichteter Rentenversicherungsbeiträge einschränkte. Die Neuregelung
besagt, dass zu Unrecht entrichtete Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung nach Ablauf der Verjährungsfrist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten. Diese bleiben damit erhalten, können jedoch nicht erstattet werden (vgl.
Juris PK SGB IV, § 7 Rdziff. 162.1, Stand 12.10.2009). Die Neuregelung gilt ab dem 01.01.2008.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund des Unterliegens der Klägerin sind dieser keine Kosten zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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