Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Weitergewährung von tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nunmehr ihrer
Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Antragsgegners vom 17. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23. August 2018.
Die Antragstellerin stellte erstmalig am 27. Juli 2017 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
bei dem Antragsgegner. In ihrem Antrag gab sie an, sie sei gesundheitlich nicht in der Lage, eine Tätigkeit von mindestens
drei Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin bewohnt eine 70 qm große Wohnung, wobei sich die Gesamtmiete auf 497,26 € belief
und sich wie folgt zusammensetzte: Grundmiete von 342,26 €, Nebenkosten von 85,39 € sowie Heizkosten von 88,- €. Mit Bescheid
vom 3. August 2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab, da die Antragstellerin nach eigenen Angaben nicht erwerbsfähig
sei. Daraufhin wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 15. August 2017 erneut an den Antragsgegner und bat um Korrektur
ihres Antrages dahingehend, dass sie entgegen den bisherigen Angaben gesundheitlich in der Lage sei, eine Tätigkeit von mindestens
drei Stunden täglich auszuüben. Sie sei an dem Tag der Antragstellung krankgeschrieben gewesen und habe diesen Punkt daher
missverstanden. Natürlich werde sie wieder arbeiten können, wenn sie gesund geschrieben sei. Daraufhin bewilligte der Antragsgegner
dieser mit Bescheid vom 31. August 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. September 2017 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts für die Monate Juli bis Dezember 2017.
Mitte August 2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 25. Oktober 2017 abgelehnt. Der Rentenversicherungsträger führte im Bescheid aus, es liege
weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.
Mit Bescheid vom 13. November 2017 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen für den Zeitraum Januar bis
Dezember 2018 i.H.v. 836,65 € monatlich. Berücksichtigt wurden der Regelbedarf i.H.v. 409,- €, die Grundmiete i.H.v. 342,26
€ sowie die Nebenkosten i.H.v. 85,39 €. Eine Einkommensanrechnung fand nicht statt. Mit Änderungsbescheid vom 25. November
2017 berücksichtigte der Antragsgegner die Erhöhung des Regelbedarfes auf 416,- €, so dass nunmehr Leistungen i.H.v. 843,65
€ monatlich gewährt wurden.
Mit Schreiben vom 13. November 2017 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die monatlichen Kosten der
Unterkunft (Summe aus Grundmiete und kalten Betriebskosten) unangemessen hoch seien. Angemessen sei ein monatlicher Betrag
von 289,- €. Tatsächlich würden jedoch 427,65 € anfallen, so dass die tatsächlichen Kosten den angemessenen Betrag um 138,65
€ monatlich übersteigen würden. Der Antragstellerin wurde die Möglichkeit gegeben, Gründe vorzutragen, die aus ihrer Sicht
eine Übernahme der unangemessenen Kosten rechtfertigen würden bzw. die gegen einen Umzug in eine andere (angemessene) Wohnung
sprechen würden.
Hierzu nahm die Antragstellerin wie folgt Stellung: Wegen ihrer Gehbehinderung benötige sie eine Wohnung im Erdgeschoss. Zudem
solle die neue Wohnung Nähe zu dem behandelnden Arzt, dem Busbahnhof sowie zum Marktplatz aufweisen. Die Antragstellerin reichte
die Bescheinigung ihrer behandelnden Ärztin Frau Dr. med. … (Internistin) mit folgendem Inhalt ein: „Aus gesundheitlichen
Gründen ist ein Wohnungswechsel ausgeschlossen.“
Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin auf, weiter vorzutragen. Laut Bescheid des Rentenversicherungsträgers liege
keine Erwerbsunfähigkeit vor. Aus der Bescheinigung des Hausarztes ergebe sich nicht, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen
ein Umzug unmöglich sei. Hierzu führte die Klägerin am 19. Dezember 2017 aus, sie habe gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers
Widerspruch eingelegt. Ihre Rückenprobleme würden auch nach Beendigung der Krankschreibung anhalten. Zudem habe sie eine angeborene
Halbseitenlähmung, die es nötig mache, im Erdgeschoss zu wohnen. Außerdem leide sie seit 2009 nach einem Burn-Out unter unvorhersehbar
auftretenden Drehschwindel-Attacken, die durch Überlastung und (positiven wie auch negativen) Stress auftreten würden. Da
sich alle drei Probleme gegenseitig beeinflussen würden und ihre gesundheitliche Situation damit instabil sei, bitte sie,
den Zustand so beizubehalten. Derzeit fühle sie sich fähig dazu, sich zu bewerben, um dadurch ihre finanzielle Situation zu
verbessern, zumal bei einer Wohnung in einem größeren Miethaus, wie es in A-Stadt üblich sei, permanenter Stress durch Lärm
von Nachbarn oder von der Straße zu erwarten sei. Die Antragstellerin fügte ihren Widerspruch gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers
sowie den Bescheid des Versorgungsamtes vom 28. Juni 2017 über die Feststellung des Grades der Behinderung von 40 bei.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2018 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, die Prüfung, ob die Aufwendungen für die
Unterkunft angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien, hätte alle Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt. Die Kosten der Unterkunft seien unangemessen hoch und würden
ab dem 1. Juni 2018 auf die Angemessenheit gekürzt werden. Die Antragstellerin werde daher ab dem 1. Juni 2018 monatlich 289,-
€ für die Grundmiete und die Nebenkosten erhalten. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid
vom 12. Februar 2018 als unzulässig verworfen wurde.
Der Antragsgegner erstellte folgende Vermerke: Am 21. Februar 2018: „im jetzigen Wohnhaus muss die Kundin eine Treppe steigen,
um in die Wohnung zu kommen alternativ wäre somit auch eine angemessene Mietwohnung in der 1. Etage möglich“; am 10. April
2018 sowie am 15. Mai 2018 vermerkte der Antragsgegner, dass angemessener Wohnraum in der 1. Etage vorhanden wäre.
Ende Januar 2018 reichte die Antragstellerin die aktuelle Heizkostenabrechnung ein, wonach nunmehr monatliche Abschläge von
78,- € zu zahlen waren. Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin die Übernahme einer Pauschale für die Stromkosten, da
die Gasheizung mit Strom betrieben werde. Mit Bescheid vom 8. Februar 2018 hat der Antragsgegner für den hier streitgegenständlichen
Zeitraum Leistungen nunmehr i.H.v. 921,65 € monatlich bewilligt. Berücksichtigt wurden im Rahmen der Kosten der Unterkunft
und Heizung eine Grundmiete von 342,26 €, Nebenkosten von 85,39 € sowie Heizkosten von 78,- €. Mit weiterem Änderungsbescheid
vom 21. Februar 2018 bewilligte der Beklagte Leistungen i.H.v. 925,55 € monatlich fest, wobei nunmehr zusätzlich auch Stromkosten
i.H.v. 3,90 € monatlich Berücksichtigung fanden.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2018 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass mit dem Informationsschreiben
noch keine Entscheidung erfolgt sei, sondern lediglich eine Mitteilung zu einem Berechnungselement. Die Antragstellerin solle
sich um angemessenen Wohnraum bemühen, da solcher zumindest in der 1. Etage zur Verfügung stehe.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2018 hob der Antragsgegner seine Bewilligungsentscheidung für die Monate Juni bis Dezember i.H.v.
138,65 € auf. Er nahm Bezug auf das Anhörungsschreiben vom 13. November 2017 und das Informationsschreiben vom 16. Januar
2018. Die Entscheidung sei mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten
sei (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Gleichzeitig hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der Unangemessenheit der Heizkosten an.
Am 23. Mai 2018 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den ergangenen Aufhebungsbescheid ein. Sie habe auf das Anhörungsschreiben
vom 13. November 2017 vollumfänglich und fristgerecht geantwortet. Der Antragsgegner sei auf keinen ihrer Beweise eingegangen.
Am 25. Juni 2018 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Neubrandenburg
gestellt. Während der REHA-Maßnahme im April / Mai 2017 habe sich ihr Gesundheitszustand durch einen Bandscheibenvorfall verschlechtert,
der in der psychosomatischen Einrichtung nicht erkannt worden sei. Die Wechselwirkung zwischen dem alten Arthroseleiden im
Rücken und dem Bandscheibenvorfall sei nicht richtig therapierbar und dauere bis heute an. Als die Diagnose noch nicht klar
bekannt gewesen sei, sei sie krankgeschrieben worden, um auch der Gefahr einer eventuellen weiteren Verschlimmerung vorzubeugen.
Der Antragsgegner akzeptiere ihre gesundheitliche Situation und ihre Schwerbehinderung nicht und auch nicht die Tatsache,
dass sie nicht voll arbeiten könne, weil die Wechselwirkungen zwischen den Fußproblemen (Weg zur Arbeit), Rückenproblemen
(Sitzen während der Arbeit) und Drehschwindelattacken, die keine Aktivitäten planbar machen würden, dies verhindern würden.
Stattdessen werde sie mit Repressalien belegt, die sie psychisch weiter schwächen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antragsgegner zu verurteilen, rückwirkend und weiterhin fortlaufend ihr die am 8. Februar 2018 bewilligten Mietzuschüsse
und Heizkostenzuschüsse zu bezahlen, zumindest bis die Entscheidung bezüglich des Antrages auf EU-Rente (S 10 R 92/18) entschieden ist.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, die Antragstellerin sei über die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft informiert
und aufgefordert worden, diese zu senken. Mit Schreiben vom 16. Januar 2018 und 23. Januar 2018 sei der Antragstellerin mitgeteilt
worden, dass die nachgewiesenen gesundheitlichen Einschränkungen keine Unzumutbarkeit des Umzuges begründen würden. Jedenfalls
ein Umzug in eine in der 1. Etage gelegene Wohnung sei zumutbar. Eine Vermieteranfrage in A-Stadt habe ergeben, dass entsprechender
angemessener Wohnraum zur Verfügung stehe. Dies sei der Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Februar 2018 und zuletzt mit
dem Aufhebungsbescheid vom 17. Mai 2018 auch mitgeteilt worden. Eine Berücksichtigung unangemessener Kosten der Unterkunft
über den Monat Mai 2018 hinaus komme daher nicht in Betracht.
Mit Beschluss vom 14. Juni 2018 hat das Sozialgericht Neubrandenburg (SG) den Antrag abgelehnt. Statthaft sei hinsichtlich des Aufhebungsbescheides vom 17. Mai 2018 ein Antrag auf Herstellung der
aufschiebenden Wirkung. Die Entscheidung hierüber erfolge aufgrund einer Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers,
von der Vollziehung der Verfügung vorläufig verschont zu bleiben, und dem Vollziehungsinteresse der Verwaltung. Nach diesen
Maßstäben gehe die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Für eine auf Ausnahmefälle beschränkte Abweichung
vom Regelfall der sofortigen Vollziehung bestehe in Ansehung der gesamten Umstände des Einzelfalls kein Anlass, da nach summarischer
Prüfung zum Zeitpunkt der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der angefochtene Bescheid vom 17. Mai 2018 sich
nicht als offensichtlich rechtswidrig erweise und der Widerspruch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur
Aufhebung des Verwaltungsaktes führen werde. Es sei bereits zweifelhaft, ob ein Leistungsanspruch überhaupt bestehe. Das Vorliegen
einer Erwerbsfähigkeit sei bedenklich. Doch selbst wenn man von einer Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin ausgehe, sei dem
Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz der Erfolg versagt. Mit dem streitgegenständlichen Aufhebungsbescheid habe der Antragsgegner
die tatsächliche Bruttokaltmiete auf den entsprechenden Angemessenheitswert nach der Richtlinie des Landkreises Mecklenburgische
Seenplatte gekappt. Diese Entscheidung, die ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II finde, sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Ein ordnungsgemäßes Kostensenkungsverfahren sei durchgeführt worden. Der Antragstellerin
sei eine Kostensenkung auch nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen. Sie habe zwar eine ärztliche Bescheinigung eingereicht.
Die Antragstellerin berufe sich selbst zur Begründung der Unzumutbarkeit des Umzuges auf orthopädische und psychische Gesundheitsstörungen,
also keine Störungen, die in das Fachgebiet einer Internistin fallen. Auch habe sie, nachdem der Antragsgegner völlig zu Recht
eine Konkretisierung dieser von der Internistin pauschal genannten gesundheitlichen Gründe gefordert habe, eine derartige
Konkretisierung nicht vorgelegt. Angemessener Wohnraum stehe zur Verfügung. Ergänzend sei anzumerken, dass sämtliche Straßen
in A-Stadt, in denen angemessener Wohnraum vorhanden sei, eine hinreichend zentrale Lage besitzen würden, die der Antragstellerin
auch unter Berücksichtigung der behaupteten Gehbehinderung adäquate Einkaufsmöglichkeiten und Infrastruktur bieten würden.
Im Übrigen sei der Antragstellerin ein Merkzeichen G nicht zuerkannt worden. Die Kappung der Bruttokaltmiete auf den einschlägigen
Angemessenheitswert der aktuellen KdU-Richtlinie begründe ebenfalls keine Erfolgsaussicht des Eilantrages.
Am 25. Juni 2018 hat die Antragstellerin form- und fristgerecht Beschwerde eingereicht. Sie trägt vor, nunmehr einen Grad
der Behinderung von 60 zu haben. Auch sei das Merkzeichen G zuerkannt worden. Im Übrigen sei gegen die Ablehnung des Antrages
auf Erwerbsunfähigkeitsrente Widerspruch und inzwischen auch Klage eingereicht worden. Sie habe mehrmals zu der Unmöglichkeit
bzw. Unzumutbarkeit des Umzuges vorgetragen. Der Antragsgegner habe bisher alles ignoriert und nur mit pauschalen Aussagen
geantwortet. Und dies, obwohl ihrerseits alle geforderten Nachweise eingereicht worden seien. Im Übrigen habe sie zu ihrer
Wohnung derzeit 4-5 Stufen zu steigen. Dies sei mit einer Treppe in die 1. Etage nicht zu vergleichen. Abgesehen davon könne
sie ihr Fahrrad in einem Schuppen auf dem Hof unterbringen. In einem normalen Mietshaus wäre die Fahrradunterbringung nur
im Keller möglich. Da sie beim Einkaufen auf ihr Fahrrad angewiesen sei, wäre damit zusätzliche Belastung für sie verbunden.
Ein Umzug wäre unwirtschaftlich und würde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen. Zu beachten wäre auch, dass sie
nur deshalb SGB II – Leistungen beziehe, da das Verfahren in Bezug auf die Erwerbsunfähigkeitsrente noch nicht abgeschlossen sei.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 14. Juni 2018 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, rückwirkend
und weiterhin fortlaufend ihr die am 8. Februar 2018 bewilligten Mietzuschüsse und Heizkostenzuschüsse zu bezahlen, zumindest
bis die Entscheidung bzgl. des Antrags auf EU-Rente entschieden ist.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner bezieht sich in der Begründung auf die angefochtene Entscheidung. Ergänzend verweist der Antragsgegner auf
die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10. September 2013 (B 4 AS 77/12 R). Rechtsgrundlage sei – wie auch im Widerspruchsbescheid ausgeführt - § 48 SGB X. Denn es liege nahe, bei der Umsetzung der angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen
Verhältnisse auszugehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2018 hat der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin gegen den streitgegenständlichen
Bescheid als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 31. August 2018 Klage eingereicht.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug
genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem tenorierten Umfang begründet.
Die Antragstellerin begehrt die Weitergewährung von tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung „rückwirkend und weiterhin
fortlaufend“, zumindest bis zur Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente. Dieser Antrag ist
zunächst – wie vom SG zutreffend ausgeführt – als ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom
17. Mai 2018 bezüglich des Zeitraums Juli bis Dezember 2018 zu verstehen. Soweit die Antragstellerin auch eine Anordnung in
Bezug auf den Zeitraum ab Januar 2019 und bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens S 10 R 92/18 SG NB begehrt, so fehlt diesbezüglich das Rechtsschutzbedürfnis, so dass der Antrag insoweit abzulehnen war.
In Bezug auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Mai 2018 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2018 hat der Antrag dagegen Erfolg. Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen,
kann das Gericht gemäß §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Nach §
86a Abs.
2 Nr.
4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. In diesen
Fällen ist die erlassende Behörde von der ihr grundsätzlich gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG obliegenden Pflicht, das öffentliche Interesse der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen, entbunden.
Gemäß § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt,
keine aufschiebende Wirkung, so dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft ist.
Der Prüfungsmaßstab für die gerichtliche Entscheidung gemäß §
86 b Abs.
1 Nr.
2 SGG ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ist eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des §
86 a Abs.
2 Nr.
1 SGG geboten. Das Gericht hat demnach aufgrund einer Interessenabwägung zu entscheiden. Dabei ist die gesetzlich bestimmte Vollziehungsanordnung
dann gerechtfertigt, wenn eine umfassende Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange ergibt, dass der Widerspruch bzw.
die Klage offensichtlich keine Erfolgsaussicht gegen die angegriffene Verwaltungsentscheidung hat. Ein überwiegendes öffentliches
Interesse an der sofortigen Vollziehung ist dann anzunehmen, wenn sich die fehlenden Erfolgsaussichten hinreichend sicher
beurteilen lassen. Demgegenüber ist dem Interesse des Bürgers an einer aufschiebenden Wirkung dann Vorrang zu geben, wenn
durchgreifende Zweifel an der materiellen und formellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen belastenden Verwaltungsaktes vorliegen.
Lassen sich allerdings die Erfolgsaussichten nicht hinreichend klar beurteilen, sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten
des Rechtsmittels umso geringer, je schwerer der Eingriff wirkt oder je schwerer seine Folgen rückgängig gemacht werden können
(vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §86b Rn. 12 e-f).
Die unter Berücksichtigung der o.g. Grundsätze vorgenommene Interessenabwägung geht in Bezug auf den streitgegenständlichen
Zeitraum Juni bis Dezember 2018 zu Gunsten der Antragstellerin aus. Denn es bestehen durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angefochtenen Bescheides.
Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung bildet nicht § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X. Denn der aufgehobene Bewilligungsbescheid vom 21. Februar 2018 war im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum
von Anfang an rechtswidrig, wobei die Antragstellerin rechtswidrig begünstigt wurde. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass
eine Absenkung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung erst durch aktives Handeln des Leistungsträgers erfolgt, wobei
dieser einen gewissen Gestaltungsspielraum, insbesondere bezogen auf den Zeitpunkt der Leistungsabsenkung, hat. Soweit der
Antragsgegner auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10. September 2013 verweist und ausführt, die Absenkung der
angekündigten Leistung stelle eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse dar, so dass § 48 SGB X anwendbar wäre, so ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das BSG sich hierzu gerade nicht eindeutig positioniert hat, da die Thematik nicht Gegenstand des dortigen Revisionsverfahrens war.
Im Übrigen bezieht sich die zitierte Entscheidung auf den Bewilligungszeitraum 2008. Zum 1. August 2016 wurde § 41 Abs. 3 SGB II eingeführt. Danach ist über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Regel für ein Jahr zu entscheiden
(Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll jedoch insbesondere dann regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden,
wenn u.a. die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind, § 41 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Der abweichende Bewilligungszeitraum von 6 statt 12 Monaten entspricht der Übergangsfrist i.S.d. § 22 SGB II und ermöglicht eine eingehende Prüfung, ohne eine Entscheidung über den Folgezeitraum, in dem die Absenkung der Leistungen
erfolgen soll, treffen zu müssen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Bescheid vom 13. November 2017 erstmals Leistungen
für das gesamte Jahr 2018 bewilligt, obwohl er die Antragstellerin mit Schreiben vom selben Datum zu der Unangemessenheit
der Kosten der Unterkunft angehört hat. Zudem erließ der Antragsgegner zuletzt am 22. Februar 2018 einen Änderungsbescheid
für den gesamten Bewilligungszeitraum, und zwar unter Berücksichtigung der tatsächlichen (und nicht der angemessenen) Kosten
der Unterkunft und Heizung, obwohl er spätestens im Januar 2018 beschlossen hatte, ab Juni 2018 nur noch die angemessenen
Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Bewilligt der Leistungsträger ungekürzte Leistungen für das gesamte Jahr, obwohl
er im laufenden Bewilligungsabschnitt eine Kürzung der Kosten der Unterkunft bzw. der Heizung beabsichtigt, muss er sich –
wenn er die Möglichkeit des § 41 Abs. 3 Nr. 2 SGB II nicht nutzt bzw. die beabsichtigte Kürzung nicht bereits im Bewilligungsbescheid umsetzt - bei der späteren Umsetzung der
Absenkung der Kosten der Unterkunft auf Angemessenheit § 45 SGB X entgegenhalten, wobei eine Aufhebung dann nur unter Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten möglich ist. Dies
gilt gerade unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Leistungsträger den Zeitpunkt der Umsetzung der Leistungsabsenkung
bestimmen kann.
Die Antragstellerin kann sich auf Vertrauen berufen. Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand
vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen
kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er u.a. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober
Fahrlässigkeit nicht kannte. Die Antragstellerin konnte nicht von der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 21.
Februar 2018 ausgehen. Zwar hat der Antragsgegner mit Informationsschreiben vom 16. Januar 2018 mitgeteilt, er werde die Kosten
der Unterkunft ab Juni 2018 auf den Angemessenheitswert nach der KdU-Richtlinie absenken. Den hiergegen eingelegten Widerspruch
hat der Antragsgegner noch vor Erlass des letzten Bewilligungsbescheides als unzulässig verworfen. Am 23. Februar 2018 und
damit nach dem Erlass des Bewilligungsbescheides vom 21. Februar 2018, hat der Antragsgegner der Antragstellerin mitgeteilt,
mit dem Schreiben vom 16. Januar 2018 sei keine Entscheidung erfolgt. Die vorgetragenen Gründe würden zwar nicht ausreichen.
Die Vorankündigung der Leistungsabsenkung solle jedoch den Leistungsempfängern ermöglichen, bis zur tatsächlichen Kappung
zur Senkung der Kosten beizutragen. Es wurden sodann die Möglichkeiten einer Kostensenkung dargestellt. Eine Übernahme von
unangemessenen Kosten der Unterkunft über einen Zeitraum von 6 Monaten komme nur dann in Frage, wenn kein geeigneter angemessener
Wohnraum zur Verfügung stehe. Damit konnte die Antragstellerin – zumindest bei Beurteilung des hiesigen Falls unter Berücksichtigung
der oben dargestellten Grundsätze der Interessenabwägung und vorbehaltlich des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung
im Hauptsacheverfahren – nach den Gesamtumständen des Falls durchaus davon ausgehen, dass diesbezüglich gerade noch keine
Entscheidung getroffen wurde. Im Übrigen wird dies dadurch bestätigt, dass die Antragstellerin mehrmals und auch im Eilverfahren
vorgetragen hat, die von ihr vorgetragenen Gründe hätten keine ausreichende Berücksichtigung gefunden.
Nach alledem war dem Antrag hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den
Aufhebungsbescheid vom 17. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2018 stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Entscheidung über Kostenerstattung trifft das Gericht nach Ermessen und ohne Rücksicht auf die Anträge der Beteiligten.
Dabei müssen alle Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung finden. Auch obsiegender Beteiligter kann nach dem Veranlassungsprinzip
zur Kostenerstattung verurteilt werden (vgl. etwa LSG SH in NZS 1997, 392). Der Antrag hatte zwar in Bezug auf die weitere Anordnung über den Dezember 2018 hinaus keinen Erfolg. Hierbei handelt es
sich lediglich um geringes Obsiegen des Antragsgegners. Denn vorrangig ging es der Antragstellerin um die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung, wie sich auch aus der Bezeichnung der Beschwerdeschrift vom 25. Juni 2018 ergibt. Daher konnten dem Antragsgegner
die Kosten in voller Höhe auferlegt werden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.